OGH 6Ob11/13f

OGH6Ob11/13f4.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen S***** G*****, geboren am 10. Mai 2001, vertreten durch die Mutter Mag. G***** G*****, diese vertreten durch Dr. Helene Klaar, Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. November 2012, GZ 45 R 384/12x‑17, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 12. Juli 2012, GZ 6 Pu 150/11t‑9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00011.13F.0704.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Minderjährige ist in Pflege und Erziehung beider Eltern, die sich im April 2009 trennten, aber bis Ende 2009 mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt lebten. Die Mutter verdient ca 9.000 EUR monatlich. Das monatliche Durchschnittseinkommen des Vaters beträgt 4.135,08 EUR. Er ist noch für einen 1991 geborenen Sohn unterhaltspflichtig.

Seit 1. 1. 2010 führen die Eltern getrennte Haushalte. Eine Hauptbezugsperson der Minderjährigen und ihr überwiegender Aufenthaltsort konnte für diese Zeit nicht festgestellt werden. Das Scheidungsverfahren ist anhängig.

Beide Elternteile haben erhebliche finanzielle Mittel für die Betreuung der Minderjährigen aufgewendet, wobei die Mutter Kosten (zB für Schule und Nachmittagsbetreuung) alleine getragen hat. Sie erbringen Naturalunterhaltsleistungen und betreuen ihre Tochter, der es an nichts fehlt, in etwa gleichem Ausmaß. Die Mutter ist aufgrund eines Urteils des Erstgerichts verpflichtet, dem Vater ab 1. 1. 2010 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 515 EUR zu zahlen.

Am 20. 11. 2011 beantragte das von der Mutter vertretene Kind die Festsetzung des vom Vater für den Zeitraum vom 1. 4. 2009 bis 31. 12. 2011 zu zahlenden Unterhalts mit 17.310 EUR sA und des ab 1. 1. 2012 zu leistenden monatlichen Unterhalts mit 540 EUR.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 200 EUR vom 1. 4. 2009 bis 31. 12. 2009 und von 100 EUR ab 1. 1. 2010 und wies das Mehrbegehren ab.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht, jenem des Vater hingegen Folge. Es änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es den Unterhaltsfestsetzungsantrag zur Gänze abwies. Aufgrund der etwa gleichteiligen Betreuung und der festgestellten Naturalleistungen sei von einer vollen Bedarfsdeckung auszugehen, woran auch die unterschiedlich hohen Einkommen der Eltern wegen der Luxusgrenzenregelung nichts änderten. Bis Ende 2009 habe der Vater im Hinblick auf den gemeinsamen Haushalt Naturalunterhalt geleistet. Ein Geldunterhaltsanspruch bestehe weder für die Zeit vor noch für jene nach der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der unterhaltsrechtlichen Folgen der etwa hälftigen Betreuung beider Eltern bei zwar ungleich hohem, aber bei beiden Eltern überdurchschnittlich hohem Einkommen fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Vater beantwortete Revisionsrekurs des Kindes ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts wegen Fehlens einer im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Lebt das berechtigte Kind mit den unterhaltspflichtigen Eltern in aufrechter Haushaltsgemeinschaft, haben beide Elternteile Naturalunterhalt zu leisten (stRsp, zB 6 Ob 230/01v; vgl RIS‑Justiz RS0034807). Gemäß § 140 Abs 1 ABGB in der hier maßgeblichen Fassung vor dem KindNamRÄG 2013 müssen sie die zur Befriedigung der angemessenen Kindesbedürfnisse notwendigen Sach- und Dienstleistungen ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend anteilig erbringen (1 Ob 564/91 ua; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 140 Rz 117). In einen Anspruch auf Geldunterhalt verwandelt sich der Unterhaltsanspruch dann, wenn die Naturalunterhaltspflicht auch nur zum Teil verletzt wird (RIS-Justiz RS0034807). Aus den Feststellungen des Erstgerichts ist eine Verletzung der Naturalunterhaltspflicht durch den Vater nicht abzuleiten. Diesen zufolge haben beide Eltern während der Zeit der Haushaltsgemeinschaft ihrem Kind Naturalunterhalt geleistet. Dass der Vater um etwa ein Drittel weniger (belegte) Zahlungen als die Mutter leistete, führte nicht zu einer Verletzung der Unterhaltspflicht, ist doch das Einkommen der Mutter beinahe doppelt so hoch wie jenes des Vaters.

2. Bei gleichwertigen Betreuungs- und Naturalunterhaltsleistungen getrennt lebender Elternteile besteht kein Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegen einen der beiden Elternteile, wenn ihr Einkommen etwa gleich hoch ist bzw beide über ein Einkommen verfügen, das jeweils zu über der Luxusgrenze liegenden Geldunterhaltsansprüchen des Kindes über dem Unterhaltsstopp führt; andernfalls bleibt der besser verdienende Elternteil geldunterhaltspflichtig (4 Ob 16/13a, EF-Z 2013/115, 173; 4 Ob 74/10a; 7 Ob 145/04f, ZRInfo 2005/308 [ Kolmasch ]; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 140 Rz 116; Gitschthaler , Neue Betreuungsmodelle ‑ neue Unterhaltsmodelle, ÖRPfl 2012 H 2, 22 [22]). Durch das KindNamRÄG 2013 ist an dieser Rechtslage keine Änderung eingetreten (4 Ob 16/13a mwN). Ob das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher regelmäßig keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (4 Ob 74/10a). Die Auffassung des Rekursgerichts, dass das Kind auch während des Zeitraums der Trennung im Durchschnitt von ihren gemeinsam obsorgeberechtigten Eltern im gleichen Ausmaß Betreuung und bedarfsdeckende Naturalunterhaltsleistungen erhalten hat, ist auf der Grundlage des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts nach dessen besonderen Umständen vertretbar.

Da die vom Rekursgericht bezeichnete erhebliche Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet ist und die Rechtsmittelwerberin eine andere erhebliche Rechtsfrage nicht aufzeigt, war der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Die Entscheidung konnte sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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