European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00017.15W.0428.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden im Umfang des Ausspruchs über die Geldunterhaltsverpflichtung für den Zeitraum 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2010 (Spruchpunkt 1a bis 1e des Erstgerichts) aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird auch in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Begründung:
Die Ehe der Eltern des derzeit 14‑jährigen M***** ist geschieden. Die Obsorgeberechtigung kommt laut der Aktenlage beiden Elternteilen zu. Der Minderjährige lebt im Haushalt seiner Mutter. Sein Vater verdient als Beamter der U***** zwischen 6.500 EUR netto (im Jahr 2010) und 8.000 EUR netto (im Jahr 2014); er hat keinen weiteren Sorgepflichten nachzukommen. Auch die Mutter ist berufstätig. Zur Höhe ihres Einkommens sind bisher keine Feststellungen vorhanden. Der Vater erbringt umfangreiche ‑ im Einzelnen festgestellte ‑ Leistungen für den Minderjährigen. Es handelt sich im Wesentlichen um die Übernahme freizeit‑ und schulbezogener Kosten, wie Schul-und Essensgeld für die Vienna International School, Kosten zusätzlicher Sport-, Sprach- und Musikkurse und diverser Lernhilfen, Ausgaben für Sportkleidung, Sommercamps und Urlaube sowie medizinische Belange (Zahnarztkosten) etc. Aufgrund einer zwischen den Eltern getroffenen Vereinbarung kommt der Vater darüber hinaus für sämtliche Kosten der in seinem Eigentum stehenden Wohnung auf, in der der Minderjährige gemeinsam mit seiner Mutter und einer Haushälterin lebt. Der Mietwert dieser Wohnung beträgt 1.418 EUR monatlich.
Die Mutter begehrt für den Minderjährigen die Festsetzung von monatlichem Geldunterhalt im Ausmaß von 1.000 EUR ab 1. 8. 2008.
Der Vater wendete ‑ soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich ‑ zusammengefasst ein, infolge seiner umfangreichen Naturalunterhaltsleistungen und seiner Betreuung während der über das übliche Ausmaß hinausgehenden ausgedehnten Kontakte zum Minderjährigen sei keine Unterhaltsverletzung gegeben. Der Minderjährige sei jedes zweite Wochenende von Freitag 17:00 Uhr bis Montag 8:00 Uhr sowie jeden Mittwoch Nachmittag bis Donnerstag früh bei ihm gewesen. Er habe ihn außerdem jeden Tag in der Früh mit dem Auto zur Schule gebracht. Belege betreffend die Urlaube in den Jahren 2009 und 2010 habe er nicht mehr aufgehoben. Er habe mit dem Minderjährigen aber jeweils die Zeit zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr bis zum 6. oder 7. Jänner verbracht, weiters jeweils eine Woche im Februar und Oktober, in den Osterferien und drei Wochen in den Sommerferien (somit etwa 53 Tage pro Jahr), sodass sich insgesamt durchschnittlich etwa 140 bis 150 Tage Betreuungstage ergäben. Ab 2011 hätten sie gemeinsame Urlaube in der Dauer von acht bis zehn Wochen gemacht. Außerhalb der Urlaubszeit habe der Minderjährige ab 2011 zusätzlich etwa 90 Tage jährlich bei ihm verbracht. Seit 2011 habe er ihn demnach etwa 150 bis 160 Tage jährlich betreut.
Der Minderjährige replizierte dazu, es sei nicht richtig, dass er vom Vater ständig betreut werde. Die Behauptung der ausgedehnten und häufigen Urlaube sei schon deshalb unrichtig, weil der Vater als Angestellter lediglich einen Urlaubsanspruch von sechs Wochen pro Jahr habe, sodass derart ausgedehnte Urlaube gar nicht möglich wären.
Das Erstgericht bestimmte den monatlichen (restlichen) Geldunterhaltsanspruch des Minderjährigen für die Zeit vom 1. 1. 2009 bis 30. 6. 2009 mit 184 EUR, vom 1. 7. 2009 bis 31. 12. 2009 mit 186 EUR, vom 1. 1. 2010 bis 30. 6. 2010 mit 207 EUR, vom 1. 7. 2010 bis 30. 11. 2010 mit 216 EUR und vom 1. 12. 2010 bis 31. 12. 2010 mit 298 EUR. Das Mehrbegehren, die Unterhaltspflicht des Vaters ab 1. 8. 2008 mit 1.000 EUR monatlich festzusetzen, wurde abgewiesen.
