European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00192.14T.1216.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsteller haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Begründung
Die am ***** geborene Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** schloss mit den Antragstellern am 10. 4. 2014 einen Leibrentenvertrag, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:
„I. Vertragsgegenstand
a.) Die Verkäuferin ist aufgrund des Schenkungsvertrages vom 20. 11. 2000 grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit der Grundstücksadresse *****, bestehend aus Grundstücken Nr 206/1 Baufläche (Gebäude) mit 264 Quadratmeter, Grundstück Nummer 206/2 Grundstückfläche 593 m², Baufläche (Gebäude) 12 Quadratmeter Garten 581 m² und Grundstück Nummer Gärten 67 m² mit einer Gesamtgrundfläche von 924 m².
…
II. Kaufvereinbarung
Die Verkäuferin verkauft und übergibt an die Käufer, diese kaufen und übernehmen von der Verkäuferin die unter Punkt I. näher bezeichneten Liegenschaft EZ ***** KG *****, Grundbuch ***** mit der Liegenschaftsadresse *****, mit obigen Gutsbestand sowie mit rechtlichem und physischem Zubehör um die seitens der Käufer oder deren Rechtsnachfolger zu erbringenden, im folgenden Vertragspunkt näher umschriebenen Gegenleistungen.
III. Gegenleistungen
Als Entgelt für die Übertragung des Kaufgegenstandes verpflichten sich die Käufer zur ungeteilten Hand, der Verkäuferin nachstehende Leistungen zu erbringen beziehungsweise Rechte einzuräumen:
A. Einen Betrag von EUR 20.000,‑ ‑ (in Worten zwanzigtausend) bei Unterfertigung des Vertrages.
B. Die Leistung einer monatlichen Leibrente von 1.000 € (eintausend Euro) beginnend ab dem der Vertragsunterfertigung folgenden Monatsersten, jeweils fällig jährlich im Vorhinein am ersten Tag des der Unterfertigung des Kaufvertrages folgenden Monatsersten, auf ein von der Verkäuferin bekannt zu gebendes Konto, wobei ein Respiro von fünf Tagen als vereinbart gilt. Diese Leibrente gebührt der Verkäuferin auf ihre Lebenszeit.
…
C. a) Die Einräumung der Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechtes in der von der Verkäuferin bewohnten Wohnung zu Gunsten der Verkäuferin und Ihres Ehemannes Herrn E*****.
b) Die Instandsetzung der von der Verkäuferin bewohnten Wohnung auf Kosten der Käufer, durch Einbau einer Heizung, Neuverfliesung von Bad und WC, sowie Einbau einer Küche und Abtransport des Unrates, dies alles bis zu Instandsetzungskosten von EUR 20.000,‑ ‑ (in Worten: zwanzigtausend).
IV. Anfechtungsverzicht
Die Vertragsparteien sehen dieses Rechtsgeschäft insofern als Glücksvertrag an, als weder die Dauer des Vertragsverhältnisses noch die Höhe des Wertes des Vertragsobjektes zum Todeszeitpunkt des Verkäufers abzuschätzen sind. Sie erklären jedoch übereinstimmend, dass ihnen der wahre Wert zwischen Leistung und Gegenleistung bekannt ist. Sollte der Wert des Vertragsobjektes nicht durch die vereinbarten Gegenleistungen abgegolten sein, schließen sie hiermit eine gemischte Schenkung ab, die vom Käufer angenommen wird, wogegen der Verkäufer auf einen Widerruf aus anderen als den gesetzlich zulässigen Gründen verzichtet.
Beide Parteien verzichten, diesen Vertrag wegen Irrtums anzufechten.
V. Übergabsstichtag
Die Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstandes in den in rechtlichen Besitz und Genuss der Käufer erfolgt mit Unterfertigung dieser Urkunde und es gehen daher von nun an auch Gefahr und Zufall auf die Käufer über.
