OGH 4Ob203/15d

OGH4Ob203/15d17.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** KG, *****, vertreten durch HASLINGER/NAGELE & PARTNER RECHTSANWÄLTE GMBH in Linz, gegen die beklagte Partei H***** Kommanditgesellschaft, *****, vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, wegen Unterlassung (Streitwert 35.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. September 2015, GZ 2 R 148/15w‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00203.15D.1117.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Wie die angesprochenen Kreise eine Werbeaussage oder Ankündigung verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel ebenso wenig eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0107771; RS0043000; RS0053112) wie die Frage, ob eine andere Beurteilung der festgestellten Aussage vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0107768).

2. Bei der Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass weder fehlende Detailangaben über sogenannte„PrüfNach!Standards“, mit denen die beklagte Partei ihr „Bio-Mineralwasser“ bewarb, noch die unterlassene Anführung der unabhängigen akkreditierten Kontrollstelle, die die Einhaltung der Standards kontrolliert, einen Verstoß gegen § 2 Abs 4 UWG begründen, handelt es sich nicht um eine krasse Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS‑Justiz RS0107771; RS0043000 [T7]).

3.1 Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Ansicht hat sich der erkennende Senat mit der Bestimmung des § 2 Abs 4 UWG idF UWG‑Novelle 2007 (entspricht § 2 Abs 4 Z 1 UWG idF UWG‑Novelle 2015) bereits mehrfach beschäftigt (zB 4 Ob 163/08m ‑ aonTV [verschwiegene Zusatzkosten]; 4 Ob 188/08p [Risken von Wertpapieren]; 4 Ob 47/10f ‑ Jetzt kaufen [entstehende Kosten]; 4 Ob 179/10t ‑ Tageszeitung „Heute“ [Reichweitenangabe]; 4 Ob 15/13d ‑ Alles muss raus ‑ Totalabverkauf II [Benennung des verkaufenden Unternehmens]; zuletzt 4 Ob 107/15m [Preiswerbung]).

3.2 Welche Informationen dabei wesentlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (4 Ob 188/08p; 4 Ob 187/09t ‑ Elektrogeräte; 4 Ob 47/10f; 4 Ob 45/10m; RIS‑Justiz RS0078579 [T35]) und kann daher im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage begründen.

4.1 Die Vorinstanzen bewegten sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung, wonach es bei der Beurteilung einer Werbeaussage immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung ankommt (zB 4 Ob 233/10h ‑ Größte Gratis-Tageszeitung; 4 Ob 68/13y ‑ Sparen Sie jetzt 100).

4.2 Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls haben die Vorinstanzen das Vorenthalten wesentlicher Informationen und damit die Verletzung von Informationspflichten verneint, wobei sie unter anderem den Umstand berücksichtigten, dass die beklagte Partei auf die nur für sie bestimmte Entwicklung des „PrüfNach!Standards“ hinwies und auch über die konkreten Kriterien dieses Standards aufklärte. Die Vorinstanzen sind somit davon ausgegangen, dass dem Verbraucher gegenüber die maßgebenden Kriterien des „PrüfNach!Standards“ offengelegt wurden. Das dabei im Anlassfall gewonnene Ergebnis bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

5. Aufgrund der vertretbar verneinten Verletzung von Informationspflichten ist die im Rechtsmittel aufgeworfene Rechtsfrage, ob im Anwendungsbereich des § 2 Abs 4 UWG die konkrete Täuschungseignung der Irreführung geprüft werden müsse, für die Entscheidung nicht präjudiziell. Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus (RIS‑Justiz RS0088931 [T2]).

6. Auch mit ihren Hinweisen zum Maßstab bei Werbungen mit Bio‑Produkten zeigt die klagende Partei keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil sie ihr Unterlassungsbegehren weder darauf gestützt hat, dass das Mineralwasser der beklagten Partei nicht jene Eigenschaften aufweist, die Verbraucher gewöhnlich von einem Bio-Mineralwasser erwarten, noch darauf, dass die Anforderungen des „PrüfNach!Standards“ nicht erreicht würden. Aus diesem Grund musste auch nicht näher auf die zitierte Entscheidung des BGH (AZ I ZR 230/11 ‑ Biomineralwasser) eingegangen werden, weil in dieser (nur) geprüft wurde, ob ein als Bio-Mineralwasser bezeichnetes Produkt die vom Verkehr damit verbundenen Eigenschaften aufweist, nicht aber, welche wesentlichen Informationen der Verkäufer eines derartigen Mineralwassers erteilen muss.

Stichworte