European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00017.15H.0619.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).
Begründung
Die Liegenschaft EZ ***** KG ***** steht im Alleineigentum der I***** A*****. Mit dem (pflegschaftsbehördlich genehmigten) Schenkungsvertrag vom 9. 11. 2012 übertrug I***** A*****, vertreten durch ihren Sachwalter Mag. Dr. B***** F*****, das Alleineigentum an dieser Liegenschaft an ihren Sohn O***** A*****.
Unter Berufung auf diesen Schenkungsvertrag beantragte O***** A***** (soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant) a. die Einverleibung seines Eigentums an den je ½ Anteilen B‑LNR 1 und 2 der I***** A***** an dieser Liegenschaft; dies unter Übernahme des aufgrund einer Erklärung vom 6. 6. 1989 zu C‑LNR 5 grundbücherlich sichergestellten Vorkaufsrechts für R***** H***** und S***** H***** und unter Zusammenziehung dieser Anteile, b. die Einverleibung der Reallast der Kostentragung für Pflege und Betreuung sowie der Unterbringung in einem Pflege‑ oder Altenwohnheim gemäß „Punkt IV“ des Schenkungsvertrags vom 29. 11. 2012 für I***** A*****, c. hinsichtlich des Hälfteanteils, den I***** A***** im Erbwege nach H***** A***** erworben hat, die Löschung der Nacherbschaft für den Antragsteller und d. die Löschung der Anmerkung der Sachwalterschaft für I***** A*****.
Das Erstgericht bewilligte diese Eintragungen. Ein urkundlicher Nachweis der Zustimmung der Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots lag diesem nicht vor.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Vorkaufsberechtigten R***** H***** und S***** H***** Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts in eine Antragsabweisung ab. Ungeachtet der etwas undeutlichen Formulierung in der Erklärung vom 6. 6. 1989 „hinsichtlich sämtlicher Veräußerungsfälle gem. § 1072 ff“ ergebe sich aus der Bezugnahme eben dieser Erklärung auf einen weiteren, ebenfalls in der Urkundensammlung liegenden Vertrag, dass den Vorkaufsberechtigten ein pauschales, auf alle Veräußerungsfälle bezogenes Vorkaufsrecht eingeräumt worden sei. Damit sei hier der Eintritt eines Vorkaufsfalls zumindest nicht ausgeschlossen. Die Einverleibung des Eigentumsrechts des Antragstellers hätte daher nur gegen urkundlichen Nachweis der Zustimmung der Vorkaufsberechtigten oder des Anbots der Liegenschaft an diese erfolgen dürfen. Da die unter Berufung auf den Schenkungsvertrag vom 9. 11. 2012 begehrten Eintragungen eine Einheit bildeten, sei das gesamte darauf bezogene Grundbuchsgesuch in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuweisen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsstellers und der Einschreiterin I***** A***** wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, diese dahingehend abzuändern, dass der Rekurs der Vorkaufsberechtigten abgewiesen werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 126 Abs 2 GBG in Verbindung mit § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine solche Frage zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs nicht auf.
1. Die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht eingetragen ist, kann ‑ abgesehen vom Fall der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten und dem Fall, dass gar kein Vorkaufsfall vorliegt ‑ nur gegen den Nachweis bewilligt werden, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und dass dieser vom Vorkaufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat (RIS‑Justiz RS0021839). Im Vorkaufsfall ist für die Bewilligung der Einverleibung des Eigentums also der urkundliche Nachweis der Zustimmung der Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots erforderlich (5 Ob 14/11m).
