European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00103.14G.1029.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zu A/1 zugrundeliegenden Taten unter § 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60, der dem Schuldspruch zu B zugrundeliegenden Tat unter § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 und der dem Schuldspruch zu C jeweils iVm mit A/1 und B zugrundeliegenden Taten unter § 212 Abs 1 dritter Fall StGB idF BGBl 1974/60, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:
Johann W***** hat zu A/1 die Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl I 2013/116, zu B/ das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idF BGBl I 2013/116 und zu C/ iVm A/1 und B/ die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 dritter Fall StGB idF BGBl I 2006/56 begangen.
Für diese Verbrechen (A/1 und B/) und Vergehen (C/ iVm A/1 und B/) sowie die ihm weiterhin zur Last liegenden Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (A/2) und § 212 Abs 1 dritter Fall StGB idF BGBl 1974/60 (C/ iVm A/2) wird Johann W***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 206 Abs 3 StGB idgF zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Seiner Berufung gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligte Marion L***** wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Zuspruch an die Privatbeteiligte Marion L***** und deren Verweisung auf den Zivilrechtsweg wegen weiterer Ansprüche enthält, wurde Johann W***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (A/1 und A/2), des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (B/) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 „Z 1“ dritter Fall StGB idF BGBl 1974/60 (C./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz und anderen Orten
A/ in einer Vielzahl von Angriffen eine unmündige Person, und zwar seine am 9. September 1972 geborene Stieftochter Marion L***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er das Mädchen fortlaufend
1./ von zumindest 1981 bis 8. September 1986 über der Kleidung an der Brust betastete und massierte;
2./ von 1982 bis 8. September 1986 an der Scheide betastete und einen Finger in die Scheide des Mädchens einführte sowie in einigen Fällen die Brust des Mädchens abschleckte und an dieser saugte;
B/ zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Herbst 1985 mit einer unmündigen Person, und zwar mit seiner am 9. September 1972 geborenen Stieftochter Marion L*****, den außerehelichen Beischlaf unternommen, indem er an dem Mädchen einen Geschlechtsverkehr vollzog, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine Störung des Sozialverhaltens und eine damit einhergehende instabile Persönlichkeitsstörung mit einer länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte;
C/ im Zeitraum von zumindest 1981 bis „10. Dezember 1986“ durch die zu A/ und B/ beschriebenen Tathandlungen an seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und b, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Dem Rechtsmittelgericht obliegt dabei nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Bedeutsame erwogen wurde, nicht aber der Inhalt dieser Erwägungen (RIS‑Justiz RS0118316).
Das Schöffengericht gelangte zu seiner Überzeugung von der (Mit‑)Kausalität sämtlicher Tathandlungen (somit auch jenes zu B/ beschriebenen Geschlechtsverkehrs) für eine Störung des Sozialverhaltens und eine damit einhergehende instabile Persönlichkeitsstörung mit 24 Tage übersteigender Gesundheitsschädigung primär aufgrund des psychiatrischen Gutachtens der Sachverständigen Dr. L*****, dessen Annahmen es in weiteren Verfahrensergebnissen gestützt sah, nämlich im Fehlen anderer - vor dem Beginn des Tatzeitraums - auszumachender Ursachen für die bereits im Schulalter aufgetretenen Verhaltensauffälligkeiten, die die Entwicklung einer derart ausgeprägten Gesundheitsschädigung erklären könnten, aber auch in den bereits 2008 für eine psychotherapeutische Behandlung und 2009 von der Fachärztin Dr. S***** erstellten Diagnosen sowie im Gutachten der Sachverständigen Mag. Dr. V*****, soweit dieses das Bestehen einer massiven Gesundheitsschädigung im psychischen Bereich bestätigte, die im engen Zusammenhang, „wenn auch nicht gänzlich kausal“, mit einem Kindheitstrauma in Form von langjährigen massiven Missbrauchserfahrungen stehe, wobei auch andere Faktoren den schlechten Gesundheitszustand mitbeeinflusst hätten (US 7 f, 9 ff iVm 15, 22 f).
