Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR (darin enthalten 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, der bis etwa Ende 2003 Gesellschafter der Beklagten und Lebensgefährte deren Geschäftsführerin war, hielt sich am 13. 3. 2006 als Gast im Hotel der Beklagten auf. Da die Glastüre im Hallenbad klemmte und ein Professionist nicht mehr erreichbar war, ersuchte die Geschäftsführerin der Beklagten den Kläger, sich die Glastüre anzuschauen. Beim Versuch, die vorbeschädigte Glastüre zu demontieren, kam es zu einem Glasbruch, wodurch der Kläger an der rechten Hand schwer verletzt wurde.
Der Kläger begehrte die Zahlung von 10.000 EUR sA an Schmerzengeld; zudem stellte er ein Feststellungsbegehren in Ansehung der Haftung für künftige Schäden. Die Beklagte hafte aus jedem erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere aus dem Bewirtungsvertrag und der Verletzung vertraglicher Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten. Aufgrund der mangelhaften Verankerung der Glastüre im Mauerwerk bestehe auch eine Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB.
Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger die Reparatur des Schadens an der Glastüre hätte vornehmen sollen, weshalb ihm die Probleme mit der Sicherheitsglastüre bekannt gewesen seien. Der Unfall sei auf die Ungeschicklichkeit des Klägers bei der Demontage der Glastüre zurückzuführen. Ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers im Zuge der Schadensbehebung und seiner Konsumation im Hotel bestehe nicht. Da der Kläger im Zusammenhang mit der schadensursächlichen Tätigkeit in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen sei, bestehe ein Haftungsausschluss nach § 333 ASVG.
Das Erstgericht sprach mit (Teil‑)Zwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Aufgrund der Vorschädigung der Glastüre habe es sich dabei um eine gefährlich an einem Gebäude befestigte Sache iSd § 1319 ABGB gehandelt. Die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt habe die Beklagte nicht nachgewiesen. Der Unfall hätte sich auch im Zuge der normalen Benützung der Türe durch einen Badegast ereignen können. Für eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Beklagten fehle es an jeglicher Voraussetzung.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten statt und wies das Zahlungsbegehren mit Teilurteil zur Gänze ab. Für die Anwendbarkeit des Haftungsprivilegs nach § 333 ASVG sei wesentlich, dass es sich um eine wenn auch nur kurzfristige Arbeit handle, die dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspreche. Die Hilfstätigkeit müsse sich objektiv als eine wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt charakterisieren lassen. An der wirtschaftlichen Nützlichkeit der vom Kläger erbrachten Leistungen sei nicht zu zweifeln. Über Antrag des Klägers auf Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision deshalb zulässig sei, weil es zahlreiche Entscheidungen des Höchstgerichts gebe, aus denen ein für den Kläger günstigeres Prozessergebnis abgeleitet werden könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren dem Grunde nach stattgegeben werde.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, die Revision des Klägers zurückzuweisen, in eventu dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Die Revision ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Anwendbarkeit des Dienstgeberhaftungsprivilegs nach § 333 Abs 1 ASVG, die durchaus eine Stütze in der großen Bandbreite der höchstgerichtlichen Judikatur findet, hätte zur Folge, dass die Haftungsbeschränkung grundsätzlich auch bei reinen Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten für einen Unternehmer zum Tragen käme. Diese von den Vorinstanzen aufgeworfene Frage muss hier allerdings nicht weiter vertieft werden.
Nach ständiger Rechtsprechung werden durch § 333 Abs 1 ASVG alle sich aus einem Arbeitsunfall ergebenden Schadenersatzansprüche, soweit sie Personenschäden betreffen und sich gegen den Arbeitgeber oder die ihm gleichgestellten Personen richten, abschließend geregelt und damit alle anderen Haftungsgründe, insbesondere auch die Bestimmungen des ABGB, des EKHG oder anderer Haftpflichtvorschriften, ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0085236; RS0028584; RS0116854). Der Ausschluss der Haftung bezieht sich auf alle Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers, so auch auf Schmerzengeld (RIS‑Justiz RS0031306). Damit die Prüfung des sondergesetzlichen Haftungsausschlusses überhaupt in Betracht kommt, muss der Geschädigte somit eine Haftung des Beklagten berechtigt in Anspruch nehmen können. Vorweg stellt sich daher die Frage, ob sich der Kläger auf einen tauglichen Haftungsgrund berufen kann. Dies ist hier nicht der Fall.
2.1 Der Kläger hat sich zunächst auf die Verletzung nebenvertraglicher Sorgfaltspflichten der Beklagten aus dem Bewirtungsvertrag gestützt.
Zu den nebenvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten gehört auch die Warn- und Informationspflicht des Beherrschers einer Gefahr über gefährliche Umstände, sofern mögliche Gefahrenquellen nicht überhaupt beseitigt oder abgesichert werden können. Der Umfang der nebenvertraglichen Warn- und Sicherungspflichten richtet sich im Allgemeinen danach, wie weit sich der Geschädigte in einen der Sphäre des potentiell Haftpflichtigen zuzuordnenden Bereich begibt, in dem er gefährdet ist. Eine Schutzpflicht besteht nach allgemeinen Grundsätzen aber dann nicht, wenn die Gefahr allein die Sphäre des Geschädigten betrifft und von Seiten des Dritten keine von diesem beherrschbare Gefahr mehr ausgeht.
