Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Kläger und seine damalige Freundin, eine Mitarbeiterin der beklagten Partei, besuchten an deren freien Tag eine Arbeitskollegin in einer der Filialen der beklagten Partei. Diese Filiale, ein Bekleidungsgeschäft, ist in einem Fachmarktzentrum untergebracht. Der Kläger ging gemeinsam mit seiner Freundin und einer weiteren Angestellten durch den „Notausgang“, des Geschäftslokals hinaus, um eine Zigarette zu rauchen. Dieser Notausgang besteht aus einer zweiflügeligen Tür, die mit einer Schnalle zu öffnen ist. Von dort gelangt man, weil sich der Notausgang niveaumäßig nicht auf ebener Erde befindet, auf ein kleines Plateau im Ausmaß von ca zwei mal ein Meter. Davon führen linksseitig sieben Stufen hinunter. Das Plateau und die Stiegen sind durch ein Geländer abgesichert, welches aus drei Teilen besteht: einem Seitenteil, einem Mittelteil an der Längsseite des Plateaus und einem Teil der entlang der Stiege hinunterführt. Der Mittelteil kann geöffnet, aber auch fixiert werden. Der Kläger lehnte sich mit dem Rücken, abgestützt mit dem rechten Ellenbogen auf den Mittelteil, an, der zu diesem Zeitpunkt nicht fixiert war. Das Geländer ging dadurch wie „eine Tür“ auf und der Kläger stürzte mit dem Rücken voran hinunter.
Mit seiner Klage begehrt er Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für die daraus resultierende Verletzung.
Die beklagte Partei bestritt und brachte vor, der Kläger hätte den Notausgang nicht benützen und im Unfallbereich nicht rauchen dürfen. Sie selbst sei überdies nur Mieterin des Gebäudes und daher nicht für die Außenflächen verantwortlich. Es sei der Bereich auch von außen zugänglich, daher sei es möglich, dass jedermann das aushängbare Geländer entferne. Dem Kläger sei überdies ein Mitverschulden anzulasten, weil er sich, wie jedermann, der sich irgendwo anlehne, zuerst davon hätte überzeugen müssen, dass dies ungefährlich sei.
Das Erstgericht sprach ausgehend von den durch die Beiziehung eines Sachverständigen ermittelten Verletzungsfolgen den begehrten Schadenersatz von 9.000 EUR sA zu und gab auch dem Feststellungsbegehren statt. Es stützte den Zuspruch auf § 1319 ABGB und führte aus, diese Bestimmung gehe von einem weiten Begriff des „Werks“ aus. Es habe sich eine typische aus der Höhe (oder Tiefe) des Werks oder dessen Statik oder Dynamik ergebende Gefahr verwirklicht. Die beklagte Partei sei als Mieterin die Besitzerin (Halter) dieses Werks und als solche verpflichtet gewesen, diese Gefahr durch erforderliche Vorkehrungen abzuwenden. Der ihr obliegende Entlastungsbeweis sei ihr nicht gelungen. Der Kläger, der mit seiner Freundin und einer weiteren Mitarbeiterin, eine Zigarette rauchen gegangen sei, sei von niemandem aufgehalten oder darauf hingewiesen worden, dass er dort nicht hätte hinausgehen dürfen. Eine Person, die sich, wie der Kläger, an ein Geländer anlehnt, müsse nicht davon ausgehen, dass dieses wie eine Türe nach hinten aufgehe.
Der dagegen erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die beklagte Partei als Mieterin die Verfügungsmacht gehabt habe und daher zweifelsfrei für die Tatsache, dass das Geländer nicht ordnungsgemäß geschlossen gewesen sei, einzustehen habe. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 626/80 = SZ 53/143 ausgesprochen habe, dass für einen Schaden, der zwar durch ein mangelhaftes Werk herbeigeführt worden sei, aber weder durch Einsturz oder Ablösen von Teilen noch durch eine von der Höhe des Werks ausgehende Gefahr entstanden sei, § 1319 ABGB nicht angewendet werden könne. Daher erscheine im Lichte dieser Entscheidung die Frage, wie der Begriff Gebäude und Werk iSd § 1319 ABGB zu verstehen sei, nicht einheitlich gelöst und es fehle eine Entscheidung dazu, ob ein nicht verriegeltes Geländer unter die Norm des § 1319 ABGB zu subsumieren sei.
Die Revisionswerberin führt aus, dass das geschilderte Nachgeben eines Geländers nicht unter § 1319 ABGB zu subsumieren sei, auch wenn die Begriffe „Gebäude“ und „Werk“ des § 1319 ABGB im weitesten Sinne verstanden würden, und verweist dazu ebenfalls auf die schon vom Berufungsgericht angeführte Entscheidung 6 Ob 626/80.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger zeigt in der Revisionsbeantwortung zutreffend auf, dass entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO; RIS‑Justiz RS0042392) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts keine als erheblich anzusehende Rechtsfrage vorliegt:
1. Der Entscheidung 6 Ob 626/80 = SZ 53/143 lag der Sachverhalt zugrunde, dass die damals verletzte Klägerin versuchte, einen zur Absperrung einer Privatstraße angebrachten geschlossenen Schranken niederzudrücken, sich dabei bückte und ihr Kopf sich nur wenige Zentimeter über dem Schranken befand, als er aus der Halterung glitt, in die Höhe schnellte und die Klägerin von unten am Kinn traf. Den Schranken beurteilte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung zwar als „Werk“ iSd § 1319 ABGB, führte aber aus, dass die Vorschrift des § 1319 ABGB nicht auf jede Beschädigung durch einen mangelhaften Zustand eines Werks angewendet werden könne, weil sonst die Worte „durch Einsturz oder Ablösung von Teilen“ keinen Sinn hätten. Es sei daher die Einschränkung zu machen, dass der Schaden durch die auf der Höhe des Gebäudes oder des Werks beruhende Gefahr herbeigeführt worden sei. Dies sei etwa dann der Fall, wenn etwas aus der Höhe herabstürze und dadurch einen Schaden verursache, oder auch wenn der Geschädigte durch Sturz vom Gebäude oder Werk beschädigt worden sei.
