European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:E108681
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die beklagte Partei betreibt einen Schlachthof. Die N* GmbH, eine Fleischhändlerin und (ehemalige) Dienstgeberin des Klägers, kaufte im Jahr 2009 von der beklagten Partei Schweinehälften mit einem Gesamtgewicht von ca 15 t. Es wurde vereinbart, dass die Ware bei der beklagten Partei abgeholt und von dieser verladen werde. Für die Beladung wurde kein gesondertes Entgelt vereinbart.
Der Kläger fuhr am 12. 8. 2009 im Auftrag seiner Dienstgeberin mit einem von dieser gehaltenen Sattelkraftfahrzeug zum Schlachthof der beklagten Partei. Es wurde ihm vorher nicht mitgeteilt, was und wie viel dort geladen werden sollte. Für ihn war deshalb nicht erkennbar, dass das Fahrzeug wegen der geringen Menge der Ladung und fehlender Lochstangen, die nur wegen der geringen Lademenge notwendig gewesen wären, für den konkreten Transport ungeeignet war.
Der Laderaum des Fahrzeugs war mit fünf parallelen, in Längsrichtung verlaufenden Bahnen eines Hängesystems ausgestattet. Um bei einer Teilbeladung ein Schwingen der Schweinehälften in Längs- oder Querrichtung zu vermeiden, hätten diese in drei Gruppen ‑ zwei Gruppen vorne und eine Gruppe hinten ‑ „formschlüssig“ geladen werden müssen, wobei in jeder Gruppe alle fünf Bahnen zu behängen und die Gruppen mittels quer verlaufender Sperrstangen abzuteilen gewesen wären. Das Fahrzeug verfügte aber nicht über die für die Anbringung von Querstangen erforderlichen Lochleisten, die im Inneren des Laderaums entlang der Längsseiten befestigt hätten werden müssen.
Tatsächlich luden die Leute der beklagten Partei die Schweinhälften derart, dass sie die erste, die dritte und die fünfte Bahn behingen. Die zweite und die vierte Bahn blieben leer, sodass die Schweinehälften in Querrichtung schwingen konnten. Dahinter wurde noch eine beladene Palette aufgeladen und mit Stangen gesichert.
Bei der Rückfahrt musste der Kläger auf der Schnellstraße S 5 im Bereich einer Baustelle mit einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h eine S-Kurve durchfahren. Da ihm die von der „schwingenden Beladung“ ausgehende Gefahr bewusst war, bremste er, allerdings zu spät, nämlich erst beim Einfahren in die zweite Kurve. „Wegen der Kurve“ gerieten die Schweinehälften ins Schwingen. Dies führte dazu, dass das Sattelkraftfahrzeug zu schwanken begann und seitlich umkippte. Der Unfall wäre auch unterblieben, wenn die Schweinehälften nicht oder nur weniger schwingen hätten können.
Der Kläger erlitt bei dem Unfall einen Beckenringbruch und zwar einen Bruch des oberen und unteren rechten Schambeinasts sowie des seitlichen Kreuzbeinkörpers links; ferner eine Zerrungs- oder Prellungsverletzung der Lendenwirbelsäule. Er hatte bis zur Untersuchung durch den Sachverständigen am 7. 3. 2013 komprimiert 2 Tage starke, 5 Tage mittelstarke und 78 Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Die Fraktur des rechten Schambeinasts ist noch nicht ausgeheilt. Es besteht eine sogenannte Pseudoarthrose, die den Kläger bei Bewegungen beeinträchtigt und ihm zusätzlich ca eine Stunde täglich leichte Schmerzen verursacht. Als weitere unfallskausale Dauerfolge verbleibt ein Muskelschwund am rechten Bein.
In einem rechtskräftig beendeten Vorprozess erwirkte der Kaskoversicherer der Dienstgeberin des Klägers gegenüber der (auch dort) beklagten Partei anteiligen Schadenersatz, wobei von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 2:1 zu Gunsten der beklagten Partei ausgegangen wurde.
Mit der am 27. 7. 2012 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger den Ersatz seines zuletzt mit 61.763,80 EUR (Schmerzengeld 60.000 EUR; Fahrtkosten 1.763,80 EUR) sA bezifferten Schadens sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche künftigen Schäden aus dem Unfall vom 12. 8. 2009.