2.2 Der Kläger hat aufgrund des Ersuchens der Geschäftsführerin der Beklagten eine spezielle Aufgabe übernommen und sich bewusst der von der Glastüre ausgehenden Gefahr ausgesetzt. Seine Tätigkeit, bei der der Schaden entstanden ist, ist außerhalb des Bewirtungsvertrags gestanden, sodass ein innerer Sachzusammenhang zum genannten Vertrag zu verneinen ist. Der Kläger war nicht mehr etwa als Gast, sondern als gesondert „Beauftragter“ tätig. Er kann sich daher weder auf eine Verletzung nebenvertraglicher Pflichten aus dem Bewirtungsvertrag noch auf eine Missachtung nebenvertraglicher oder allgemeiner Verkehrssicherungspflichten der Beklagten als Gastwirtin berufen. Sein Argument, dass die Beklagte für seine Verletzungen so wie bei der Verletzung eines beliebigen anderen Gastes hafte, erweist sich demnach als unbegründet.
Aus Sicht der Beklagten erfolgte die Tätigkeit des Klägers im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses, bei dem für den Kläger erkennbar eine rechtsgeschäftliche Bindung nicht beabsichtigt war. Er hat gegenüber der Beklagten somit auch keinen örtlich und sachlich bestimmten Aufgabenkreis verbindlich übernommen. Vielmehr hätte er die Tätigkeit jederzeit einstellen können.
3.1 Bei Verletzung fremder absolut geschützter Rechte ist das Rechtswidrigkeitsurteil nach der Rechtsprechung nur aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung zu finden (RIS‑Justiz RS0022917; RS0022939; RS0022656). Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, welche Verhaltenspflichten die Normadressaten überhaupt erfüllen können bzw ihnen zumutbar sind, weiters die Eignung des in Frage stehenden Verhaltens, einen schädigenden Erfolg herbeizuführen, und schließlich der Wert der bedrohten Güter und Interessen (RIS‑Justiz RS0022899). Es ist auch auf die Wahrscheinlichkeit der Gefährdung fremder Interessen Bedacht zu nehmen, wobei diese Wahrscheinlichkeit durch das Ausmaß der Außerachtlassung der Sorgfalt mitbestimmt wird (RIS‑Justiz RS0023175).
3.2 Einen Verstoß gegen allgemein anerkannte Verhaltenspflichten durch die Beklagte hat der Kläger nicht dargelegt. Auch eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten ist nicht zu erkennen, zumal sie den Kläger auf den defekten Zustand der Glastüre hingewiesen und sich der Kläger in Begleitung eines Bekannten gerade zum Zweck der Beseitigung der Gefahr bewusst in den Gefahrenbereich begeben hat. Erst das gesonderte Ersuchen der Geschäftsführerin der Beklagten, sich die Glastüre anzusehen, hat den Kläger veranlasst, sich an den Ort der Reparatur zu begeben. Die Geschäftsführerin der Beklagten durfte ohne weiteres annehmen, dass der Kläger die Gefahren aus eigenem abschätzen kann und die Arbeiten nur nach Maßgabe seiner Fähigkeiten ausführt. Auch aus deliktischem Verhalten der Beklagten kann der Kläger somit keine Schadenersatzansprüche ableiten.
4.1 Außer auf die Verletzung nebenvertraglicher Sorgfaltspflichten hat sich der Kläger - unter Darlegung eines entsprechenden Tatsachensubstrats - noch auf die Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB gestützt. Dazu hat er auf eine mangelhafte Verankerung der Glastüre Bezug genommen.
Die Haftung nach § 1319 ABGB hängt nach der Rechtsprechung in jedem Fall davon ab, dass sich eine typische Gefahr des Werks verwirklicht hat (RIS-Justiz RS0109820). Es muss sich eine aus der Statik und Dynamik des Werks ergebende Gefahr verwirklichen, die entgegen den berechtigten Erwartungen an die Sicherheit oder die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen eintritt. Der Besitzer des Werks hat für Schäden durch dessen mangelhafte Beschaffenheit einzustehen, wenn sich der Geschädigte im gerechtfertigten Vertrauen auf die Gefahrlosigkeit des Werks dessen physikalischen Wirkungsbereich aussetzen durfte (RIS‑Justiz RS0029960).
4.2 Wie bereits erwähnt, hat sich der Kläger aufgrund des Ersuchens der Geschäftsführerin der Beklagten bewusst der durch die Glastüre ausgehenden Gefahr ausgesetzt. In der konkreten Situation durfte er sich gerade nicht auf die Sicherheit und Bruchfestigkeit der Glastüre verlassen. Vielmehr musste er mit dem Eintritt des Schadens bei Manipulation mit der Glastüre rechnen. Der Glasbruch ist gerade nicht durch zufällige äußere Einflüsse ohne Zutun des Klägers bzw bei gewöhnlichem Gebrauch der Glastüre eingetreten. Auch die Haftungsgrundlage des § 1319 ABGB steht dem Kläger daher nicht zur Verfügung.
5. Auf die allenfalls als Anspruchsgrundlage in Betracht kommende Bestimmung des § 1014 ABGB (vgl RIS‑Justiz RS0019747) hat sich der Kläger nicht berufen und dazu auch kein ausreichendes Tatsachenvorbringen erstattet.
6. Insgesamt kann der Kläger den geltend gemachten Schadenersatzanspruch weder auf eine vertragliche noch auf eine deliktische Anspruchsgrundlage und auch nicht auf eine besondere gesetzliche Haftungsnorm stützen. Im Ergebnis hat das Berufungsgericht das Zahlungsbegehren somit zu Recht abgewiesen. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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