OGH 4Ob77/15z

OGH4Ob77/15z19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Markenrechtssache der Antragstellerin E***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwalt in Krems, wegen Anmeldung der österreichischen Wortmarke AMARILLO, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 13. März 2015, GZ 34 R 163/14m‑4, mit welchem der Beschluss der Rechtsabteilung des Österreichischen Patentamts vom 11. Juni 2014, GZ AM 3061/2013-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00077.15Z.0519.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung

Mit Beschluss vom 11. 6. 2014 wies die Rechtsabteilung des Österreichischen Patentamts die von der Antragstellerin für die Warenklassen 29 (Konfitüren), 32 (Fruchtsäfte) und 33 (Spirituosen) begehrte Eintragung der Wortmarke AMARILLO in das Markenregister ab. Seiner Entscheidung liegt zugrunde, dass das Zeichen eine ausschließlich beschreibende Angabe nach § 4 Abs 1 Z 4 MSchG sei. Amarillo oder Tendral Amarillo, auch gelbe Honigmelone genannt, sei eine bestimmte Art der Zuckermelone, die durch ihre gelbe Frucht gekennzeichnet sei. Die beteiligten Verkehrskreise sähen in dem Zeichen nur einen beschreibenden Hinweis darauf, dass die so bezeichneten Waren den Geschmack bzw Bestandteile der gelben Honigmelone beinhalten. Konsumenten fassten dieses Zeichen ohne Verkehrsgeltungsnachweis keinesfalls als individualisierungskräftiges Kennzeichen eines konkreten Anbieters auf. Das Patentamt erachtete nach Prüfung der von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden den Nachweis der Verkehrsgeltung des angemeldeten Zeichens las nicht erbracht. Auch die langjährige (aber bereits abgelaufene) Verwendungsdauer der Bezeichnung AMARILLO im Markenregister sei für den Nachweis der österreichweiten Verkehrsgeltung unzureichend.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das spanische Wort Amarillo (= gelb) werde unter der bedeutend größeren Anzahl der Durchschnittsverbraucher in Bezug auf die in Rede stehenden Warenklassen nicht als Farbbezeichnung verstanden und habe für diesen Verkehrskreis weder als Hinweis für eine Farbe, noch als Sortenbezeichnung für eine gelbe Honigmelone einen ausschließlich beschreibenden Charakter. Hingegen sei aber ein beschreibender Charakter insofern gegeben, als der mitbeteiligte kleinere Verkehrskreis des Fachhandels (Importeure, Zwischenhändler, Delikatessenhändler) die Bedeutung von Amarillo als Sortenbezeichnung für eine Melone kenne, zumal Amarillo vielfach als Name für die Bezeichnung einer (Gemeinschafts-)Sorte für Melonen (mit‑)verwendet werde. Bei einer derart gespaltenen Verkehrsauffassung genüge es, wenn der beschreibende Charakter nur einem dieser Verkehrskreise geläufig sei. Mangels Präjudizialität einer Vorregistrierung könne sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, dass ihre Marke bereits 30 Jahre eingetragen gewesen sei.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage des maßgeblichen Verkehrskreises in Bezug auf die betroffenen Warenklassen bei einem beträchtlichen Missverhältnis zwischen dem kleinen Fachkreis und dem großen Kreis der durchschnittlich informierten und verständigen Durchschnittsverbraucher keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege. Zudem bestehe keine Judikatur zum Markenrecht in Bezug auf das Ausschließlichkeitsrecht des Sortenschutzes.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1.1 Von der Registrierung als Marke ausgeschlossen sind Zeichen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können (§ 4 Abs 1 Z 4 MSchG).

1.2 Derartige rein beschreibende Zeichen liegen dann vor, wenn der im Wort enthaltene Hinweis auf die Herstellung, die Beschaffenheit oder die Bestimmung der Ware oder Dienstleistung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise allgemein und ohne besondere Denkarbeit erfasst werden kann (RIS-Justiz RS0066456; RS0117763). Bei Wortmarken ist der normale Wortsinn, wie er sich aus Wörterbüchern oder ähnlichen Werken ergibt, heranzuziehen.

1.3 Enthält das Zeichen demgegenüber nur Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend und kann daher auch ohne Verkehrsgeltung dem Schutz des MSchG unterliegen (RIS-Justiz RS0109431 [T3]).

2. Gehören zu den angesprochenen Kreisen sowohl Fachkreise als auch Endverbraucher, kann der Gesamteindruck unterschiedlich ausfallen.

2.1 Das Rekursgericht hielt für die Konsumenten fest, dass Amarillo weder als Farb- noch als Sortenbezeichnung verstanden wird, während es die Bezeichnung für die Fachkreise als beschreibend qualifizierte und Letzteres als ausreichend erachtete, um das Registrierungshindernis zu bejahen.

