OGH 1Ob139/15w

OGH1Ob139/15w27.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin H***** W*****, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Antragsgegner Ing. R***** W*****, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 19. Mai 2015, GZ 20 R 60/15m‑33, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 10. Februar 2015, GZ 16 Fam 25/14k‑24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00139.15W.0827.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der gerügte sekundäre Feststellungsmangel liegt nicht vor, traf doch das Erstgericht die Feststellung, es sei nicht feststellbar, dass die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft in das Einfamilienhaus getätigten Investitionen aus in die Ehe eingebrachten Ersparnissen der Antragstellerin stammten. Wurden zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen, mögen diese auch den Vorstellungen der Rechtsmittelwerberin zuwiderlaufen, kann der Vorwurf eines Feststellungsmangels nicht mehr erfolgreich erhoben werden (vgl RIS‑Justiz RS0043320 [T18]; RS0043480 [T15]; RS0053317 [T1]).

2. Eine Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat, ist nach § 82 Abs 2 EheG unter anderem dann in die nacheheliche Aufteilung einzubeziehen, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist. Die Ehewohnung fällt in die Aufteilungsmasse, wenn deren Weiterbenützung durch den anderen Teil für diesen eine Existenzfrage (wie zB eine drohende länger dauernde Obdachlosigkeit) bildet (RIS‑Justiz RS0058357 [T6]; RS0058370; RS0058382 [T1, T2]).

Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen für die Einbeziehung der Ehewohnung, die der Antragsgegner von seiner Mutter erbte, vertretbar verneint. Die Antragstellerin sei auf die Weiterbenützung des ehelichen Wohnhauses zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse nicht angewiesen, verfüge sie doch über ihr monatliches Einkommen als Angestellte und über Ersparnisse von ca 100.000 EUR, womit sie in der Lage sei, sich eine Wohnmöglichkeit selbst zu finanzieren. Überdies habe ihr der Antragsgegner eine 75 m² große Ersatzwohnung in unbefristeter Miete zu äußerst günstigen Konditionen angeboten. Mit dem Argument, dass sie die eheliche Liegenschaft seit vielen Jahren alleine benütze, zeigt die Antragstellerin nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 82 Abs 2 EheG für die Einbeziehung des Einfamilienhauses in die Aufteilung auf.

Billigkeitsüberlegungen sind für die Frage der Einbeziehung nicht relevant. Entsprechende Erwägungen könnten nur für die Frage bedeutsam sein, wie bei Bejahung der Einbeziehung der Ehewohnung vorzugehen ist (5 Ob 192/08h mwN). Ein ‑ im Gesetz ohnehin nicht positiviertes ‑ Optionsrecht (vgl dazu RIS‑Justiz RS0057387; RS0057523) der Antragstellerin als des schuldlos geschiedenen Teils führt ebenfalls nicht zur Einbeziehung des im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Wohnhauses in das Aufteilungsverfahren.

3. Von der Rechtsprechung, dass Wertsteigerungen einer eingebrachten oder geerbten Ehewohnung durch Investitionen während der ehelichen Lebensgemeinschaft angemessen zu berücksichtigen sind (RIS‑Justiz RS0057308; vgl RS0057363 [T2, T9]), sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Die Vorinstanzen haben die Wertsteigerung der Liegenschaft, die durch Leistungen beider Ehegatten bis zur Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erzielt wurde, in die Aufteilung einbezogen und der Antragstellerin dafür eine Ausgleichszahlung zuerkannt.