Der Beschwerdebehauptung (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde in den ‑ gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO gedrängt darzustellenden ‑ Entscheidungsgründen solcherart der wesentliche Inhalt des Gutachtens der Sachverständigen Mag. Dr. V***** in seiner Gesamtheit erörtert und dieses nicht „nur kurz erwähnt“ (vgl US 19 ff). Insbesondere wurden dabei erkennbar auch jene vom Beschwerdeführer isoliert aus dem Zusammenhang gelösten Passagen aus der Expertise der Genannten berücksichtigt (US 20), wonach die schweren Folgen „nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit […] erst durch diesen […] Geschlechtsakt herbeigeführt wurden“ (ON 61 S 5). Bleibt in diesem Zusammenhang anzumerken, dass Mitkausalität des im Schuldspruch B/ vorgeworfenen Verhaltens für die eingetretenen schweren Verletzungsfolgen für deren strafrechtliche Zurechnung ausreicht (RIS‑Justiz RS0091997 [T2], RS0089343 [T1]).
Auch der weitere Einwand, die Tatrichter hätten die vom Angeklagten in seinem Antrag auf Ausschließung der Sachverständigen Mag. Dr. V***** (ON 60) selbst zusammengefasst wiedergegebenen (angeblichen) „gutachterlichen Ausführungen“ des von ihm konsultierten Privatsachverständigen Univ.‑Prof. Dr. Peter H*****, die durch den gemäß § 252 Abs 2a StPO erfolgten Vortrag in der Hauptverhandlung vorgekommen waren (ON 92 S 21), „zur Gänze negiert“ (Z 5 zweiter Fall), geht ins Leere, weil Schlussfolgerungen und Meinungen eines Privatgutachters ‑ soweit sie über den bloß zeugenschaftlichen Bericht über sinnliche Wahrnehmungen im Rahmen eines Befundes hinausgehen ‑ im Strafverfahren nicht zu erörtern sind (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 351 und 435; vgl auch RIS‑Justiz RS0097545 [T19], RS0097540 [T12 und T22]).
Weshalb es im Zusammenhang mit der Feststellung der für den Schuldspruch oder die Subsumtion entscheidenden Tatsachen einer besonderen Erörterung (Z 5 zweiter Fall) bedurft hätte, ob die vom Opfer geschilderten Beeinträchtigungen der Gutachterin Mag. Dr. V***** zufolge auch auf eine aus einer Traumatisierung resultierende Borderline-Störung und nicht ausschließlich auf eine von ihr diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung passen (ON 61 S 7), macht die Beschwerde nicht klar, zumal bloß die Frage der Zurückführung einer feststellbaren schweren Beeinträchtigung des Gesundheitszustands der Marion L***** auf konkrete Missbrauchshandlungen des Angeklagten entscheidend ist und die erwähnte Passage des Gutachtens auch gar nicht nahelegt, dass gerade sexueller Missbrauch als auslösendes traumatisches Geschehen für eine Borderline-Erkrankung auszuschließen wäre (zu den Überschneidungen bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung [im Sinn einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung] und einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie zu möglichen Ursachen für beide Krankheitsbilder vgl im Übrigen auch ON 84 S 99 f und ON 92 S 3 ff, 11, 17 f).
Mit der Frage, ob auch andere - außerhalb des inkriminierten Geschehens gelegene ‑ Umstände das konkret ausgeprägte Krankheitsbild der Marion L***** erklären könnten, haben sich die Tatrichter dem weiteren Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider bei Beleuchtung der Beweisergebnisse eingehend beschäftigt (US 13 - 23) und in ihre Überlegungen auch das Gutachten der Sachverständigen Mag. Dr. V***** miteinbezogen, so auch, dass nach Ansicht dieser Expertin im konkreten Fall andere Faktoren die Ausbildung der schweren Gesundheitsschädigung zwar mitbeeinflussen konnten, primär aber die geschilderten Missbrauchshandlungen zu dem nachhaltigen Trauma führten (US 19 ff). Da das Schöffengericht aufgrund der Gesamtheit der Beweisergebnisse zu der Überzeugung gelangte, dass fehlende Zuwendung im Kleinkindalter (US 19, 22) oder späterer Substanzmissbrauch (US 21 f) angesichts der Ausbildung von gravierenden Verhaltensauffälligkeiten gerade während des in die Schulzeit des Opfers fallenden Tatzeitraums sowie der konkreten Auswirkungen des Traumas ein derart ausgeprägtes Störungsbild nicht erklären würden (US 22), war es auch nicht gehalten, die bloß allgemein gehaltenen Aussagen dieser Sachverständigen besonders zu erörtern, sie könne bestimmte Umstände („schlechter Start ins Leben bis zur Volksschulzeit“, „Suchtgiftmissbrauch“) als mögliche Ursachen einer (vom Erstgericht im Übrigen gar nicht angenommenen) posttraumatischen Belastungsstörung nicht völlig ausschließen.
