OGH 7Ob218/14f

OGH7Ob218/14f10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, die Hofrätin Mag. Malesich und den Hofrat Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. M*, vertreten durch Dr. Carl C. Knittl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. September 2014, GZ 39 R 82/14v‑19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 31. Jänner 2014, GZ 25 C 133/13k-13, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E111418

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin. Auf Basis der schriftlichen Vereinbarung vom 16. Juni 1999 überließ sie die Wohnung dem Beklagten. Zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestand damals ein gutes Verhältnis, weil sie diesen bereits seit seiner Kindheit kannte. Die Vereinbarung vom 16. Juni 1999 hatte der Ehemann der Klägerin aufgesetzt. Dieser erklärte dem Beklagten, dass er ihm keinen Mietvertrag geben wolle und die Überlassung nur in Form einer Bittleihe vereinbart werden könne. Er sagte dazu, dass er nicht wisse, ob der Beklagte sich die Wohnung auf Dauer leisten können werde, und die Klägerin außerdem wolle, dass die Wohnung ihr jederzeit zur Verfügung stehe.

Punkt 1. der Vereinbarung vom 16. Juni 1999 lautet auszugsweise wie folgt:

„Frau I*, Eigentümerin der Wohnung in 1210 Wien, *, überlässt diese dem Sohn ihrer langjährigen Freundin E*, Herrn M* befristet bis zum Studienabschluss, respektive bis zum Eintritt in das erwerbsmäßige Berufsleben bzw. bis auf Widerruf unentgeltlich für diese Zeit als Dauergast zur Nutznießung auf eigene Kosten und Gefahr mit folgenden Auflagen:

1.1. Der Widerruf kann jederzeit erfolgen, ebenso kann die Nutznießung jederzeit beendet werden. Jedoch soll dies von beiden Seiten ‑ soferne kein besonderer Grund dafür besteht ‑ tunlichst zu folgenden Terminen eines Jahres möglich sein und erfolgen:

28. (29.) Februar d.J. mit Wirksamkeit 30. Juni d.J.

31. Mai d.J. mit Wirksamkeit 30. September d.J.

31. August d.J. mit Wirksamkeit 31. Dezember d.J.

30. November d.J. mit Wirksamkeit 31. März n.J.

1.2. Die Nutznießung ist für Herrn S* (im Folgenden kurz Nutznießer) unentgeltlich. Dafür hält er die komplette eingerichtete Wohnung, ihre Ausstattung, die Möbel und alle Fahrnisse stets in gutem und kultiviertem Zustand, hütet und pflegt sie, als sei es sein Eigen.

1.3. Aus dieser Nutznießung können keine Rechtsansprüche, gleich welcher Art auch immer, abgeleitet werden.

1.4. Alle auflaufenden Betriebs- und Instandhaltungskosten gehen zu Lasten des Nutznießers. Ebenso die während seiner Nutznießung anfallenden Strom- und Gaskosten sowie der aliquote Anteil der Wohnungs-Versicherungsprämie.

1.5. Die Refundierung all dieser anfallenden Kosten (welche die Eigentümerin mittels Bankeinzug durch Abbuchung an den jeweiligen Rechnungsleger bezahlt) erfolgt durch den Nutznießer ebenfalls durch Überweisung dieser (variablen) Beträge auf das Bankkonto (separate Bekanntgabe) der Eigentümerin im Verlaufe des Folgemonats. Die Höhe der Beträge werden dem Nutznießer in gegenseitig abgesprochener Form bekanntgegeben und durch Vorlage der Bankauszüge belegt. [...]“

Die 53 m² große Wohnung war bei der Übergabe an den Beklagten voll möbliert. Die Möbel waren hauptsächliche aus den späten 50er- und frühen 60er-Jahren, teilweise aus den 20er- und 30er-Jahren. Es gab auch ein Biedermeier-Kästchen. Es war eine vollständige Wohnungsausstattung mit Geschirr, Tischtüchern und Bettzeug vorhanden.

Es steht nicht fest, wie hoch die monatliche Vorschreibung der Eigentümergemeinschaft für die Wohnung an die Klägerin im Jahr 1999 war. Der gesamte Aufwand der Eigentümergemeinschaft für das Haus betrug im Jahr 1998 jedenfalls 498.714,13 ATS, die Summe der Vorschreibungen über das ganze Jahr 1998 für alle Wohnungseigentümer 600.000 ATS. Der Anteil der auf die Wohnung der Klägerin entfiel, betrug 760/29550. Gerechnet von 600.000 ATS entspricht dies 1.285,96 ATS monatlich, gerechnet von 498.714,13 ATS 1.068,87 ATS monatlich.

Die Klägerin gab dem Beklagten stets bekannt, wie hoch die Zahlungen an die von der Eigentümergemeinschaft bestellte Hausverwaltung waren. Diese enthielten sowohl die „Betriebskosten im eigentlichen Sinn“ als auch die von der Eigentümergemeinschaft für die Instandhaltung aufgewendeten und angesparten Beträge. Außerdem zahlte die Klägerin die Energiekosten, die die Kosten des tatsächlichen Verbrauchs an Gas und Strom und die Grundkosten der Energieversorgung für die Wohnung enthielten, und die Kosten für die Wohnungs- und Haushaltsversicherung. Der Beklagte überwies jedes Monat der Klägerin die Summe aus jenem Betrag, den die Klägerin aufgrund der Vorschreibung an die Hausverwaltung der Eigentümergemeinschaft zahlte, und jenen Beträgen von jeweils 1/12 der jährlichen Leistung, die die Klägerin für die Energiekosten für die Wohnung und für die Wohnungs- und Haushaltsversicherung aufwendete.

Der Beklagte schloss im Jahr 2001 sein Studium der Rechtswissenschaften ab. Zur Sponsionsfeier im Juni 2001 war auch die Klägerin eingeladen. Anlässlich dieser Sponsionsfeier und auch danach wurde die Klausel in der Vereinbarung vom 16. Juni 1999, wonach der Beklagte die Wohnung bis zum Ende seines Studiums oder bis zu seiner Selbsterhaltungsfähigkeit benützen können sollte, in keiner Weise angesprochen. Die Klägerin forderte den Beklagten auch nicht auf, die Wohnung zu räumen, als sie erfuhr, dass er eine gut bezahlte Anstellung gefunden hatte.

 

Die Klägerin begehrte die Räumung der Wohnung. Mit der Vereinbarung vom 16. Juni 1999 habe sie die Wohnung dem Beklagten prekaristisch überlassen. Trotz Widerrufs dieser unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung zum 11. Februar 2013 verweigere der Beklagte die Rückstellung der Wohnung.

