European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00044.15D.0714.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Die Antragsteller sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Diese Liegenschaft ist zu C‑LNR 7a mit einem Wohnungsrecht und zu C‑LNR 8a mit einem Ausgedinge jeweils für E***** T*****, und A***** T*****, belastet. Diesen Eintragungen liegt der zwischen E***** T***** und A***** T***** (als Liegenschaftseigentümer und Übergeber) und den Antragstellern (als Übernehmer) geschlossene Übergabsvertrag vom 6. 12. 1993 zu Grunde. Dieser lautet in seinem für das Revisionsverfahren wesentlichen Inhalt wie folgt:
„Viertens: Für vorstehende Übergabe haben die Übernehmer für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum des Vertragsobjektes über Anweisung der Übergeber nachstehende Leistungen zu erbringen bzw Verpflichtungen zu übernehmen und zwar:
(...)
3. Verpflichten sich die Übernehmer den Übergebern auf deren Lebensdauer beim Haus ***** vollkommen klaglos nachstehende Leistungen zu erbringen und zwar:
a) Die ausschließliche lebenslängliche und unentgeltliche Wohnung im ganzen Althaus *****.
Die Kosten der ordentlichen Beheizung und Beleuchtung der von den Übergebern vorbehaltenen Wohnung haben die Übernehmer zu tragen. Die vorbehaltene Wohnung ist nur nach Aufforderung der Übergeber durch die Übernehmer zu reinigen und Instand zu halten.
Im Rahmen ihres Wohnungsrechtes sind die Übergeber berechtigt, nach ihrem Gutdünken Besuche zu empfangen und diese auf ihre Kosten auch zu beherbergen.
b) Nur über ausdrücklichen Wunsch und über ausdrückliches Verlangen der Übergeber die volle Verpflegung am gemeinsamen Tisch mit dem Übernehmer zu den ortsüblichen Mahlzeiten, auf Verlangen aber auch in die Ausgedingswohnung oder zum Bette gestellt, wobei auf das Alter und den jeweiligen Gesundheitszustand der Übergeber entsprechend Bedacht zu nehmen ist bei freiem Genuss von allen im Haushalte vorhandenen Lebensmitteln und Getränken für den eigenen Bedarf und in kranken Tagen die Beistellung einer entsprechend besseren Krankenkost.
c) Freier Umgang auf allen Grundstücken und ungehinderter Zutritt zu allen Räumlichkeiten der übergebenen Gebäude mit Ausnahme der Privaträumlichkeiten der Übernehmer zu jeder schicklichen Zeit.
d) Die Reinigung und Ausbesserung der Bekleidung, Wäsche und Beschuhung, wobei jedoch für die Kosten der Anschaffung derselben die Übergeber selbst aufzukommen haben.
e) In kranken Tagen sorgsame Pflege und Wartung. Die ärztliche und allfällige Spitalsbehandlung in der allgemeinen Gebührenklasse samt Medikamenten sind von den Übernehmern zu bezahlen, sofern diese Kosten den Übergebern auf Grund ihrer Pensionseinkünfte nicht mehr zumutbar sind.
(...)
f) Die Beistellung eines monatlichen Handgeldes an die Übergeber wird zwischen den Vertragsteilen einvernehmlich und ausdrücklich nicht vereinbart.
g) Über gesondertes ausdrückliches Verlangen die Beistellung von jährlich höchstens 500 kg (fünfhundert Kilogramm) Äpfel eigener Ernte und durchschnittlicher Qualität sowie gemischter Sorten.
h) Im Todesfalle der Übergeber sind die Übernehmer zur Bezahlung der standesgemäßen und ortsüblichen Begräbniskosten samt Errichtung einer würdigen Grabstätte verpflichtet, soweit hiefür Bargeld oder Bankguthaben der Übergeber sowie Sterbeversicherungen nicht vorhanden sind.
4. Für den Fall der dauernden Pflegebedürftigkeit der Übergeber sind diese berechtigt, im ebenfalls auf der Vertragsliegenschaft befindlichen Haus ***** anstelle des obigen Wohnungsrechtes das Wohnungsrecht in einem gut bewohnbaren Zimmer des Hauses in Anspruch zu nehmen und sind diesfalls die vorstehenden Ausgedingsrechte vollständig im Haus ***** zu erbringen.
