OGH 3Ob151/13x

OGH3Ob151/13x8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Prückner als Vorsitzenden, den Hofrat Univ‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. H*****, vertreten durch Masser & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde *****, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen 74.916 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Mai 2013, GZ 14 R 211/12w‑25, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0030OB00151.13X.1008.000

 

Spruch:

Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Werklohnforderung des Klägers hat die beklagte Gemeinde die von den Vorinstanzen bejahten Gegenforderungen unter anderem darauf gestützt, dass ihr wegen schuldhafter Verzögerung der Übermittlung des Kollaudierungsoperats Fördermittel entgangen seien. Der Bürgermeister habe den Rücktritt vom Vertrag mit dem Kläger erklärt, den der Gemeinderat später genehmigt habe.

In der außerordentlichen Revision des Klägers werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Zurückweisung des Rechtsmittels bedarf lediglich zum Thema der nachträglichen Genehmigung des Rücktritts einer Begründung.

Das Berufungsgericht erachtete den Rücktritt wegen des 20 Monate danach erfolgten Gemeinderatsbeschlusses für wirksam. Der Revisionswerber hält diese Frist aus Gründen der Rechtssicherheit für zu lang, releviert dazu fehlende oberstgerichtliche Judikatur und verweist auf die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Entlassungserklärung eines vollmachtslos handelnden Bürgermeisters, bei der eine nachträgliche Genehmigung nicht in Frage käme (9 ObA 9/09b). Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Nach dem Wortlaut der vom Berufungsgericht zitierten Bestimmungen der NÖ Gemeindeordnung (insb § 35 Z 22 lit f) fällt nur die Auftragsvergabe über einen bestimmten Schwellenwert in die Kompetenz des Gemeinderats. Darunter ist aber auch die Beendigung eines entsprechenden Vertragsverhältnisses zu verstehen, sodass tatsächlich die Rücktrittserklärung der beklagten Partei durch den Gemeinderat hätte erfolgen müssen.

2. Mangels Einholung eines Gemeinderatsbeschlusses vor Abgabe der Rücktrittserklärung ist daher die Willenserklärung des Bürgermeisters iSd § 1016 ABGB zunächst schwebend unwirksam gewesen (RIS-Justiz RS0014709). Eine nachträgliche Genehmigung wirkt zurück (P. Bydlinski in KBB³ § 1016 Rz 4; RIS-Justiz RS0019572). Dabei darf allerdings durch die Rückwirkung der Genehmigung etwa bei der Kündigung von Arbeits‑ und anderen Dauerschuldverhältnissen der Zweck der Kündigungsfristen und ‑termine nicht unterlaufen werden. Erfolgt die Genehmigung nicht so rechtzeitig, dass die Kündigungsfrist zum beabsichtigten Kündigungstermin gewahrt ist, bleibt die vom falsus procurator erklärte Kündigung unwirksam und es ist neuerlich zum folgenden Termin zu kündigen (Apathy in Schwimann³ IV § 1016 ABGB Rz 2 mwN; zur Entlassung vgl RIS-Justiz RS0019484).

3. Dieser Fall liegt aber hier nicht vor, weil die Rücktrittserklärung nach § 918 ABGB ohnedies ex tunc wirkt.

4. Ob der nachträglich eingeholte Gemeinderatsbeschluss vom 22. März 2011 in einem (von der Revision verneinten) ausreichenden zeitlichen Kontext zur Abgabe der Rücktrittserklärung steht und somit zurückwirkt (vgl RIS‑Justiz RS0019572) bzw ob § 865 ABGB analog anzuwenden ist (vgl Apathy in Schwimann³ IV § 1016 ABGB Rz 2 mwN) bedarf hier deshalb keiner Auseinandersetzung, weil zumindest eine schlüssige Genehmigung des vollmachtslosen Handelns des Bürgermeisters durch den Gemeinderat dadurch anzunehmen ist, dass mit Gemeinderatsbeschluss vom 23. September 2009 ein anderer Ziviltechniker beauftragt wurde, das Kollaudierungsoperat fertigzustellen (S 12 der erstgerichtlichen Urteilsausfertigung). Die Beschlussfassung des Gemeinderats kann, da sie ja gerade den Zweck hatte, dass nicht mehr der Kläger, sondern der neu Beauftragte das Kollaudierungsoperat fertigstellte, jedenfalls nur dahin verstanden werden, dass dem Gemeinderat der Rücktritt des Bürgermeisters bekannt war und er in Billigung dieses Rücktritts den Auftrag neu vergab.

5. Da die Revision weder die materielle Berechtigung der Rücktrittserklärung bestreitet noch eine unterlassene Nachfristsetzung (die bis zum Gemeinderatsbeschluss ohnehin faktisch gewährt wurde) beanstandet und auch nicht mehr in Zweifel zieht, dass das Schreiben des Bürgermeisters in den Machtbereich des Klägers gelangte, ist daher mit dem Berufungsgericht ein wirksamer Vertragsrücktritt zu bejahen. Daraus folgt auch, dass die Vorinstanzen die Honorarforderung des Klägers zutreffend um das Kollaudierungsentgelt gekürzt haben.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte