Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung - unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teils - zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf die periodische Druckschrift 'E*****' ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten, dass eine bestimmte Anzahl von Anzeigen - insbesondere betreffend Immobilien- und Motormarktanzeigen - veröffentlicht wird, wenn tatsächlich nur eine geringere Anzahl an Anzeigen als angegeben veröffentlicht wird.
2. Die klagende Partei wird ermächtigt, den Urteilsspruch in den Punkten Unterlassung und Urteilsveröffentlichung in Fettdruckumrandung und unter der fett geschriebenen Überschrift 'Im Namen der Republik' sowie mit gesperrt und fett geschriebenen Prozessparteien und Parteienvertretern und sonst in Normallettern und mit normalem Zeilen- und Textabstand in zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben der periodischen Druckschrift 'E*****' auf der Titelseite in deren oberen Bereich (ober Bug) auf Kosten der beklagten Partei veröffentlichen zu lassen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 16.864,46 EUR (darin 1.860,41 EUR USt und 5.702 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Medieninhaberin einer Kauf-Tageszeitung mit Hauptverbreitungsgebiet in Tirol. Sie veröffentlicht bezahlte Anzeigen Dritter, die sich an potentielle Kunden insbesondere im Raum Tirol wenden. In den Wochenendausgaben findet sich ein spezieller Stellenmarkt-, Immobilien- und Motorteil.
Die Beklagte ist Medieninhaberin einer wöchentlich in Nordtirol erscheinenden Publikation, in der vorwiegend Anzeigen - auch in den oben genannten Sparten - enthalten sind. Die Publikation der Beklagten wird überwiegend gratis abgegeben und nur zum kleinen Teil in Trafiken verkauft. Die aktuelle Auflage beträgt gesamt 262.000. Davon werden 260.000 Stück per Post gratis an Haushalte in Nordtirol versandt. 1.800 Stück gehen im Direktversand an AMS, Schulen und sonstige Einrichtungen; auch diese Exemplare sind gratis. Weitere 200 Stück liegen in Trafiken zum Verkauf bereit; tatsächlich werden rund 100 Stück verkauft. Der Verkaufspreis liegt bei 50 Cent. Die Geschäftsstrategie der Beklagten ist nicht darauf ausgerichtet, Exemplare entgeltlich zu vertreiben; der Vertrieb über Trafiken erfolgt aus Gründen der Marktpräsenz.
Die Beklagte wirbt jeweils auf der Titelseite, optisch hervorgehoben, mit der Anzahl der in der Ausgabe ihrer Publikation enthaltenen Anzeigen (zB „Heute mit … 65 Stellenangeboten ... 200 Motorangeboten … 500 Immobilienangeboten ...“). Die Zahlen der tatsächlich eingeschalteten Inserate waren über mehrere Ausgaben hinweg durchwegs niedriger, und zwar auch unter Berücksichtigung, dass in einem Inserat mehrere Angebote enthalten waren. So wurden etwa 500 statt 481, 550 statt 538, 500 statt 443, 520 statt 496 und 350 statt 325 Immobilienangebote angekündigt.
Die Klägerin begehrt, die Beklagte für schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf ihre Druckschrift ausdrücklich oder sinngemäß zu behaupten, dass eine bestimmte Anzahl von Anzeigen veröffentlicht wird, wenn dies tatsächlich nicht zutrifft, sowie die Urteilsveröffentlichung auf der Titelseite von zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschrift der Beklagten. Die Ankündigung der Beklagten rufe bei Inserenten und Interessierten die Erwartung hervor, dass sich die tatsächlich angegebene Zahl an Inseraten in der jeweiligen Rubrik finde. Die Ankündigung sei daher geeignet, Konsumenten in die Irre zu führen. Diese würden sich aufgrund der unzutreffend hohen Anzahl an beworbenen Inseraten eher mit dem Rubrikenmarkt der Beklagten auseinandersetzen. Inserenten würden dazu verleitet, in der Publikation der Beklagten zu inserieren, weil sie sich durch die Größe der Plattform Vorteile erhofften.
