OGH 13Os72/14h

OGH13Os72/14h9.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Misa D***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 28. Mai 2014, GZ 51 Hv 34/14f‑99, und die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0130OS00072.14H.1009.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Misa D***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (I), des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB (II) und mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und an anderen Orten

(I) im Oktober 2012 ein Gut, das ihm anvertraut worden war, nämlich einen im Eigentum der V***** mbH stehenden Pkw im Wert von rund 29.000 Euro sich dadurch, dass er ihn auf eigene Rechnung verkaufte, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet,

(II) gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die zahlreiche Unternehmen mit einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag von rund 575.000 Euro am Vermögen schädigten, wobei sein Vorsatz auf die wiederholte Begehung schweren Betrugs gerichtet gewesen und es in vier Fällen beim Versuch (§ 15 StGB) geblieben ist, nämlich

A) vom 21. Mai 2013 bis zum 17. Oktober 2013 in 15 Angriffen durch Vortäuschung seiner Rückstellungswilligkeit Verfügungsberechtigte von Kfz‑Unternehmen zur Überlassung von Fahrzeugen und

B) vom 5. Oktober 2009 bis zum 23. Juli 2012 in neun Angriffen durch die Vorgabe, ein zahlungswilliger und zahlungsfähiger Kunde zu sein, Verfügungsberechtigte unterschiedlicher Unternehmen zur Herstellung von Mobiltelefonanschlüssen und deren Freischaltung, zur Erbringung von Sprachtelefonieleistungen und zur Ausfolgung von Mobiltelefonen, weiters

(III) vom 21. Mai 2013 bis zum 17. Oktober 2013 in 14 Angriffen Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich Kfz‑Kennzeichentafeln, mit dem Vorsatz, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, unterdrückt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die für den Beschwerdeführer den Rechtfertigungsgrund des sogenannten übergesetzlichen Notstands (hiezu Leukauf/Steininger Komm³ § 3 RN 49 ff, Lewisch in WK² StGB Nachbem zu § 3 Rz 16 ff, E. Steininger in SbgK Nachbem § 3 Rz 1 ff), hilfsweise den Schuldausschließungsgrund des entschuldigenden Notstands (§ 10 Abs 1 StGB) reklamiert, entzieht sich einer meritorischen Erledigung:

Grundvoraussetzung für die prozess-ordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit ist die methodisch vertretbare Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Behauptet die Beschwerde Rechtsfehler in der Beurteilung des in Rede stehenden Sachverhalts, muss sie ihre Argumentation aus der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen entwickeln (RIS‑Justiz RS0099810).

Macht sie einen Feststellungsmangel geltend, hat sie ‑ unter Herstellung des entsprechenden Aktenbezugs (vgl RIS‑Justiz RS0124172) ‑ in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die Konstatierungen indizieren, welche geeignet sind, die angestrebte rechtliche Konsequenz zu tragen (13 Os 91/02, SSt 64/46, RIS‑Justiz RS0116735).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) leitet nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb der im Urteil festgestellte Umstand, dass der Angeklagte aufgrund seiner Spielsucht auch bei unseriösen Kreditvermittlern Schulden anhäufte, „so dass er erhebliche finanzielle Probleme hatte und auch von seinen Gläubigern unter Druck gesetzt wurde“ (US 10), rechtlich eine Notstandssituation, mit anderen Worten einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil für ein Individualrechtsgut, bedeuten sollte (vgl SSt 47/75; Kienapfel/Höpfel/Kert AT14 Z 14 Rz 5 und 29 sowie Z 20 Rz 7 und 12).

Gleiches gilt, soweit ohne Rücksicht auf die erforderliche Unmittelbarkeit des Nachteils ein Feststellungsmangel in Bezug auf Begleitumstände des Gläubigerverhaltens eingewendet wird (vgl RIS‑Justiz RS0098944).

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11) verstößt die aggravierende Wertung des die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB (hier) um mehr als das Zehnfache übersteigenden Schadens nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB (Z 11 zweiter Fall), weil nach der genannten Qualifikationsnorm bereits das Überschreiten des Betrags von 50.000 Euro strafsatzbestimmend ist und jede größere Schädigung gemäß § 32 Abs 3 StGB straferhöhend wirkt (RIS‑Justiz RS0099961 [insbesondere T11], Ebner in WK² StGB § 32 Rz 64).

Ebenso wenig wird das Doppelverwertungsverbot durch die Annahme des Erschwerungsgrundes der Tatwiederholung (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) bei gleichzeitiger Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Begehung (hier § 148 StGB) verletzt, weil diese jene nicht voraussetzt (RIS‑Justiz RS0091183 und RS0091375; Ebner in WK² StGB § 33 Rz 5; Fabrizy, StGB11 § 33 Rz 3).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte