OGH 11Os151/14m

OGH11Os151/14m3.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Dr. Tiefenthaler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz S***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10. Juli 2014, GZ 11 Hv 30/14v‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0110OS00151.14M.0203.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz S***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zwischen 25. März 2011 und 23. April 2013 in G***** die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, nämlich die ihm von Aloisia L***** eingeräumte Zeichnungsberechtigung für deren Girokonto bei der Steiermärkischen Bank und Sparkassen AG, wissentlich missbraucht und Aloisia L***** einen Vermögensnachteil von insgesamt zumindest 55.000 Euro zugefügt, indem er von dem Konto für eigene Zwecke zahlreiche Behebungen tätigte.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 10. Juli 2014 „aufgrund der Aussage des Zeugen P*****“ gestellten Antrags auf „Beischaffung einer internen Kontoaufzeichnung für den verfahrensrelevanten Zeitraum (Notizen zur Bankverbindung), … aus denen sich ergeben wird, dass Frau L***** dieses Geld der Familie S***** gewidmet hat“ (ON 26 S 41) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Antrag ließ nicht erkennen, aus welchem Grund die beantragte Beweisaufnahme angesichts der in der Hauptverhandlung bereits abgelegten Aussage des Bankmitarbeiters P***** über seinen verfahrensrelevanten Wissensstand das behauptete Ergebnis erwarten lasse und zielte damit auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS‑Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330).

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind prozessual verspätet und daher unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618, RS0099117).

Mit Kritik an der Begründung des abweisenden Beschlusses orientiert sich die Beschwerde gleichfalls nicht am Prüfungsmaßstab des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0116749; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 318).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellungen entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0118316). Überdies ist stets an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS‑Justiz RS0119370).

Den Einwänden der Unvollständigkeit zuwider hat sich das Erstgericht mit der Persönlichkeit des Opfers und dessen Angaben ebenso auseinandergesetzt wie mit den Aussagen des Angeklagten, dessen Frau und dessen Sohnes Markus, wonach die Zeugin L***** zugesagt hätte, dass „das Geld und die Vermögenswerte dem Angeklagten und seiner Familie“ gehörten (US 8 ff). Die Kritik, die Tatrichter hätten sich mit der subjektiven Tatseite „nur unzureichend auseinandergesetzt“ und diesbezüglich „nur unzureichende Feststellungen“ getroffen (der Sache nach Z 9 lit a), übergeht die Feststellungen US 6 f.

Ohne formale Begründungsdefizite aufzuzeigen thematisiert der Beschwerdeführer des weiteren vorwiegend die Aussagen der Zeugin L***** und wendet ein, sämtliche Geldflüsse wären mit deren Einverständnis erfolgt, die betagte Zeugin wäre nicht in der Lage gewesen, chronologische Schilderungen zum Sachverhalt abzugeben, sie habe die „nachvollziehbaren Angaben des Angeklagten nicht entkräften“ können, der „berechtigterweise davon ausgehen musste“, dass er die Gelder zur freien Verfügung hat, weswegen die gegenteiligen Annahmen des Erstgerichts „nicht nachvollziehbar“ wären; solcherart bekämpft er lediglich die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Der „Zweifelsgrundsatz“ (in dubio pro reo) kann niemals Gegenstand der formellen Nichtigkeitsgründe der Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen könnte unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nur dann mangelhaft erscheinen, wenn sich von der Beschwerde deutlich und bestimmt bezeichnete, die Glaubwürdigkeit angeblich ernsthaft in Frage stellende, gleichwohl unerörtert gebliebene Tatumstände auf Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen beziehen, nicht hingegen, wenn sie bloß die Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit betreffen (RIS‑Justiz RS0104976; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 432). Indem die Beschwerde bloß für den Angeklagten günstigere Schlüsse (vgl RIS‑Justiz RS0099455) zur Glaubwürdigkeit des Angeklagten oder Unglaubwürdigkeit der Zeugin L***** ableiten will, bekämpft sie erneut ‑ aus Z 5 unzulässig ‑ die Beweiswürdigung.

Keine entscheidenden Tatsachen berührt die Kritik, das Erstgericht habe sich nicht mit der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zwischen dem Opfer und deren Rechtsvertreterin auseinandergesetzt und habe fälschlicherweise festgestellt, dass das Opfer selbst Anzeige erstattet hätte.

Soweit der Angeklagte behauptet, das Erstgericht hätte Verfahrensergebnisse, nämlich einzelne Angaben der Zeuginnen L***** und T***** außer Acht gelassen, bezeichnet er diese nicht konkret (RIS‑Justiz RS0118316 [T5]).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung. Der Beschwerdeführer muss von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarstellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§ 259, § 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RIS‑Justiz RS0099724, RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584).

Diesen Erfordernissen wird die Subsumtionsrüge (Z 10) nicht gerecht, indem sie ohne auf die Feststellungen des Erstgerichts Bedacht zu nehmen, behauptet, ein Schaden von über 50.000 Euro sei „nicht schlüssig“ und „zu Gunsten des Angeklagten“ von einem unter dieser Wertgrenze liegenden Vermögensnachteil auszugehen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ‑ ebenso wie die im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (zu ON 28 angemeldete) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (§ 283 Abs 1 StPO, RIS‑Justiz RS0098904, RS0100080) ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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