OGH 15Os128/14h

OGH15Os128/14h25.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. März 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Romig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario E***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB, AZ 10 St 7/14i der Staatsanwaltschaft Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 5. August 2014, AZ 32 Bs 222/14b, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes und den Antrag der Petra P***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00128.14H.0325.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Erneuerungsantrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das gegen Mario E***** wegen des Verdachts des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 StGB geführte Ermittlungsverfahren, AZ 10 St 7/14i der Staatsanwaltschaft Wien, wurde am 2. Jänner 2014 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt (ON 1).

Den dagegen von Petra P***** als Opfer fristgerecht und „nur unter der Bedingung“, dass ihr „keine Kosten angelastet werden“ (ON 6 S 3), gestellten Antrag auf Fortführung des Verfahrens wies das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluss vom 29. April 2014, GZ 173 Bl 5/14m‑8, ab und trug der Antragstellerin die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags von 90 Euro auf (ON 8).

Zum Kostenausspruch gemäß § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO führte das Landesgericht aus, Gründe, wonach diese Kosten wegen Mittellosigkeit der Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden könnten (§ 391 Abs 2 StPO), wären im Verfahren nicht hervorgekommen; über die Möglichkeit, den Antrag zurückzuziehen (weil ihre dem Antrag zugrunde gelegte Bedingung im Gesetz nicht vorgesehen sei), wäre die Antragstellerin belehrt und überdies aufgefordert worden, für „eine allfällig Entscheidung nach § 391 StPO“ ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen; dieser Aufforderung sei sie nicht nachgekommen.

In ihrer gegen den Kostenausspruch erhobenen Beschwerde (ON 6 im Akt AZ 173 Bl 5/14m des Landesgerichts für Strafsachen Wien) wendet die Antragstellerin ‑ soweit hier von Interesse ‑ im Wesentlichen ein, die Begründung des Erstgerichts, sie sei über die Möglichkeit, den Antrag zurückzuziehen, belehrt und überdies aufgefordert worden, Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen zu machen, sei falsch und „aktenwidrig“ (S 3 Punkte 2./ und 3./). Überdies hätte sie bereits in ihrem „Fortführungsantrag vorausgeschickt“, dass sie „kein Geld habe“, was „jedenfalls zu beachten gewesen wäre“ (S 3 Punkt 4./).

Dieser Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 5. August 2014, AZ 32 Bs 222/14b, nicht Folge. Es begründete seine Entscheidung ‑ soweit hier von Relevanz ‑ damit, dass der bedingte Fortführungsantrag „richtigerweise ohne inhaltliche Überprüfung als unzulässig zurückzuweisen gewesen“ wäre, jedoch „auch bei dieser Vorgangsweise die Zahlung von 90 Euro zwingend aufgetragen hätte werden müssen“ (BS 3 f).

Feststellungen dazu, ob die Voraussetzungen des § 391 Abs 2 erster Halbsatz StPO fallbezogen vorliegen oder nicht, wurden vom Beschwerdegericht nicht getroffen.

Die Generalprokuratur erhob gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes mit der Behauptung, das Unterlassen einer Begründung für die Nichtannahme der Voraussetzungen des § 391 Abs 2 erster Halbsatz StPO verletze § 196 Abs 2 letzter Satz iVm § 391 Abs 2 erster Halbsatz StPO, und führte dazu aus:

„Vorauszuschicken ist, dass es keineswegs per se ausgeschlossen ist, Anträge an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (vgl Markel, WK‑StPO altes Vorverfahren § 6 Rz 6), sofern derartige Bedingungen nicht grundsätzlich unzulässig und mit dem Sinn der Prozesshandlung nicht unvereinbar sind oder das Prozessrecht Anhaltspunkte für deren Zulässigkeit erkennen lässt (zur Rechtslage im Zivilprozess siehe RIS‑Justiz RS0039602, RS0037502, RS0006445; zur dStPO: Kühne in Löwe‑Rosenberg 26 Einl Abschn K Rz 27 ff). Bedingungen hingegen, mit welchen die im Gesetz mit einer solchen Prozesshandlung ausdrücklich verknüpften Konsequenzen vermieden werden sollen, sind stets unzulässig, zielen sie doch ‑ wie hier ‑ bloß darauf ab, vom Gesetzgeber angestrebte und demnach zwingende Rechtsfolgen zu umgehen. Anträge, die eine solche Bedingung enthalten, wären daher ‑ wie das Beschwerdegericht insoweit zutreffend ausführt ‑ als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Klarstellung sei angemerkt, dass aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO, die die Zurück‑ und die Abweisung von Fortführungsanträgen gleichermaßen umfasst, auch bei einer demnach im Anlassfall ebenfalls gebotenen Zurückweisung des unter der (unzulässigen) Bedingung des Nichteintritts normierter Kostenfolgen gestellten Antrags der Auftrag zur Zahlung des Pauschalkostenbeitrags von 90 Euro zu erteilen gewesen wäre.

§ 196 Abs 2 letzter Satz StPO ordnet darüber hinaus die sinngemäße Geltung des § 391 StPO an. Dieser sieht in Abs 2 im Wesentlichen vor, dass das Gericht, soweit tunlich, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses die Kosten für uneinbringlich zu erklären hat, wenn nach den im Verfahren hervorgekommenen Umständen mit Grund anzunehmen ist, dass die Kosten des Strafverfahrens wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden können.

