OGH 7Ob178/06m

OGH7Ob178/06m30.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Anna K*****, geboren am 9. Oktober 1994, und Paul Clemens K*****, geboren am 5. Februar 1996 vertreten durch die Mutter Dr. Elisabeth K*****, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, als Antragsteller und des Vaters Dr. Walter K*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer und Dr. Günter Secklehner Rechtsanwalts-OEG in Liezen, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Mutter gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 10. April 2006, GZ 3 R 10/06m-U37, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 28. November 2006, GZ 5 P 85/01a-U31, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Anna und Paul sind Kinder von Dr. Elisabeth und Dr. Walter K*****, beide Ärzte, deren Ehe seit 25. 9. 2002 geschieden ist. Die Mutter zog im Jänner 2001 aus der damaligen Ehewohnung aus. Danach hielten sich die Kinder abwechselnd jeweils eine Woche beim Vater und bei der Mutter auf. Im Jänner 2004 wurde der Beschluss des Erstgerichtes, mit dem der Mutter die alleinige Obsorge für beide Kinder zuerkannt worden war, rechtskräftig (ON 135, 143, 152 = 7 Ob 239/03b). Danach ist die Mutter von der genannten Besucherregelung abgegangen. Das Erstgericht hat dem Vater daraufhin ein vorläufiges Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende von Freitag 17.00 Uhr bis Montag in der Früh zugesprochen. Ein Rechtsmittel des Vaters, der eine Ausdehnung seines Besuchsrechtes anstrebte, ist erfolglos geblieben (7 Ob 146/04b). Mit Beschluss vom 21. 9. 2005 (S 9) wurde ihm (unangefochten und daher rechtskräftig) neben einem erweiterten Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende von Freitag 17.00 Uhr (wobei die Kinder zumeist direkt nach der Schule zum Vater kommen) bis Dienstag/Schulbeginn auch ein Ferienbesuchsrecht jeweils für die Hälfte der Sommer- und Weihnachtsferien und alternierend für die gesamten Semester- oder Osterferien eingeräumt.

Mit dem angefochtenen Beschluss billigte das Rekursgericht die erstgerichtliche Unterhaltsbemessung und die Beurteilung, dass wegen des relativ hohen jährlichen Nettoeinkommens Vaters (rund EUR 130.000) vom Zweifachen bzw (ab dem 10. Lebensjahr von Anna) vom Zweieinhalbfachen des jeweiligen Regelbedarfes der beiden in Obsorge der Mutter befindlichen Kinder auszugehen sei. Das die übliche Dauer überschreitende Besuchsrecht des Vaters führe jedoch zu einer Reduzierung seiner Unterhaltsverpflichtung von Februar bis Oktober 2005 um 10 % und ab Oktober 2005 um 20 %. Außerdem müssten die der Mutter zukommenden Transferleistungen (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag) zu berücksichtigt werden. Das Ausmaß der Unterhaltsreduzierung bewege sich im Hinblick auf die konkreten Umstände des [Einzel-]Falles im Rahmen des dem Erstgericht eingeräumten pflichtgemäßen Ermessensspielraumes.

Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Rechtsfrage der Reduzierung der Unterhaltsverpflichtung infolge eines die übliche Dauer überschreitenden Besuchsrechts einzelfallabhängig sei. Den nachträglich abgeänderten Zulässigkeitsausspruch begründete es damit, dass eine - wie hier vorgenommene - pauschalierte Anrechnung der infolge des über das übliche Ausmaß hinausgehenden Besuchsrechts ersparten Aufwendungen des anderen Elternteils von der Rechtsprechung nur bei fast gleicher Betreuungsleistung der Eltern gebilligt werde (7 Ob 277/03s; 8 Ob 62/04g; 10 Ob 11/04x). Diesem in der Zulassungsvorstellung vorgetragenen Argument, könne „die Stichhaltigkeit nicht abgesprochen werden".

