OGH 28Os7/14k

OGH28Os7/14k26.2.2015

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 26. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Mag. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 3. Februar 2014, AZ D 1/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Kammeranwalts Dr. Kaska, des Disziplinarbeschuldigten und seines Verteidigers Prof. Dr. Wennig zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0280OS00007.14K.0226.000

 

Spruch:

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird teilweise Folge gegeben und der Strafausspruch dahin abgeändert, dass über den Disziplinarbeschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 5.000 Euro verhängt wird.

Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. Juli 2012, D 9/12, wurde Mag. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er im Zeitraum 2005 bis 9. Dezember 2011

a) über Treuhandschaften keinerlei Kontoauszüge aufbewahrte, an Hand derer Geldflüsse nachvollzogen werden könnten;

b) kein Anderkonto für sämtliche Fremdgelder eingerichtet hatte, sondern diese vielmehr auf ein Girokonto einlangen ließ;

c) keine gesonderten Aufzeichnungen führte, welche die jederzeitige Auskunft über die Höhe und Zuordnung verwalteter Fremdgelder ermöglicht hätte und

d) Zahlungskonten für Schuldner, die auf Mahnklage anzugeben sind, nicht als Anderkonten führte.

Über ihn wurde hiefür unter Bedachtnahme auf die Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 2. Juli 2007, D 29/06, vom 12. November 2007, D 3/07, D 4/07, D 10/07 und D 19/07, vom 31. März 2008, D 25/07 und D 16/07, vom 12. März 2009, D 11/08, vom 4. Oktober 2010, D 19/09 und D 10/09, vom 14. Februar 2011, D 2/10, vom 2. März 2011, D 26/08, D 12/10 und D 15/10, sowie vom 12. November 2011, D 22/10 und D 4/11, die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für weitere vier Monate als Zusatzstrafe verhängt.

Mit dem nunmehr angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch von einer weiteren Tat enthaltenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 3. Februar 2014, D 1/13, wurde Mag. ***** der Berufspflichtenverletzung sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und über ihn unter Bedachtnahme auf das oben genannte Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 9. Juli 2012, D 9/12, gemäß § 16 Abs 1 Z 4 DSt die Zusatzstrafe der Streichung von der Liste verhängt.

Diesem Schuldspruch liegt zugrunde, dass der Disziplinarbeschuldigte einen ihm im Juli 2011 mit der Widmung „Wüstenrot“ anvertrauten Treuhandbetrag von 4.000 Euro erst als verspätet am 19. Juni 2012 an die Bausparkasse Wüstenrot AG weitergeleitet hat.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld und Strafe, mit der inhaltlich auch Nichtigkeitsgründe geltend gemacht werden, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Die Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) legt nicht dar, weshalb die ‑ auf die Angaben der Geschädigten im Zusammenhalt mit der von ihr vorgelegten Überweisungsbestätigungen gestützte ‑ Feststellung, Bunsri M***** habe den Treuhandbetrag in Höhe von 4.000 Euro am 20. Juli 2011 auf das Konto des Disziplinarbeschuldigten überwiesen, mangelhaft begründet wäre.

Die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) verkennt, dass die vom Disziplinarrat festgestellte Verletzung der Treuhandverpflichtung nach ständiger Rechtsprechung einen schweren Verstoß sowohl gegen § 9 Abs 1 und § 10 Abs 2 RAO, § 17 und § 43 RL‑BA 1977 als auch die gefestigte Standesauffassung darstellt (RIS‑Justiz RS0055151, RS0055657, RS0055847, RS0101382, RS0106282, RS0115041 und RS0123722), weshalb der Vorwurf „willkürlichen Verhaltens der Behörde“ nicht nachvollziehbar ist.

Die Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) orientiert sich nicht an der Gesamtheit der Feststellungen des Disziplinarrats (ES 4) und beschränkt sich prozessordnungswidrig darauf, die Publizitätswirkung des gesetzten Fehlverhaltens zu bestreiten.

Im Übrigen gehört die Anwendung besonderer Sorgfalt bei der Gebarung mit Klientengeldern zu den vornehmsten Pflichten des Rechtsanwalts (vgl Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 4 und § 1 DSt, 861). Verstöße gegen Treuhandaufträge sind daher nach ständiger Rechtsprechung sowohl als Berufspflichtenverletzung als auch als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Anwaltsstandes zu qualifizieren (RIS‑Justiz RS0055151, RS0055657, RS0055847 und RS0101382).

Die ‑ nicht ausgeführte ‑ Berufung wegen Schuld vermag keine Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Erkenntnis zugrunde liegenden Feststellungen und die dazu getroffene Beweiswürdigung zu wecken, weil der Disziplinarrat unter Würdigung der wesentlichen Beweisergebnisse nachvollziehbar und lebensnah darstellte, wie er zu seinen Feststellungen gelangte und aus welchen Gründen er die Darstellung durch den Disziplinarbeschuldigten verwarf (ES 7 f).

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld war daher keine Folge zu geben.

Der Berufung wegen Strafe kommt aus folgenden Gründen teilweise Berechtigung zu:

Vorweg ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Zusatzstrafe im Sinn des § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 StGB nicht vorliegen. Die im angefochtenen Erkenntnis inkriminierte Tat wurde im Juli 2011 gesetzt. Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich nahm dabei auf das vorangegangene Erkenntnis vom 9. Juli 2012, D 9/12, gemäß § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 StGB Bedacht, obgleich diese zuletzt genannte Entscheidung ihrerseits auf weitere Erkenntnisse des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, und zwar vom 2. Juli 2007, 12. November 2007, 31. März 2008, 12. März 2009, 14. Februar 2011, 2. März 2011 und vom 12. November 2011 Bedacht genommen hatte.

Wurde allerdings die nunmehr zu beurteilende Tat zwischen zwei früheren Erkenntnissen begangen, von denen das zeitlich nachfolgende zweite auf das erste Bedacht genommen hat, so ist zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung im nunmehrigen Erkenntnis § 16 Abs 5 DSt iVm § 31 StGB nicht anzuwenden, denn die Bedachtnahme im zweiten Erkenntnis auf das erste wäre unterblieben, wenn es auch die nach dem nunmehrigen Schuldspruch begangene Tat erfasst hätte ( Fabrizy , StGB 11 , § 31 Rz 10a).

Über den Disziplinarbeschuldigten wurden mit insgesamt elf Erkenntnissen Geldbußen in der Höhe von zusammen 15.500 Euro sowie die Disziplinarstrafen der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von zusammen 12 Monaten verhängt.

Diese disziplinären Vorstrafen wurden dem eine mangelnde Auseinandersetzung mit denselben reklamierenden Berufungsvorbringen zuwider zu Recht (vgl die Erörterung der Vorstrafen in der Verhandlung vom 3. Februar 2014, Protokoll S 7) als erschwerend gewertet. Ungeachtet dessen kann allerdings nicht übersehen werden, dass die nunmehr abzuurteilende Tat in einem engen zeitlichen Verhältnis mit den vorangegangenen Disziplinarvergehen steht.

Mildernd berücksichtigte das angefochtene Erkenntnis nur das vom Verteidiger für den Disziplinarbeschuldigten abgegebene Schuldbekenntnis. Als weitere Milderungsgründe sind aber zu berücksichtigen, dass der verspätet überwiesene Betrag relativ geringfügig war und der Schaden in der Zwischenzeit durch die Überweisung gutgemacht wurde.

In spezialpräventiver Richtung argumentierte das angefochtene Erkenntnis, dass der Disziplinarbeschuldigte trotz der bisher über ihn verhängten Disziplinarstrafen nicht zu einer Änderung seines Verhaltens bereit gewesen ist, verkannte dabei aber, dass die gegenständliche Tat schon vor der zuletzt am 9. Juli 2012 zu D 9/12 verhängten Strafe (Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für weitere vier Monate) begangen wurde.

Mag. ***** wurde aufgrund der dargestellten Vorerkenntnisse nicht nur zu erheblichen Geldbußen verurteilt sondern auch die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für insgesamt 12 Monate untersagt. Ausgehend davon genügt die nunmehr für die im zeitlichen Zusammenhang mit den früher abgeurteilten Disziplinarvergehen stehende, für den in finanziell angespannten Verhältnissen lebenden Disziplinarbeschuldigten empfindliche weitere Geldbuße den spezialpräventiven Bedürfnissen. Darüber hinaus wird damit auch der Generalprävention ausreichend Genüge getan, um eine entsprechende Signalwirkung für die Anwaltschaft zu entfalten.

Der Berufung wegen Strafe war daher Folge zu geben und über den Disziplinarbeschuldigten eine Geldstrafe von 5.000 Euro zu verhängen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

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