Das Erstgericht traf detaillierte Feststellungen zu den vom Vater getragenen Aufwendungen für die Kosten der von der Mutter und dem Minderjährigen bewohnten Wohnung, zu den Schul- und sonstigen Ausbildungskosten, Kosten von diversen Sport‑ und Sprachkursen sowie Freizeit- und Arztkosten des Minderjährigen. Weiters stellte es fest, dass der Vater seit 2011 ein überdurchschnittliches Kontaktrecht von rund 150 Tagen pro Jahr ausübt.
Rechtlich legte es seiner Entscheidung zu Grunde, das Kontaktrecht in der Zeit vom 1. 8. 2008 bis 31. 12. 2010 habe im üblichen Ausmaß stattgefunden, sodass für diesen Zeitraum nicht vom „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ auszugehen sei. Vom jeweiligen zweieinhalbfachen Regelbedarfssatz sei der erbrachte Naturalunterhalt in Abzug zu bringen. Der zweieinhalbfache Regelbedarf sei daher um das auf den Minderjährigen entfallende Drittel des fiktiven Mietwerts zu kürzen. Weiters sei für 2009 ein Abzug von monatlich 360 EUR und für das Jahr 2010 ein Abzug von monatlich 339 EUR für vom Vater geleistete ‑ im Einzelnen festgestellte ‑ Beträge für die Privatschule, das Schulessen, Sprachkurse, für Musik- und Sportunterricht, für Bekleidung und Arztkosten (insbesondere Zahnarztkosten) vorzunehmen, sodass sich die im Spruch genannten restlichen Geldunterhaltsbeträge ergäben. Das Mehrbegehren sei abzuweisen. Ab 2011 sei neben der Kürzung um die auf den Minderjährigen entfallenden anteiligen Wohnungskosten zu berücksichtigen, dass dieser etwa 41 % seiner Zeit mit dem Vater verbracht habe, sodass eine Reduzierung auf 59 % des bei alleiniger Betreuung durch die Mutter zustehenden Geldunterhalts vorzunehmen sei. Auch ab 2011 sei eine Kürzung um den vom Vater geleisteten ‑ im Einzelnen festgestellten ‑ Naturalunterhalt (Schul-, Ausbildungs-, Sport‑, Bekleidungs‑ und Arztkosten) vorzunehmen, und zwar in Höhe von monatlich 513 EUR für 2011, von 846 EUR für 2012, von 416 EUR für 2013 und von 1.066 EUR für Jänner 2014 bis August 2014. Diese Berechnung ergebe, dass ab 2011 keine Unterhaltsverletzung bestehe.
Gegen diese Entscheidung erhoben der Vater und der Minderjährige Rekurs.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss im Umfang der Stattgebung. Hingegen gab es dem Rekurs des Minderjährigen Folge und hob den abweisenden Teil der erstgerichtlichen Entscheidung auf. Zum stattgebenden Teil ließ es den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es liege noch keine gefestigte Rechtsprechung zur Unterhaltsberechnung für jene Kinder vor, die als Teil eines umfangreichen Kontaktrechts häufig vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil betreut werden.
Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, nur ein die übliche Dauer überschreitendes Kontaktrecht führe zu einer Reduzierung der Geldunterhaltspflicht. Dabei sei nicht auf die Aufwendungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils, sondern ausschließlich auf die ersparten Aufwendungen des anderen Elternteils abzustellen. Der üblichen Dauer entspreche ein Kontaktrecht im vierzehntägigem Rhythmus zum Wochenende und ein Ferienbesuchsrecht im Ausmaß von vier Wochen. Kosten für gemeinsame Urlaube des Vaters mit seinem Kind seien als Aufwendungen im Rahmen des Kontaktrechts anzusehen. Zwar habe das Erstgericht keine Feststellungen zum Ausmaß des Kontakts zwischen dem Vater und dem Minderjährigen in den Jahren 2009 und 2010 getroffen. Selbst wenn aber der Ferienkontakt in dem vom Vater behauptetem Ausmaß stattgefunden habe (in den Weihnachtsferien zwischen 26. Dezember und 6. Jänner, in der Semesterferienwoche im Februar, in den Osterferien, in den Sommerferien drei Wochen und in den Herbstferien eine Woche), sei keineswegs von einem exorbitantem, auf die Unterhaltspflicht anzurechnendem Ausmaß auszugehen, zumal der Minderjährige nie länger als einen Monat durchgehend nicht bei seiner Mutter gewesen sei. Diese habe sich unterhaltsrechtlich gesehen nichts Relevantes ersparen können. Sie sei klar als Hauptbezugsperson feststellbar. Die Methodik zur Berücksichtigung überdurchschnittlichen Kontaktrechts durch Pauschalabzüge sei für den Zeitraum 2009 und 2010 deshalb nicht anzuwenden. Die im Rekurs des Vaters behaupteten sekundären Feststellungsmängel lägen deshalb nicht vor.
