OGH 1Ob13/15s

OGH1Ob13/15s3.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei E***** M*****, vertreten durch Dr. Peter Reitschmied, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen 7.840,55 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten (als Berufungsgericht) vom 25. September 2014, GZ 21 R 174/14t‑29, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neulengbach vom 5. Mai 2014, GZ 10 C 87/11i‑25, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00013.15S.0303.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt von der Beklagten ‑ seiner früheren Ehefrau ‑ Schadenersatz. Diese sei am 19. 12. 2008 unbefugt in sein Wohnhaus eingedrungen und habe Einrichtungsgegenstände, Türen und Fenster sowie Teppichböden mutwillig beschädigt und Gegenstände eigenmächtig aus der Wohnung entfernt. Dadurch sei ihm ein Schaden von 7.840,55 EUR sA entstanden.

Die (Mahn‑)Klage wurde am 2. 12. 2011 eingebracht. Nachdem die Beklagte einen inhaltsleeren Einspruch erhoben hatte und ihr die Verfahrenshilfe bewilligt worden war, erstattete sie in der Tagsatzung vom 6. 3. 2012 erstmals Vorbringen. Insbesondere erhob sie unter Hinweis auf einen Parallelprozess der Parteien den Einwand der Streitanhängigkeit. Daraufhin erstreckte das Erstgericht die Tagsatzung auf unbestimmte Zeit, um den genannten Prozessakt beizuschaffen und die Klagebegehren zu vergleichen. In der Ausschreibung für die Tagsatzung am 11. 5. 2012 erfolgte an die Parteien der Hinweis, dass eine abgesonderte mündliche Verhandlung ausschließlich über die Prozesseinrede der Streitanhängigkeit abgehalten wird. In dieser Tagsatzung fand tatsächlich nur eine abgesonderte mündliche Verhandlung über die Einrede der Streitanhängigkeit statt, in der auch der beigeschaffte Akt verlesen wurde. Ohne dass in der Hauptsache verhandelt worden wäre, endete die abgesonderte Verhandlung. Mit Beschluss vom 3. 7. 2012, der den Parteien am 4. 7. 2012 zugestellt wurde, verwarf das Erstgericht die Einrede der Streitanhängigkeit. Dieser Beschluss erwuchs mangels Anfechtung in Rechtskraft. Am 20. 12. 2013 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens und die Anberaumung einer mündlichen Streitverhandlung.

Die Beklagte wandte daraufhin ein, dass die Ansprüche bereits verjährt seien, weil seit dem behaupteten Vorfall beinahe sechs Jahre vergangen seien. Überdies liege Verjährung und nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Hinblick auf § 261 Abs 4 ZPO vor, weil der Kläger keinen (rechtzeitigen) Fortsetzungsantrag gestellt habe. Der Kläger hielt diesem Einwand nur entgegen, Ruhen des Verfahrens sei nie eingetreten.

Das Erstgericht wies ohne weitere Beweisaufnahmen das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Die Verjährung sei eingetreten, weil der Kläger nach Zustellung des Beschlusses vom 3. 7. 2012, mit welchem die Prozesseinrede der Streitanhängigkeit verworfen worden sei, erst am 20. 12. 2013 einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt habe. Der durch § 261 Abs 4 ZPO eingetretene Verfahrensstillstand sei gemäß § 1497 ABGB als nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens zu werten. Damit sei unter Zugrundelegung der Dreijahresfrist des § 1489 ABGB die Verjährung der Entschädigungsansprüche eingetreten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und führte ergänzend aus, der Kläger habe kein Vorbringen erstattet, weshalb er für die Dauer von einem Jahr und „fünf“ Monaten das Verfahren nicht weiter betrieben habe. Selbst wenn das Erstgericht nach ergangenem Beschluss über die Verwerfung der Prozesseinrede das Verfahren von Amts wegen fortsetzen hätte müssen, wäre vom Kläger zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt zu verlangen gewesen, entsprechende „Betreibungsschritte“ beim Erstgericht zu setzen. Der Kläger habe aber von sich aus von „Juli“ 2012 bis Dezember 2013 nichts unternommen, um dieses Verfahren fortzusetzen.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, inwiefern aus § 261 Abs 4 ZPO allenfalls auch eine Pflicht des Prozessgerichts zur amtswegigen Fortsetzung des Verfahrens abgeleitet werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass der Schadenersatzanspruch des Klägers nicht der dreißigjährigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB unterliegt. Nach dem Akteninhalt wurde die Ehe der Parteien im Jahr 2009 und damit erst nach dem behaupteten Vorfall vom 19. 12. 2008 geschieden. Selbst wenn vom Kläger ausreichendes Vorbringen zu einer schweren Sachbeschädigung oder einem qualifizierten Diebstahl der Beklagten erstattet worden sein sollte, kommt dieser als damaliger Ehegattin die Privilegierung nach § 166 Abs 1 StGB ‑ mit einer maximalen Strafdrohung von sechs Monaten ‑ zu (vgl dazu Kirchbacher in WK² StGB § 166 Rz 1, 9; Rainer in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, § 166 Rz 14, 25 f).

