European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:009OBA00088.14B.1029.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Berufungsurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.846,56 EUR (darin 307,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.531,68 EUR (darin 204 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war als diplomierter Assistent für physikalische Medizin seit 1. 10. 1987, seit 1989 unbefristet, bei der beklagten Gemeinde als Rechtsträgerin eines Krankenhauses beschäftigt. Nach dem Dienstvertrag finden auf das Dienstverhältnis die Bestimmungen des Salzburger Gemeinde‑Vertragsbedienstetengesetzes (Sbg Gem‑VBG) 1968 und seine Durchführungsbestimmungen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Nach einem Vorfall am 10. 2. 2013 wurden betriebsintern erste Schritte zur Kündigung des Klägers gesetzt. Am 25. 2. 2013 stimmte der von der Kündigungsabsicht verständigte Betriebsrat des Krankenhauses der Kündigung des Klägers zu. Am 27. 2. 2013 wurde dem Kläger ein mit 25. 2. 2013 datiertes und vom Bürgermeister der Beklagten unterfertigtes Kündigungsschreiben des Krankenhauses ausgehändigt. Darin wurde das Dienstverhältnis des Klägers zum 31. 7. 2013 aufgekündigt, weil er seine Dienstpflichten gröblich verletzt und es sich erwiesen habe, dass sein gegenwärtiges bzw früheres Verhalten dem Ansehen und den Interessen des Dienstgebers abträglich sei.
Die für dienst‑ und besoldungsrechtliche Angelegenheiten zuständige Gemeindevorstehung der Beklagten tagt üblicherweise einmal pro Monat. Sie beschloss in ihrer Sitzung vom 4. 3. 2013 einstimmig die Aufkündigung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger.
Der Kläger begehrt in seiner Klage die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses über den 31. 7. 2013 hinaus, hilfsweise die Unwirksamerklärung der Kündigung nach § 105 ArbVG, in eventu nach § 20 Salzburger Gleichbehandlungsgesetz. Die Kündigung sei schon formell unwirksam, weil sie vom Bürgermeister ohne vorherige Zustimmung der für diese Entscheidung zuständigen Gemeindevorstehung ausgesprochen worden sei. Das vollmachtslose Handeln des Bürgermeisters sei auch nicht durch die nachträgliche Genehmigung der Gemeindevorstehung geheilt, weil die Gemeindevorstehung erst am 4. 3. 2013, also zu einem Zeitpunkt die Kündigung seines Dienstverhältnisses beschlossen habe, als die 5‑monatige Kündigungsfrist mit 1. 3. 2013 bereits zu laufen begonnen habe. Außerdem sei ihm der Beschluss der Gemeindevorstehung vom 4. 3. 2013 niemals zugegangen. Im Übrigen habe er keine Kündigungsgründe verwirklicht, der Kündigungsausspruch sei verspätet, die Kündigung sozialwidrig und offenkundig wegen seiner religiösen und weltanschaulichen Einstellung erfolgt.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und hielt dem Einwand der formellen Unwirksamkeit der Kündigung entgegen, dass die „maximal“ schwebend unwirksame Kündigung mit der Zustimmung der Gemeindevorstehung vom 4. 3. 2013 rechtswirksam geworden sei. Der „allenfalls“ bei der Kündigung bestehende Vollmachtsmangel sei durch die nachträgliche Genehmigung der Gemeindevorstehung geheilt. Im übrigen sei die Kündigung berechtigt erfolgt und auch rechtzeitig ausgesprochen worden. Da der Betriebsrat der Kündigung des Klägers zugestimmt habe, sei eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit ausgeschlossen. Der Kläger sei nicht diskriminierend gekündigt worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die vom Bürgermeister der Beklagten als falsus procurator unterzeichnete und am 27. 2. 2013 ausgesprochene Kündigung des Klägers sei durch die Gemeindevorstehung erst am 4. 3. 2013 beschlossen worden. Die Genehmigung sei damit nicht so rechtzeitig erfolgt, dass die 5‑monatige Kündigungsfrist nach § 117 Salzburger Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 2001 (Sbg Gem-VBG 2001) zum Kündigungstermin 31. 7. 2013 gewahrt worden sei. Die Kündigung sei daher schon formell unwirksam. Zudem sei die ‑ zwar fristgerecht ausgesprochene ‑ Kündigung unberechtigt erfolgt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies sowohl das Haupt- als auch beide Eventualbegehren ab. Zur Frage der Wirksamkeit der genehmigten Kündigung vertrat es die Ansicht, dass von einem Unterlaufen des Zwecks der Kündigungsfrist bei einer Verkürzung einer mehrmonatigen Kündigungsfrist um wenige Tage nicht gesprochen werden könne. Zweck der Kündigungsfrist sei es nämlich, den Dienstnehmer vor einer ungewissen oder abrupten Beendigung seiner Existenzgrundlage zu bewahren und ihm Gelegenheit zu geben, sich auf seine neue künftige Lage einzustellen und nach einer neuen Arbeit umzusehen. Da dieser Zweck aber durch den nur wenige Tage dauernden Schwebezustand nicht gefährdet sei, sei die Kündigung durch die Genehmigung rückwirkend wirksam geworden. Die Kündigung sei auch berechtigt erfolgt (§ 116 Abs 2 Z 6 Sbg Gem-VBG 2001). Das festgestellte Verhalten des Klägers sei dem Ansehen und den Interessen des Dienstes abträglich. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage der Rechtswirksamkeit einer vom dazu nicht allein befugten Bürgermeister ausgesprochenen Kündigung des Dienstverhältnisses durch nachträgliche Genehmigung der Gemeindevorstehung ‑ wenige Tage nach Beginn der mehrmonatigen Kündigungsfrist ‑ zu.