Er brachte vor, er habe aufgrund der nicht ordnungsgemäß erfolgten Beladung trotz Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit die Kontrolle über das Sattelkraftfahrzeug verloren. Auf die Art und Weise der Beladung habe er keine Einflussmöglichkeit gehabt, die Mitarbeiter der beklagten Partei hätten gemäß § 101 Abs 1a KFG die Verantwortung für die Beladung übernommen. Die beklagte Partei hafte nicht nur deliktisch, sondern auch aus dem Vertragsverhältnis mit der Dienstgeberin des Klägers, das Schutzwirkungen zugunsten des Klägers entfaltet habe. Die beklagte Partei habe auch ihre Warnpflicht verletzt. Sie hafte „zumindest solidarisch“ mit der Dienstgeberin des Klägers.
Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, es sei von vornherein klar gewesen, dass bei einer Bestellmenge von 15 t nur eine Teilbeladung des Sattelkraftfahrzeugs erfolgen werde. Auch dem Kläger sei dieser Umstand bewusst gewesen. Es wäre ihm jederzeit möglich gewesen, Einfluss auf die Beladung und deren Sicherung zu nehmen, was er auch teilweise (hinsichtlich der Palette) getan habe. Er habe jedenfalls die uneingeschränkte Möglichkeit der Kontrolle der Ladung und die Verantwortung für allfällige Sicherungsmaßnahmen gehabt. Bei den Mitarbeitern der beklagten Partei handle es sich um routinierte Leute, die ‑ mangels irgendwelcher Anweisungen des Klägers ‑ die Beladung so vorgenommen hätten, wie sie dies seit Jahren erfolgreich täten. Sie hätten die Beladung ordnungsgemäß durchgeführt. Ein Anordnungsbefugter iSd § 101 Abs 1a KFG sei nicht vorhanden gewesen, weshalb der Kläger gemäß § 102 Abs 1 KFG für die Ladungssicherung verantwortlich gewesen sei. Eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter komme deshalb nicht in Betracht. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er ein zu großes und daher für den Transport nicht geeignetes Fahrzeug verwende, die beklagte Partei habe keine diesbezügliche Warnpflicht verletzt. Sie sei gegenüber dem Kläger Aufseher im Betrieb gewesen und auch deshalb haftungsfrei. Der Unfall sei auf die Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit, eine Reaktionsverspätung und einen Fahrfehler zurückzuführen, weshalb den Kläger das Alleinverschulden treffe.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren im Umfang von 20.881,90 EUR sA sowie dem Feststellungsbegehren zur Hälfte statt. Das auf 40.881,90 EUR sA lautende Leistungsmehrbegehren wurde ebenso wie das Feststellungsmehrbegehren abgewiesen.
Das Erstgericht ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und traf noch folgende Feststellungen:
Der Kläger hielt sich während der Beladung im Verladebüro der beklagten Partei auf, von dem man in den Lkw nicht hineinsehen konnte. Er äußerte keine Wünsche hinsichtlich der Art der Beladung, weil ihm bei einer früheren Gelegenheit von Leuten der beklagten Partei gesagt worden war, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Dem Fahrer war bekannt, dass es unerwünscht und deshalb auch nicht üblich ist, dass Fahrer sich bei der Beladung einmischen. Nach der Beladung, beim Schließen des Wagens, konnte der Beklagte (richtig: Kläger) Schweinehälften in den letzten Reihen sehen, nicht aber die Art der Beladung vor diesen. Er konnte von hinten nicht erkennen, welche Bahnen bis vorne hin beladen waren.
