Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Klägerin ist ein in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführtes Unternehmen, deren Geschäftszweig die Verwaltung der Beteiligung an einer Tochtergesellschaft ist. Sie veranlagt die Ausschüttungen ihrer Tochtergesellschaft, wobei sie ‑ jedenfalls im hier relevanten Zeitraum ‑ keinen eigenen Vermögensberater beschäftigte, sondern sich von Bankmitarbeitern beraten ließ. Im Zuge solcher Veranlagungen erwarb sie von der Beklagten, die die Kaufaufträge als Kommissionärin durch Selbsteintritt ausführte, am 8. 11. 2006 46.401 Stück und am 9. 2. 2007 weitere 35.030 Stück Aktienzertifikate einer im EU‑Ausland niedergelassenen Gesellschaft.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts, mit dem dieses der Anfechtung der Kaufverträge wegen Irrtums stattgab und die Beklagte verpflichtete, der Klägerin den nach Abzug der bezahlten Dividenden verbleibenden Teil des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückstellung der Aktienzertifikate zu zahlen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die keine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO anspricht.
1. Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit den auch hier gegenständlichen Zertifikaten bereits mehrfach ausgesprochen, dass der Irrtum über das Risiko der gezeichneten Anlage ‑ anders als jener über den Kursverlauf ‑ einen Geschäftsirrtum darstellt, weil der Erwerber aufgrund des Prospekts zur Ansicht gelangte, dass das von ihm erworbene Wertpapier anders als andere Aktien ein grundlegend geringeres Risiko des Kursverlusts oder langfristigen Ausfalls hätte (RIS‑Justiz RS0126232 zuletzt 3 Ob 65/13z). Von den in der Vergangenheit beurteilten Sachverhalten unterscheidet sich der hier vorliegende lediglich dadurch, dass es sich beim klagenden Anleger um eine Kapitalgesellschaft handelt. Deswegen, so die Beklagte zusammengefasst, sei die Fehlvorstellung des Geschäftsführers der Klägerin bzw ihres Prokuristen nicht als ein ihr vorwerfbarer Geschäftsirrtum zu qualifizieren. Die der Entscheidung 4 Ob 188/08p zugrunde liegenden Grundsätze hätten nur für Privatanleger Geltung.
2.
In der Entscheidung 4 Ob 188/08p wurde die Verkaufsbroschüre der Beklagten nach lauterkeitsrechtlichen Kriterien beurteilt und deren Irreführungseignung im Allgemeinen bejaht. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass ein Geschäftsirrtum bei Ankauf der darin beworbenen Zertifikate lediglich bei Personen, die „über keinerlei Erfahrung und Kenntnisse über die Vorgänge und Prinzipien des Kapitalmarkts“ verfügten, in Betracht käme, wie die Beklagte offensichtlich meint. Die für die Klägerin handelnden Personen wandten sich vor Veranlagung an Mitarbeiter der Beklagten und wurden von diesen ungeachtet der Verzichtserklärung gemäß Beilage 1 beraten. Zu beurteilen ist hier daher, ebenso wie bereits in vorangegangenen Entscheidungen (vgl 4 Ob 65/10b; 8 Ob 25/10z; 5 Ob 18/11z) der bei einem Käufer konkret hervorgerufene Irrtum. Dabei handelt es sich um eine Tatfrage (vgl RIS‑Justiz RS0128890), die die Vorinstanzen bejahten, indem sie feststellten, der Geschäftsführer der Klägerin und deren Prokurist hätten im Zeitpunkt der Ankäufe wegen der Verkaufsbroschüre und der ihnen im Zuge von Beratungsgesprächen erteilten Informationen über die Risikogeneigtheit der Zertifikate geirrt. Daran ist der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, gebunden (RIS‑Justiz RS0042903 [T5, T7]; RS0084563 [T6]). Damit ist es auch nicht mehr von Belang, ob die für die Klägerin handelnden Personen den öffentlich beschaffbaren Kapitalmarktprospekt lasen. Dass diese (Ankaufs‑)Unterlagen überhaupt nicht gelesen hätten, wie die Beklagte geltend macht, findet in den Feststellungen ohnehin keine Deckung.