Bei den Urteilsannahmen zu Suizidversuchen der Marion L***** ab einem Alter von zehn Jahren (US 7, 13) handelt es sich bloß um die sachverhaltsmäßige Bejahung eines erheblichen Umstands, der erst in Zusammenschau mit weiteren Beweisergebnissen die Grundlage für die Feststellung entscheidender Tatsachen (zum Begriff: RIS‑Justiz RS0106268, RS0099497 sowie Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398 ff) auf Basis der für glaubwürdig befundenen Aussage der Stieftochter des Angeklagten bildete, ohne dass die Tatrichter darin erkennbar eine notwendige Bedingung für die Konstatierung entscheidender Tatumstände erblickt haben. Die in Rede stehende Feststellung kann daher mit Mängelrüge (hier: Z 5 vierter Fall) nicht in Frage gestellt werden (vgl RIS‑Justiz RS0116737; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410).
Dies gilt auch für die Konstatierung, dass der Angeklagte das Tagebuch der Marion L***** an sich genommen und nicht wieder zurückgegeben hatte (US 5, 12). Indem die Beschwerde die Erwägung der Tatrichter angreift, dieses - auch von der Zeugin Ingeborg W***** bestätigte - Verhalten sei nur damit erklärbar, dass es den Angeklagten belastende Mitteilungen enthielt, die er zu unterdrücken trachtete, bekämpft sie der Sache nach bloß die Beweiswürdigung, ohne - angesichts des weiteren Kontextes - mit dem bloßen Hinweis auf die Verwendung von Worten wie „unstrittig“ oder „sicherlich“ eine Scheinbegründung im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO aufzuzeigen.
Soweit die Rechtsrüge hinsichtlich einer vom Schuldspruch A/2 umfassten, im Sommer 1984 während eines Urlaubs in Italien begangenen Tat (US 4) mit Blick auf die erst durch das StRÄG 1996 in den Rechtsbestand eingeführte Regelung des § 64 Abs 1 Z 4a StGB das Vorliegen inländischer Gerichtsbarkeit bestreitet (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a [vgl RIS‑Justiz RS0092267 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 634]) und unter dem Aspekt des § 65 Abs 1 StGB Feststellungen dazu einfordert, ob diese Tat auch durch die Gesetze des Tatorts mit Strafe bedroht war, ist auf § 64 Abs 1 Z 7 StGB zu verweisen. Danach ist auch eine im Ausland von einem Österreicher gegen einen Österreicher begangene Tat bei zur Tatzeit beiderseitigem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (wovon die Tatrichter im gegenständlichen Fall erkennbar ausgingen [US 3 f]; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts nach den österreichischen Gesetzen zu bestrafen. Im Übrigen sind im Fall einer urteilsmäßigen Zusammenfassung einer unbestimmten Zahl nur pauschal individualisierter gleichartiger Angriffe zu einer gleichartigen Verbrechensmenge (vgl RIS‑Justiz RS0116736; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 33, 291 f) selbst dann, wenn ein Teil davon in Österreich und ein Teil im Ausland stattfand, alle diese Taten § 62 StGB zu unterstellen (RIS‑Justiz RS0119552 [T14]).
Die gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (B/) gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet die Behauptung des Fehles von Feststellungen zu einem „auch auf die Vollziehung eines Beischlafs“ gerichteten Vorsatz des Angeklagten aus einer ‑ isoliert betrachteten und urteilsfremd interpretierten ‑ Entscheidungspassage (wonach sich die Absicht des Angeklagten auf die Durchführung „sexueller Handlungen“ bezogen habe [US 6]) ab, ohne dabei an der Gesamtheit der erstrichterlichen Konstatierungen Maß zu nehmen, und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584). Die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte das am Boden liegende Mädchen zunächst an der Scheide betastete und auch einen Finger in ihre Scheide einführte, sich sodann seine Hose bis zu den Knien hinunterzog, sich zwischen die gespreizten Beine des Mädchens kniete und sein erigiertes Glied in ihre Scheide einführte und solcherart mit Marion L***** einen (außerehelichen) Geschlechtsverkehr vollzog, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen (US 4 und 6), bringen bei verständiger und kontextorientierter Lesart den ‑ unter dem Aspekt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit maßgeblichen ‑ Willen der Tatrichter zweifelsfrei zum Ausdruck, die der vorgenommenen Subsumtion entsprechenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19, 571; RIS‑Justiz RS0117228).