5. Auf die Aufnahme konkreter Bestimmungen für den Fall des Unvergleiches sowie die Begründung von Eigentumsbeschränkungen zwischen den Vertragsteilen wird verzichtet.
(...)
Sechstens: Die vorstehenden Rechte und Verbindlichkeiten werden wechselseitig und vertragsmäßig angenommen und bestellen Herr A***** und Frau R***** T***** die Vertragsliegenschaften als Sicherheit für die obigen Rechte der Übergeber. Sämtliche Vertragsteile bewilligen die Vornahme nachstehender Grundbuchseintragungen:
1. In Einlagezahl ***** der Katastralgemeinde ***** a) die Einverleibung des Eigentumsrechtes für A***** T***** und R***** T***** je zur Hälfte b) für E***** T***** und A***** T***** die Einverleibung:
aa) der Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes gemäß Absatz 'Viertes 3.' dieses Vertrages und
bb) der Reallast des Ausgedinges gemäß Absatz 'Viertes 3.' dieses Vertrages
c) die Einverleibung der Löschung obiger Reallasten des Ausgedinges auf Grund einer öffentlichen den Tod des jeweiligen Übergeberteiles nachweisenden Urkunde.…“
Die Antragsteller begehrten aufgrund des Auszugs aus dem Sterbebuch vom 4. 9. 2012 und des Übergabsvertrags vom 6. 12. 1993 die Einverleibung der Löschung sowohl des Wohnungsrechts zu C‑LNR 7a als auch des Ausgedinges zu C‑LNR 8a hinsichtlich des am 2. 9. 2012 verstorbenen E***** T*****.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die im Übergabsvertrag vom 6. 12. 1993 aufgenommene Zustimmung der Berechtigten zur Löschung im Fall ihres Ablebens wirkungslos bleibe. Diese Erklärung enthalte keinen Verzicht auf allfällige Rückstände aus der Reallastverpflichtung und auch keine Schenkung auf den Todesfall. Mit der gewählten Formulierung werde lediglich die Zustimmung zur Löschung erklärt, nicht hingegen die Zustimmung zur vorzeitigen Löschung ungeachtet des Bestehens allfälliger Rückstände aus der Reallastverpflichtung.
Das Rekursgericht gab dem (nur) gegen die Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Einverleibung der Löschung des Wohnungsrechts gerichteten Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Bei den von den Übergebern E***** und A***** T***** im Übergabsvertrag 6. 12. 1993 ausbedungenen Rechten handle es sich um typische Bestandteile eines bäuerlichen Ausgedinges. Diese Rechte seien, auch wenn das Wohnungsrecht als einzelne Leistung gesondert grundbücherlich eingetragen worden sei, zu einer Einheit verbunden und daher rechtlich einheitlich zu beurteilen. Die Formulierung der einzelnen Vertragsbestimmungen lasse keine klare Trennung in Ausgedingeleistungen und Wohnungsrecht zu. Der Ausgedingevertrag (Übergabsvertrag) sei daher ‑ jedenfalls im Zweifel ‑ als Ganzes zu sehen, sodass eine Löschung des Wohnungsrechts und des Ausgedinges ungeachtet ihrer getrennten Einverleibung nur gemeinsam erfolgen könne. Einen solchen untrennbaren Zusammenhang habe offenbar auch das Erstgericht angenommen, sodass sich die Beschlussbegründung der bekämpften Entscheidung auch auf das Wohnungsrecht erstrecke. Dem zufolge ziehe die (unbekämpfte) Abweisung des Gesuches auf Bewilligung der Einverleibung der Löschung des Ausgedinges die Abweisung des Gesuches auf Bewilligung der Löschung des Wohnungsrechts nach sich.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle oberstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob nicht ungeachtet dessen, dass die in einem (bäuerlichen) Übergabsvertrag vom Übergeber ausbedungenen Leistungen im Zweifel eine einheitliche rechtliche Behandlung erfordern, höchstpersönliche Rechte wie ein Wohnungsrecht im Fall des Ablebens des Berechtigten eine gesonderte rechtliche Betrachtung geboten erscheinen lassen.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung der Einverleibung der Löschung (nur) des Wohnungsrechts hinsichtlich des E***** T*****.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Das Ausgedinge ist ein von Lehre und Rechtsprechung anerkanntes dingliches Recht, das zwar vom Gesetz nicht definiert und auch im GBG nicht erwähnt wird, dessen Bestand der Gesetzgeber aber voraussetzt (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 12 GBG Rz 44).