3.1 Ob ein die Vertragsanfechtung ermöglichender Geschäftsirrtum vorliegt, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl 7 Ob 178/09s; 8 Ob 25/10z). Das gilt auch, wenn es sich ‑ wie hier ‑ bei der anfechtenden Klägerin um ein Unternehmen handelt, bei dem ‑ so die Argumentation der Beklagten in ihrem Kern ‑ ein höherer Sorgfaltsmaßstab vorauszusetzen sei als bei einem Kleinanleger, was in der rechtlichen Würdigung Niederschlag finden müsse. Im Ergebnis zielt sie in diesem Zusammenhang auf das Vorliegen von Umständen ab, die der Annahme einer Veranlassung eines Irrtums bei der Klägerin entgegenstünden.
3.2
Veranlassung iSd § 871 Abs 1 erster Fall ABGB bedeutet jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten
(
RIS‑Justiz RS0016195; RS0016188; RS0014921). Zwar sprach der Oberste Gerichtshof in mehreren Fällen aus, dass Umstände, die ein Verschulden des Irrenden begründen, die Annahme ausschließen, dass der Irrtum durch den anderen veranlasst wurde (RIS‑Justiz RS0016205). Dazu wurde aber bereits in den Entscheidungen 4 Ob 65/10b und 8 Ob 25/10z ausgeführt, dass es sich dabei um Fälle handelte, in denen ganz offensichtlich unrichtige Angaben eines Vertragspartners, deren Überprüfung dem anderen Teil offen stand und leicht möglich war, nicht als zur Täuschung geeignete Irreführungshandlungen angesehen wurden. Hatte sie der Erklärungsempfänger dennoch als wahr hingenommen, wurde sein Irrtum als nicht durch den anderen Teil veranlasst angesehen (vgl dazu 7 Ob 553/88 = RIS‑Justiz RS0016205 [T1]; zuletzt 9 Ob 41/04a). In solchen Fällen liegt schon deshalb kein Geschäftsirrtum vor, weil der Vertrag unter Bedachtnahme auf den objektiven Empfängerhorizont ohnehin nicht im Sinn der unrichtigen Angabe zustandekam (8 Ob 25/10z).
3.3 Die Beklagte weist unter dem Revisionspunkt „Risikogeneigtheit/Rückschaufehler“ selbst darauf hin, dass auch Analysten bis zum Sommer 2007 davon ausgegangen seien, dass die Kurse von Immobilienaktien weiter steigen würden. In diesem Zusammenhang steht auch fest, dass die Risikoträchtigkeit der Zertifikate für die Klägerin nicht erkennbar war. Keine Rede kann daher davon sein, dass die den festgestellten Irrtum der Klägerin hervorrufenden Angaben in der Verkaufsbroschüre der Beklagten bzw ihrer Berater so offensichtlich unrichtig gewesen wären, dass deren Überprüfung leicht möglich gewesen, aber von der Klägerin nicht vorgenommen worden wäre. Mit den ihrem Standpunkt folgenden gegenteiligen Ausführungen zeigt die Beklagte daher auch kein Abgehen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf.
4. Den von ihr in erster Instanz erhobenen und vom Erstgericht verneinten Einwand, die Klägerin habe gegen die Rügeobliegenheit gemäß § 377 UGB verstoßen, hat die Beklagte in ihrer Berufung nicht aufrecht erhalten.
Die in der Berufung nicht mehr vorgebrachten Einwendungen können in einer Revision nicht mehr an den Obersten Gerichtshof zur Beurteilung herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0043352 [T27, T33]; zuletzt 1 Ob 114/14t).
5. Die Beurteilung der Vorinstanzen des bei der Klägerin festgestellten Irrtums als von der Beklagten veranlassten Geschäftsirrtum entspricht damit insgesamt den vom Obersten Gerichtshof zu vergleichbaren Sachverhalten aufgestellten Grundsätzen. Dass der Oberste Gerichtshof die konkrete Fallgestaltung noch nicht zu beurteilen hatte, begründet daher entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO abhinge (RIS‑Justiz RS0102181).
6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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