In rechtlicher Hinsicht erörterte das Erstgericht, die Schadenersatzpflicht sei nach dem Grundsatz der Einzelabwägung zu bestimmen, wenn von mehreren Schädigern nur einer belangt werde. Die beklagte Partei habe als Belader iSd § 101 Abs 1a KFG dafür zu sorgen gehabt, dass insbesondere die Bestimmung des § 101 Abs 1 lit e KFG über die Ladungssicherung eingehalten werde. § 61 Abs 1 StVO ändere daran nichts. Neben dem Lenker sei nämlich auch ein allenfalls vorhandener Anordnungsbefugter iSd § 101 Abs 1a KFG für die ordnungsgemäße Beladung verantwortlich. Die beklagte Partei sei daher sowohl zu einer ordnungsgemäßen Beladung des Fahrzeugs als auch zu der Warnung verpflichtet gewesen, dass das Fahrzeug für den in Aussicht genommenen Transport nicht geeignet sei. Der Kläger sei aber gemäß § 61 Abs 1 StVO ebenfalls verpflichtet, die Ladung im Fahrzeug so zu verwahren, dass sein sicherer Betrieb nicht beeinträchtigt sei. Außerdem sei ihm ein Fahrfehler anzulasten, der aber im Hinblick auf die ohnehin niedrige Fahrgeschwindigkeit nicht gravierend ins Gewicht falle. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass er zwar rechtlich, aber kaum faktisch die Möglichkeit gehabt habe, auf die Auswahl des Fahrzeugs und die Art der Beladung Einfluss zu nehmen. Unter den gegebenen Umständen sei eine gleichteilige Verschuldensteilung angebracht. Aufgrund der Verletzungen erscheine ein Schmerzengeld von 40.000 EUR angemessen. Die Fahrtkosten seien in der begehrten Höhe anteilig zuzusprechen.
Diese Entscheidung erwuchs in ihrem das Leistungsbegehren im Umfang von 27.254,60 EUR sA und das Feststellungsbegehren im Umfang eines Drittels abweisenden Teil in Rechtskraft.
Das im Übrigen von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht verneinte die gerügten Verfahrensmängel, hielt aber die Beweisrüge der beklagten Partei insoweit für berechtigt, als es die oben kursiv wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts wegen Begründungsmängeln nicht übernahm. Rechtlich erörterte es, die beklagte Partei habe das Sattelkraftfahrzeug beladen und sei daher selbst dann als Anordnungsbefugte iSd § 101 Abs 1a KFG anzusehen, wenn der Kläger den Beladungsvorgang punktuell beeinflusst haben sollte. Sie habe die in § 101 Abs 1 lit e und Abs 1a KFG verankerte Sorgfaltspflicht verletzt, indem sie trotz mangelnder Eignung des Fahrzeugs dessen Teilbeladung vorgenommen habe. Da der zwischen der Dienstgeberin des Klägers und der beklagten Partei abgeschlossene Vertrag Schutzwirkungen zugunsten des Klägers entfaltet habe, habe die beklagte Partei für das Verhalten ihrer Arbeiter im Verhältnis zum Kläger grundsätzlich nach § 1313a ABGB einzustehen. Auf § 333 Abs 4 ASVG könne sich die beklagte Partei nicht mit Erfolg berufen, weil der Kläger nicht in den Betrieb der beklagten Partei eingegliedert gewesen sei. Zu beachten sei jedoch, dass auch der Kläger Normadressat des § 101 Abs 1 lit e KFG sei und als Fahrzeuglenker gemäß § 102 Abs 1 KFG und § 61 Abs 1 StVO für die vorschriftsmäßige Verwahrung der Ladung zu sorgen gehabt habe. Er hätte daher die Fahrt mit dem für den Transport ungeeigneten Fahrzeug nicht antreten dürfen und wäre in der Lage gewesen, sich auf diese Weise vor den aus der gefährlichen Teilbeladung drohenden Schäden selbst zu schützen. Daraus folge aber, dass die in casu verfolgten Schadenersatzansprüche des Klägers vom Schutzzweck des § 101 Abs 1a KFG nicht umfasst seien. Die angesprochenen Begründungsmängel führten daher ebenso wenig zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie die fehlenden Feststellungen zum genauen Ausmaß der dem Kläger anzulastenden relativen Geschwindigkeitsüberschreitung und seiner Reaktionsverspätung. Das Klagebegehren sei schon allein deshalb abzuweisen, weil der beklagten Partei im Verhältnis zum Kläger keine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der bedeutsamen Rechtsfrage existiere, ob der Schutzzweck des § 101 Abs 1a KFG auch Schäden des Fahrzeuglenkers umfasse, die daraus resultierten, dass sowohl er selbst als auch der für die Beladung Anordnungsbefugte gegen § 101 Abs 1 lit e KFG verstoßen habe.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Leistungsbegehrens mit 34.509,20 EUR sA und des Feststellungsbegehrens zu zwei Drittel abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung (sinngemäß), das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bereits bestehende höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 101 Abs 1 lit e KFG unberücksichtigt ließ. Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe mit aktenwidriger Begründung das Vorliegen eines von ihm gerügten Verfahrensmangels erster Instanz verneint. In seiner Rechtsrüge bemängelt er, dass das Berufungsgericht von ‑ allerdings nicht zitierter ‑ gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Um einen Verstoß des Lenkers gegen die §§ 101 f KFG anzunehmen, hätte geklärt werden müssen, ob ihm eine Einflussnahme auf die Beladung des Fahrzeugs oder eine Überprüfung derselben überhaupt möglich gewesen sei. Gerade diese Umstände habe das Berufungsgericht jedoch für nicht relevant gehalten. Schon nach dem Wortlaut des § 101 Abs 1 lit e KFG sei auch die körperliche Integrität des Lenkers vom Schutzzweck dieser Bestimmung umfasst. Jedenfalls aber hafte die beklagte Partei dem Kläger aus Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter und wegen des Ingerenzprinzips. Eine Mitverantwortlichkeit des Klägers dürfe nur zur Berücksichtigung eines Mitverschuldens, nicht aber zur gänzlichen Klagsabweisung führen.