In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, hilfsweise der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
1.1. Die beklagte Gemeinde kann das Dienstverhältnis mit dem Kläger, das mehr als 15 Jahre gedauert hat, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 5 Monaten mit dem Ablauf eines Kalendermonats schriftlich unter Angabe der Gründe kündigen (§§ 116 Abs 1, 117 Sbg Gem-VBG 2001).
1.2. Gemäß § 34 Abs 6 Z 2 lit a der Salzburger Gemeindeordnung 1994 (kurz Sbg GdO 1994) obliegt der Gemeindevorstehung, die aus dem Bürgermeister und weiteren Mitgliedern der Gemeindevertretung als Gemeinderäten besteht (§ 34 Abs 1 Sbg GdO 1994), auch die Entscheidung über die Kündigung von Bediensteten (mit hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahmen). Der Bürgermeister hat diese Beschlüsse durchzuführen (§ 41 Abs 1 Sbg GdO 1994). Lediglich wenn die Entscheidung ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines Schadens für die Gemeinde nicht abgewartet werden kann (sogenannte „Eilzuständigkeit“), ist der Bürgermeister berechtigt, unter seiner Verantwortung die unbedingt erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Er hat jedoch solche Maßnahmen unverzüglich dem zuständigen Organ zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen. Diese entscheidet über die Aufrechterhaltung oder Aufhebung der getroffenen Maßnahmen. Wird die nachträgliche Zustimmung nicht erteilt, sind die Maßnahmen, soweit dies möglich ist, rückgängig zu machen (§ 41 Abs 3 Sbg GdO 1994).
1.3. Ausgehend von dieser Rechtslage ergibt sich (und ist zwischen den Parteien auch nicht weiter strittig), dass der Kläger nur mit Beschluss der Gemeindevorstehung der Beklagten gekündigt werden könnte, weil Gefahr im Verzug nicht vorlag (und von der Beklagten auch gar nicht behauptet wurde).
2.1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dass die in den Gemeindeordnungen enthaltene Vorschriften über die Vertretung der Gemeinden nicht bloße Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlich-rechtlicher Körperschaften darstellen, sondern vielmehr Einschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach außen enthalten (RIS‑Justiz RS0014664; zuletzt 9 ObA 148/13z). Eine durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluss nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet daher mangels der hiefür erforderlichen Vertretungsbefugnisse die Gemeinde einerseits grundsätzlich nicht (RIS‑Justiz RS0014664 [T6]) und ist andererseits gegenüber dem Erklärungsempfänger wirkungslos (2 Ob 182/01f).
2.2. Überschreitet daher der Gewalthaber die Grenzen seiner Vollmacht, wird der Gewaltgeber gemäß § 1016 ABGB nur insoweit verpflichtet, als er das ‑ schwebend unwirksame (RIS‑Justiz RS0014709; zuletzt 3 Ob 151/13x) ‑ Geschäft genehmigt oder sich den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil zugewendet hat. Nach dieser auch für Gemeinden geltenden Regel (RIS‑Justiz RS0014709), kann auch ein vom Bürgermeister ohne Vertretungsmacht geschlossenes Geschäft nachträglich genehmigt und geheilt werden. Eine nachträgliche Genehmigung wirkt zurück (RIS‑Justiz RS0019572; P. Bydlinski in KBB4 § 1016 Rz 4).
2.3. Zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Entlassung hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass die nachträgliche Sanierung einer vom Bürgermeister entgegen den Organisationsvorschriften der Gemeinde allein ausgesprochenen Entlassung nicht in Betracht kommt, weil die Entlassung die Rechtslage mit Wirkung ex nunc gestaltet (RIS‑Justiz RS0019484, zuletzt 9 ObA 148/13z).
