European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00110.14S.0828.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision und der Rekurs werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3, § 528a ZPO).
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.846,88 EUR (darin 307,81 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung hat die beklagte Partei selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin betreibt im Burgenland mehrere Windkraftanlagen. Sie speist ihren Strom in den Netzbereich ein, der dem von der Beklagten als Regelzonenführerin gebildeten Regelzonenbereich zugeordnet ist. Für die Bereitstellung der Systemdienstleistung verrechnete die Beklagte der Klägerin Systemdienstleistungsentgelte auf Basis der in § 21 der jeweils geltenden Systemnutzungstarife-Verordnung (SNT-VO) enthaltenen Tarife.
Die Klägerin begehrte die Rückzahlung der von ihr für Jänner bis Dezember 2009, für Jänner bis April 2010 und für Mai bis Dezember 2010 (teilweise) geleisteten Systemdienstleistungsentgelte von insgesamt 48.089,41 EUR sA und die Feststellung, dass sie weder verpflichtet sei, der Beklagten die für die erwähnten Zeiträume bislang zurückbehaltenen Teilbeträge noch künftig ein Systemdienstleistungsentgelt gemäß § 25 Abs 1 Z 4 ElWOG in Verbindung mit §§ 8, 21 SNT-VO 2006 in der Fassung der SNT-VO 2006 ‑ Novelle 2009 und in der Fassung der SNT-VO 2010 zu zahlen. Infolge Gesetzwidrigkeit der genannten Bestimmungen sei die Klägerin nicht verpflichtet, das damit geregelte Systemdienstleistungsentgelt zu entrichten, und daher zur Rückforderung der unter Vorbehalt gezahlten Beträge berechtigt.
Die Beklagte bestritt zunächst eine Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit der Rechtsgrundlagen für die Vorschreibung der Systemdienstleistungsentgelte gegenüber der Klägerin. Da zwischen den Streitteilen kein Netzzugangsvertrag bestehe, sei die Zahlung ausschließlich von der jeweiligen gesetzlichen und untergesetzlichen Lage abhängig und es könne deshalb auch kein Feststellungsinteresse der Klägerin hinsichtlich der künftigen Gestaltung eines Dauerrechtsverhältnisses bestehen.
Mit Erkenntnis vom 27. September 2011, V 59/09-14 ua, erkannte der Verfassungsgerichtshof unter anderem zu Recht, dass die Verordnungen der Energie-Control-Kommission (ECK), mit der die Tarife für die Systemnutzung bestimmt werden, nämlich die SNT-VO 2006 in der Fassung der SNT-VO 2006 - Novelle 2008 und der SNT‑VO 2006 - Novelle 2009, die SNT-VO 2010 und die SNT‑VO 2010 in der Fassung der SNT‑VO 2010 - Novelle 2011 als gesetzwidrig aufgehoben werden.
Mit Erkenntnis vom 21. Juni 2011, G 3-5/11, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass § 25 Abs 1 Z 1 und 3, Abs 4 und Abs 12 ElWOG BGBl I Nr 143/1998 in der Fassung BGBl I Nr 121/2000 verfassungswidrig waren.
Daraufhin brachte die Beklagte weiter vor, das Begehren auf Rückzahlung der geleisteten Systemdienstleistungsentgelte sei auch deshalb unberechtigt, weil der Verfassungsgerichtshof zwar die SNT‑VO 2009 bis 2011 aufgehoben habe, nicht aber die Grundlage für die Leistungserbringung durch die Beklagte als Regelzonenführerin und Übertragungsnetzbetreiberin an die Klägerin. Der gesetzliche Anspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin auf Abgeltung ihrer damit verbundenen Aufwendungen sei erhalten geblieben. Grundlage für die Zahlungsansprüche der Beklagten seien nach wie vor das ElWOG 1998 und ElWOG 2010. § 25 Abs 14 ElWOG 1998, der eine Zahlungspflicht der Klägerin unmittelbar anordne, sei nicht aufgehoben worden. Selbst wenn darin keine gesetzliche Grundlage liegen sollte, habe die Beklagte bereicherungsrechtliche Ansprüche bzw andere Ansprüche auf Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (abgesehen von einem rechtskräftig abgewiesenen Zinsenmehrbegehren) statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, ein Zahlungsanspruch der Beklagten auf Systemdienstleistungsentgelt könne nach Aufhebung der einschlägigen Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof nicht unmittelbar auf § 25 Abs 14 ElWOG 1998 gestützt werden, weil diese Bestimmung nicht isoliert betrachtet werden könne und durch Aufhebung der „Generalklausel“ des § 25 Abs 4 ElWOG 1998 die gesetzliche Grundlage für ein Systemdienstleistungsentgelt entfallen sei. Der Oberste Gerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass ein Anspruch auf bereicherungsrechtlicher Basis nicht bestehe. Da zwischen den Streitteilen auch kein Vertragsverhältnis bestanden habe, bestehe der Rückforderungsanspruch der Klägerin zu Recht.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts hinsichtlich des Feststellungsbegehrens für künftige Perioden dahingehend ab, dass es dieses Begehren abwies. Im Übrigen hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichts (in seinem klagsstattgebenden Teil) auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Umstand, dass die SNT-VO auf die in den Jahren 2009 und 2010 verwirklichten Sachverhalte aufgrund der Anlassfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs nicht anzuwenden sei, schließe nicht aus, dass der Beklagten auf anderer Rechtsgrundlage ein Entgeltanspruch gegenüber der Klägerin für die als Regelzonenführer erbrachten Systemdienstleistungen zustehen könnte. § 25 Abs 10 und 14 ElWOG 1998 sei eine solche Grundlage für einen zivilrechtlichen Anspruch des Regelzonenführers gegenüber Erzeugern auf Entgelt zur Abgeltung der mit der Bereitstellung der Systemdienstleistung verbundenen Aufwendungen. Das Erstgericht habe zu den Behauptungen der Beklagten über den konkret auf die Klägerin entfallenden Aufwand für die Bereitstellung von Systemdienstleistungen als Regelzonenführerin kein Beweisverfahren durchgeführt und keine Feststellungen getroffen. Deshalb sei, abgesehen vom abgeänderten Teil des Klagebegehrens, das erstinstanzliche Verfahren ergänzungsbedürftig. Dem künftige Zahlungspflichten der Klägerin gegenüber der Beklagten betreffenden Feststellungsbegehren fehle das Feststellungsinteresse, weil aufgrund des Verfassungsgerichtshofserkenntnisses klar sei, dass die SNT-VO 2006 in der Fassung der SNT 2009 und die SNT 2010 jedenfalls nicht mehr anzuwenden sei.
Das Berufungsgericht unterließ einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gegen sein Teilurteil, ließ aber den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung zu, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu einem auf § 25 Abs 14 ElWOG 1998 gegründeten zivilrechtlichen Anspruch auf Abgeltung für die vom Regelzonenführer erbrachten Systemdienstleistungen nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision und der Rekurs der Klägerin sind unzulässig.
1. Zum Rekurs:
1.1.1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112921 [T5]; RS0112769 [T9, T11]).
1.1.2. Der 8. Senat hat in seiner ausführlich begründeten Entscheidung vom 24. März 2014, 8 Ob 96/13w ausgesprochen: Nach der Aufhebung des § 25 Abs 4 ElWOG 1998 und der SNT‑VO für die Jahre 2009 bis 2011 stellt § 25 Abs 14 ElWOG 1998 eine geeignete Grundlage für den Anspruch des Regelzonenführers auf Ersatz seines Aufwands für Systemdienstleistungen gegenüber den Erzeugern dar (RIS-Justiz RS0129470).
1.1.3. Der erkennende Senat hat sich in der Entscheidung vom 26. Juni 2014, 6 Ob 181/13f, der zitierten Entscheidung des 8. Senats angeschlossen.
1.1.4. Entgegen der (im Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung zutreffenden) Begründung für die Zulässigkeit des Rekurses liegt nunmehr hinreichend Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Das Berufungsgericht hat in seinem aufhebenden Teil im Sinne dieser oberstgerichtlichen Rechtsprechung entschieden.
1.2. Die Rekurswerberin argumentiert, das ElWOG 2010 sehe über das Regulierungskonto eine Abgeltung vor. Dem ist zu entgegnen, dass das ElWOG 2010 am 3. März 2011 in Kraft getreten ist (§ 109 Abs 2 ElWOG 2010) und daher für die hier gegenständlichen Zeiträume (2009 und 2010) nicht anzuwenden ist.
1.3. Die Fragen der Auslegung des als Beilage ./13 vorgelegten Schreibens, der Anwendbarkeit des § 354 UGB (vgl dazu aber 8 Ob 96/13w Punkt IX.), eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs oder schließlich eines Anspruchs nach den Grundsätzen der Vorsorge- und Reservehaltungskosten sind angesichts von § 25 Abs 14 ElWOG 1998 als hier maßgeblicher Anspruchsgrundlage irrelevant.
1.4. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht (mehr) vor, weshalb der Rekurs zurückzuweisen war.
2. Zur außerordentlichen Revision:
Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RIS-Justiz RS0039177). Das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung im Sinn des § 228 ZPO richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, denen ‑ vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen ‑ keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0039177 [T1]).
Entgegen der Argumentation der Revisionswerberin ist die Verneinung des Feststellungsinteresses durch das Berufungsgericht jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung. Angesichts der Aufhebung jener SNT-VO durch den Verfassungsgerichtshof, auf die sich das abgewiesene Feststellungsbegehren bezieht, ist der Wegfall des Feststellungsinteresses so offensichtlich, dass auch die von der Klägerin behauptete Mehrzahl einschlägiger Verfahren keine erhebliche Rechtsfrage zum Feststellungsinteresse begründet (vgl RIS-Justiz RS0042656).
3. Kosten:
Die Kostenentscheidung gründet sich für die Rekursbeantwortung auf die §§ 41, 50 ZPO (RIS-Justiz RS0123222). Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
Das Berufungsgericht hat einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gegen sein Teilurteil unterlassen, die Klägerin hat dagegen zutreffend die außerordentliche Revision erhoben (vgl RIS-Justiz RS0042510). Der Oberste Gerichtshof hat der Beklagten die Revisionsbeantwortung nicht freigestellt. Gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO war daher die Revisionsbeantwortung nicht zu honorieren (vgl 2 Ob 104/11z).
Die Beklagte hat beide Rechtsmittel in einem einheitlichen Schriftsatz erstattet und auf Basis des im Verfahren dritter Instanz gegenständlichen Gesamtstreitwerts (68.089,41 EUR) Kosten verzeichnet. Der anteilige Streitwert des Revisionsverfahrens ist 6.666,67 EUR (ein Drittel des mit 20.000 EUR bewerteten gesamten Feststellungsbegehrens) oder 9,79 %. Um diesen Anteil war der Kostenzuspruch an die Beklagte zu vermindern.
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