2.1. Die Tagsatzung am 11. 5. 2012 diente ausschließlich der abgesonderten Verhandlung über die von der Beklagten erhobene Einrede der Streitanhängigkeit. In der Tagsatzung nach § 189 Abs 2 ZPO erfolgte keine Verhandlung zur Hauptsache und das Erstgericht kündigte auch (nachfolgend) nicht an, nach der Entscheidung über die Einrede in der Hauptsache verhandeln zu wollen. Mit Beschluss vom 3. 7. 2012 wies das Erstgericht die Prozesseinrede der Streitanhängigkeit zurück. Dieser Beschluss erwuchs unter Berücksichtigung der Hemmung der Rekursfrist nach § 222 Abs 1 ZPO mangels Anfechtung am 22. 8. 2012 in Rechtskraft.

2.2. Gemäß § 261 Abs 4 ZPO kann jede Partei nach Rechtskraft des Beschlusses, mit dem ‑ wie hier ‑ eine Prozesseinrede durch eine abgesonderte Entscheidung abgewiesen wird, ohne dass sogleich zur Verhandlung der Sache übergegangen wird, die Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in der Hauptsache beantragen. Diese Bestimmung sieht für den Fall der abgesonderten Verhandlung und Entscheidung über eine Prozesseinrede ohne gleichzeitige sofortige Anordnung der Fortsetzung des Verfahrens in der Hauptsache die Fortsetzung des Verfahrens nur nach Rechtskraft des Beschlusses und nur über Parteienantrag vor (Fasching, Kommentar1 III § 261 ZPO Anm 1 und 5; G. Kodek in Fasching/Konecny² § 261 ZPO Rz 49). Der durch § 261 Abs 4 ZPO eintretende Zustand zwischen dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Einrede und der Antragstellung auf Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung in der Hauptsache ist dem Ruhen des Verfahrens vergleichbar, jedoch besteht hier keine Mindestfrist (Fasching aaO Anm 5; G. Kodek aaO Rz 50). Der durch die Unterlassung der Antragstellung gemäß § 261 Abs 4 ZPO hervorgerufene Verfahrensstillstand kann gemäß § 1497 ABGB als nicht „gehörige Fortsetzung des Verfahrens“ für die Aufrechterhaltung der Unterbrechung der Verjährung Bedeutung erlangen (Fasching aaO; ebenso G. Kodek aaO Rz 51).

2.3. Anders als Fasching (aaO Anm 5; in diesem Sinn wohl auch Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen4 II [1928] 966) erachtet G. Kodek (aaO Rz 49) auch eine amtswegige Fortsetzung der Verhandlung in der Hauptsache für zulässig. Dafür spreche, dass auch sonst grundsätzlich das Verfahren von Amts wegen zu betreiben sei (vgl § 257, § 190 Abs 3 ZPO) und ein Redaktionsversehen vorliege, zumal etwa auch § 261 Abs 2 ZPO die Befugnisse des Gerichts zum amtswegigen Vorgehen betone. Ein sachlicher Grund dafür, dass gerade hier ein Antrag Voraussetzung sein sollte, sei nicht ersichtlich. Die Materialien ([zu den neuen österreichischen Civilprocessgesetzen] I. Band [1897] 296 [ErläutRV], 744 [Bericht des Permanenzausschusses]; II. Band [1897] 314 [Gemeinsamer Bericht der Permanenzcommission des Herrenhauses und des Permanenzausschusses des Abgeordnetenhauses]) zeigten, dass die allgemeine Frage der Amtswegigkeit oder Antragsgebundenheit wiederholt diskutiert worden sei; diese ergäben jedoch insgesamt keinen klaren Befund.