2.4. Hingegen wird dieRückwirkung der Genehmigung einer vom Bürgermeister ausgesprochenen schwebend unwirksamen Kündigung von Arbeits- und anderen Dauerschuldverhältnissen nach herrschender Rechtsprechung und Lehre dann für zulässig erachtet, wenn die Genehmigung so rechtzeitig erfolgt ist, dass dem Arbeitnehmer die Kündigungsfrist zum beabsichtigten Kündigungstermin gewahrt bleibt (9 ObA 9/09b; 8 Ob 94/12z; 3 Ob 151/13x; vgl 2 Ob 182/01f; vgl RIS‑Justiz RS0115544; Schönbauer, Genehmigung von vollmachtslos ausgesprochenen Dienstgeberkündigungen, RdW 1999, 603; Krejci in Rummel, ABGB² §§ 1158‑1159c Rz 61; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1016 ABGB Rz 2; Perner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.01 § 1016 Rz 2). Begründet wird dies mit dem Zweck der Kündigungsfristen und ‑termine, die nicht unterlaufen werden dürfen. Bleibt dem Arbeitnehmer aber die Kündigungsfrist zum beabsichtigten Kündigungstermin gewahrt, dann macht es für ihn keinen Unterschied, dass er erst mit der nachträglichen Genehmigung des zuständigen Organs wirksam gekündigt worden ist, weil sich am Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nichts ändert. Erfolgt die Genehmigung hingegen nicht so rechtzeitig, dass die Kündigungsfrist zum beabsichtigten Kündigungstermin gewahrt ist, bleibt die vom falsus procurator erklärte Kündigung unwirksam und die Kündigung ist neuerlich unter Einhaltung der gebotenen Kündigungsfrist und des gebotenen Kündigungstermins auszusprechen (3 Ob 151/13x; Krejci in Rummel, ABGB² §§ 1158‑1159c Rz 61; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1016 ABGB Rz 2).
2.5. Der Zweck der Kündigungsvorschriften liegt darin, dem anderen Vertragsteil, der davor möglicherweise nichts über die Absichten des sodann Kündigenden ahnt, zeitgerecht Kenntnis zu verschaffen, damit auch dieser entsprechende Dispositionen (zB neue Arbeitsplatzsuche) treffen kann (vgl Ziehensack, VBG § 33 Rz 1). Der Landesgesetzgeber gewährt dem Arbeitnehmer durch die Festlegung der Kündigungsfristen in § 117 Sbg Gem‑VBG 2001 eine Mindestfrist (vgl Marhold/Friedrich Arbeitsrecht² 294). Es kann daher bei der Prüfung, ob die Kündigung durch die nachträgliche Genehmigung wirksam geworden ist, nicht darauf abgestellt werden, ob der Zweck der Kündigungsvorschriften im Einzelfall nicht auch durch die Einhaltung einer kürzeren als der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfrist ‑ wenn auch wie hier die Verkürzung nur wenige Tage beträgt ‑ erreicht wird.
2.6. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ist der Arbeitnehmer in einem Kündigungsanfechtungsverfahren nach § 105 ArbVG auch nicht weniger schutzbedürftig als ein Arbeitnehmer im Falle der nachträglichen Genehmigung einer vom falsus procurator ausgesprochenen Kündigung. Der Unterschied zwischen diesen gekündigten Arbeitnehmern liegt darin, dass die Kündigung im Falle ihrer Anfechtung nach § 105 ArbVG schwebend wirksam ist (RIS‑Justiz RS0052018), hingegen jene im Anlassfall schwebend unwirksam.
3. Der Revisionswerber vertrittunter Bezugnahme auf den insoweit festgestellten Sachverhalt und den unstrittigen Inhalt der Sitzungsniederschrift der Gemeindevorstehung vom 4. 3. 2013 (Blg ./14) auch die Rechtsansicht, dass die Gemeindevorstehung der insoweit behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten (9 Ob 41/09h) gar nicht das vollmachtslose Handeln des Bürgermeisters nachträglich genehmigt, sondern lediglich die ‑ zukünftige ‑ Kündigung des Dienstverhältnisses beschlossen habe. Darauf muss aber nicht weiter eingegangen werden, weil das Klagebegehren selbst dann berechtigt ist, wenn von einer nachträglichen Genehmigung der Gemeindevorstehung ausgegangen wird.
4. Die Gemeindevorstehung der Beklagten hätte nämlich erst am 4. 3. 2013 die vom Bürgermeister der Beklagten ‑ entgegen den unter Punkt 1.2. dargelegten Organisationsvorschriften vollmachtslos ‑ am 25. 2. 2013 ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers genehmigt. Unabhängig davon, ob dem Kläger diese nachträgliche Genehmigung damit zur Kenntnis gebracht hätte werden müssen und allenfalls wurde, wäre die Genehmigung nicht so rechtzeitig erfolgt, dass die 5‑monatige Kündigungsfrist zum Kündigungstermin 31. 7. 2013 gewahrt geblieben wäre. Die vom Bürgermeister der Beklagten als falsus procurator erklärte Kündigung ist daher jedenfalls unwirksam, sodass das Dienstverhältnis zwischen den Parteien über den 31. 7. 2013 hinaus aufrecht ist.
Der Revision des Klägers ist daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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