Der Oberste Gerichtshof hat für nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgenommene Liegenschaften bereits ausgesprochen, dass während der Ehe erzielte Wertsteigerungen nicht in die Aufteilungsmasse einzubeziehen sind, wenn diese auf die allgemeine Preisentwicklung und nicht auf gemeinsame Leistungen der Ehegatten zurückzuführen sind (RIS‑Justiz RS0057486 [T8, T9, T10]; zuletzt 1 Ob 46/13s). Die nicht auf Investitionen und Arbeitsleistungen der Ehegatten zurückzuführende Wertsteigerung der ehelichen Liegenschaft ist nicht als eheliche Errungenschaft anzusehen und daher ‑ wovon das Rekursgericht zutreffend ausging ‑ nicht in das Aufteilungsverfahren einzubeziehen. Sie beruht ‑ wie dem eingeholten Sachverständigengutachten zu entnehmen ist ‑ auf einer allgemeinen Preissteigerung der Liegenschaft.

4. Die Vorinstanzen berücksichtigten nicht die von der Antragstellerin nach dem Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Jahr 1995 in das Einfamilienhaus getätigten Investitionen und trafen dazu auch keine Feststellungen. Das Erstgericht führte dazu aus, zur Aufteilungsmasse gehörten grundsätzlich nur jene Vermögenswerte, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft von beiden Ehegatten gemeinsam angeschafft worden seien und zu deren Erwerb sie während der Ehe beigetragen hätten, also dasjenige, was die Ehegatten während der Ehe erarbeitet oder erspart hätten. Aufzuteilen seien nur die ehelichen Errungenschaften seit der Eheschließung bis zur Trennung im Jahr 1995. Das Rekursgericht argumentierte, dass zwischen der Auflösung der ehelichen (Lebens‑)Gemeinschaft und dem Zeitpunkt der Aufteilung von den Parteien getätigte Investitionen außer Betracht zu bleiben hätten. Mit dem Hinweis auf den Vorrang des Aufteilungsverfahrens (soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist) und auf dazu ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vermag die Antragstellerin nicht aufzuzeigen, dass ihre nach der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft getätigten Investitionen in die vom Antragsgegner geerbte und in seinem Alleineigentum stehende Liegenschaft in die nacheheliche Aufteilung einzubeziehen sind.

Gegenstand der Aufteilung ist dasjenige Vermögen, das die Ehegatten während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam geschaffen bzw zu dessen Erwerb sie gemeinsam beigetragen haben (§ 81 Abs 2 und 3 EheG; Stabentheiner in Rummel³ § 81 EheG Rz 1 mwN). Die von der Antragstellerin nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft getätigten Investitionen sind nach den allgemeinen, in der höchstgerichtlichen Judikatur zur Zugehörigkeit von Sachen zum Aufteilungsvermögen festgelegten Kriterien aus der Aufteilung auszuscheiden (RIS‑Justiz RS0057331 [T15]; RS0057349; RS0057486 [T6]). Der Aufteilung unterliegt die eheliche Errungenschaft. Dazu gehören nur wertsteigernde Aufwendungen während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft, somit Investitionen in die Aufteilungsmasse, nicht aber Investitionen in ein nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgenommenes Objekt nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Wenngleich die Antragstellerin im außerstreitigen Aufteilungsverfahren diesbezüglich keine Ausgleichs-ansprüche stellen kann, ist festzuhalten, dass durch die Ausklammerung der nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft von ihr getätigten Investitionen allfällige andere privatrechtliche Ansprüche gegen den Antragsgegner auf Rückerstattung von Mitteln, die seiner Vermögensbildung dienten, nicht präjudiziert werden.

5. Wenn die Antragstellerin bemängelt, die Vorinstanzen hätten nicht vollständig über ihre Aufteilungsanträge entschieden, weil über die Fahrnisse im ehelichen Haus nicht abgesprochen worden sei, übergeht sie die Außerstreitstellung in der Tagsatzung vom 15. 1. 2015, dass mit Ausnahme der Küche und eines Wohnzimmerschranks im Haus (diese wurden dem Antragsgegner zugesprochen) alle anderen dort befindlichen Gebrauchs‑ und Einrichtungsgegenstände sowie Fahrnisse in ihrem Eigentum stehen und nicht der Aufteilung unterliegen.

6. Zusammenfassend ist daher der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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