OGH 9ObA19/00k

OGH9ObA19/00k31.5.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Hans Lahner und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Waldemar T*****, Monteur, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Erich Aichinger und Mag. Hermann Köck, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen S 190.849,54 brutto sA (Revisionsinteresse S 184.029,60 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 1999, GZ 11 Ra 179/99v-29, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. April 1999, GZ 16 Cga 217/97f-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S

9.900 (darin enthalten S 1.650 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Die Ausführungen des Berufungsgerichtes lassen erkennen, dass eine Überprüfung der Beweiswürdigung stattgefunden hat. Ob die auf die Beweisrüge bezügliche Begründung des Berufungsgerichtes richtig ist, fällt in den Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung, was die Revisionswerberin ohnehin selbst erkennt. Die Richtigkeit dieser Feststellungen kann vom Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 1 zu § 503); auf die von der Revisionswerberin vermuteten Widersprüche in der Beweiswürdigung ist daher nicht einzugehen. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wäre nur dann gegeben, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht oder so mangelhaft befasst hätte, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten sind (Kodek aaO Rz 3 zu § 503 mwN; RIS-Justiz RS0042993, RS0043150, RS0043371). Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Die Revisionswerberin übersieht, dass die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweisergänzung für notwendig erachtet, ebenfalls der in dritter Instanz nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung angehört (RIS-Justiz RS0043371/T14).

In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Entlassung des Klägers berechtigt war, zutreffend verneint, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der Berufungsentscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin folgendes entgegenzuhalten:

Richtig ist, dass es als ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigt, nach § 82 lit e GewO 1859, 2. Tatbestand, anzusehen ist, wenn der Arbeitnehmer ohne Einwilligung des Gewerbeinhabers ein der Verwendung beim Gewerbe abträgliches Nebengeschäft betreibt. Der Nachteil für den Arbeitgeber kann zunächst darin liegen, dass die Nebenbeschäftigung die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, sodass er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann. Eine schwere Verletzung der gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Treuepflicht stellt es aber auch dar, wenn der Arbeitnehmer das Nebengeschäft im Gewerbe des Arbeitgebers betreibt, also seinem Arbeitgeber Konkurrenz macht (Kuderna, Entlassungsrecht2 136; DRdA 1988/1 [Holzer]; Arb 10.267 ua).

Die Revisionswerberin beachtet jedoch zu wenig, dass jeder Entlassungsgrund, um eine Entlassung rechtfertigen zu können, voraussetzt, dass dem Arbeitgeber infolge des im Übrigen tatbestandsmäßigen Verhaltens des Arbeitnehmers nach der Lage der Umstände die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin nicht mehr zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ist kein zu den einzelnen Entlassungstatbeständen des Gesetzes hinzutretendes, sondern vielmehr ein diesen Tatbeständen begrifflich immanentes Merkmal (RIS-Justiz RS0028990). Es ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto (noch) geringfügigen Sachverhalt (Kuderna aaO 60; SZ 59/26; DRdA 1993/30 [Ernst]; infas 1997, A 78; RIS-Justiz RS0028609). Ob ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers die Annahme der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall rechtfertigt, ist insbesondere von der Schuldintensität, den näheren Umständen der Begehung, dem Ausmaß der Verfehlung und deren tatsächlichen oder möglichen Folgen und Auswirkungen auf den Betriebsablauf oder Dritte, der Verletzung betrieblicher Interesse, einer allfälligen Duldung des Verhaltens, der Art der Arbeit, der sozialen Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, der Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie dem bisherigen Verhalten des Arbeitnehmers abhängig. Von besonderer Bedeutung ist das Gesamtverhalten des Arbeitnehmers. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtschau an (Kuderna aaO 62; infas 1998, A 63; RIS-Justiz RS0029630).

Berücksichtigt man im vorliegenden Fall, dass die Arbeitsleistung des 13 Jahre für die Beklagte ohne Beanstandung tätigen Klägers durch seine Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt wurde, dass ähnliche kleine Eisenteile wie jene, die der Kläger für einen Dritten herstellte, von der Beklagten nur als "Lückenfüller" produziert wurden, während der Schwerpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit auf dem Anlagen- und Stahlbau sowie den Serienfertigungen lag, dass der Kläger vom Geschäftsführer der Beklagten ursprünglich sogar den Werkstättenschlüssel für bestimmte Nebentätigkeiten am Wochenende erhalten hatte und schließlich der Kontakt des Klägers zu jenem Unternehmen, für das er die zuletzt beanstandeten Nebentätigkeiten entfaltete, vom Montageleiter der Beklagten und Bruder des Geschäftsführers der Beklagten vermittelt worden war, dann bejahte das Berufungsgericht im Rahmen der unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles anzustellenden Gesamtschau zurecht, dass es der Beklagten durchaus noch zumutbar gewesen wäre, den Kläger zumindest bis zum nächsten Kündigungstermin weiter zu beschäftigen. Die Entlassung des Klägers war daher nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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