Hiezu wurde erwogen:
Rechtliche Beurteilung
1. Verfahrensmangel/Aktenwidrigkeit:
1.1 Wurde ein angeblicher Verfahrensmangel erster Instanz ‑ wie hier die behauptete Verletzung der Erörterungspflicht nach den §§ 182, 182a ZPO ‑ in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint, kann der Mangel nach ständiger Rechtsprechung in der Revision nicht mehr gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963, RS0106371). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird nur dann gemacht, wenn sich das Berufungsgericht mit der in der Berufung erhobenen Verfahrensrüge gar nicht auseinandergesetzt oder diese auf aktenwidriger Grundlage verworfen hat (1 Ob 66/12f; RIS‑Justiz RS0043086 [T7]).
Nun ist zwar richtig, dass die im Zuge der Erledigung der Verfahrensrüge getroffene Aussage des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht aufgezeigt, welches ergänzende Vorbringen er im Fall der vermissten Erörterung erstattet hätte, der Aktenlage widerspricht (AS 217). Dies erweist sich aber aus den folgenden Gründen als nicht entscheidungwesentlich:
1.2 Die Unterlassung der Erörterung eines bisher unbeachtet gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkts kann nach ständiger Rechtsprechung nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Der Rechtsmittelwerber hat in einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte (10 ObS 53/13m; RIS-Justiz RS0120056 [T12, T13]).
Mit Ausnahme der Behauptung, dass er seine Dienstgeberin „nicht geklagt“ habe, ist das übergangene Vorbringen des Klägers aber ausschließlich rechtlicher Natur. Die an seine Tatsachenbehauptung geknüpfte These, die Verschuldensteilung wäre nach den Grundsätzen der Gesamtabwägung (statt Einzelabwägung) vorzunehmen gewesen, weil der „Zweitnebentäter“ (seine Dienstgeberin) wegen Verjährung nicht mehr in Anspruch genommen werden könne und ihm im gegenständlichen Verfahren der Streit verkündet worden sei, entbehrt jeglicher Grundlage. Belangt der Geschädigte ‑ aus welchen Gründen auch immer ‑ nur einen von mehreren Schädigern, so kommt eine Gesamtabwägung nicht in Betracht. Über die Beteiligung des anderen Schädigers kann daher nicht mitbefunden werden (2 Ob 96/12z mwN; RIS-Justiz RS0017470 [T1, T6]), zumal das Ergebnis des Vorprozesses, der den Sachschaden am Sattelkraftfahrzeug zum Gegenstand hatte und an dem der Kläger nicht beteiligt war, keine bindende Wirkung für diesen Rechtsstreit entfaltet.
1.3 Das Berufungsvorbringen des Klägers war somit von vornherein nicht geeignet, die Relevanz des geltend gemachten Erörterungsmangels aufzuzeigen. Schon aus diesem Grund kann auch der dem Berufungsgericht unterlaufenen Aktenwidrigkeit bei der Verneinung des Verfahrensmangels keine Entscheidungserheblichkeit zugebilligt werden.
