OGH 13Os67/10t

OGH13Os67/10t19.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mario P***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 11. Februar 2010, GZ 49 Hv 42/09k-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mario P***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) mit der am 9. Februar 1990 geborenen Isabella W***** den Beischlaf und diesem gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, nämlich

A) vom Sommer 2001 bis zum Jahr 2003 in Mödling, indem er jeweils in wiederholten Angriffen

1) einen Finger in deren Scheide einführte und sie veranlasste, seinen Penis in den Mund zu nehmen, sowie

2) dazu ansetzte, mit seinem Penis in ihre Scheide und ihren Anus einzudringen, und

B) vom Sommer 2003 bis zum 8. Februar 2004 in Röhrenbach, indem er in wiederholten Angriffen mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang,

wobei die Taten einmal eine schwere Körperverletzung, nämlich eine psychische Erkrankung in der Form einer vom Jahr 2001 bis zum Urteilszeitpunkt andauernden posttraumatischen Belastungsstörung zur Folge hatten,

(II) vom Sommer 2001 bis zum Sommer 2003 in Mödling außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an Isabella W***** vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er in wiederholten Angriffen ihre Scheide leckte und sie veranlasste, seinen Penis zu betasten, sowie

(III) vom Frühjahr 2004 bis zum Jahr 2007 in Röhrenbach, St. Gilgen und Grundlsee an Isabella W*****, die seiner Aufsicht unterstand und die ab dem 13. Jänner 2006 seine Stieftochter war, unter Ausnützung seiner Aufsichtsstellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er wiederholt mit seinem Penis in ihre Scheide eindrang und sie veranlasste, diesen mit dem Mund zu berühren.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Subsumtionsrüge (Z 10, nominell verfehlt auch Z 5) leitet den Einwand, das Erstgericht habe den Beschwerdeführer zu Unrecht nach der Qualifikationsnorm des § 206 Abs 3 erster Fall StGB schuldig gesprochen, weil der Eintritt einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) nicht von dessen Vorsatz umfasst gewesen sei, nicht aus dem Gesetz ab und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die angesprochene Bestimmung eine Erfolgsqualifikation darstellt (Schick in WK2 § 206 Rz 15; Hinterhofer SbgK § 206 Rz 38), für deren Verwirklichung gemäß § 7 Abs 2 StGB Fahrlässigkeit genügt. Die dementsprechenden Feststellungen finden sich auf US 8.

Die Herleitung dieser Konstatierungen aus dem äußeren Tatgeschehen (US 15), also dem rund zweieinhalb Jahre hindurch laufend wiederholten schweren sexuellen Missbrauch eines zu Beginn der Tathandlungen 11-jährigen Mädchens (US 7, 8), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) orientiert sich nicht am Prozessrecht: Ableitung erheblicher Bedenken aus den Akten im Sinn dieses Nichtigkeitsgrundes bedeutet, dass die Beschwerde konkrete, in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweismittel bezeichnen und aus diesen - gemessen an der Gesamtheit der beweiswürdigenden Erwägungen der Tatrichter - die aus ihrer Sicht bestehenden Zweifel an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen entwickeln muss (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 487). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde mit der unsubtantiierten Behauptung, die Aussage der Zeugin Isabella W***** sei „über weite Strecken so unpräzise gehalten, dass sie tatsächlich mit der für das Strafverfahren nötigen Sicherheit nicht den Feststellungen zu Grunde zu legen gewesen wäre“, nicht gerecht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB verwirklicht hat (US 9, vgl auch US 4). Da der diesbezügliche Schuldspruch ausschließlich nach Z 1 der genannten Gesetzesstelle (US 5, vgl auch US 18) dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereicht, hat dieser Subsumtionsfehler auf sich zu beruhen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt gemäß § 285i StPO dem Oberlandesgericht zu.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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