Die Beklagte wendete ein, die geringere Anzahl an Immobilien- und Autoinseraten bzw -angeboten als jene, die auf der ersten Seite ihrer Publikation aufscheine, sei auf Aufrundungen und einen internen Fehler im Computerprogramm zurückzuführen. Abgesehen davon seien auf der Titelseite „Angebote“ ausgewiesen und nicht „Inserate“. In einem Inserat könnten mehrere Angebote enthalten sein. Die Ankündigung sei nicht geeignet, zu einer nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu führen. Bei der Publikation der Beklagten handle es sich zum ganz überwiegenden Teil um eine Gratiszeitung. Eine Beeinflussung der Konsumenten in ihrer Kaufentscheidung sei daher nicht denkbar. Somit spiele die am Titelblatt angegebene Anzahl von Angeboten auch für die Inserenten keine Rolle.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die unrichtige Angabe über die Inseratenanzahl sei grundsätzlich zur Irreführung geeignet. Die Täuschung sei für die Leser aber nicht relevant, weil die Zeitung zum ganz überwiegenden Teil gratis verteilt werde; die Kaufauflage sei vernachlässigbar. Aber auch für Inserenten sei nicht maßgeblich, wie viele Inserate tatsächlich geschaltet seien, weil es auf den Leserkreis ankomme, der durch die Gratis-Verteilung an alle Haushalte Nordtirols sichergestellt werde. Es fehle somit insgesamt an der Relevanz.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin insofern Folge, als es das Unterlassungsgebot im Umfang der (geringfügigen) Kaufauflage erließ, das Mehrbegehren (betreffend die überwiegende Gratisauflage) sowie das Veröffentlichungsbegehren aber abwies. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im B2C-Bereich reiche nach der Rechtsprechung bereits die Eignung, das Entscheidungsverhalten auch nur eines einzigen Verbrauchers zu beeinflussen, sodass die Irreführung bezüglich der Kaufauflage sehr wohl relevant sei. Hinsichtlich der Inserenten habe das Erstgericht die Relevanz jedoch zu Recht verneint, weil die 100 verkauften (200 in Trafiken feilgebotenen) Exemplare gegenüber den 260.000 an alle Haushalte Nordtirols versandten keinen eigenständigen Werbemarkt darstellen würden. Im Hinblick auf den geringen Erfolg des Unterlassungsbegehrens sei das Veröffentlichungsbegehren mangels schutzwürdigen Interesses bzw Aufklärungserfordernisses nicht berechtigt.
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem Abänderungs-, in eventu Aufhebungsantrag. Das Berufungsgericht habe tragende verfahrensrechtliche Grundsätze missachtet, indem es ohne Vorbringen, Feststellung oder Beweisergänzung davon ausgegangen sei, dass die beteiligten Verkehrskreise wüssten, wie viele (wenige) Publikationen der Beklagten entgeltlich abgesetzt würden. Die Frage, ob eine solche - unzutreffende - Inseratenwerbung bei einer überwiegend gratis verteilten Publikation wettbewerbswidrig sei, sei zudem über den Anlassfall hinaus bedeutsam. Auch habe sich der Oberste Gerichtshof bis dato lediglich mit der Frage der Anwendbarkeit der Spürbarkeitsschwelle des § 1 Abs 1 Z 2 UWG iVm § 2 UWG beschäftigt, nicht aber, wie deren Verhältnis in § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu § 2 UWG im B2B-Bereich zu beurteilen sei. Die Spürbarkeit bzw Relevanz sei aber in beiden Bereichen bei § 2 UWG nicht maßgeblich. Letztlich sei die Berufungsentscheidung auch grob unrichtig: Für Inserenten sei die Zahl der tatsächlichen Inserate und damit auch die Größe und Bedeutung der Zeitung sehr wohl wichtig und damit eine wesentliche Produkteigenschaft, was wiederum die Eignung, sich auf die geschäftliche Entscheidung der Angesprochenen auszuwirken, indiziere. Systematisch unrichtige Werbung begründe auch eine Unlauterkeit nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG, weil daraus eine nicht nur unerhebliche Nachfrageverlagerung zu erwarten sei. Schließlich würden wegen der systematischen Begehung auch „bloß“ 100 verkaufte Exemplare eine Urteilsveröffentlichung rechtfertigen.
Die Beklagte beantragte, die Revision zurück- bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1.1. Gemäß § 2 Abs 1 Z 2 UWG gilt eine Geschäftspraktik als irreführend, wenn sie unrichtige Angaben enthält oder sonst geeignet ist, einen Marktteilnehmer in Bezug auf das Produkt über die wesentlichen Merkmale des Produkts ... derart zu täuschen, dass er dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
1.2. Gemäß § 1 Abs 4 Z 7 UWG ist eine „geschäftliche Entscheidung eines Verbrauchers“ jede Entscheidung dessen darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen.
2.1. Gegen § 2 UWG wird erst dann verstoßen, wenn eine Angabe geeignet ist, den Kaufentschluss zu beeinflussen. Dies setzt voraus, dass der Geschäftsverkehr eine Angabe als wesentlich ansieht und sich deshalb bei Unrichtigkeit dieser Behauptung getäuscht glaubt. Zwischen den Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise und dem Entschluss, sich mit dem Angebot näher zu befassen, insbesondere zu kaufen, muss also ein innerer Zusammenhang bestehen. Die Relevanz der Irreführungseignung ist schon dann zu bejahen, wenn die unrichtige Angabe den Durchschnittsverbraucher dazu veranlassen kann, sich näher mit dem Angebot des Unternehmers zu befassen (4 Ob 76/11x).
