OGH 11Os87/15a

OGH11Os87/15a11.8.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. August 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zonsics als Schriftführer in der Strafsache gegen Adrian G***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 26. Februar 2015, GZ 27 Hv 99/14s‑17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00087.15A.0811.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Adrian G***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 11. Mai 2014 in Ö***** Magdalena S***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie an den Schultern ergriff, sie gegen die Wand drückte und sie oberhalb der Bekleidung an den Brüsten und im Genitalbereich berührte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a sowie 9 lit a und lit b StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Den Urteilsannahmen zufolge drückte der 18‑jährige Angeklagte das etwa gleichaltrige Mädchen (das vor den Avancen des Burschen im Zuge einer Tanzveranstaltung bereits auf die Damentoilette geflüchtet war) ‑ um sie gewaltsam zur Duldung eines intensiven Betastens ihrer Brüste und ihres Schambereichs zu nötigen ‑ mit einer Hand kräftig gegen die Wand, während er mit der anderen oberhalb der Kleidung über ihre Brüste streifte, sodann ihre Hüfte hinab „in den Bereich ihres Genitalbereichs“ fuhr und „dabei“ festen Druck anwandte. Noch bevor er „intensivere Handlungen“ vornehmen konnte, gelang es ihr jedoch, sich von ihm loszureißen (US 3 f).

Diese Feststellungen gründete das Erstgericht auf die von ihm als glaubhaft beurteilten Aussagen der Zeuginnen Magdalena S***** und Katharina P*****, während es die leugnende Verantwortung des Angeklagten als dadurch widerlegt erachtete (US 9 ff).

Entgegen dem Einwand, dies sei „keine richtige“, sondern eine „fehlerhafte“ Urteilsbegründung (gemeint wohl Z 5 vierter Fall), verstieß es weder dabei noch mit seinem Schluss vom gezeigten Verhalten auf das diesem zugrunde liegende Wissen und Wollen des Angeklagten (US 11; RIS‑Justiz RS0116882, RS0098671) gegen Gesetze der Logik oder grundlegende Erfahrungswerte.

Ob der Beschwerdeführer ‑ mit der konstatierten Intention ‑ nur den „Bereich“ des Genitalbereichs oder auch diesen selbst oder die Brüste des bekleideten Opfers mit „festem“ Druck berührte (vgl Philipp in WK 2 StGB § 202 Rz 10 ff), ist bloß für die Unterscheidung zwischen Versuch und Vollendung maßgeblich. Soweit er die diesbezüglichen ‑ demnach nur Strafzumessungstatsachen betreffenden (RIS‑Justiz RS0122138; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 398) - Feststellungen als „zu unbestimmt“ (gemeint wohl Z 5 erster Fall) beanstandet, verfehlt er von vornherein den ‑ im Ausspruch über entscheidende, nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsachen gelegenen ‑ Bezugspunkt der Mängelrüge (RIS‑Justiz RS0106268).

Als Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist die ‑ nominell verfehlt auch auf Z 5a und 9 lit b gestützte ‑ Beschwerdekritik aufzufassen, dem Angeklagten könne „keine vollendete Tat“, aber auch kein „Versuch“ angelastet werden, weil sein festgestelltes (äußeres) Verhalten das Tatbild des § 202 Abs 1 StGB nicht erfülle. Indem sie dabei nicht von der Konstatierung eines gerade auf dessen Verwirklichung gerichteten Täterwillens (US 3), sondern von ‑ anhand ausführlicher eigener Beweiswerterwägungen entwickelten - gegenteiligen Spekulationen ausgeht, bringt sie den geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 584, 593).

Das weitere, dem einem Höchstgericht angemessenen Argumentationsniveau (vgl 17 Os 9/13x; RIS‑Justiz RS0106464) keineswegs entsprechende Rechtsmittelvorbringen wendet sich ‑ ohne einen Bezug zu entscheidenden Tatsachen herzustellen (siehe aber Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 398) ‑ gegen die Annahme der Glaubwürdigkeit der tatbetroffenen Zeugin, soweit es deren Angaben, die von „geradezu herausragender Dramatik“ und „in ihrer Romanhaftigkeit wohl einzigartig“ seien, für „widersinnig“ und „vollkommen lebensfremd“ und darauf gestützte „Darlegungen im Urteil“ für „grob unvernünftig“ hält. Damit wird Nichtigkeit ‑ sei es aus Z 5, sei es aus Z 5a ‑ nicht einmal behauptet, sondern bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts angegriffen (RIS‑Justiz RS0099649, RS0106588 [besonders T9]).

Mit als „rechtspolitische Überlegungen“ bezeichneter Gesetzesschelte („vorgefasste Opfer-Täterbetrachtungsweise“; „bequeme Opfersituation“), der Kritik, das Opfer sei als „Kronzeugin in eigener Sache“ vor Gericht „wie ein rohes Ei“ behandelt worden und der Formulierung rhetorischer Fragen wie: „Was soll das?“, „Gilt der gesunde Menschenverstand nichts mehr bei der Beurteilung von Rechtsfällen?“, „Kann jeder Widersinn nachvollziehbar gemacht werden, weil die armen Mädchen vor den bösen Männern so große Angst hatten?“, „Was hat der böse Mann (Angeklagte) im vorliegenden Fall denn Schreckliches getan? Er hat ihr über die Brüste gestrichen, die Vagina hat er nicht einmal berührt“ entfernt sich die Beschwerde in polemischer Weise (RIS‑Justiz RS0072493, RS0055897, RS0072230) von den Anfechtungskriterien (auch nur) irgendeines Nichtigkeitsgrundes.

Sie war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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