Hingegen sei der gegen die Abweisung des Mehrbegehrens gerichtete Rekurs des Minderjährigen berechtigt. Obwohl zum Ausmaß des Kontaktrechts ab 2011 divergierende Parteienbehauptungen vorgelegen haben, habe das Erstgericht die von beiden Verfahrensparteien dazu angebotenen Beweismittel nicht abgeführt. Die Feststellung, der Vater übe seit 2011 ein Kontaktrecht von rund 150 Tagen im Jahr aus, sei deshalb nicht nachvollziehbar. Dessen ungeachtet habe das Erstgericht das ohne Beweisverfahren festgestellte Besuchsrechtsausmaß von 150 Tagen auf die Unterhaltspflicht mindernd angerechnet. Es werde daher erst nach Vorliegen ergänzender Feststellungen zum Ausmaß des Kontaktrechts des Vaters ab 2011 beurteilbar sein, ob eine überdurchschnittliche Betreuung des Minderjährigen durch den Vater vorliege, die eine Reduktion dessen Geldunterhaltspflicht rechtfertigen könne.
Der gegen den bestätigenden Teil dieser Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber macht als rechtlichen Feststellungsmangel geltend, die Vorinstanzen hätten es unterlassen, auch für die Jahre 2009 und 2010 Feststellungen über das Ausmaß des laufenden Kontakts und des Ferienkontakts zu treffen. Aufgrund seines Vorbringens und der von ihm angebotenen bzw vorgelegten Beweismittel hätte festgestellt werden müssen, dass er in den Jahren 2009 und 2010 jeweils zumindest 53 Tage Urlaub mit dem Minderjährigen verbracht habe (10 bis 11 Tage während der Weihnachtsferien, jeweils 7 Tage in den Semester‑ und Herbstferien, 7 bis 10 Tage in den Osterferien und drei Wochen in den Sommerferien), weiters, dass er den Minderjährigen während der Schulzeit alle 14 Tage von Freitag nach Schulende bis Montag früh (somit drei Tage hindurch) und wöchentlich von Mittwoch Nachmittag bis Donnerstag früh (somit einen weiteren halben Tag pro Woche) betreut habe. Während der neunmonatigen Schulzeit habe das laufende Kontaktrecht somit zumindest 10 Tage pro Monat betragen, somit 90 weitere Tage, sodass sich pro Jahr 143 Tage ergeben, denen 222 bei der Mutter verbrachte Tage gegenüberstünden. Dies entspreche einem Verhältnis von 40:60. Ausgehend von diesen - zu treffenden Feststellungen ‑ sei die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts, dennoch nicht vom „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ auszugehen, verfehlt.
In seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Minderjährige die Abweisung des Revisionsrekurses. Die vom Vater behaupteten Anwesenheits-, Besuchs- und Urlaubszeiten seien unrichtig. Dazu sei schon im Verfahren erster Instanz ein detailliertes Vorbringen erstattet worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat erwogen:
1. Betreut der geldunterhaltspflichtige Elternteil das Kind im Rahmen des üblichen Kontaktrechts in seinem Haushalt, hat dies keine Auswirkungen auf seine Unterhaltspflicht (vgl 6 Ob 20/97b ua). Üblich ist nach ständiger Rechtsprechung die Mitbetreuung im Rahmen eines Kontaktrechts von zwei Tagen alle zwei Wochen sowie von vier Wochen in den Ferien, also etwa an 80 Tagen pro Jahr (10 Ob 11/04x; 6 Ob 20/97b; Schwimann/Kolmasch , Unterhaltsrecht 7 103). Es wurde aber auch schon die Ausübung eines 14-tägigen Wochenendbesuchsrechts samt halbtägiger Betreuung einmal pro Woche noch nicht als eine über das übliche Besuchsrecht gravierend hinausgehende Betreuungsleistung angesehen (1 Ob 209/08d).
