OGH 8ObA54/15x

OGH8ObA54/15x30.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** D*****, vertreten durch Dr. Roland Gerlach LL.M., Mag. Branko Jungwirth, Mag. Michaela Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Anfechtung einer Entlassung (Anfechtungsinteresse 37.000 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. Mai 2015, GZ 15 Ra 29/15z‑25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00054.15X.0730.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor.

Inwiefern der Kläger dadurch beschwert wäre, dass das Berufungsgericht den Urteilsspruch des Erstgerichts im Sinne seines eigenen Klagebegehrens umformuliert hat, ist nicht nachvollziehbar. Die Revision enthält in diesem Punkt nur allgemeine, nicht einschlägige Rechtssätze, aber keine Begründung für die Entscheidungsrelevanz des behaupteten Mangels.

2. Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich immer nur nach den Umständen des einzelnen Falls richtig beurteilen. Die Unterlassung der sofortigen Geltendmachung eines Entlassungsgrundes führt dann nicht zur Verwirkung des Entlassungsrechts, wenn das Zögern in der Sachlage begründet war (RIS‑Justiz RS0031571). Dabei darf der Grundsatz, dass Entlassungsgründe unverzüglich geltend zu machen sind, nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0031587).

Ausgehend vom hier maßgeblichen Sachverhalt ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Beklagte die Entlassung des Klägers rechtzeitig ausgesprochen hat, jedenfalls nicht unvertretbar.

Es steht fest, dass die zur Entlassung berechtigte Vorgesetzte des Klägers vom maßgeblichen Vorfall (Eintreten einer Garderobentür) zwar umgehend verständigt wurde, aber aufgrund ihrer Diensteinteilung erst am 1. 12. 2013, einem Sonntag, davon Kenntnis erlangte. Sie versuchte noch am selben Tag, mit der Rechtsabteilung der Beklagten wegen der weiteren Vorgangsweise Kontakt aufzunehmen, was ihr erst am 2. 12. 2013 gelang. Der Kläger, der an diesem Tag seinerseits dienstfrei hatte, wurde zu einem dringenden Gespräch gebeten, das er wegen angeblicher Terminprobleme verweigerte, sodass es erst am Folgetag stattfinden konnte. Insbesondere erkundete die Beklagte in der Zwischenzeit die disziplinäre Vorgeschichte des ‑ wie der Revisionswerber in seinen weiteren Ausführungen selbst hervorhebt ‑ bereits viele Jahre bei ihr beschäftigten Klägers, um sein für die Beurteilung der Schwere des Entlassungsgrundes nicht unerhebliches Gesamtverhalten beurteilen zu können (ua Pfeil in Schwimann/Kodek ABGB 4 § 1162 Rz 127; RIS‑Justiz RS0113899 = 9 ObA 19/00k; RS0110657 [T1]; RS0029538; RS0081395). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass unter diesen Umständen die schließlich am 3. 12. 2013 ausgesprochene Entlassung noch rechtzeitig war, ist nicht korrekturbedürftig.

3. Die Frage, ob im Einzelfall ausgehend von einem konkreten Sachverhalt das Verhalten des Arbeitnehmers einen Entlassungsgrund verwirklicht, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0103201; RS0106298 [T8]; RS0105955 [T3] ua). Mangels einer über den Anlass hinausreichenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen steht die Revision zu ihrer Überprüfung nicht offen, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen, die ausnahmsweise zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte. Diese Voraussetzungen zeigt die Revision nicht auf.

Soweit die Revision unterstellt, der Kläger habe sich in den vorangegangenen 24 Dienstjahren stets wohlverhalten, geht sie insoweit nicht vom bindend festgestellten Sachverhalt aus, als es allein in den letzten zwei Jahren vor der Entlassung mehrere Vorfälle gab, bei denen der Kläger ‑ so wie beim letztendlich zur Entlassung führenden Vorfall ‑ ein auffallend unangemessenes, unbeherrschtes Verhalten in Gegenwart anderer Angestellter an den Tag gelegt hat.

Letztendlich kann auch in der Ansicht der Vorinstanzen, dass die vorsätzliche Beschädigung der Garderobentür, eine gemäß § 125 StGB gerichtlich strafbare Handlung, die der Kläger zunächst nicht einmal einer Erwähnung oder Entschuldigung wert fand, auch für sich allein einen hinreichenden Anlass zur Entlassung gegeben hätte, zumal der Kläger als Flugbegleiter in einem sensiblen Bereich beschäftigt war (vgl Pfeil in ZellKomm 2 § 27 AngG, Rz 26), keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung gesehen werden.

Sekundäre Feststellungsmängel in Bezug auf das behauptete dienstlichen Wohlverhalten des Klägers vermag die Revision nicht überzeugend darzustellen. Die Vorinstanzen haben ohnedies nur konkret festgestellte Vorkommnisse der jüngsten Vergangenheit für ihre Beurteilung herangezogen und daher gar nicht in Frage gestellt, dass der Kläger ansonsten seinen Dienst unbeanstandet und ordnungsgemäß verrichtet hat.

Stichworte