2. Haftung der beklagten Partei:
2.1 Gemäß § 102 Abs 1 erster Halbsatz KFG darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. Vorschriften über die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern finden sich insbesondere in § 101 KFG und § 59 KDV.
§ 103 Abs 1 Z 1 KFG verpflichtet den Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung ‑ unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen ‑ den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.
Schließlich bestimmt § 101 Abs 1a KFG, dass, sofern ein von der Person des Lenkers oder des Zulassungsbesitzers verschiedener für die Beladung eines Kraftfahrzeuges oder Anhängers Anordnungsbefugter vorhanden ist, dieser unbeschadet der § 102 Abs 1 und § 103 Abs 1 KFG dafür zu sorgen hat, dass § 101 Abs 1 lit a bis c und e KFG eingehalten wird.
2.2 Mit der durch die 4. KFG-Novelle, BGBl 1977/615, geschaffenen Bestimmung des § 101 Abs 1a KFG wurde eine zusätzliche Verantwortlichkeit des Anordnungsbefugten eingeführt, sodass dessen Verpflichtung und jene des Lenkers sowie des Zulassungsbesitzers nebeneinander bestehen (so auch VwGH 12. 2. 1986, 85/03/0046; VwGH 20. 5. 1998, 97/03/0258; ua). In den Gesetzesmaterialien (AB 4; vgl Grundtner/Pürstl,KFG9 § 101 Anm 5; Grubmann, KFG³ § 101 Anm 9) wird darauf verwiesen, dass in vielen Fällen weder dem Zulassungsbesitzer noch dem Lenker eines Fahrzeuges die Überwachung des Beladungsvorgangs zumutbar oder möglich sei. Tatsächlich werde demjenigen, der belädt oder beladen hat, sowie dem hiefür mitverantwortlichen Auftraggeber, Dulder oder Helfer die eigentliche Anordnungsbefugnis für die Menge des aufzuladenden Gutes zukommen. Daher solle dem hiefür Anordnungsbefugten auch die Einhaltung der Vorschriften über die Beladung, insbesondere über das höchste zulässige Gesamtgewicht, obliegen.
Ausgehend von diesen Erläuterungen wurde in der verwaltungsstrafrechtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs der Rechtssatz gebildet, dass unter einem Anordnungsbefugten iSd § 101 Abs 1a KFG eine Person zu verstehen sei, die damit befasst ist, die Beladung vorzunehmen und den Ablauf des Beladungsvorgangs zu gestalten und solcherart insbesondere die Menge des Ladeguts zu bestimmen. An diese unmittelbare Einflussnahme knüpfe das Gesetz die zusätzliche Verantwortlichkeit für eine dem § 101 Abs 1 KFG entsprechende Ladung (zuletzt VwGH 28. 3. 2014, 2012/02/0181). Der erkennende Senat tritt dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bei.
Im vorliegenden Fall wurde die beklagte Partei (eine GmbH) von den Vorinstanzen ‑ wie auch im Vorprozess ‑ als Anordnungsbefugte iSd § 101 Abs 1a KFG qualifiziert. Dies setzt voraus, dass sie durch ihren Geschäftsführer oder sonstige Repräsentanten zumindest durch Erteilung allgemeiner Instruktionen an ihre Leute auf die Art und Weise der Beladung Einfluss nahm. Die beklagte Partei ließ diese Rechtsansicht schon in der Berufung unbekämpft. Auch in ihrer Revisionsbeantwortung wendet sie sich nicht gegen die ‑ in dritter Instanz demnach unstrittige ‑ rechtliche Qualifikation, dass sie Anordnungsbefugte gewesen sei.
2.3 Die mit der 22. KFG-Novelle, BGBl I 2003/60, in § 101 Abs 1 KFG neu eingefügte lit e, in welcher nunmehr die Verwahrung und Sicherung der Ladung auf Kraftfahrzeugen geregelt ist, gilt als lex specialis zu § 61 StVO (2 Ob 99/06g; 2 Ob 19/12a mwN). Zufolge Satz 1 dieser Bestimmung ist die Ladung auf dem Fahrzeug so zu verwahren oder durch geeignete Mittel zu sichern, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhält und der sichere Betrieb des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Es folgen nähere Regelungen; genaue technische Angaben, wie eine ordnungsgemäße Ladungssicherung zu erfolgen hat, enthält aber auch diese Bestimmung nicht (2 Ob 19/12a mwN).
Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 23 BlgNR XXII. GP ) geben zwar keine Auskunft darüber, was unter einem „normalen Fahrbetrieb“ iSd § 101 Abs 1 lit e KFG zu verstehen ist. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, dass das Durchfahren von Kurven (auch von „S-Kurven“) dazu zu zählen ist. Das bedeutet, dass die Beladung jedenfalls den bei einer Kurvenfahrt üblicherweise auftretenden Fliehkräften standhalten muss.
2.4 Die Bestimmungen über die verkehrssichere Verwahrung der Ladung sind Schutznormen iSd § 1311 ABGB, deren (primärer) Schutzzweck auf die Vermeidung einer Schädigung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gerichtet ist (2 Ob 99/06g; 2 Ob 19/12a; vgl RIS‑Justiz RS0027579, RS0027767; auch RS0027402 [§§ 102 f KFG]).
Allerdings hat der erkennende Senat in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung 2 Ob 19/12a auch schon klargestellt, dass der Gefährdungsschutz des § 101 Abs 1 lit e KFG umfassend zu verstehen ist, soll doch die Ladung so gesichert sein, dass „niemand“ gefährdet wird. Im damaligen Anlassfall wurden daher auch die eigenen absoluten Rechtsgüter der geschädigten Zulassungsbesitzerin als von diesem Schutz umfasst angesehen. Die Verletzung der Schutznorm durch ihren Lenker wurde ihr wegen des bestehenden „Mitverschuldenszusammenhangs“ als Mitverschulden angerechnet.
Nichts anderes kann gelten, wenn der Kraftfahrzeuglenker infolge einer Verletzung des § 101 Abs 1 lit e KFG durch einen Anordnungsbefugten iSd § 101 Abs 1a KFG selbst zu Schaden kommt. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts sind in diesem Fall auch die absoluten Rechtsgüter des Lenkers geschützt. Einem den Lenker ebenfalls treffenden Verstoß gegen die erörterte Schutznorm wäre im Sinne der Revisionsausführungen (nur) im Rahmen der Verschuldensabwägung Rechnung zu tragen. Aus der vom Berufungsgericht zur Stütze seiner gegenteiligen Rechtsansicht zitierten Entscheidung 1 Ob 251/05a, laut der die Vermögensinteressen von Bankunternehmern aus dem Schutzzweck der Normen über die Bankenaufsicht auszuklammern seien, ist für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen.
2.5 Nach den Feststellungen wurde die Beladung des Sattelkraftfahrzeugs durch die Leute der beklagten Partei den Erfordernissen des § 101 Abs 1 lit e KFG nicht gerecht. Erwies sich das vom Kläger gelenkte Sattelkraftfahrzeug für eine dessen sicheren Betrieb nicht beeinträchtigende Beladung als ungeeignet, so hätte die Beladung unterbleiben müssen. Statt dessen wurde das Fahrzeug trotz mangelnder Eignung mit den Schweinehälften auf eine Art und Weise beladen, die ein gefährliches Schwingen in Querrichtung ermöglichte.
Damit hat der Kläger den ihm obliegenden Beweis, dass die Schutznorm des § 101 Abs 1 lit e iVm § 101 Abs 1a KFG objektiv übertreten wurde, erbracht. Unter diesen Umständen hatte die beklagte Partei zu beweisen, dass ihr die objektive Übertretung der Schutznorm nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, etwa weil sie an der Übertretung kein Verschulden traf (vgl 2 Ob 99/06g; 2 Ob 19/12a; RIS-Justiz RS0112234).
Diesen Beweis hat die beklagte Partei nicht erbracht. Sie berief sich zwar auf die Routine ihrer Mitarbeiter, die ‑ in Ermangelung von Anweisungen des Klägers ‑ die Beladung so vorgenommen hätten, wie sie dies seit Jahren erfolgreich täten. Dass sie aber (durch ihren Geschäftsführer oder sonstige Repräsentanten) ihre Leute selbst darüber instruiert hätte, wie sie bei Abholung bestellter Ware mittels eines nicht geeigneten Fahrzeugs vorzugehen hätten, hat sie weder behauptet, noch liegen dazu Feststellungen vor. Die verbleibende Unklarheit geht zu Lasten der anordnungsbefugten beklagten Partei. Auf ein allfälliges Verschulden ihrer Mitarbeiter, für das die beklagte Partei deliktisch nur unter den Voraussetzungen des § 1315 ABGB einzustehen hätte, kommt es daher nicht an.