2.2 Nach der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung des erkennenden Senats wird bei einem heterogenen Publikum eine Geschäftspraktik bereits dann als unlauter qualifiziert, wenn dies nur für eine von mehreren angesprochenen Verbrauchergruppen gilt (4 Ob 188/08p ‑ MEL). Daran anknüpfend wurde auch im Markenrecht ‑ im Zusammenhang mit der Prüfung des Unterlassungsanspruchs eines Markeninhabers ‑ zur Verwechslungsgefahr bereits vertreten, es genügt bei einer derart gespaltenen Verkehrsauffassung, wenn die Verwechslungsgefahr nur für einen dieser Verkehrskreise besteht (4 Ob 7/12a ‑ SINUPRET/SINUVEX).

2.3 Diese Judikatur deckt sich mit der markenrechtlichen Rechtsprechung des EuGH zum Widerspruchsverfahren (zB zur GMV: C-412/05 P , Alcon/HABM [TRAVATAN] Rn 90) oder zur Prüfung von Verfallsgründen (nach Art 12 Abs 2 lit a RL 89/104/EWG : C‑371/02 Björnekulla Fruktindustrier/Procordia Food [Bostongurka] Rn 26), wonach die Verkehrskreise von den Endverbrauchern und den Fachkreisen gebildet werden.

Zum Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft bzw des beschreibenden Charakters (iSd Art 3 Abs 1 lit b und c RL 89/104/EWG ) fremdsprachiger Zeichen hat der EuGH in der Entscheidung C-421/04 , Matratzen Concord/Hukla Germany [MATRAZEN] , klargestellt, dass bei der Beurteilung der „beteiligten Verkehrskreise“ auf „den Handel und/oder normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist“ (Rn 24). Durch die Verwendung der Formulierung „und/oder“ geht hervor, dass es auch auf die Fachkreise allein ankommen kann (vgl auch EuGH C‑45/11 P, Deutsche Bahn/HABM [Rn 49: „die maßgeblichen Verkehrskreise, dh die Gewerbetreibenden und das allgemeine Publikum“]).

2.4 Eine entsprechende Rechtsansicht vertritt auch der BGH bei der Prüfung von Registrierungshindernissen (iSd § 8 dMarkenG), wonach ein solches schon aufgrund des Verständnisses eines der angesprochenen Verkehrskreise vorliegen kann (I ZB 11/04 GRUR 2006, 760 ‑ LOTTO; I ZB 53/05 GRUR 2008, 900 ‑ SPA II; vgl auch zum dWZG: I ZB 7/92 GRUR 1994, 805 ‑ Alphaferon und zur Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Z 2 dMarkenG: I ZB 52/09 GRUR 2012, 64 ‑ Maalox/Melox-GRY).

2.5 Auch in der Lehre wird zur Prüfung eines bloß beschreibenden Begriffsgehalts iSd § 4 Abs 1 Z 4 MSchG (bzw zum vergleichbaren § 8 Abs 2 Z 2 dMarkenG) vertreten, dass es nicht zwingend auf das Verständnis der Verbraucher in ihrer Gesamtheit ankommt, sondern kumulativ auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise ausschlaggebend sein kann ( Newerkla in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 4 Rz 206 und 214; Fercher in Wiebe , Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht 2 126; vgl auch [für die Verwechslungsgefahr] Schumacher in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 10 Rz 90; für Deutschland: Eichelberger in Kur/Bomhard/Albrecht Markenrecht § 8 Rz 104; Fezer , Markenrecht 4 § 8 Rz 50; Fuchs-Wissemann in Ekey/Bender , Markenrecht 1 3 § 8 Rz 17; Ingerl/Rohnke , Markengesetz 3 § 8 Rz 74 und 206; Ströbele/Hacker , Markengesetz 11 Rz 41; Ströbele , Vom Freihaltebedürfnis zum Allgemeininteresse im Markenrecht, Festschrift Ullmann [2006] 425).

Zum Teil wird vertreten, dass auf den Fachverkehr nur dann abzustellen ist, wenn die Endabnehmer mit den betreffenden Waren oder Dienstleistungen nicht befasst sind ( Schultz in Schultz , Markenrecht 3 § 8 Rz 28).

2.6 Der Senat knüpft im Sinne der herrschenden Lehre an seine oben referierte Rechtsprechung (Punkt 2.2) auch für den Bereich des § 4 MSchG an und erachtet die Rechtsansicht des Rekursgerichts für zutreffend. Demnach kann bereits das Verständnis eines von mehreren angesprochenen Verkehrskreisen entscheidend sein und das Registrierungshindernis bewirken. Dies auch ungeachtet des Umstands, dass es sich um den kleineren Teil der beteiligten Verkehrskreise handelt ( Newerkla in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 § 4 Rz 214). Das Eintragungshindernis darf somit in keinem dieser Kreise vorliegen, was auch der oben referierten Rechtsprechung des EuGH (Punkt 2.3) zu vergleichbaren Bestimmungen entspricht.

Das hier vertretene Ergebnis korreliert auch mit dem Umstand, dass das Gesetz mehrfach (im Plural) von den beteiligten Verkehrskreisen spricht (insb § 4 Abs 2 MSchG, vgl auch § 31 Abs 1 und § 62 Abs 3 MSchG) und somit nicht auf einen einzigen Adressatenkreis, sondern auf mehrere Verkehrskreise abstellt. Ein derartiges Abstellen setzt aber voraus, dass der im jeweiligen (angesprochenen) Adressatenkreis vorherrschenden Ansicht auch dann Relevanz zukommen muss, wenn diese Ansicht in den anderen Verkehrskreisen nicht geteilt wird.