2.
Das Ausgedinge ist eine besondere, der Versorgung des Übergebers dienende Reallast, deren Umfang im Einzelfall durch den Vertrag bestimmt wird. In der Regel umfasst es die Leistung von Unterhalt, die Einräumung des Wohnungsrechts, die Betreuung, Reichung der Speisen und die Krankenpflege. Es ist aber durchaus zulässig, nur einzelne Ausgedingsleistungen zu vereinbaren (RIS‑Justiz RS0012172; vgl auch RS0012173). Der wirtschaftliche Zweck des Ausgedinges verbindet die darin enthaltenen Rechte ‑ nämlich bloße Forderungsrechte, persönliche Dienstbarkeiten und Reallasten ‑ zu einer Einheit, die eine einheitliche rechtliche Beurteilung erfordert (RIS‑Justiz RS0022408 [T3]; vgl auch RIS‑Justiz RS0012170 [T2], RS0012172 [T2]). Im Zweifel können die vereinbarten Rechte also nicht einzeln für sich betrachtet werden, vielmehr muss der ganze Vertrag als Einheit behandelt werden (RIS‑Justiz RS0012193 [T2, T3]).
3. Soweit die in einem Ausgedinge enthaltenen Ansprüche auf positive Leistungen bücherlich sicherzustellen sind, gelten aus grundbuchsrechtlicher Sicht die Grundsätze der Reallast. Dabei ist anerkannt, dass es nicht erforderlich ist, die einzelnen Teilleistungen getrennt im Grundbuch einzutragen. Sämtliche Ansprüche des Berechtigten, insbesondere auch dessen Wohnungsrecht, können durch die generelle Verbücherung des Ausgedinges verdinglicht werden. Es ist aber zulässig, nur einzelne Leistungen einzutragen. Neben dem Ausgedinge (für sonstige Versorgungsleistungen) kann daher auch die Dienstbarkeit des Wohnungsrechts gesondert verbüchert werden (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 12 GBG Rz 45, 48).
Der Umstand, dass das Wohnrecht Teil umfassender Versorgungsleistungen ist, die sich der Übergeber einer Liegenschaft ausbedungen hat, steht der gesonderten Eintragung der Dienstbarkeit des Wohnrechts neben der Reallast des Ausgedinges (für die sonstigen Versorgungsleistungen) also nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0012184).
4. Das Rekursgericht hat die sich aus dem Übergabsvertrag vom 6. 12. 1993 zugunsten der Berechtigten ergebenden Versorgungspflichten zutreffend als Einheit behandelt. Entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerber stellt das Wohnungsgebrauchsrecht hier nach der konkreten Vereinbarung keine von der Reallast des Ausgedinges zu unterscheidende und daher selbständig rechtlich zu beurteilende weitere Gegenleistung für die Übergabe dar. Entgegen ihrer Behauptung wurde dieses auch nicht in einem eigenen Vertragspunkt vereinbart, sondern in die Aufzählung der für ein Ausgedinge typischen Versorgungsleistungen eingebettet. Obwohl die gesonderte Eintragung der Dienstbarkeit des Wohnrechtes auch neben der Reallast des Ausgedinges (für die sonstigen Versorgungsleistungen) möglich ist, ändert auch die Tatsache der gesonderten Einverleibung hier nichts daran, dass das Wohnrecht nur als Teil umfassender Versorgungsleistungen anzusehen ist.
5. Die Löschung einer Dienstbarkeit, einer Reallast oder eben auch eines Ausgedinges setzt voraus, dass es zur Beendigung des Rechtsverhältnisses gekommen ist. Für die Personaldienstbarkeit legt § 529 ABGB die grundsätzliche Beendigung mit dem Tod des Berechtigten fest. Diese Bestimmung ist auch für unregelmäßige Servituten, Reallast und Ausgedinge entsprechend anzuwenden (RIS‑Justiz RS0011556 [T5]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 136 GBG Rz 87, 89).