Der Vater hat die ihm vom Rekursgericht freigestellte Revisionsrekursbeantwortung nicht erstattet.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die im Revisionsrekurs angestellte Berechnung der „Mehrbelastung" des Vaters durch die angeblich „nur geringfügige" Überschreitung des üblichen Dauer des Besuchsrechts ist jedoch nicht nachvollziehbar. Das aktuelle Besuchsrecht (von Freitag nach dem Schulbesuch bis Dienstag/Schulbeginn an jedem zweiten Wochenende) ergibt nämlich keineswegs nur zwei, sondern (bereits) vier zusätzliche Besuchstage pro Monat. Während eines Zeitraumes von vier Wochen erfolgt insgesamt also unstrittig eine regelmäßig 8-tägige Betreuung der Kinder durch den Vater. Dazu kommt sein - eingangs angeführtes - ausgedehntes Ferienbesuchsrecht, sodass davon auszugehen ist, dass die Kinder insgesamt in etwa 1/3 der Zeit vom Vater betreut werden. Richtig ist, dass der Senat die Rechtsauffassung gebilligt hat, wonach sich der Geldunterhaltsanspruch pro Tag, an dem sich das Kind über das übliche Besuchsrechtsausmaß hinaus beim geldunterhaltspflichtigen Elternteil befindet, um 10 % vermindert, sodass bei einer Betreuung an drei Tagen während der Woche - unter Berücksichtigung eines als unterhaltsneutral anzusehenden „Besuchstags" - die Reduktion etwa 20 % beträgt. Dieser Reduktion des Unterhaltsanspruchs (7 Ob 277/03s = RIS-Justiz RS0047460 [T2]) haben sich der 8. und der 10. Senat angeschlossen (8 Ob 62/04g; 10 Ob 11/04x). Der in der Entscheidung 3 Ob 222/02x vertretenen Rechtsansicht, wonach die „Ersparnisse des anderen Elternteils" bei einer derartigen zeitlichen Aufteilung der Betreuung (erst) mit einer Reduzierung des Geldunterhalts um 3/7 (mehr als 40 %) vollständig berücksichtigt wären, wurde in den zitierten Entscheidungen nicht beigetreten.

Wie auch die Entscheidung 8 Ob 62/04g betont, ist jedoch dem Gesetz ein bestimmtes System für die Berechnung eines Unterhaltsanspruchs, insbesondere die Berücksichtigung einer über das übliche Ausmaß hinausgehenden Betreuungsleistung des nicht obsorgeberechtigten Elternteils, nicht zu entnehmen. Der Oberste Gerichtshof hat daher auch nicht allgemein verbindliche Prozentsätze für die Unterhaltsbemessung bzw Abschläge für übermäßige Betreuungsleistungen festzulegen; solche Werte haben vielmehr bei der Bemessung des konkreten Unterhaltsanspruchs nur die Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle zu gewährleisten, wobei auch den Prozentsätzen nur den Charakter einer Orientierungshilfe zukommt (RIS-Justiz RS0047419).

Da hier - entgegen den Ausführungen des Revisionsrekurses - von einer zwei Wochentage regelmäßig überschreitenden Betreuung durch den Vater auszugehen ist, wobei schon das Erstgericht aufzeigt, dass jede (noch) weitergehende Regelung des Besuchsrechts des Vaters bereits einer „Halbe-Halbe Aufteilung" gleichkommen würde, hält sich die Reduktion des Geldunterhaltsanspruches, deren Höhe im dargestellten Rahmen liegt, an die Grundsätze der zitierten Rechtsprechung, wonach eine Ermittlung der konkreten Ersparnis der Mutter in derartigen Fällen nicht notwendig ist (10 ObS 11/04x).

Hat das Rekursgericht nicht erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren unbeachtet gelassen oder bei deren Beurteilung gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen, stellt die konkrete Unterhaltsbemessung im Einzelfall grundsätzliche keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0053263; RS0007204). Mangels einer solchen ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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