OGH 5Ob192/08h

OGH5Ob192/08h23.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der familienrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Edyta D*****, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien als bestellter Verfahrenshelfer, gegen den Antragsgegner Helmut D*****, vertreten durch Dr. Peter Paul Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 81 ff EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Juli 2008, GZ 43 R 453/08y‑131, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00192.08H.0923.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Regelung des § 81 Abs 2 EheG über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, wozu auch die Ehewohnung gehört und die nach den Grundsätzen des § 83 EheG, nämlich nach Billigkeit vorzunehmen ist, unterliegen zufolge § 82 EheG der Aufteilung grundsätzlich Sachen im Sinn des § 81 EheG nicht, wenn sie ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat. § 82 Abs 2 EheG normiert hinsichtlich der Ehewohnung, die ein Ehegatte in die Ehe eingebracht hat, eine Ausnahme von der Ausnahme dahin, dass sie nur dann in die Aufteilung einzubeziehen ist, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist oder wenn ein gemeinsames Kind an ihrer Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf hat.

Es entspricht höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass für die Frage, ob eine vom anderen Ehegatten stammende Ehewohnung in die Aufteilung einzubeziehen ist, nur diese Kriterien maßgeblich sind. Billigkeitsüberlegungen sind für die Frage der Einbeziehung nicht relevant. Entsprechende Erwägungen können nur für die Frage bedeutsam sein, wie bei Bejahung der Einbeziehung der Ehewohnung vorzugehen ist (vgl 5 Ob 20/05k = SZ 2005/68).

Die Vorinstanzen haben beide Voraussetzungen für die Einbeziehbarkeit der Ehewohnung verneint. Weder sei die Antragstellerin auf die Weiterbenützung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse angewiesen noch habe das gemeinsame Kind an der Weiterbenützung einen berücksichtigungswürdigen Bedarf.

Im außerordentlichen Revisionsrekurs wird ein „Angewiesen‑sein" der Antragstellerin an der Wohnung nicht mehr releviert. Zur Frage des berücksichtigungswürdigen Bedarfs des gemeinsamen 10‑jährigen Kindes wird nur mehr der Vorteil der Unentgeltlichkeit der im Haus (in dem die Ehewohnung liegt) vorhandenen Freizeiteinrichtungen hervorgehoben, welcher Umstand angesichts der finanziell angespannten Lebenssituation der Antragstellerin und des Älterwerdens des Kindes von besonderer Bedeutung sei.

Nun ist zwar ein berücksichtigungswürdiger Bedarf eines Kindes nicht erst dann zu bejahen, wenn durch einen Umzug das Kindeswohl gefährdet wäre (vgl Stabentheiner in Rummel3 Rz 14 zu § 82 EheG; SZ 2005/68), doch müssen hinreichende Gründe dafür vorliegen, dass das Verlassen der bisherigen Wohnung zumindest mit gewissen Beeinträchtigungen des Kindes im persönlichen und sozialen Lebensalltag verbunden wäre, die über die allgemeinen Nachteile eines Umzugs hinausgehen. Darunter wird im allgemeinen nach den Materialien zum EheRÄG 1999 verstanden, dass für das Kind mit einem Wohnungswechsel eine Belastung deshalb verbunden ist, weil es aus dem sozialen Umfeld, der Schule, dem Kindergarten oder sonst bisher gewohnten Lebensumständen herausgerissen wird oder eine gravierende Verschlechterung der Wohnsituation mit dem Umzug verbunden wäre (vgl Stabentheiner aaO; SZ 2005/68).

Bei Anwendung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs des „berücksichtigungswürdigen Bedarfs" des Kindes an der Ehewohnung ist den Gerichten ein Ermessensspielraum eingeräumt, der die Berücksichtigung einzelfallbezogener Umstände ermöglichen soll.

Wenn das Rekursgericht den Verlust von Freizeiteinrichtungen, die dem Kind bisher zur Verfügung standen, in Anbetracht einer ausreichenden Versorgung des neuen Umfelds mit solchen Einrichtungen als nicht so schwerwiegend angesehen hat, dass sich daraus ein berücksichtigungswürdiger Bedarf ergebe, liegt darin keine krasse Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre.

Der vom Revisionsrekurs hervorgehobene Vorteil der Unentgeltlichkeit der Einrichtungen ist in Wahrheit unbeachtlich, lasten doch die Betriebs- und Erhaltungskosten solcher Einrichtungen ohnedies auf den Mietern des betreffenden Hauses.

Damit liegen Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Antragstellerin zu führen.

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