Der Beklagte wandte ein, dass es sich bei der Vereinbarung vom 16. Juni 1999 in Wahrheit um einen Mietvertrag handle. Angesichts der vereinbarten Gegenleistungen sei nicht von einer Unentgeltlichkeit auszugehen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für das von der Klägerin behauptete Prekarium sei die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs essentiell. Immer dann, wenn ausdrücklich oder konkludent eine bestimmte Dauer des Gebrauchs vereinbart worden sei, liege keine jederzeitige Widerruflichkeit mehr vor. Im vorliegenden Fall hätten die Streitteile nicht nur eine Vereinbarung über die Dauer der Gebrauchsüberlassung getroffen, sie hätten sogar Regelungen, die Kündigungsterminen und -fristen nachgebildet seien, in den Vertrag aufgenommen. Dass die Wendung „befristet bis zum Studienabschluss, respektive bis zum Eintritt in das erwerbsmäßige Berufsleben bzw. bis auf Widerruf“in sich widersprüchlich sei, gehe zu Lasten der Klägerin, da diese Bestimmung wie auch die gesamte Vereinbarung ausschließlich von ihrem Ehemann formuliert worden sei. Es liege auch keine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung vor. Der Beklagte habe der Klägerin über all die Jahre die gesamten Vorschreibungen ersetzt, die sie der Eigentümergemeinschaft zu zahlen gehabt habe. Daher komme es nicht darauf an, welchen Prozentsatz der zulässigen Miete dies ausgemacht habe. Bei Gesamtbetrachtung der getroffenen Vereinbarungen liege ein Mietvertrag vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das Ersturteil in eine Klagsstattgebung ab. Es bejahte die freie Widerruflichkeit, weil die im Vertrag genannten Umstände „Studienabschluss“ und „Eintritt in das erwerbsmäßige Berufsleben“ im Zusammenhang mit der Betonung, wonach der „Widerruf jederzeit erfolgen könne“, nur als Beispiele für die Ausübung der jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit anzusehen seien. Auch die Vereinbarung, wonach der Widerruf zu bestimmten Terminen mit bestimmter Wirksamkeit der Beendigung des Vertragsverhältnisses erfolgen solle, entspreche keiner Vereinbarung von Kündigungsfristen und Kündigungsterminen, weil diese Fristen und Termine nur „tunlichst“ im Sinne von „möglichst“ eingehalten werden, aber keine beiderseitigen Verpflichtungen auslösen sollten. Die Vereinbarung eines Entgelts schließe eine Bittleihe dann nicht aus, wenn das Entgelt so geringfügig sei, dass es gegenüber dem Wert der Benützung wirtschaftlich nicht ins Gewicht falle. Im vorliegenden Fall sei die Überlassung der Wohnung gegen Zahlung aller auflaufenden Betriebs- und Instandhaltungskosten für die Wohnung, anfallender Strom- und Gaskosten sowie des Anteils an der Wohnungsversicherungsprämie erfolgt. Weiters habe der Beklagte sämtliche von der Klägerin nach dem WEG nach einem festgelegten Schlüssel zu finanzierenden Kosten zu übernehmen gehabt. Dazu habe auch der Beitrag der Klägerin zur Rücklage für die Finanzierung der Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten gehört. Dabei aber handle es sich nach ständiger Rechtsprechung um Entgelt. Grundsätzlich wäre daher zunächst die Höhe des ortsüblichen Hauptmietzinses für das Wohnungseigentumsobjekt zum maßgeblichen Zeitpunkt der Überlassung zu prüfen, dann seien (nur) die Beiträge zur Rücklage als Entgelt zu berücksichtigen und dem ortsüblichen Hauptmietzins im maßgeblichen Zeitpunkt (zuzüglich jener Betriebskostenanteile, die im Sinne der dargelegten Grundsätze als Entgeltbestandteile zu qualifizieren seien) gegenüberzustellen. Erst danach könnte beurteilt werden, ob das vom Beklagten geleistete Entgelt die Annahme eines Prekariums rechtfertige. Im vorliegenden Fall sei jedoch zu beachten, dass die Klägerin dem Beklagten durch die Beistellung von Mobiliar und einer kompletten Wohnungsausstattung eine Leistung erbracht habe, für die ein angemessenes Entgelt vereinbart und begehrt werden könne. Auch dieses wäre der entgeltlichen Leistung des Beklagten gegenüberzustellen. Das Berufungsgericht gelange allerdings zu dem Ergebnis, dass bei dieser Gegenüberstellung jedenfalls die für ein Prekarium erforderliche Grenze eines Anerkennungszinses nicht überschritten werde. Von einem weiteren Beweisverfahren vor dem Erstgericht unter Beiziehung eines Immobiliensachverständigen zur Feststellung des ortsüblichen Mietzinses im Jahre 1999 sowie des Entgelts für das überlassene Inventar könne im Hinblick auf die damit verbundenen Verfahrenskosten und den Verfahrensaufwand Abstand genommen werden. Auszugehen sei von einer unentgeltlichen oder nur gegen geringfügiges Entgelt erfolgten Überlassung der Wohnung, die der Annahme eines Prekariums nicht entgegenstehe. Der Beklagte benütze die Wohnung seit dem Widerruf des Prekariums titellos.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise sie mangels Berechtigung abzuweisen.