2.6 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die beklagte Partei wegen Verletzung der Schutznorm des § 101 Abs 1 lit e iVm § 101 Abs 1a KFG jedenfalls die deliktische Haftung für den Schaden des Klägers trifft. Dass ihr das Dienstgeberhaftungsprivileg (§ 333 ASVG) nicht zugute kommt, hat bereits das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Der Frage, ob der Kläger auch eine vertragliche Haftung der beklagten Partei in Anspruch nehmen könnte, obwohl er schon in erster Instanz einen, wenngleich nun angeblich verjährten, direkten vertraglichen Schadenersatzanspruch (aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) auch gegenüber seiner Dienstgeberin behauptete (und es ihm deshalb am schutzwürdigen Interesse fehlen könnte; vgl 2 Ob 4/13x; RIS-Justiz RS0022814, RS0037785 [T26]; Karner in KBB4 § 1295 Rz 19), muss unter diesen Umständen nicht nachgegangen werden.
3. Zum Mitverschulden des Klägers:
3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist für die vorschriftsmäßige Verwahrung der Ladung immer der Lenker eines Fahrzeugs verantwortlich, und zwar selbst dann, wenn er das Fahrzeug nicht selbst beladen hat (2 Ob 99/06g; RIS-Justiz RS0065743). Es trifft ihn auch die Verpflichtung, für eine die Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht beeinträchtigende Verteilung der Ladung zu sorgen; muss doch jeder Kraftfahrer wissen, dass eine ungleichmäßige (hier: nicht formschlüssige) Verteilung schwerer Lasten ua die Lenkfähigkeit des Fahrzeuges beeinträchtigen, die Schleudergefahr erhöhen und sogar zum Umstürzen des Fahrzeugs führen kann (vgl 4 Ob 318/00v; 2 Ob 99/06g mwN). Allerdings muss gemäß § 102 Abs 1 KFG die Überprüfung der Ladung für den Lenker auch zumutbar sein, was im Einzelfall zu verneinen sein kann (vgl nur die oben zitierten Gesetzesmaterialien zu § 101 Abs 1a KFG sowie Grundtner/Pürstl aaO § 102 Anm 9).
3.2 Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger von seiner Dienstgeberin über das abzuholende Ladegut und die Lademenge nicht informiert worden war und er deshalb auch zunächst nicht wusste, dass das Sattelkraftfahrzeug seiner Ausstattung nach für den Transport nicht geeignet war. Über das Ladegut erlangte er spätestens im Schlachthof der beklagten Partei Kenntnis. Ob dies auch auf die Lademenge zutrifft, geht hingegen aus den Feststellungen nicht eindeutig hervor; immerhin war ihm aber die von der „schwingenden Beladung“ ausgehende Gefahr bewusst. Dies deutet darauf hin, dass er von der nur teilweisen Beladung Kenntnis hatte. Jene Feststellungen des Erstgerichts, die sich auf das Verhalten des Klägers während und nach der Beladung bezogen, wurden aber vom Berufungsgericht wegen vorliegender Begründungsmängel nicht übernommen. Es fehlt somit an wesentlichem Tatsachensubstrat, das für die Beurteilung und Gewichtung eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers von Bedeutung sein kann.
3.3 Letzteres gilt auch für den (die) dem Kläger anzulastenden Fahrfehler, die letztlich das Umstürzen des Sattelkraftfahrzeugs zur Folge hatten. Um das Ausmaß einer allfälligen Überschreitung der (relativ) zulässigen Höchstgeschwindigkeit ermitteln zu können, bedarf es entsprechender Feststellungen. Dies gilt auch für das Ausmaß der Reaktionsverzögerung. Erst nach Kenntnis all dieser Umstände wird beurteilt werden können, ob das Mitverschulden des Klägers das von ihm nunmehr zugestandene Drittel übersteigt.
4. Ergebnis:
Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im angefochtenen Umfang aufzuheben. Das Erstgericht wird das Verfahren im Sinne obiger Ausführungen zu ergänzen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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