Damit steht die Rechtsansicht der Vorinstanzen mit jener Entscheidung nicht im Widerspruch, ergab sich doch hier die Verletzung gerade aus der Höhe des nicht erdbodengleichen Plateaus. Von diesem stürzte der Kläger durch das Nachgeben des nicht fixierten Geländers hinunter. Damit verwirklichte sich ‑ wie schon das Erstgericht zutreffend erkannte ‑ eine typische Gefahr, die mit der Höhe eines Gebäudes einhergeht und gerade jene, vor der ein Geländer bewahren soll, nämlich vor einem Sturz in die Tiefe; dafür soll nach § 1319 ABGB gehaftet werden.
2. Der Begriff des „Werkes“ iSd § 1319 ABGB ist weit auszulegen (RIS‑Justiz RS0029880). Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre haftet der Halter eines Gebäudes oder Werks nach § 1319 ABGB dann, wenn sich eine aus der Statik und Dynamik des Werks ergebende Gefahr verwirklicht, die entgegen den berechtigten Erwartungen an die Sicherheit oder die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen eintritt (vgl 8 Ob 52/11x = RIS‑Justiz RS0029960 [T8]; Huber in Schwimann, ABGB ‑ TaKom² § 1319 Rz 2; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1319 ABGB Rz 2; Weixelbraun‑Mohr in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.02 § 1319 ABGB Rz 9; Danzl in KBB4 § 1319 ABGB Rz 1 mwN). Nach dem Gesetzeszweck sollten mit dem Begriff „Einsturz oder Ablösung“ auch alle anderen typischen Gefahren, die sich aus Statik und Dynamik eines Werks ergeben, umfasst werden (vgl 4 Ob 2334/96f ua; RIS‑Justiz RS0029932 [T11] und 2 Ob 90/98v ua; RIS‑Justiz RS0029932 [T16]).
Die Möglichkeit, eine vorgesehene Fixierung des Geländers auf der Längsseite des Plateaus zu lösen, diente im vorliegenden Fall offenbar von ihrer Konzeption her der Anlieferung von Ware in das Geschäftslokal, zu dem der Notausgang führt, und stellt sich in einem solchen Fall als eine Funktion, nicht als Mangel dar. Von einem Geländer kann aber typischerweise erwartet werden, dass es ‑ normalerweise ‑ vor einem Absturz bewahrt und daher fixiert ist. In vergleichbarer Weise wird dies etwa auch bei einer sich nach unten zu einem Kellerraum (oder nach oben zum Dachboden hin) öffnenden Falltür vorausgesetzt. Dass nach der Verkehrsauffassung der Kläger, der sich dorthin gemeinsam mit Angestellten der beklagten Partei begab, darauf vertrauen durfte, dass das Geländer fix und nicht beweglich sein werde und seiner üblichen Funktion, ihn vor einem Absturz zu schützen (so wie dies auch bei Balkonen und Terrassen üblich ist [vgl dazu 4 Ob 31/63 = SZ 36/103]), gerecht werden würde, erläuterte schon das Erstgericht. Er musste es daher nicht auf das Vorhandensein von unerwarteten Sonderanfertigungen hin untersuchen, die ein Aufschwenken oder Aushängen ermöglichen. Im Übrigen stimmte der Oberste Gerichtshof schon in seiner Entscheidung vom 14. 1. 1931, 2 Ob 1242/30 = SZ 13/5 (RIS‑Justiz RS0030003), in der das Lösen einer Querstange eines Geländers zu beurteilen war, ausdrücklich der von den Vorinstanzen vorgenommenen Subsumtion unter § 1319 ABGB zu, weil durch dieses Lösen einer Querstange des Geländers eine Öffnung entstanden sei, durch welche der Kläger abgestürzt sei.
3. Wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall in Ansehung der als Spezialnorm zu § 1319 ABGB verstandenen Wegehalterhaftung (vgl dazu 2 Ob 256/09z mwN; RIS‑Justiz RS0107589 [T3]) nach § 1319a ABGB zur Beurteilung gelangten, dass bei der Baulichkeit des Geländers die Gebäudeeigenschaft und nicht die Wegeeigenschaft im Vordergrund stehe, liegt darin keine zu beanstandende Fehlbeurteilung. Das Geländer grenzt das an der Rückseite des Gebäudes errichtete kleine, wegen des Gefälles über das Geleändeniveau erhobene Plateau, von dem dann sieben Stufen hinunter führen, in die Tiefe ab. Angesichts der Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten von baulichen Errichtungen an Gebäuden und Wegen kommt der Abgrenzung zwischen einem unter § 1319 ABGB zu subsumierenden Gebäudeteil oder einem Werk, an dem ein besonderes Interesse eines (Wege‑)Halters (RIS‑Justiz RS0107589 [T1]; vgl auch 2 Ob 281/01i) besteht, und einer Baulichkeit, bei der seine Funktion als Verkehrsweg klar im Vordergrund steht (vgl 1 Ob 260/08d) keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RIS‑Justiz RS0107589 [T2]).
4. Da in der Revision auch sonst keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgeworfen wird, ist sie zurückzuweisen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.
Der Kläger wies in seiner Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hin, sodass sein Schriftsatz eine zweckentsprechende Rechtsverteidigungs-maßnahme war.
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