Die physische Übergabe in den Genuss der Käufer erfolgt am Tage der Vertragsunterfertigung ebenso die Übergabe der Zinslisten, welcher Tag auch für die Verrechnung von Nutzungen und Lasten in Ansehung des Vertragsgegenstandes zwischen den Vertragsteilen vereinbart wird.
…
VII. Verpfändung
Zur Sicherstellung der monatlichen Leibrentenforderungen der Verkäuferin von monatlich 1.000 € (eintausend Euro), sowie zur Sicherstellung allfälliger Verzugszinsen und einer hiermit vereinbarten Nebengebührensicherstellung von 10.000 € (zehntausend Euro) zur Deckung der übrigen in dieser Urkunde angeführten Nebenverbindlichkeiten, die nicht denselben Rang wie das Kapital genießen, wie insbesondere der mit der zwangsweisen Durchsetzung der Leibrentenforderung verbundenen Kosten, Gebühren und Abgaben, bestellen die Käufer der Liegenschaft Einlagezahl EZ ***** KG ***** KG *****, Grundbuch ***** zur dinglichen Haftung.“
Am 20. 5. 2014 wurde ein Nachtrag zum Leibrentenvertrag mit dem Inhalt vereinbart, dass der Ehemann der Alleineigentümerin der ursprünglichen Vereinbarung beitrat und erklärte, das ihm eingeräumte Wohnungsgebrauchsrecht vertraglich bindend anzunehmen.
Sowohl der Leibrentenvertrag als auch der Nachtrag zum Leibrentenvertrag enthalten jeweils eine Aufsandungserklärung.
Die Antragsteller begehrten am 21. 5. 2014 aufgrund des Leibrentenvertrags vom 10. 4. 2014 und seines Nachtrags vom 20. 5. 2014 unter Vorlage von Staatsbürgerschaftsnachweisen sämtlicher Betroffener die Einverleibung ihres Eigentumsrechts je zur Hälfte, die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchs-rechts für die Alleineigentümerin und ihren Ehegatten und die Einverleibung des näher bezeichneten Pfandrechts ob den jeweiligen Hälfteanteilen.
Das Erstgericht bewilligte das Gesuch antragsgemäß.
Die Alleineigentümerin verstarb am 5. 6. 2014, somit nach Bewilligung, aber noch vor Zustellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Der Beschluss, der nach dem Tod der Alleineigentümerin von ihrem Ehegatten für sie übernommen wurde, wurde in der Folge der am 5. 8. 2014 für die Verlassenschaft bestellten Verlassenschaftskuratorin zugestellt, die überdies mit Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 31. 7. 2014 auch zur Verfahrenssachwalterin des Ehegatten der Alleineigentümerin bestellt wurde.
Die Verlassenschaftskuratorin erhob gegen die antragsgemäße Bewilligung des Gesuchs Rekurs, in welchem sie im Wesentlichen geltend machte, dass evident sei, dass Leistung und Gegenleistung des „Leibrentenvertrags“ einander nicht äquivalent gegenüberstünden, weshalb der Vertrag als gemischte Schenkung anzusehen sei, die mangels wirklicher Übergabe eines Notariatsakts bedurft hätte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss im Sinne einer Gesuchsabweisung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Auf die im Rekurs aufgeworfene Frage ging das Rekursgericht nicht ein. Es vertrat die Auffassung, dass im Grundbuchsgesuch bei sämtlichen Urkunden, also sowohl beim Leibrentenvertrag und seinem Nachtrag, die als Eintragungsgrundlagen im Original vorzulegen seien, als auch bei den Staatsbürgerschaftsnachweisen, die als Bewilligungsurkunden in beglaubigter Abschrift vorgelegt werden müssten, ein Hinweis auf den Speicherort in einem Urkundenarchiv fehle.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zutreffend machen die Antragsteller geltend, dass ihr Grundbuchsgesuch vom 21. 5. 2014 den ausdrücklichen Hinweis auf den Speicherort sowohl des Leibrentenvertrags als auch seines Nachtrags und der Staatsbürgerschaftsnachweise samt Bekanntgabe der betreffenden Zugriffscodes enthielt. Das wurde durch eine telefonische Nachfrage bei der zuständigen Rechtspflegerin bestätigt, aus deren Auskunft abzuleiten ist, dass auf der Bildschirmapplikation der Verweis auf das Urkundenarchiv und die ID‑Nummer ersichtlich ist. Dass im schriftlichen Ausdruck der Eingabe diese Daten nicht aufscheinen, ist unmaßgeblich, weil auch betreffend den Inhalt (den Umfang) des bei Gericht eingelangten Antrags der in § 89d Abs 1 GOG genannte Zeitpunkt maßgeblich ist (vgl 5 Ob 188/12a NZ 2013/136 [Hoyer]). Der Umstand, dass der Ausdruck des ERV‑Antrags bei Gericht insoweit unvollständig war, geht nicht zu Lasten der Antragsteller.