3. Der fachkundige Rekurssenat hat unter Heranziehung der allgemeinen Lebenserfahrung bzw seines Fachwissens die Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0043658) der Eigenschaft des Wortes Amarillo als für Fachkreise (vgl 4 Ob 259/97k) beschreibendes Zeichen zutreffend bejaht und ist folgerichtig davon ausgegangen, dass das Eintragungshindernis des § 4 Abs 1 Z 4 MSchG vorliegt.

4.1 Im Rechtsmittel wird nicht substantiiert bestritten, dass die Fachkreise die Bedeutung von Amarillo als Sortenbezeichnung für eine Melone kennen. Die Antragstellerin hält der Bezugnahme auf den beschreibenden Charakter des Wortes Amarillo nur die von ihr (erkennbar) behauptete Verkehrsgeltung der Bezeichnung AMARILLO bei den Fachkreisen entgegen und nimmt damit erkennbar auf § 4 Abs 2 MSchG Bezug. In einem solchen Fall kann auch ein an sich nicht schutzfähiges Zeichen registriert werden ( Mutz in Kucsko/Schumacher , marken.schutz 2 Rz 327).

4.2 Die Frage, ob eine bestimmte Bezeichnung Verkehrsgeltung erlangt hat und ob diese auch noch im gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht besteht oder ob eine etwa ursprünglich vorhandene Kennzeichnungskraft im Laufe der Zeit verloren gegangen ist, ist zwar eine Rechtsfrage, die aber aufgrund der hiefür in Betracht kommenden tatsächlichen Grundlagen zu lösen ist (RIS‑Justiz RS0043586; RS0043668).

4.3 Das Patentamt konnte im erstinstanzlichen Verfahren aufgrund der von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen keine entsprechenden Tatsachengrundlagen treffen und ist diesbezüglich von einem non liquet ausgegangen („die vorgelegten Materialien sind daher bei weitem noch nicht ausreichend, um den geforderten Nachweis zu erbringen“). Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der diesbezüglich beweisbelasteten Antragstellerin ( Engin-Deniz , MSchG 2 110; Grünzweig , Markenrecht § 4 MSchG Rz 147; vgl 4 Ob 79/94; OPM Om 11/89 ÖBl 1991, 57); eine amtswegige Prüfung findet nicht statt ( Engin-Deniz , MSchG 2 108).

4.4 Mit ihren knappen Ausführungen, dass in Fachkreisen die Bezeichnung AMARILLO für die Produkte der Antragstellerin bekannt sei, entfernt sich die Antragstellerin somit von den getroffenen (Negativ-)Feststellungen, weshalb ihr Rechtsmittel in diesem Umfang nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Einen allfälligen Mangel des Rekursverfahrens im Zusammenhang mit der Behandlung der Rekursausführungen zu den Tatsachengrundlagen der Verkehrsgeltung behauptet die Revisionsrekurswerberin nicht.

4.5 Bereits die Vorinstanzen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Berufung auf eine bloße (und bereits abgelaufene) Markenregistrierung in der Vergangenheit nicht ausreicht, um eine Verkehrsgeltung für ein Zeichen annehmen zu können, zumal dies auch bei aufrechter Markenregistrierung nur dann in Betracht kommt, wenn das Zeichen aufgrund eines Verkehrsgeltungsnachweises eingetragen wurde (RIS‑Justiz RS0066845 [T9, T14]; RS0066660 [T4, T8, T10]; Schmidhuber/Zemann in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 57 Rz 10). Derartiges wurde von der Antragstellerin aber nicht behauptet.

5.1 Zutreffend hat das Rekursgericht auch vertreten, dass die mit der MSchGNov 1999 (BGBl I Nr 111/1999) erfolgte Aufhebung des § 4 Abs 1 Z 5 MSchG aF über die Nichtregistrierbarkeit von Zeichen, die nach dem SortenschutzG als Sortenbezeichnung für gleichartige Waren registriert sind, nicht dazu geführt hat, dass Sortenbezeichnungen schon deshalb eintragungsfähig sind. Die Wahrung der Rechte an registrierten Sortenbezeichnungen blieb vielmehr durch § 4 Abs 1 Z 4, 5 und 8 MSchG nF und die Bestimmungen betreffend die Löschung von Marken aufrecht (idS ErläutRV 1643 BlgNR 20. GP 25).

5.2 Es kann hier aber dahinstehen, ob bereits der Umstand, dass es sich bei Amarillo um eine registrierte Sortenbezeichnung handelt, ausreicht, um eine Registrierung zu verweigern, weil eine solche hier ohnedies wegen § 4 Abs 1 Z 4 MSchG nicht zulässig ist.

6. Aus diesen Gründen muss der Revisionsrekurs scheitern. Ein Kostenersatz findet nicht statt (§ 38 MSchG iVm § 140 Abs 2 Z 3 PatG), weshalb die Antragstellerin die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen hat.

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