2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es im Rahmen der Verpflichtung des Grundbuchsgerichts, das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen (§ 94 Abs 1 GBG) dessen Aufgabe ist, zu prüfen, ob der Urkundeninhalt nicht nur in formeller Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch in materiell-rechtlicher Hinsicht frei von Zweifel ist. Ein Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch bezüglich der materiell-rechtlichen Fragen keinerlei Zweifel aufkommen lässt (vgl RIS‑Justiz RS0060878). Es ist dem Grundbuchsgericht verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifeln Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte und nicht restlos beseitigte Zweifel haben vielmehr zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen (
RIS‑Justiz
3. D
as Rekursgericht hielt hier nach dem Inhalt der vorliegenden Urkunden den Eintritt eines Vorkaufsfalls zumindest für nicht ausgeschlossen und wies das auf diesen bezogene Grundbuchsgesuch mangels Vorliegens eines urkundlichen Nachweises der Zustimmung der Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots ab. Darin liegt
keine unvertretbare Rechtsansicht, die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste. Dies aus folgenden Erwägungen:
3.1 Ist eine Sache mit einem (reinen) Vorkaufsrecht im Sinn des § 1072 ABGB belastet, dann bildet nur der Abschluss eines Kaufvertrags den Vorkaufsfall. Die Ausdehnung des Vorkaufsrechts auf „andere Veräußerungsarten“ im Sinn des § 1078 ABGB bedarf einer besonderen Vereinbarung (RIS‑Justiz RS0109624). Liegt eine Vereinbarung vor, nach welcher sich das Vorkaufsrecht auch auf „andere Veräußerungsarten“ erstrecken soll („erweitertes Vorkaufsrecht“), dann kommt es auf die Vereinbarung an, ob die Anbotsverpflichtung bei jeder Veräußerung oder nur bei bestimmten Veräußerungsarten besteht. Wird ein Vorkaufsrecht pauschal und ohne Einschränkung für alle Veräußerungsarten vereinbart, kann es grundsätzlich ausgeübt werden, sofern nur irgendein Veräußerungsfall vorliegt (5 Ob 14/11m mwN).
3.2 Nach dem Wortlaut der Erklärung vom 6. 6. 1989 erstreckt sich das Vorkaufsrecht der Vorkaufsberechtigten auf „sämtliche Veräußerungsfälle gem. § 1072 ff“, somit ‑ entgegen der nicht weiter begründeten gegenteiligen Behauptung der Revisionsrekurswerber -offenbar auch auf die anderen Veräußerungsarten im Sinn des § 1078 ABGB. Dieses soll schließlich „sämtliche“, in § 1072 ABGB und den diesem folgenden Paragraphen geregelte Veräußerungsarten umfassen (vgl. 5 Ob 102/08y). § 1078 ABGB stellt (inhaltlich) dem Kauf die „anderen Veräußerungsarten“ gegenüber. Andere Veräußerungsarten im Sinn des § 1078 ABGB sind alle Geschäfte, die das endgültige Ausscheiden einer Sache aus dem Vermögen einer Person und ihre Übertragung auf eine andere bezwecken oder bewirken (RIS‑Justiz RS0107637). Beim Kaufvertrag ist das Verkaufsinteresse typischerweise auf die von der Person des Käufers unabhängige Geldleistung gerichtet, die grundsätzlich von jedermann erbracht werden kann. Unter den „anderen Veräußerungsarten“ sind dagegen solche Vertragstypen zu verstehen, bei denen sich aus dem Vertragsinhalt ergibt, dass die typischen Vertragszwecke im besonderen Maß an der Person des Partners oder an der von ihm zu erbringenden individuellen Gegenleistung orientiert sind (RIS‑Justiz RS0020199), der Veräußerung somit in der Regel immaterielle, an die Person des Erwerbers gebundene Motive zugrunde liegen oder die auf eine nicht substituierbare Gegenleistung gerichtet ist (RIS‑Justiz RS0107638 [T1]; 5 Ob 14/11m mwN). Der vorliegende Schenkungsvertrag zwischen nahen Angehörigen und mit der Vereinbarung der einem Ausgedinge ähnlichen Gegenleistung bildet demnach eine „andere Veräußerungsart“ im Sinn des § 1078 ABGB und stellt einen möglichen Vorkaufsfall dar (vgl 1 Ob 81/11k).
3.3 Die Revisionswerber machen (als erhebliche Rechtsfrage) geltend, dass selbst wenn das Vorkaufsrecht grundsätzlich den Schenkungsfall umfassen würde und der Schenkungsvertrag vom 9. 11. 2012 als „andere Veräußerungsart“ im Sinn des § 1078 ABGB anzusehen sei, mangels Vereinbarung oder Bestimmbarkeit eines Einlösungspreises dennoch kein Vorkaufsfall vorliege. Um den Vorkaufsfall auslösen zu können, müsse der Einlösungspreis bei Vereinbarung des Vorkaufsrechts bestimmt oder zumindest bestimmbar vereinbart worden sein. Beides sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Auch die Gegenleistung des Geschenknehmers sei nicht bestimmbar, weil das aleatorische Element im Bezug auf das Lebensalter der Geschenkgeberin, auf die Höhe ihrer eigenen Einkünfte und auf die Höhe der allenfalls in Zukunft anfallenden Pflegekosten und des gewährten Pflegegeldes überwiege. Es sei völlig unklar, wie lange die Geschenkgeberin noch leben werde und somit in welcher Höhe zukünftig Pflegekosten anfallen würden und ob und wenn ja in welchem Ausmaß den Geschenknehmer eine Zahlungsverpflichtung treffe.