 

Die Revision des Beklagten ist zulässig, sie ist auch im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Das Rechtsinstitut der Bittleihe nach § 974ABGB setzt voraus, dass die Dauer des Gebrauchs nicht bestimmt und der Vertragsgegenstand gegen jederzeitigen Widerruf im Wesentlichen unentgeltlich überlassen wurde. Das kennzeichnende Merkmal einer Bittleihe besteht also darin, dass keine Verbindlichkeit des Verleihers zur Gestattung des Gebrauchs besteht (RIS-Justiz RS0020524, RS0019083, RS0083418, RS0019221, RS0019196).

2. Die freie Widerruflichkeit kann sich aus der ausdrücklichen Vereinbarung oder aus den Umständen des Falles ergeben (RIS-Justiz RS0019196). Die Einräumung des Nutzungsrechts bis zum Eintritt eines künftigen Ereignisses, mag dieses beeinflussbar sein oder nicht, hindert den jederzeitigen freien Widerruf (RIS-Justiz RS0020524 [T5]). Der Annahme der jederzeitigen Widerruflichkeit steht hingegen nicht entgegen, wenn der Prekariumsgeber lediglich unverbindlich Umstände bekannt gibt, unter denen er von seiner im Übrigen jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit Gebrauch zu machen gedenkt (7 Ob 251/07y; Karnerin Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 974 Rz 6 mwN).

In der Vereinbarung vom 16. Juni 1999 nehmen die Streitteile auf den Studienabschluss und Berufseintritt des Beklagten Bezug. Das Berufungsgericht qualifiziert dies ‑ anders als das Erstgericht ‑ als eine solche lediglich unverbindliche Bekanntgabe möglicher Anlässe für einen Widerruf.

Die Auslegung eines Vertrags hat zufolge § 914 ABGB nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände die Absicht der Parteien zu erforschen. Der Vertrag ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also zunächst vom Wortsinn und der gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, aber in weiterer Folge auch der Wille der Parteien im Sinne der dem Erklärungsempfänger erkennbaren Absicht des Erklärenden zu beurteilen; letztlich wäre auch das Verständnis des redlichen Verkehrs zur Auslegung heranzuziehen (RIS-Justiz RS0017817, RS0017915, RS0017797). Es ist dabei stets vom objektiven Erklärungswert der Willensäußerungen auszugehen (RIS-Justiz RS0014160).

Wie schon das Berufungsgericht zutreffend hervorgehoben hat, erfährt die widersprüchliche Formulierung in der den einzelnen „Auflagen“ für die Gebrauchsüberlassung vorangestellten Einleitung im Folgenden eine Klarstellung. Gemäß Punkt 1.1. der Vereinbarung kann der Widerruf jederzeit erfolgen und die Nutznießung jederzeit beendet werden. Der objektive Erklärungswert dieser Willensäußerung ist unzweifelhaft auf die Vereinbarung einer jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit gerichtet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Widerruf „tunlichst“ zu bestimmten Terminen und unter Einhaltung gewisser Fristen erfolgen „soll“. Schließlich wurde dem Beklagten nach dem Wortlaut und der dem Erklärungsempfänger erkennbaren und auch mitgeteilten Absicht der Erklärenden ‑ entsprechend der generalklauselartigen Bestimmung Punkt 1.3. der Vereinbarung ‑ kein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Räumungsfrist eingeräumt.

Mangels Feststellung einer vom so verstandenen Wortlaut der Urkunde abweichenden Parteienabsicht haben die Streitteile daher das Recht auf Widerruf nicht vom Studienabschluss und/oder vom Berufseintritt des Beklagten abhängig gemacht, sondern die freie Widerruflichkeit ausdrücklich vereinbart. Damit kommt es entscheidend darauf an, ob die Wohnung dem Beklagten nach der Vereinbarung im Wesentlichen unentgeltlich überlassen wurde.

