European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00096.14Y.1028.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert B***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (1), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1, Z 2 StGB (2) und der Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (3) schuldig erkannt.
Danach hat er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen Ende 2004 und Ende 2005 (Punkt 1 und 2) und zu nicht exakt feststellbaren Zeitpunkten während dieses Zeitraums (Punkt 3) in A***** Andrea Bu*****
1) außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie von hinten erfasste, an sich heranzog, sodass sie nicht entkommen konnte, ihr dabei den Mund zuhielt, sein erigiertes Glied an ihr rieb und ihre Scheide betastete;
2) durch die zu Punkt 1 und 3 geschilderten Handlungen mit seinem am 6. Mai 1988 geborenen, daher minderjährigen Enkelkind, das seiner Erziehung und Aufsicht unterstand, geschlechtliche Handlungen vorgenommen;
3) in unzähligen Angriffen durch Betasten ihrer Brüste und ihrer Scheide, somit durch geschlechtliche Handlungen an ihr, belästigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO.
Gegenstand der Mängelrüge (Z 5) ist die Einhaltung der Grenzen, die § 258 Abs 2 StPO der sogenannten freien Beweiswürdigung des Gerichts setzt, einschließlich des Missbrauchs der Beweiswürdigungsfreiheit im Sinne eines Willkürverbots (Fabrizy , StPO 11 § 281 Rz 41 mwN). Dabei sind allerdings die im Gesetz angeführten Formalmängel geltend zu machen, nicht aber eine formlose Kritik der tatrichterlichen Beweiswürdigung ‑ die das Gesetz nur im Einzelrichterverfahren statuiert ‑ vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0099455 [vor allem T16]). Ein innerer Widerspruch eines Urteils liegt unter anderem dann vor, wenn dieses verschiedene Tatsachen feststellt, die einander wechselseitig ausschließen oder wenn Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können; es begründet keinen derartigen Mangel, wenn neben einem an sich folgerichtig gezogenen Schluss auch noch andere möglich sind ( Fabrizy , StPO 11 § 281 Rz 45; RIS‑Justiz RS0119089, RS0117402, RS0099548).
Das Erstgericht hat sich mit allen vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umständen logisch und empirisch einwandfrei auseinandergesetzt (US 9 ff). Der Nichtigkeitswerber setzt dem lediglich eigenständig beweiswürdigende Überlegungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht normierten Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld entgegen (etwa „hätten die sexuellen Übergriffe nämlich tatsächlich stattgefunden, so hätte sie [das Opfer] diesen Brief [an die Großeltern] wohl kaum verfasst“; „lebensnah“) und bringt die Mängelrüge solcherart nicht zur prozessordnungsgemäßen Darstellung. Dass „die psychischen Störungen und Verhaltensabweichungen von Frau Bu***** ... jedenfalls nicht nur auf einen angeblich stattgefundenen Missbrauch zurückgeführt werden [können]“, haben die Tatrichter ausdrücklich angenommen und gewürdigt (US 11).
Die abschließende Behauptung, es lägen „in eventu auch Feststellungsmängel im Sinne der Z 9 lit a“ vor, entzieht sich meritorischer Erwiderung (vgl etwa Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 600 f mwN).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).
Für dessen Entscheidung ist klarzustellen (RIS‑Justiz RS0118870, RS0090885), dass dem Erstgericht zwei Subsumtionsfehler unterlaufen sind:
Z 2 des § 212 Abs 1 StGB ist materiell subsidiär zu Z 1 leg cit (in diesem Sinne die EBRV zum StRÄG 2004 (BGBl I 2004/15) 294 BlgNr XXII. GP, 24; s auch RIS‑Justiz RS0095270, vom Sachverhalt teilweise verschieden 13 Os 67/10t)
Die Verurteilung wegen der Vergehen nach § 218 Abs 1 Z 1 StGB (3) widerstreitet im Gegenstand aufgrund des Schuldspruchs nach § 212 Abs 1 (richtig nur) Z 1 StGB (2) der ausdrücklichen Subsidiaritätsanordnung in § 218 Abs 1 StGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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