OGH 6Ob205/14m

OGH6Ob205/14m15.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****‑AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Hirtzberger, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 207.445,06 EUR sA (Revisionsinteresse 34.213,78 EUR sA bzw 139.027,61 EUR sA), über die außerordentlichen Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2014, GZ 11 R 47/14h‑29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00205.14M.1215.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer eines VW‑Busses, dessen betrunkener Lenker einen Verkehrsunfall verschuldet hat. Bei diesem Unfall wurde R***** J***** schwer verletzt. Nach dem Unfall wurde er in einem Krankenhaus, dessen Rechtsträger die beklagte Partei ist, behandelt. Seine Gesundheitsschäden sind auch auf Behandlungsfehler zurückzuführen. In einem Vorverfahren wurden der Buslenker, die nunmehrige Klägerin und die beklagte Partei schuldig erkannt, zur ungeteilten Hand Schadenersatzzahlungen an R***** J***** zu leisten. Außerdem wurde deren (teilweise) solidarische Haftung für künftige Schäden festgestellt. In der Folge leisteten beide Streitteile Zahlungen an R***** J*****.

Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei nun weitere Zahlungen in Höhe von zuletzt 207.445,06 EUR sA. Manche Schäden seien allein auf das (Fehl‑)Verhalten der beklagten Partei zurückzuführen und daher zur Gänze von dieser zu tragen. Die übrigen Ersatzbeträge seien zu zwei Drittel der beklagten Partei zuzuordnen.

Das Erstgericht gab der Klage in Ansehung von 34.213,78 EUR sA statt; das Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Für die im Vorprozess geltend gemachten Ersatzansprüche sei über den Umfang der Solidarschuld der Parteien bereits rechtskräftig abgesprochen worden. Das Erstgericht habe das Beweislastproblem richtig gelöst. Die Zurechnungselemente der Rechtswidrigkeit und der Schuld hätten auf beiden Seiten gleich schwer gewogen. Verzugszinsen stünden nur in Höhe von 4 % zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobenen außerordentlichen Revisionen beider Streitteile sind nicht zulässig:

1. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Spruch. Nur soweit es für die Individualisierung des Anspruchs und dessen Tragweite erforderlich ist, sind auch die Entscheidungsgründe heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0041357). Eine Bindungswirkung der Vorentscheidung besteht nur, wenn sowohl die Identität der Parteien als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts gegeben ist (RIS‑Justiz RS0041572).

2. Das Innenverhältnis zwischen den Beklagten des Vorprozesses wurde im Vorprozess nicht beurteilt. Soweit jedoch im Vorprozess Begehren gegen die nunmehrige beklagte Partei abgewiesen wurden, fehlt es an einer Solidarhaftung, sodass insoweit ein Rückgriff von vornherein ausscheidet.

3.1. Beim Rückgriff eines nach § 1302 ABGB solidarisch verurteilten Beschädigers gegen einen Mitverpflichteten gelangt § 896 ABGB zur Anwendung (RIS‑Justiz RS0017514, RS0122266). Ein Rückersatzanspruch setzt Solidarhaftung voraus. Derjenige, der den Rückersatz beansprucht, muss seinerseits vollen Schadenersatz geleistet haben und, sofern er sich nicht mit dem Ersatz des Kopfteils begnügen will, ein „anderes besonderes Verhältnis“ nachweisen. Damit trifft die Beweislast für einen nicht kopfteiligen Ausgleich denjenigen, der sich auf eine besondere Regelung beruft (RIS‑Justiz RS0026803, RS0017575, RS0017501 [T11]). Wer einen anderen als einen gleichteiligen Aufteilungsschlüssel behauptet, hat die dafür maßgeblichen Umstände vorzubringen und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0017514 [T8]).

3.2. Ein besonderes Verhältnis kann auf rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen den Mitschuldnern beruhen, aber auch auf schadenersatzrechtlichen Verflechtungen und sonstigen Umständen, die im konkreten Fall ein Abweichen vom Rückgriff nach Kopfteilen rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0017522 [T2]).

4.1. Das Ausmaß eines nach § 1302 ABGB iVm § 896 ABGB zu beurteilenden Regressanspruchs bestimmt sich primär nach den zwischen den solidarisch Verpflichteten bestehenden Verhältnissen. Das Ausmaß des Regressanspruchs wird jedenfalls erst durch die konkreten Umstände des Falls bestimmt (RIS‑Justiz RS0026824).

4.2. Entscheidend für die Höhe des Rückgriffsanspruchs in diesem Fall ist, welchen von mehreren Schadenersatzpflichtigen ein höheres, welchen ein geringeres Maß von Schuld und Verantwortung für den eingetretenen Schaden trifft, ebenso der Anteil am Rechtswidrigkeitszusammenhang und Verursachungs-zusammenhang (RIS‑Justiz RS0026803). Als besonderes Verhältnis unter den Mitschuldigen ist beim Regress das Ausmaß ihrer Beteiligung, also der Verschuldensanteile und Verursachungsanteile anzusehen, nach dem sich dann die endgültige Haftung im Innenverhältnis bestimmt (RIS‑Justiz RS0017501).

5.1. Fragen der Verschuldensteilung sind aber regelmäßig einzelfallbezogen und stellen im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS‑Justiz RS0087606). Dies gilt auch für den Ausgleich im Innenverhältnis nach § 1302 ABGB iVm § 896 ABGB.

5.2. Im Anlassfall hat der Fahrzeuglenker schwer betrunken den Unfall verursacht, indem er stark Kurven schneidend mit R***** J***** auf der Gegenfahrbahn kollidierte. Andererseits wurden von Seiten des Krankenhauses in der Folge zahlreiche Behandlungsfehler gesetzt. Wenn die Vorinstanzen auf Basis der getroffenen Feststellungen die Zurechnungselemente abwogen und im Ergebnis zu einer gleichteiligen Schadensteilung im Innenverhältnis gelangten, so haben sie dadurch den ihnen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

6. Völlig zutreffend sprachen die Vorinstanzen auch lediglich 4 % Zinsen zu, liegt doch kein „Geschäft“ im Sinne des § 343 UGB zwischen den Parteien vor, sodass für die Anwendung des erhöhten Zinssatzes nach § 352 UGB kein Raum besteht.

7. Damit bringen die Parteien aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass die Revisionen spruchgemäß zurückgewiesen werden.

Stichworte