2.2. Berührt eine Handlung, Unterlassung oder sonstige Verhaltensweise oder Erklärung eines Unternehmers - mag sie an sich auch gegen berufliche Sorgfaltspflichten verstoßen - abstrakt und nach objektiven Kriterien beurteilt das wirtschaftliche Verbraucherverhalten nicht und ist sie daher nicht geeignet, geschäftliche Entscheidungen eines Verbrauchers zu dessen Nachteil zu beeinflussen, so handelt es sich weder um eine unlautere Geschäftspraktik nach der Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG, noch um den Sonderfall einer irreführenden Geschäftspraktik nach § 2 UWG (4 Ob 186/08v).
2.3. Das Irreführungsverbot dient nicht nur dem Schutz der Marktgegenseite, sondern gleichermaßen auch dem des Mitbewerbers im Horizontalverhältnis (Anderl/Appl in Wiebe/G. Kodek, UWG § 2 Rz 15).
3.1. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Adressaten der Publikation der Beklagten durch die Fehlangaben über die Anzahl der Inserate zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
3.2. Der Empfänger der Gratiszeitung der Beklagten wird durch die Fehlangaben - ebenso wie der Erwerber eines Kaufexemplars - den in der jeweiligen Ausgabe enthaltenen Anzeigenteil für umfangreicher und bedeutender halten als er es tatsächlich ist. Je mehr Anzeigen ihm in Bezug auf das Medium der Beklagten vorgegeben werden, umso weniger wird er geneigt sein, sich (auch) der Zeitung der Klägerin zu bedienen, um deren Anzeigenmarkt zu studieren, das heißt umso weniger Anreiz besteht für den Konsumenten, die Zeitung der Klägerin zu kaufen. Die Konsumenten, und zwar nicht nur die Erwerber des Kaufexemplars, sondern auch die Empfänger der Gratiszeitung, werden daher durch die Fehlangaben über die Anzahl der Inserate zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die sie andernfalls nicht getroffen hätten.
3.3. In derselben Weise wie Empfänger und Käufer der Zeitung der Beklagten werden Inseratenkunden in ihrer Auswahlentscheidung beeinflusst: Je mehr Anzeigen die Beklagte schaltet bzw angibt zu schalten, desto attraktiver wird das Medium der Beklagten für Inseratenkunden und desto unattraktiver jenes der Klägerin. Es ist keineswegs zutreffend, dass für die Inseratenkunden bloß die Anzahl der verteilten Exemplare von Bedeutung ist. Ebenso von Bedeutung ist die Qualität des Mediums, in dem die Anzeige geschaltet wird. Dazu gehört auch das Ausmaß der publizierten Anzeigen: Zeitungen mit einer größeren Anzeigenzahl finden eine größere Resonanz beim Publikum und bringen damit dem Inseratenkunden eine größere Möglichkeit von Geschäftskontakten.
4. Anhaltspunkte dafür, dass die Fehlangaben der Beklagten nicht zur wesentlichen Beeinflussung eines durchschnittlichen Verbrauchers oder Inseratenkunden geeignet gewesen wären oder dass sie trotzdem den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt entsprochen hätten, sind nicht erkennbar (vgl 4 Ob 42/08t). Es ist daher davon auszugehen, dass die Fehlangaben geeignet sind, die Auswahlentscheidung der Konsumenten oder Inseratenkunden zwischen den Medien der Streitteile in relevanter Weise zu beeinflussen.
5. Dem Argument der Beklagten und des Berufungsgerichts, Durchschnittsverbraucher würden durch die irreführende Geschäftspraktik der Beklagten keinen Nachteil erleiden, weil bei einer Gratiszeitung (die sie ohnehin zugestellt erhielten) keine Beeinflussung zum Kaufentschluss denkbar sei, ist entgegen zu halten, dass es hier nicht allein um den Nachteil der Verbraucher geht, sondern um jenen der Klägerin. Wie bereits ausgeführt, dient ja das Irreführungsverbot nicht nur dem Schutz der Marktgegenseite, sondern auch dem des Mitbewerbers.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das beanstandete Verhalten der Beklagten als irreführende Geschäftspraktik im Sinn von § 2 Abs 1 Z 2 zu qualifizieren ist. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht daher zur Gänze zu Recht.
7.1. Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt davon ab, ob an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß ein schutzwürdiges Interesse besteht; diese Frage hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen (RIS-Justiz RS0079737). Wurde ein Gesetzesverstoß in einem bestimmten (periodisch erscheinenden) Medium begangen, wird nach dem Äquivalenzgrundsatz regelmäßig auf Veröffentlichung im selben Medium erkannt (Schmid in Wiebe/G. Kodek, UWG § 25 Rz 25 mwN). Hat ein Gesetzesverstoß breite Publizität erlangt, so kann zur Erzielung einer hinreichenden Aufklärungswahrscheinlichkeit eine mehrfache Veröffentlichung des Urteils in demselben Medium oder in verschiedenen Medien erfolgen (aaO Rz 27).
7.2. Im vorliegenden Fall liegt eine fortgesetzte Irreführung durch die Beklagte vor, welche somit breite Publizität erlangte. Die Urteilsveröffentlichung in zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Druckschrift der Beklagten ist daher angemessen.
8. Der Revision der Klägerin war somit Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen waren im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern.
Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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