Im Falle des Todes des Berechtigten besteht daher ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 136 GBG oder ein klagbarer Anspruch auf Zustimmung zur Löschung (RIS‑Justiz RS0011556 [T6]). Beim Ausgedinge ist bei der Berichtigung durch Löschung allerdings § 136 Abs 3 GBG zu beachten, der spezifische Voraussetzungen für das Erlöschen eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen regelt. Die Löschung eines Rechts auf wiederkehrende Leistungen kann nur bewilligt werden, wenn seit dem Erlöschen des Bezugsrechts drei Jahre verstrichen sind und keine Klage auf Zahlung von Rückständen im Grundbuch angemerkt ist. Zu den im § 136 Abs 3 GBG erwähnten wiederkehrenden Leistungen gehört insbesondere auch die Reallast des Ausgedinges. Dessen Löschung ist daher nur unter den in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen möglich (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 136 GBG Rz 24 mwN). Das Bezugsrecht aus einem Ausgedingevertrag erlischt zwar mit dem Tod des Berechtigten, durch die Sperrfrist des § 136 Abs 3 GBG in der Dauer der gesetzlichen Verjährungsfrist für fällig gewordene Einzelbeträge wird aber der Möglichkeit Rechnung getragen, dass noch zu Lebzeiten des Berechtigten Beträge angefallen aber unberichtigt geblieben sind. Nach dem Tod des Bezugsberechtigten und dem Ablauf der Sperrfrist ohne Klagsanmerkung darf dann unter dem Gesichtspunkt des § 136 GBG vom Erlöschen gesicherter Ansprüche ausgegangen werden (vgl 5 Ob 3/07p [Leibrente]). Im Falle einer vorzeitigen Beendigung der Last durch Verzicht ist für eine in diesem Sinne vorzeitige Löschung eine wirksame Aufsandungserklärung notwendig (5 Ob 76/07y [Reallast]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 136 GBG Rz 87).
6. Wenn es eines der in einem Ausgedinge zu einer Einheit zusammengefassten Rechte ist, gilt § 136 Abs 3 GBG auch für die Löschung eines gesondert einverleibten Wohnrechts.
Maßgeblich dafür ist, unter welchen Voraussetzungen im Lichte der Grundbuchsberichtigung nach § 136 GBG vom Erlöschen der besicherten Ansprüche ausgegangen werden kann (vgl 5 Ob 3/07p [Leibrente]). Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass an die Stelle der ursprünglich bestehenden Forderung auf Naturalleistungen ein Geldanspruch tritt, wenn dem Ausgedingeberechtigten der Genuss des Naturalausgedinges nach dem Verhalten des Eigentümers der Übergabsliegenschaft billigerweise nicht mehr zumutbar ist (Unvergleichs‑ oder Nichtvertragsfall; RIS‑Justiz RS0022521), oder er durch den zur Ausgedingeleistung Verpflichteten sonst schuldhafterweise außerstande gesetzt wurde, die bedungenen Naturalleistungen zu beziehen, insbesondere wenn der Verpflichtete mit den Naturalleistungen schuldhaft in Verzug gerät (RIS‑Justiz RS0022412, RS0022654). Das vom Gläubiger wahrgenommene Recht, sich die Naturalleistungen durch Geldleistungen (auch für die Zukunft) ablösen zu lassen, führt zu einer Umwandlung des Naturalleistungsanspruchs in einen Schadenersatzanspruch. Die zukünftigen Leistungen fallen somit nicht weg, werden aber eben in eine Geldrente umgewandelt (RIS‑Justiz RS0022412 [T2]; vgl auch RS0022654 [T2]).
Im Fall des schuldhaften Verzugs der Verpflichteten mit der Bereitstellung einer Dienstbarkeitswohnung hätten die Begünstigten also das Recht, sich die Naturalleistungen durch Geldleistungen (auch für die Zukunft) ablösen zu lassen; sie haben Anspruch auf eine Geldrente (3 Ob 56/05i). Auch im Zusammenhang mit der Ausübung des Wohnrechts als einer Teilleistung des Ausgedinges gilt es daher, allfällige bis zum Tod des Berechtigten fällig gewordenen, unberichtigt gebliebenen und erst nach drei Jahren verjährenden Leistungen im Sinne des § 136 Abs 3 GBG zu sichern.
7. Die Voraussetzungen für die Berichtigung des Grundbuchs durch Einverleibung der Löschung des aus dem Ausgedinge entspringenden Wohnrechts nach § 136 Abs 3 GBG waren hier nicht gegeben. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
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