2. Teilen die Eltern die Betreuung in einem Ausmaß, das über den Rahmen der üblichen Besuchskontakte hinausgeht, war nach der Rechtsprechung die Geldunterhaltspflicht des Elternteils, bei dem sich das Kind nicht hauptsächlich aufhält, nur insoweit zu reduzieren, als sich der Elternteil durch die Betreuungsleistungen des anderen etwas erspart hat (zB durch Lebensmittel, Taschengeld, Wäsche und Freizeitaktivitäten). Welcher Elternteil Hauptbezugsperson und welcher Mitbetreuender ist, ergab sich bei gemeinsamer Obsorge bereits aus der Vereinbarung über den hauptsächlichen Aufenthalt bzw die hauptsächliche Betreuung des Kindes (4 Ob 4/04y). Dies sollte bezogen auf den Besuchszeitraum auch dann gelten, wenn das Kind längere Zeit beim anderen Elternteil aufhältig ist (2 Ob 319/99x; 3 Ob 222/02x).
3.1 Nach der jüngeren Rechtsprechung ist der zu leistende Geldunterhalt aber dann zu reduzieren, wenn der Unterhaltspflichtige ‑ über ein übliches Kontaktrecht hinaus ‑ Naturalunterhalt leistet (RIS‑Justiz RS0047452 [T6]).
3.2 Da Unterhaltsentscheidungen grundsätzlich Ermessensentscheidungen sind (RIS‑Justiz RS0047419 [T23]), ist es nicht möglich, allgemein verbindliche Prozentsätze für Abschläge für übermäßige Betreuungsleistungen des geldunterhaltspflichtigen Elternteils festzulegen. Prozentsätze können nur den Charakter einer Orientierungshilfe haben (RIS‑Justiz RS0047419). Im Rahmen des Ermessens neigt die Rechtsprechung aber dennoch dazu, in der Regel den Unterhaltsanspruch altersunabhängig um 10 % pro wöchentlichen Betreuungstag zu reduzieren, an dem sich das Kind über das übliche Ausmaß des Kontaktrechts hinaus beim geldunterhaltspflichtigen Elternteil befindet (10 Ob 49/10v mwN; 10 Ob 11/04x; 8 Ob 62/04g). Ein Besuchsrechtstag pro Woche sei als unterhaltsneutral anzusehen, für jeden weiteren sei eine Minderung von 10 % angemessen (10 Ob 11/04x; 4 Ob 16/13a). In 7 Ob 178/06m wurde eine Reduktion der Geldunterhaltspflicht des Vaters um 20 % gebilligt, wenn das Kind an jedem zweiten Wochenende von Freitag nach dem Schulbesuch bis Dienstag/Schulbeginn ‑ also an vier zusätzlichen Besuchstagen pro Monat und in erheblichem Ausmaß in den Ferien ‑ sohin insgesamt in etwa ein Drittel der Zeit vom Vater betreut wird.
4. Es wurde aber auch schon ausgesprochen, dass eine bloße Gegenüberstellung von Besuchs- bzw Betreuungstagen nicht allein und abschließend maßgeblich sein kann (5 Ob 2/12y). So werde ein 10%iger Abzug pro Tag umso weniger den wechselseitigen Leistungen entsprechen, je mehr sich die Situation einer gemeinsamen gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Elternteile annähert (RIS‑Justiz RS0128043). So führte in der Entscheidung 5 Ob 2/12y eine Betreuung durch den Vater an 154 Tagen jährlich zu einer Reduktion der Geldunterhaltspflicht um ca 40 %.
5.1 Bei gleichwertigen Betreuungs- und Naturalleistungen besteht jedenfalls kein Geldunterhaltsanspruch, wenn das Einkommen der Eltern etwa gleich hoch ist (RIS‑Justiz RS0047452 [T13]) bzw den Eltern ein solches Einkommen zur Verfügung steht, das jeweils zu über der Luxusgrenze liegenden Unterhaltsansprüchen des Kindes führt (6 Ob 11/13f, 4 Ob 16/13a). Von einer etwa gleichteiligen Betreuung wurde auch dann ausgegangen, wenn kein Elternteil mindestens zwei Drittel der Betreuung durchführt (4 Ob 16/13a).