3. Für die Beurteilung, ob die Überlassung einer Wohnung ungeachtet eines dem Eigentümer zu zahlenden Geldbetrags als unentgeltlich iSd § 981 ABGB zu qualifizieren ist, ist nach neuerer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs darauf abzustellen, ob die vom Nutzungsberechtigten übernommenen Kosten ihrer Natur nach aus dem Gebrauch resultieren oder ob sie den Liegenschafts-(mit-)eigentümer unabhängig von jedem Gebrauch der Liegenschaft aufgrund seiner (Mit-)Eigentümerstellung treffen. (Nur) Die Übernahme der Kosten der zweiten Art stellt Entgelt dar (RIS-Justiz RS0019152 [T6]; RS0019169 [T2, T3, T4]; vgl auch RS0020551). Das gilt auch im Fall der Überlassung eines im Wohnungseigentum stehenden Objekts zum Gebrauch gegen Tragung sämtlicher Aufwendungen. Die aus dem WEG resultierende Verpflichtung des Wohnungseigentümers, die Betriebskosten nach einem festgelegten Schlüssel unabhängig vom tatsächlichen Gebrauch des Objekts mitzufinanzieren, ändert nichts am Charakter „echter“ Betriebskosten (8 Ob 25/06v; RIS-Justiz RS0019152 [T6], RS0019169 [T2, T3, T4]). Aufwendungen, die ihrer Natur nach als Gebrauchskosten zu qualifizieren sind (und daher kein Entgelt im Sinn des § 1090 ABGB darstellen) sind nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (8 Ob 25/06v; 10 Ob 26/13s) beispielsweise folgende Aufwendungen: Grundkosten Warmwasser, Grundkosten Heizung, Liftbetriebskosten, Hausverwaltung/Hausbetreuung. Kosten, die ihrer Natur nach keine Gebrauchskosten (und damit Entgelt) darstellen, sind etwa folgende Aufwendungen: Grundsteuer, Bankgebühren, „Hauszubehör“, „Kleinreparaturkosten“, Versicherung der Liegenschaft (im Regelfall); Raten für die anteilige Rückzahlung der Sanierungsdarlehen und Beiträge zum Reparaturfonds.

Der Unentgeltlichkeit steht es gleich, wenn das geleistete Entgelt so niedrig gehalten ist, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht fällt (RIS-Justiz RS0019083, RS0019152 [T1], RS0019053 [T8]). Da die Bittleihe aber nicht dazu benutzt werden darf, zwingende Vorschriften des Mietrechts zu umgehen, kommt der Frage, ob trotz Gegenleistung noch Unentgeltlichkeit vorliegt, für die Abgrenzung zu Bestandverträgen entscheidende Bedeutung zu und ist bei sonst dem MRG unterliegenden Objekten ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (Karner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 974 ABGB Rz 3 mwN; Ertl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 974 ABGB Rz 7; Schubert in Rummel 3 § 974 ABGB Rz 4; Griss in KBB4 § 974 ABGB Rz 2). Wurde für die Überlassung ein nicht mehr zu vernachlässigendes Entgelt bedungen, liegt auch dann ein Mietvertrag vor, wenn die Absicht der Parteien nicht auf die Begründung eines Mietverhältnisses gerichtet war. Typische Vertragsfiguren ziehen grundsätzlich typisierte Rechtswirkungen nach sich (8 Ob 25/06v; 10 Ob 26/13s).

Die Frage, ob die vereinbarte Gegenleistung des Benützungsberechtigten als Mietzins oder als ein die Annahme einer Leihe (Bittleihe) rechtfertigender Anerkennungszins anzusehen ist, ist nach den Verhältnissen bei Vertragsabschluss zu beurteilen (RIS-Justiz RS0019053). Zu prüfen ist daher, welcher ortsübliche Mietzins für das Objekt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erzielbar gewesen wäre (8 Ob 25/06v; 1 Ob 132/08f; 10 Ob 26/13s). Ein entgeltliches Rechtsverhältnis liegt dann nicht vor, wenn für die überlassene Sache nicht mehr als 10 % des ortsüblichen Entgelts geleistet wird (RIS-Justiz RS0020541 [T1, T2]).