3.4 Bezieht sich das Vorkaufsrecht im Sinn des § 1078 ABGB auch auf „andere Veräußerungsarten“, so stellt sich tatsächlich die Frage, welcher Einlösungspreis rechtens sein soll. Die Einlösung setzt in solchen Fällen nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass der Einlösungspreis (Kaufpreis) schon bei Einräumung des Vorkaufsrechts bestimmt oder bestimmbar vereinbart wurde oder (zumindest) die vom Dritten gebotene Gegenleistung durch einen Schätzwert in Geld ausgleichbar ist. Gegenleistungen, die sich durch einen Schätzungswert nicht ausgleichen lassen, sind ‑ im Sinn des analog angewendeten § 1077 Satz 2 ABGB ‑ sowohl unschätzbare Leistungen als auch schätzbare, aber ohne Interessenverletzung des Vorkaufsbelasteten nicht in Geld ausgleichbare Leistungen. Ist ein Einlösungspreis nicht zumindest bestimmbar vereinbart und kann er auch durch einen Schätzwert nicht ausgeglichen werden, dann kann das erweiterte Vorkaufsrecht nicht ausgeübt werden (5 Ob 14/11m mwN). Das gilt insbesondere auch im Falle der Schenkung einer Liegenschaft, für die bei der Einräumung des Vorkaufsrechts für alle Veräußerungsfälle kein bestimmter oder auf eine festgelegte Weise bestimmbarer Preis vereinbart wurde (RIS‑Justiz RS0020204). Das verbücherte Vorkaufsrecht bleibt in diesen Fällen in seinem Bestand unberührt, haftet weiterhin auf der belasteten Liegenschaft und kommt erst zum Tragen, wenn der Erwerber seinerseits die Liegenschaft veräußern will (5 Ob 14/11m mwN).
3.5 Im vorliegenden Fall ist in der Erklärung vom 6. 6. 1989 selbst für die anderen Veräußerungsfälle zwar weder ein bestimmter Kaufpreis noch eine Bewertungsmethode ausdrücklich angeführt. Das Rekursgericht hebt in seiner Entscheidung jedoch hervor, dass mit dieser Vereinbarung das schon bestehende Vorkaufsrecht ihrer Rechtsvorgängerin auf die neuen Berechtigten übertragen werden sollte, die Erklärung vom 6. 6. 1989 auf den dieses Vorkaufsrecht normierenden Kaufvertrag vom 24. 6. 1981 ausdrücklich Bezug nimmt und in eben diesem Kaufvertrag das mit der Erklärung vom 6. 6. 1989 übertragene Vorkaufrecht durch ein „Übernahmsrecht“ zum Verkehrswert, sohin zu einem bestimmbaren Preis, ergänzt oder konkretisiert wurde.In einem solchen Fall müsste daher durch Auslegung ermittelt werden, ob die Vertragsparteien der Erklärung vom 6. 6. 1989 im Lichte des gesamten Vertragswerks nicht doch einen Einlösungspreis für andere Veräußerungsfälle bestimmbar vereinbart haben. Andererseits müsste ‑ wiederum im Wege der Vertragsauslegung ‑ grundsätzlich auch geklärt werden, ob die der Liegenschaftseigentümerin gemäß dem Schenkungsvertrag zustehende Gegenleistung auch von den Vorkaufsberechtigten erfüllt oder ohne Interessenverletzung der Vorkaufsbelasteten im Sinn des § 1077 Satz 2 ABGB in Geld ausgeglichen werden kann. Dem Wortlaut nach stellt die hier vereinbarte Reallast eine reine Geldleistungspflicht dar. Die jedenfalls eine Vertragsauslegung erfordernde Lösung dieser Zweifelsfragen hat aber nicht im Grundbuchverfahren als reinem Urkundenverfahren zu erfolgen, sondern muss dem Streitverfahren überlassen bleiben; in einem solchen Zweifelsfall wirkt das verbücherte Vorkaufsrecht demnach wie ein Veräußerungsverbot (RIS‑Justiz RS0020201).
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