Entscheidungen (§ 35 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StPO) sind dann rechtsfehlerhaft, wenn die Ableitung der Rechtsfolge aus dem vom Entscheidungsträger zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat das Gesetz verletzt oder die Sachverhaltsannahmen entweder in einem rechtlich mangelhaften Verfahren zustandegekommen oder auf Grund eines formalen Begründungsmangels willkürlich sind (RIS‑Justiz RS0126648; Ratz, WK‑StPO § 292 Rz 17; vgl auch RIS-Justiz RS0123668, RS0120232). Letzeres ist hier der Fall, zumal die Entscheidung des Beschwerdegerichts keinerlei Begründung für die (stillschweigende) Nichtannahme der ‑ aufgrund des Vorbringens des Opfers im Fortführungsantrag (ON 6 S 3) und in der Beschwerde (ON 6 im Handakt) zumindest indizierten ‑ Voraussetzungen des § 391 Abs 2 erster Halbsatz StPO enthält (11 Os 21/12s; vgl auch Nordmeyer, WK‑StPO § 196 Rz 34a), obwohl das Oberlandesgericht zutreffend erkannte, dass der Antragstellerin die Aufforderung des Erstgerichts, ihre Vermögensverhältnisse offen zu legen, irrtümlich nicht zugestellt wurde und die Erstrichter demnach ‑ allerdings nicht rechtsfehlerhaft, weil der Irrtum zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung noch nicht aktenkundig war ‑ von falschen Sachverhaltsannahmen ausgingen.

Das Oberlandesgericht wäre daher verpflichtet gewesen, entweder selbst begründet darzulegen, weshalb ‑ ungeachtet des Antrags‑ und des Beschwerdevorbringens - kein Grund zur Annahme der Uneinbringlichkeit des Pauschalkostenbeitrags bestehe, allenfalls weshalb ein Ausspruch über die Einbringlichkeit gleich bei Beschlussfassung untunlich gewesen sei, oder begründete Feststellungen über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Zahlungspflichtigen zu treffen (Lendl, WK‑StPO § 391 Rz 5) oder gemäß § 89 Abs 2a Z 3 StPO dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Durchführung der dafür erforderlichen Erhebungen aufzutragen.

Da die Auferlegung eines Pauschalkostenbeitrags an das Opfer die Interessen des Beschuldigten nicht berührt, kann die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung verbunden werden (vgl 11 Os 21/12s mwN).“

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Wird ein Fortführungsantrag zurück‑ oder abgewiesen, so ist dem Antragsteller die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags von 90 Euro aufzutragen (§ 196 Abs 2 zweiter Satz StPO). Ist nach den im Verfahren hervorgekommenen Umständen mit Grund anzunehmen, dass diese Kosten wegen Mittellosigkeit des Zahlungspflichtigen auch nicht bloß zum Teil hereingebracht werden können, so hat das Gericht, soweit tunlich, gleich bei Schöpfung des Erkenntnisses über den Fortführungsantrag die Kosten für uneinbringlich zu erklären; andernfalls entfällt eine Entscheidung über die Einbringlichkeit der Kosten. Der Beschluss, womit die Kosten für uneinbringlich erklärt werden, kann jederzeit aufgehoben und, wenn später Umstände der bezeichneten Art hervorkommen, nachträglich gefasst werden. Gegen Entscheidungen, womit ein Antrag abgelehnt wird, die Kosten für uneinbringlich zu erklären, ist kein Rechtsmittel zulässig (§ 391 Abs 2 und Abs 3 iVm § 196 Abs 2 letzter Satz StPO).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die Kosten bei Fassung des Beschlusses über den Fortführungsantrag weder in diesem noch mit gesondertem Beschluss für uneinbringlich erklärt, womit gerade keine Entscheidung über die Einbringlichkeit getroffen wurde, sondern eine solche ‑ auch wenn das Landesgericht seine Erwägungen für das Unterbleiben in der Beschlussbegründung kundtat ‑ entfiel (§ 391 Abs 2 erster Satz letzter Satzteil StPO), weshalb die Unterlassung der Uneinbringlicherklärung nicht mit der zulässigen Beschwerde gegen den Ausspruch nach § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO geltend gemacht werden konnte. Gegenstand des angefochtenen Beschlusses war demgemäß nur der genannte Kostenausspruch, nicht aber die Frage der Einbringlichkeit des Pauschalkostenbeitrags. Das Oberlandesgericht war daher weder verhalten, sich mit Beschwerdeeinwänden zur Frage der Einbringlichkeit inhaltlich auseinanderzusetzen, noch ‑ weil die Entscheidung in dieser Konstellation ausschließlich dem Erstgericht vorbehalten ist ‑ zu einer amtswegigen Prüfung (§ 89 Abs 2b dritter Satz zweiter Satzteil StPO) der gesetzlichen Voraussetzungen hiefür berechtigt (vgl RIS‑Justiz RS0129395, insb 14 Os 84/14f, 14 Os 85/14b).

Dem steht die von der Generalprokuratur angeführte Entscheidung 11 Os 21/12s insoweit nicht entgegen, als dort keine Beschwerdeentscheidung, sondern ein erstinstanzlicher Beschluss Gegenstand der konstatierten Gesetzesverletzung war.

Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.

Der von Petra P***** gegen den gegenständlichen Beschluss des Oberlandesgerichts gerichtete Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens erweist sich als unzulässig, weil (mögliche) Opfer (zum Begriff s § 65 StPO) einer Straftat zur Stellung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nicht legitimiert sind (RIS‑Justiz RS0126176, RS0123644 [insbesondere T8 und T9]). Der Erneuerungsantrag war daher gemäß § 363b Abs 2 Z 2 StPO zurückzuweisen.

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