4. Ausgehend von diesen Grundsätzen reichen die Feststellungen des Erstgerichts zur abschließenden Beurteilung, ob die vereinbarten Gegenleistungen des Beklagten als Mietzins oder als ein die Annahme einer Bittleihe rechtfertigender Anerkennungszins anzusehen ist, nicht aus. Es fehlen Feststellungen dazu, welcher Mietzins zum maßgeblichen Zeitpunkt (Juni 1999) nach den damaligen Marktgegebenheiten und rechtlichen Rahmenbedingungen für das Wohnungseigentumsobjekt samt dem überlassenen Inventar vermutlich erzielbar war. Darüber hinaus bedarf es der Klärung der Zusammensetzung der vom Beklagten der Klägerin nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu ersetzenden Aufwendungen, um beurteilen zu können, in welcher Höhe sie einerseits den Gebrauchskosten und andererseits den gebrauchsunabhängigen Kosten zuzuordnende Anteile enthielten. Der die Gebrauchskosten übersteigende Betrag ist zur Summe des ermittelten ortsüblichen Mietzinses ins Verhältnis zu setzen. Wobei im Falle der Vereinbarung der Rückverrechnung eines allfälligen Guthabens aus der Jahresabrechnung der die Gebrauchskosten übersteigende Betrag nicht nach den vorgeschriebenen Akontozahlungen, sondern nach dem tatsächlichen Aufwand zu bestimmen ist. Sollte der auf die als Entgeltbestandteil zu qualifizierenden Kosten entfallende Teilbetrag gegenüber dem Nutzungswert im Sinne der zitierten Rechtsprechung nicht ins Gewicht fallen, läge ein Präkarium vor, andernfalls ein (entgeltliches) Mietverhältnis.

5. Das Berufungsgericht hat diese sekundären Feststellungsmängel in Bezug auf die Feststellung des erzielbaren Mietzinses als Bezugsgröße für die Beurteilung der Geringfügigkeit des Entgelts zwar erkannt, die Notwendigkeit der Verfahrensergänzung aber ‑ zusammenge-fasst ‑ aus ökonomischen Gründen und in Vorwegnahme des von ihm vermuteten Ergebnisses des Beweisverfahrens verneint. Ohne es deutlich zum Ausdruck zu bringen, hat das Berufungsgericht damit eine für die Berechtigung des Klagsanspruchs wesentliche Vorfrage nach richterlichem Ermessen im Sinne des § 273 ZPO beurteilt. Die Voraussetzungen dafür lagen jedoch nicht vor. Die Rechtsprechung wendet § 273 Abs 1ZPO zwar nicht nur zur Bestimmung der Höhe einer Geldforderung, sondern auch bei der Ermittlung von in Geld zu bewertenden Sachgrundlagen an (vgl Rechberger in Fasching/Konecny 2 § 273 ZPO Rz 4, 6), Voraussetzung dafür ist aber, dass der Beweis nur mit „unverhältnismäßigen Schwierigkeiten“ zu erbringen ist. Bei der Beurteilung, ob die vom Gesetz angesprochenen Schwierigkeiten vorliegen, ist zwar auch der mit einer Beweisaufnahme verbundene Aufwand an Kosten, Zeit und Arbeit zu berücksichtigen (Rechberger in Fasching/Konecny 2 § 273 ZPO Rz 7). Angesichts der Bedeutung des Streitgegenstands aber (die Anwendung des § 273ZPO soll eine für die Beurteilung der Berechtigung eines Begehrens auf Räumung einer Wohnung entscheidende Vorfrage klären) stellt der zu erwartende, mit einer Beweisaufnahme verbundene Aufwand hier jedenfalls keine „unverhältnismäßige Schwierigkeit“ dar.

Das Berufungsgericht hat demnach die Anwendbarkeit des § 273 ZPO zu Unrecht bejaht, was zur Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache in die erste Instanz führen muss.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte