OGH 7Ob145/14w

OGH7Ob145/14w10.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R***** K*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek, Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen die beklagten Parteien 1. G***** B*****, und 2. G***** P*****, beide vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St. Johann in Tirol, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. Juni 2014, GZ 3 R 194/13w‑37, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel wurden geprüft. Sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die Ausführungen der Beklagten, der Kaufvertrag von 1976 sei nicht ungültig, sondern weiterhin in Schwebe, gehen ins Leere. Richtig ist lediglich, dass bei der Beurteilung, ob ein (hier grundverkehrsbehördlich) genehmigungspflichtiger Vertrag in Schwebe oder von Anfang an nichtig ist, auch die Absicht der Parteien zu berücksichtigen ist, bei einer allfälligen Änderung der rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse die Genehmigung des Vertrags zu beantragen. In einem solchen Fall befindet sich der Vertrag ungeachtet dessen in einem Schwebezustand, dass die Parteien wegen der bestehenden rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse keine Genehmigung beantragen (RIS‑Justiz RS0112706). Eine schwebende Wirksamkeit ist nur bis zur Entscheidung der Grundverkehrsbehörde anzunehmen (1 Ob 136/07t). Dem Kaufvertrag von 1976 wurde die Genehmigung aber ausdrücklich versagt, er ist damit endgültig nicht wirksam geworden.

3. So bot die Rechtsvorgängerin des Klägers am 12. 4. 1977 dem Rechtsvorgänger der Beklagten auch den Abschluss eines neuen Kaufvertrags, im Wesentlichen zu den Bedingungen des nicht genehmigten, an, sobald sich die maßgeblichen Bestimmungen des Ausländergrundverkehrs änderten. Sie hielt fest, dass sie auf ihre Lebenszeit im Wort bleibe. Eine ausdrückliche Annahme durch den Rechtsvorgänger der Beklagten steht nicht fest. Dem Kläger wurde die Liegenschaft 1989 nach dem Tod des Rechtsvorgängers der Beklagten geschenkt.

Die Frage, ob das Anbot höchstpersönlich war oder aber, ob der Kläger daran gebunden war und auch die Beklagten ‑ nach dem Tod ihres Rechtsvorgängers ‑ zur Annahme des Anbots berechtigt waren, ist nicht zu klären:

4.1. Eine ausdrückliche Annahme des Anbots noch zu Lebzeiten der Rechtsvorgängerin des Klägers durch die Beklagten steht gleichfalls nicht fest.

4.2. Bereits zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile wurde als Ersatzlösung am 13. 4. 1977 (für den grundverkehrsbehördlich nicht genehmigten Erwerb der Liegenschaft) eine als Pachtvertrag bezeichnete befristete Vereinbarung über den entgeltlichen Gebrauch des „Pachtgegenstands“, der die Liegenschaft, das darauf befindliche Elektrizitätswerk samt Wassernutzungsrechten und den Stromlieferungsvertrag mit der S***** umfasste, abgeschlossen. Am 2. 12. 1997 wurde ein weiterer befristeter als Pachtvertrag übertitelter Vertrag, nunmehr zwischen den Streitteilen geschlossen. Auch hier wurde der zum entgeltlichen Gebrauch überlassene Gegenstand mit der Liegenschaft, dem darauf befindlichen Elektrizitätswerk, den Wasserrechten und dem Stromlieferungsvertrag mit der S***** umschrieben. Hier steht fest, dass eine Eigentumsübertragung weder angestrebt noch gewollt war.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der die entgeltliche Nutzung des näher bezeichneten Gegenstands regelnde Vertrag keine „konkludente“ Annahme des Kaufanbots darstellt, ist nicht zu beanstanden.

4.3. Zutreffend verneinte das Berufungsgericht auch die Ersitzung der in Bestand gegebenen Liegenschaft durch die Beklagten.

4.4. Die Beklagten können damit keinen Titel dartun, aus dem ein Anspruch auf Einverleibung ihres grundbücherlichen Eigentums an der Liegenschaft abgeleitet werden könnte.

5. Der Anscheinsbeweis (prima facie‑Beweis) beruht auf der Auswertung allgemeiner Erfahrungsgrundsätze, die sich aus der Beobachtung stereotyper Geschehnisabläufe gleichsam zur natürlichen Gesetzmäßigkeit verdichtet haben, für jedermann nachvollziehbar sind und bis zum Hervorkommen einer möglichen Ausnahmesituation die Vermutung des Vorliegens einer Tatsache beim Nachweis einer damit regelmäßig im Zusammenhang stehenden anderen begründen (RIS‑Justiz RS0040266). Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten von der von ihnen ins Treffen geführten Beweiserleichterung durch eine Anscheinsbeweisführung für die „Schlechtgläubigkeit“ des Klägers bei Abschluss des Schenkungsvertrags ausgehen wollte, ist nach der dem Obersten Gerichtshof bindenden Feststellung, dass dem Kläger das Anbot vom 12. 4. 1977 nicht bekannt war, nichts gewonnen.

6. Zu einer Liegenschaft gehören nach § 297 ABGB grundsätzlich auch die darauf errichteten Gebäude (superficies solo cedit). Davon sieht das Gesetz Ausnahmen für Superädifikate (§ 435 ABGB) und für Räume und Bauwerke unter der Erdoberfläche (§ 300 ABGB) vor.

Maßgeblich für die Qualifikation eines Bauwerks als Superädifikat ist das Fehlen der Belassungsabsicht durch den Erbauer im Zeitpunkt der Errichtung (RIS‑Justiz RS0011252). Das Fehlen der Belassungsabsicht kann sich aus der Beschaffenheit des Gebäudes, aus seinem Zweck oder aus anderen, die Rechtsverhältnisse zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer betreffenden Umstände ergeben (RIS‑Justiz RS0011252). Für das Vorliegen des Superädifikatscharakters ist derjenige beweispflichtig, der diesen für sich in Anspruch nimmt (RIS‑Justiz RS0011246).

Derjenige, der ein Bauwerk im Sinn des § 435 ABGB errichtet, erwirbt dadurch originär Eigentum, ohne dass dafür die Hinterlegung einer Urkunde erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0011245). Für die Übertragung des Eigentums am Superädifikat ist demgegenüber grundsätzlich die Urkundenhinterlegung erforderlich (RIS‑Justiz RS0010982; RS0011244). Die Ersichtlichmachung nach § 10 Abs 1a UHG (vormals § 19 Abs 1 UHG) setzt zwar die Urkundenhinterlegung als sachenrechtlichen Modus für den Rechtserwerb an einem Bauwerk voraus, sie wirkt aber in keiner Weise rechtsbegründend und ist für die rechtliche Beurteilung des Bauwerks belanglos (RIS‑Justiz RS0077228 [T2]). Der abgeleitete Eigentumserwerb an einem Bauwerk gemäß § 435 ABGB durch Urkundenhinterlegung als spezifischer sachenrechtlicher Modus setzt damit die Berechtigung des Vormannes voraus (5 Ob 55/13v).

Die Beklagten haben aber keine Tatsachenbehauptungen aufgestellt, die für das Vorliegen des Superädifikatscharakters des von ihrem Vorgänger umgebauten, erweiterten und teilweise neu errichteten Elektrizitätswerks sprechen.

7. Bei der Abgrenzung von Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht, wozu umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs besteht (RIS‑Justiz RS0020513, RS0031183, RS0020338), kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (RIS‑Justiz RS0031183). Unternehmenspacht liegt im Allgemeinen vor, wenn ein bestehendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist. Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens und dessen wirtschaftlichen Fortbestand gehört: Betriebsmittel (Einrichtung und Warenlager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung. Dies bedeutet aber nicht, dass im Einzelfall alle diese Merkmale gleichzeitig gegeben sein müssen. Das Fehlen einzelner Betriebsgrundlagen lässt nicht darauf schließen, dass Miete und nicht Pacht vorliegt, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt wurden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (RIS‑Justiz RS0020398). Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zwischen Miete und Pacht ist die Betriebspflicht. Wurde eine solche vereinbart, dann liegt ein Pachtvertrag vor (RIS‑Justiz RS0020451). Dass zwischen den Streitteilen nicht ausdrücklich die Rückstellung eines lebenden Unternehmens bedungen war, spricht nicht gegen die Annahme eines Pachtvertrags (vgl RIS‑Justiz RS0108391).

6.1. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wurde auf der Liegenschaft von der Rechtsvorgängerin des Klägers ein einfaches Elektrizitätswerk betrieben. Gegenstand der als Pachtvertrag bezeichneten Vereinbarung vom 13. 4. 1977 war die Liegenschaft samt dem darauf befindlichen Elektrizitätswerk, den dazugehörigen Wasserrechten und dem Stromlieferungsvertrag mit der S*****. Die Betriebspflicht wurde vereinbart. Ebensolche Vereinbarungen wurden in dem zwischen den Streitteilen am 2. 12. 1997 (Bestanddauer 1. 1. 1991 bis 31. 12. 2010) geschlossenen, gleichfalls als Pachtvertrag bezeichneten Vertrag getroffen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten wurde ihrem Rechtsvorgänger im Jahr 1977 damit auch keine bloße Grundfläche zur Errichtung eines Superädifikats zum Gebrauch überlassen. Gegenstand des Vertrags war die Inbestandnahme der Liegenschaft samt dem darauf befindlichen ‑ und damals auch betriebenen ‑ Elektrizitätswerk, wobei der Bestandnehmer lediglich berechtigt wurde, ‑ ohne Absprache im Einzelnen ‑ Investitionen auf eigene Kosten vorzunehmen, was der Rechtsvorgänger der Beklagten auch tat, indem er das Elektrizitätswerk umbaute, erweiterte und teilweise erneuerte.

Darin, dass das Berufungsgericht in Würdigung all dieser Umstände unter Heranziehung der bestehenden Judikatur zum Ergebnis gelangte, dass hier Pacht vorliegt, die durch Ablauf der vereinbarten Dauer endete, kann keine aufzugreifende Fehlbeurteilung erblickt werden.

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