2. Damit ist für die Antragsteller allerdings nichts gewonnen, weil das Gesuch aus einem anderen Grund abzuweisen ist:
2.1 Das Grundbuchgericht hat das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf eine grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheint und die Urkunde in der Form vorliegt, die zur Bewilligung einer Einverleibung erforderlich ist. Urkunden, die Grundlage für den Erwerb oder Umänderung eines dinglichen Rechts bilden sollen, müssen einen gültigen Rechtsgrund enthalten. Dabei genügt es, dass den in der Urkunde angeführten Sachverhaltsmerkmalen der zur Erwerbung oder Umänderung des Rechts geeignete Grund eindeutig entnommen werden kann. Der Urkundeninhalt muss dabei in formaler Hinsicht unbedenklich sein und darf auch materiell‑rechtlich keine Zweifel aufkommen lassen (stRsp; RIS‑Justiz RS0060878). Eine Berücksichtigung von Umständen, die erst durch außerhalb des Urkundeninhalts liegende Tatsachen eine bestimmte Auslegung ergeben oder eine Bedachtnahme auf einen nicht urkundlich erwiesenen, sondern nur allenfalls zu erschließenden Willen der Vertragsteile kommt nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0060878 [T23]).
2.2 Für die Beurteilung der Frage, ob es sich bei dem die Eintragungsgrundlage bildenden Leibrentenvertrag samt Nachtrag um ein entgeltliches oder um ein (zumindest teilweise) unentgeltliches Rechtsgeschäft handelt, ist zumindest in der Regel nicht darauf abzustellen, ob der Vertragsinhalt auf eine Störung der „objektiven Äquivalenz“ hindeutet; vielmehr darf eine „gemischte“ (teilweise) Schenkung erst bei „subjektiver Inäquivalenz“ angenommen werden (5 Ob 188/13b NZ 2014/85 mwN; zuletzt 5 Ob 39/14t).
2.3 Im Grundbuchsverfahren ist nach der Rechtsprechung das bei einem Schenkungsvertrag unabdingbar notwendige Einverständnis der Vertragspartner über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der beabsichtigten Vermögensverschiebung im Regelfall nur dann anzunehmen, wenn es sich aus den beigebrachten Urkunden ergibt (5 Ob 141/94 NZ 1995/342 [GBSlg]; 5 Ob 2249/96p; 5 Ob 39/14t).
2.4 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Leibrentenvertrag, dass die Parteien eine subjektive Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung für möglich erachtet und eine ausdrückliche Vereinbarung für den Fall des tatsächlichen Vorliegens einer derartigen subjektiven Inäquivalenz getroffen haben: Sie vereinbarten, eine gemischte Schenkung abzuschließen, sollte der Wert des Vertragsobjekts nicht durch die vereinbarten Gegenleistungen abgegolten sein (IV. des Leibrentenvertrags).