5.2 Ansonsten steht dem Kind weiterhin ein Restgeldunterhaltsanspruch gegen den leistungsfähigeren und/oder weniger betreuenden Elternteil zu, der das unterschiedliche Betreuungsverhältnis bzw den geringeren Lebensstandard, an dem das Kind beim andern Elternteil partizipieren kann, ausgleicht ( Schwimann/Kolmasch , Unterhaltsrecht 7 103).
6.1 Folgt man dem Vorbringen des Vaters, hat er in den Jahren 2009 und 2010 den Minderjährigen in einem zwei Wochentage deutlich übersteigenden Ausmaß betreut. Obwohl das Rekursgericht dieses Vorbringen seiner Entscheidung zu Grunde legte und damit ‑ neben ausgedehnten Ferienkontakten ‑ von laufenden Kontakten ausging, die über das übliche Kontaktrecht hinausgehen, vertrat es die Ansicht, es sei dennoch das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ nicht anwendbar, weshalb Feststellungen zum behaupteten Ausmaß der Kontakte nicht erforderlich wären; weiters auch nicht dazu, ob und (allenfalls) inwiefern sich die Situation einer gemeinsamen gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Elternteile annäherte.
6.2 Im Hinblick auf die zitierte jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (siehe oben Pkt 3) sind derartige Feststellungen aber unumgänglich, um eine allfällige substantielle Mitbetreuung durch den Vater anhand der konkreten Verhältnisse von Leistungsfähigkeit und Betreuungslast festlegen zu können. Sollte sich ‑ wie vom Vater behauptet ‑ auch schon in den Jahren 2009 und 2010 eine im Sinne der dargelegten Rechtsprechung gleichwertig anzusehende Betreuung ergeben, wären zudem Feststellungen zur Höhe des Einkommens der Mutter nötig. Bei gleichwertig anzusehendem Betreuungs‑ und Naturalleistungsumfang beider Eltern wäre nämlich nur dann keine Geldunterhaltspflicht auszumessen, wenn beide Elternteile über ein annähernd gleich hohes Einkommen verfügen oder zwar deutliche Einkommensunterschiede vorliegen, doch die Einkommenshöhe jedes Elternteils Unterhaltsbeiträge jenseits der Luxusgrenze ermöglichen würde (4 Ob 74/10a).
7.1 In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher mit der Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen auch im Umfang des Ausspruchs über die (restliche) Geldunterhaltsverpflichtung des Antragsgegners für den Zeitraum 1. 1. 2009 bis 31. 12. 2010 vorzugehen. Erst wenn auch zu den Jahren 2009 und 2010 Feststellungen zum Ausmaß der regelmäßigen laufenden Kontakte und der Ferienkontakte zwischen dem Vater und dem Minderjährigen vorliegen, wird die Unterhaltspflicht des Vaters unter Berücksichtigung der als Naturalunterhalt geleisteten Beträge abschließend beurteilbar sein.
7.2 Zu den in den Jahren 2009 und 2010 erbrachten Naturalleistungen ist für das fortgesetzte Verfahren festzuhalten, dass ‑ jedenfalls was die mit der Betreuung zusammenhängenden alltäglichen Kosten betrifft ‑ ein nach der Prozentsatzjudikatur zustehender Unterhaltsanspruch nicht zweimal gekürzt werden könnte, einmal wegen der teilweisen Betreuung und ein zweites Mal durch Anrechnung dieser Naturalunterhaltsleistungen. Da gemeinsame Obsorge notwendig zu einem insgesamt erhöhten Aufwand führt, ginge es auch nicht an, dadurch entstehende zusätzliche Kosten etwa für die Bereithaltung von Wohnraum oder die Anschaffung langlebiger Güter als unterhaltsmindernd zu berücksichtigen (3 Ob 222/02x).
8. Der Revisionsrekurswerber hat im Anschluss an seine Rechtsmittelanträge beantragt, dem Rechtsmittel aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Dieser Antrag geht ins Leere, weil Rechtsmittel in Außerstreitsachen die Entscheidungswirkungen schon grundsätzlich aufschieben (§§ 43 f AußStrG; RIS‑Justiz RS0123257; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 44 Rz 1 ff). Die Wirkungen eines Beschlusses treten grundsätzlich erst mit der formellen Rechtskraft ein. Der Ausnahmefall, in dem das Gericht einem Beschluss vorläufige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit nach § 44 AußStrG zuerkannt hat, ist nicht gegeben.
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