Soweit der Beschwerdeführer zu C/ ‑ mangels Einschränkung des Begehrens der Subsumtionsrüge (Z 10) ‑ auch hinsichtlich der zu A/2 beschriebenen Handlungen die rechtliche Beurteilung als Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB idgF einfordert, legt er nicht dar, weshalb der konkrete Lebenssachverhalt in Bezug auf solcherart mit Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (A/2) eintätig zusammentreffende, beischlafsähnliche geschlechtliche Handlungen nicht zur Gänze dem Tatzeitrecht zu unterstellen ist, zumal das Rechtsmittel die Richtigkeit der zu A/2 erfolgten Beurteilung nach dem günstigeren Tatzeitrecht auch gar nicht bestreitet (vgl RIS‑Justiz RS0089011 [T3], RS0116505).
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.
Im Recht ist jedoch die Subsumtionsrüge (Z 10), soweit sie zu den Schuldspruchpunkten A/1, B/ und C/ (iVm A/1 und B/) jeweils eine Beurteilung der diesen zugrunde liegenden Taten nach der aktuell geltenden Rechtslage anstrebt, weil das zur Zeit der Urteilsfällung geltende Recht in seinen Gesamtauswirkungen in concreto nicht ungünstiger ist als das zur Tatzeit in Geltung gestandene Recht:
Denn die von diesen Schuldsprüchen umfassten Tathandlungen sind ‑ wie der Nichtigkeitswerber zutreffend darlegt ‑ sowohl von § 207 Abs 1 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (A/1), § 206 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (B/) und § 212 Abs 1 dritter Fall StGB idF BGBl 1974/60 (C/ iVm A/1 und B/) als auch von § 207 Abs 1 erster Fall StGB idgF (BGBl I 2013/116), § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB idgF (BGBl I 2013/116) und § 212 Abs 1 Z 1 StGB idgF (BGBl I 2006/56) erfasst. Gemäß § 61 zweiter Satz StGB sind Strafgesetze dann auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren. Dieser, den Gegenstand der Subsumtion (Z 10; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 653) betreffende Günstigkeitsvergleich ist in concreto ‑ für jede urteilsgegenständliche Tat, dh für jeden zu beurteilenden Sachverhalt gesondert ‑ vorzunehmen (vgl 15 Os 36/11z; RIS‑Justiz RS0112939), wobei im Fall der Idealkonkurrenz - wie bereits ausgeführt - der zu beurteilende Lebenssachverhalt in Bezug auf alle eintätig zusammentreffenden strafbaren Handlungen entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen ist (RIS‑Justiz RS0089011 [T3], RS0119085 [T5]). Dass eine neue Bestimmung bei gleicher Strafdrohung zusätzlich auch ‑ im konkreten Fall nicht betroffene ‑ weitere Tathandlungen umfasst, ist ohne Belang (vgl RIS‑Justiz RS0112940).
Demnach war die Unterstellung der dem Schuldspruch zu A/1, B/ und C/ (iVm A/1 und B/) zugrunde liegenden Taten unter die bereits erwähnten Bestimmungen des Tatzeitrechts anstatt unter die gleich günstigen, oben aufgezeigten Strafbestimmungen des geltenden Rechts verfehlt.
Da infolge der berechtigten Subsumtionsrüge (Z 10) auch der Strafausspruch zu kassieren ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Einwände der Sanktionsrüge (Z 11).
Somit war ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben und insoweit gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen, die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen jedoch zu verwerfen.
Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlichen Strafneubemessung waren als erschwerend das Zusammentreffen einer Vielzahl von Verbrechen mit Vergehen sowie der lange Tatzeitraum in Anschlag zu bringen, als mildernd hingegen der davor ordentliche Lebenswandel des bislang gerichtlich unbescholtenen Angeklagten, sein Wohlverhalten seit den etwa 28 Jahre zurückliegenden Taten und weiters auch die unverhältnismäßig lange Dauer des (seit Dezember 2009 geführten) Verfahrens, die auf nicht vom Angeklagten oder seinem Verteidiger zu vertretende Verzögerungen im Zusammenhang mit der Erstattung der schriftlichen Gutachten und deren mündlicher Erörterung in der Hauptverhandlung, aber auch auf solche zwischen Rechtskraft der Anklage und Beginn der Hauptverhandlung (erst mehr als fünf Monate nach Rechtskraft) sowie auf längere (zwei Monate überschreitende) und nicht bloß auf eine Vertagungsbitte der Verteidigung zurückzuführende Abstände zwischen einzelnen Hauptverhandlungsterminen zurückzuführen ist.
Die in einem Zeitraum von jedenfalls über vier Jahren regelmäßig gesetzten sexuellen Übergriffe gegen die zu Beginn des Deliktszeitraums (A/ sowie C/ iVm A/) erst rund neun Jahre alte Stieftochter (die im Herbst 1985 in einem Vollzug des Geschlechtsverkehrs mit dem damals 13‑jährigen Mädchen gipfelten [B/]) sowie die ‑ über die im § 84 Abs 1 StGB genannte Folge hinausgehenden ‑ weitreichenden Auswirkungen auf deren Leben und Psyche gebieten zwar grundsätzlich eine deutlich spürbare Sanktion nicht bloß im untersten Bereich des anzuwendenden Strafrahmens von fünf bis zu fünfzehn Jahren. Unter Berücksichtigung, dass dem Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB aufgrund des außerordentlich langen Zurückliegens der Taten hier großes Gewicht zukommt, erachtet der Oberste Gerichtshof jedoch eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren für angemessen, die im Sinn eines spür- und messbaren Ausgleichs der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (vgl RIS‑Justiz RS0114926) um ein Jahr auf insgesamt fünf Jahre zu reduzieren war.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Seiner Berufung gegen den Zuspruch von 15.000 Euro an Schmerzengeld an die Privatbeteiligte Marion L***** war nicht Folge zu geben. Denn die mit den Taten des Angeklagten verbundenen Auswirkungen auf das Leben seiner zu Beginn der Übergriffe etwa neunjährigen Stieftochter, die zu einer freiwilligen Fremdunterbringung im Jahr 1986 und somit zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihres Familienlebens im jugendlichen Alter, aber auch zu einer gestörten Beziehungsfähigkeit zum männlichen Geschlecht, zu selbstverletzendem Verhalten, geringem Selbstwert, Essstörungen sowie zu emotionaler Instabilität in der Kindheit und Jugendzeit, zu über Jahre hinweg andauernden chronifizierten Traumafolgestörungen (wiederholtes Erleben des Traumas, Vermeidungsverhalten, vegetative Erregbarkeit, übermäßige Schreckhaftigkeit und Schlaflosigkeit, Angst und Depression), zu einer fundamentalen Störung der Beziehungsgestaltung mit anderen Menschen und instabiler Lebensentwicklung führten, insgesamt daher zu einer schweren psychosozialen Störung im Sinn einer Störung des Sozialverhaltens und instabilen Persönlichkeitsstörung (ICD‑10) mit Krankheitswert und damit einhergehender 24 Tage bei weitem übersteigender Gesundheitsschädigung (US 5 f, 7, 19, 22 f, 26 f), stellen eine massive Schädigung der geistigen Gesundheit und Unversehrtheit des Tatopfers dar.
Der vom Erstgericht für die rechtswidrig und schuldhaft verursachte schwere Körperverletzung (§ 1325 ABGB; RIS‑Justiz RS0030778 [T5, T10, T12, T16, T23]; Spenling, WK‑StPO § 369 Rz 29 und 32 ff; zu § 1328 ABGB in der bis 31. Dezember 1996 geltenden Fassung vgl RIS‑Justiz RS0031594; Spenling, WK‑StPO § 369 Rz 22 und 58) zuerkannte (Teil‑)Betrag von 15.000 Euro an Schmerzengeld ist angesichts der Umstände des Einzelfalls und der Urteilsannahmen zu Dauer und Gewicht der Gesundheitsschädigung somit nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)