2.5 Nach dem für die Berechtigung des Gesuchs allein maßgeblichen Urkundeninhalt lässt sich zwar nun nicht ableiten, ob Leistung und Gegenleistung äquivalent sind. Ebensowenig ist dem Urkundeninhalt das Gegenteil, also eine Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung, zu entnehmen. Klar geht allerdings aus dem die Eintragungsgrundlage bildenden Vertrag das Einverständnis der Vertragspartner über die (teilweise) Unentgeltlichkeit für den Fall der Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung hervor.
2.6 Die nach der konkreten Vertragsgestaltung bestehenden Zweifel über den Rechtsgrund der beabsichtigten Vermögensverschiebung (Kauf oder gemischte Schenkung) haben schon deshalb zur Abweisung des Gesuchs zu führen, weil für den ‑ nach dem Leibrentenvertrag nicht auszuschließenden ‑ Fall, dass tatsächlich eine gemischte Schenkung vorliegt, die erforderliche Form nicht eingehalten wurde:
a) Bei einer „gemischten Schenkung“ müssen die für die Schenkung geltenden Formvorschriften jedenfalls für den unentgeltlichen Teil eingehalten werden, wobei die Formpflicht in der Regel deshalb das gesamte Rechtsgeschäft trifft, weil der unentgeltliche Teil „nicht abspaltbar“ ist (Ertl in Klang³ § 943 ABGB Rz 21 mwN; Formpflicht ausdrücklich bejahend 5 Ob 272/99g; vgl auch 5 Ob 124/92 SZ 65/137 zur gemischten Schenkung zwischen Ehegatten).
b) Ein Notariatsakt wurde nicht geschlossen.
c) Im Grundbuchsverfahren reicht die im Anlassfall gewählte Vertragsformulierung „die Übergabe und Übernahme des Vertragsgegenstands in den rechtlichen Besitz und Genuss der Käufer erfolgt mit Unterfertigung dieser Urkunde“ als urkundlicher Nachweis der erfolgten Übergabe nicht aus (5 Ob 164/08s NZ 2009/32 mwN). Erforderlich wäre vielmehr der urkundliche Nachweis, dass die Übergabe bereits erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0018923).
2.7 Daraus folgt zusammengefasst, dass die Abweisung des Antrags durch das Rekursgericht im Ergebnis zu Recht erfolgte, weil aus den vorliegenden Urkunden nicht mit der für das Grundbuchsverfahren erforderlichen Eindeutigkeit abzuleiten ist, dass keine gemischte Schenkung vorliegt und es im Fall des Vorliegens einer gemischten Schenkung an der erforderlichen Form des Notariatsakts bzw einer Heilung der Formungültigkeit durch wirkliche Übergabe fehlt.
3. Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen, wobei infolge des untrennbar bestehenden Zusammenhangs zwischen der begehrten Eigentums-übertragung, der Einräumung der Wohnungsgebrauchsrechte und der Einverleibung des Pfandrechts eine gänzliche Antragsabweisung zu erfolgen hatte.
Eines Eingehens auf weitere Abweisungsgründe, insbesondere darauf, ob und wie sich die ‑ erst nach Einlangen des Gesuchs erfolgte ‑ Bestellung einer Verfahrenssachwalterin für den Ehegatten der Eigentümerin, dem ein Wohnungsgebrauchsrecht eingeräumt wurde, auswirkt, bedarf es nicht, weil eine Wiederholung des Gesuchs auf der Grundlage des zu Zweifeln Anlass gebenden Leibrentenvertrags nicht in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0060544).
4. Für den Revisionsrekurs gebühren ‑ unabhängig von seiner Erfolglosigkeit ‑ schon deshalb keine Kosten, weil nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Grundbuchsverfahren kein Kostenersatz stattfindet (RIS‑Justiz RS0035961 [T5 ‑ T7]).
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