2.4. Die vorstehend erörterte Frage der Zulässigkeit einer amtswegigen Fortsetzung der Verhandlung in der Hauptsache braucht hier nicht geklärt zu werden. Jedenfalls besteht nach § 261 Abs 4 ZPO, der auf einen Antrag der Parteien abstellt, keine gesetzliche Pflicht des Prozessgerichts, die Verhandlung in der Hauptsache von Amts wegen fortzusetzen. Von einer solchen Verpflichtung geht auch G. Kodek (aaO Rz 49) nicht aus. Dieses Verständnis liegt auch § 391 Abs 1 Z 7 lit d der Geschäftsordnung der Gerichte I. und II. Instanz (Geo) zugrunde, wonach im Fall des § 261 Abs 4 ZPO eine Rechtssache am Ende des Jahres abzustreichen ist, wenn die Parteien bis dahin keinen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens gestellt haben. Diese Anordnung über das Abstreichen im Register mangels Fortsetzungsantrags einer Partei steht ‑ auch nach der Novelle BGBl II 2013/469 ‑ in Geltung und ist weiterhin anzuwenden, enthält doch das VJ‑Online‑Handbuch ‑ ein Erlass des Bundesministers für Justiz (vgl dazu ErläutRV zur Zivilverfahrens‑Novelle 2004, BGBl I 2004/128, 613 BlgNR XXII. GP , 17 f [zu § 80 GOG]) ‑ für die automationsunterstützt geführten Register diesbezüglich keine eigenständige Regelung (zur subsidiären Anwendung der Bestimmungen der Geo: I. Z 2. des Erlasses des Bundesministers für Justiz vom 30. 11. 1995, JMZ 19 370/2‑I8/95, JABl 1996/5, 20 und für den Bereich des Obersten Gerichtshofs § 1 Abs 6 OGH‑Geo 2005; abweichend Danzl , Geo § 391 Anm a, wonach § 391 Geo nach Umstellung sämtlicher Streitregister auf ADV gegenstandslos sei und nunmehr ausschließlich die Anordnungen im VJ‑Online‑Handbuch gelten sollen).

3. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch die Erhebung der Klage nur unter der weiteren Voraussetzung unterbrochen, dass die Klage „gehörig fortgesetzt wird“. Eine nicht gehörige Fortsetzung der Klage hindert den Eintritt der Unterbrechungswirkung (vgl RIS‑Justiz RS0113698). Da die dreijährige Verjährungsfrist (§ 1489 Satz 1 ABGB) im Zeitpunkt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Beschlusses vom 3. 7. 2012 bereits abgelaufen war, ist die Klagsforderung verjährt, wenn das Verhalten des Klägers nach diesem Zeitpunkt auf eine „nicht gehörige Fortsetzung“ des Verfahrens schließen lässt.

Nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Prozesseinrede trat ‑ wie dargelegt ‑ ein dem Ruhen des Verfahrens vergleichbarer Zustand ein. Als Unterlassung der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens ist nicht nur ein Ruhen anzusehen, bei dem nicht rechtzeitig ein Antrag auf Fortsetzung des ruhenden Verfahrens gestellt wurde, sondern auch ein anderer Stillstand des Prozesses (RIS‑Justiz RS0034778), wie etwa ein dem Ruhen ähnlicher faktischer Stillstand des Verfahrens (RIS‑Justiz RS0040957; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 § 1497 Rz 36; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1497 ABGB Rz 85). Das Erstgericht ordnete nicht von Amts wegen an, dass die Verhandlung zur Hauptsache sogleich aufgenommen werde, sodass den Kläger nach § 261 Abs 4 ZPO die Pflicht traf, die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen. In allen Fällen, in denen der Kläger aufgrund einer gesetzlich (oder auch nur richterlich) normierten Pflicht zur Vornahme einer zur Fortsetzung des Prozesses erforderlichen Handlung gehalten ist, ist ihm im Interesse einer zügigen Prozessführung nur eine wesentliche kürzere Zeit der Untätigkeit zuzubilligen, als in den Fällen, in denen er beim säumigen Gericht die Vornahme der ausstehenden Prozesshandlung zu betreiben gehabt hätte (RIS‑Justiz RS0034691; vgl 8 ObA 57/07a = RS0109334 [T2]).

Wenn sich ‑ wie hier ‑ die Beklagte auf die Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens beruft, ist es Aufgabe des Klägers, beachtliche Gründe für seine Untätigkeit und für die Nichtaufnahme und Nichtfortsetzung des Verfahrens vorzubringen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen (RIS‑Justiz RS0034704 [zum Ruhen]; RS0034805; M. Bydlinski in Rummel³ § 1497 ABGB Rz 10). Solche Gründe hat der Kläger aber gar nicht vorgebracht. Entgegen seiner Rechtsansicht traf das Erstgericht keine gesetzliche Pflicht, von Amts wegen eine Verhandlung anzuberaumen. Vielmehr war er nach § 261 Abs 4 ZPO gehalten, eine Prozesshandlung vorzunehmen, um dem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass seine (richtig:) knapp 16‑monatige Untätigkeit bis zu Einbringung des Fortsetzungsantrags am 20. 12. 2013 als nicht gehörige Fortsetzung im Sinn des § 1497 ABGB zu qualifizieren ist, ist zutreffend. Da er keinerlei rechtfertigende Gründe darlegt, bringt er mit seiner (ungewöhnlichen) Untätigkeit zum Ausdruck, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr gelegen ist (RIS‑Justiz RS0034765; RS0034849 ua).

4. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 und § 50 ZPO. Für die Revisionsbeantwortung gebührt gemäß § 23a Satz 2 RATG lediglich ein ERV‑Zuschlag von 1,80 EUR (RIS‑Justiz RS0126594 [T1]).

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