OGH 2Ob163/13d

OGH2Ob163/13d22.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** M*****, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei N***** M*****, vertreten durch Mag. Helmut Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. April 2013, GZ 36 R 348/12m‑46, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 12. September 2012, GZ 25 C 549/10a‑43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Beklagte zeichnete im Auftrag des Klägers einen Einreichplan für ein Bauvorhaben, der mit zahlreichen Mängeln behaftet ist. Der Kläger begehrte die Rückzahlung der als Anzahlung geleisteten Beträge.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt, das Berufungsgericht wies es ab. Zur Begründung seines nachträglichen Ausspruchs über die Zulässigkeit der ordentlichen Revision meinte das Berufungsgericht, es könnte fraglich sein, ob im Hinblick auf die groben Mängel der vom Beklagten erbrachten Leistungen die Einräumung einer Nachfrist zur Verbesserung tatsächlich geboten gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist jedoch entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Rechtsmittel wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargetan:

1. Der Beklagte wurde vom Kläger beauftragt, die für die Baubewilligung erforderlichen Pläne herzustellen. Dieser Vertrag ist ‑ wie bei einem (bloß) planverfassenden Architekten ‑ als Werkvertrag zu qualifizieren (vgl 2 Ob 277/08m mwN).

2. Voraussetzung der Gewährleistung ist die vorbehaltlose Entgegennahme der vom Schuldner angebotenen Leistung durch den Gläubiger (4 Ob 64/12h mwN; RIS‑Justiz RS0018234 [T16]).

Von einer solchen kann hier keine Rede sein, hat doch der Kläger ‑ allerdings nicht wegen der Mängel ‑ die Unterfertigung des ihm vorgelegten Einreichplans verweigert. Die in der Revision aufgestellte Behauptung des Klägers, er habe sich auf Gewährleistungsrecht gestützt, findet in seinem erstinstanzlichen Prozessvorbringen keine Deckung. Es ist auch unzutreffend, dass das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang Gewährleistungsrecht angewendet oder dessen Anwendung dem Erstgericht überbunden hat (ON 16).

Entgegen der Meinung des Klägers begründet es daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, ob die „Gewährleistungsperspektive des ersten Rechtsgangs“ oder die Anwendung der Regelungen der §§ 918 ff ABGB zutreffend ist. Die auf Gewährleistung gestützten Revisionsausführungen können auf sich beruhen.

3. Nach § 918 ABGB kann ein Rücktritt wegen Schuldnerverzugs nur unter gleichzeitiger Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung erklärt werden. Der Rücktritt wird erst nach einer angemessenen Nachfrist wirksam (9 Ob 36/10z; 7 Ob 15/13a; RIS‑Justiz RS0018395). Schuldnerverzug wird auch dann begründet, wenn eine vom Geschuldeten abweichende, etwa mangelhafte Leistung angeboten wird (P. Bydlinski in KBB4 § 918 Rz 6). Von der Nachfristsetzung kann dann abgesehen werden, wenn der Schuldner offensichtlich nicht in der Lage ist, die Erfüllung der bedungenen Leistung nachzuholen oder sich weigert, die Leistung vertragskonform zu erbringen (7 Ob 40/05s; 7 Ob 77/06h; 5 Ob 166/07h; 9 Ob 36/10z; RIS‑Justiz RS0018371, RS0018400, RS0018428).

Ein Fall, bei dem es aus den soeben erwähnten Gründen keiner Setzung einer Nachfrist bedurfte, liegt hier nicht vor. Der Kläger hat sein Begehren zwar zunächst darauf gestützt, dass der Beklagte zur Erbringung der bedungenen Leistung nicht in der Lage sei, weil er über keine Gewerbeberechtigung verfüge und kein planender Baumeister sei. Das Erstgericht vermochte aber nicht festzustellen, dass beim Vertragsabschluss das Vorliegen auch nur einer dieser Qualifikationen vorausgesetzt worden wäre. In der Revision kommt der Kläger auf diese Begründung seines Anspruchs nicht mehr zurück. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Mängel des Einreichplans seien verbesserungsfähig, bleibt unwidersprochen. Auch die weiterhin vorhandene Erfüllungsbereitschaft des Beklagten wird vom Kläger in seinem Rechtsmittel nicht in Frage gestellt.

4. In der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werden über die in den §§ 918, 920 ABGB geregelten Fälle hinaus auch bei Zielschuldverhältnissen Rücktrittsrechte aus wichtigem Grund anerkannt. Sowohl der Werkbesteller als auch der Werkunternehmer haben das Recht zum Rücktritt vom Werkvertrag, wenn sie das Vertrauen in den Vertragspartner wegen dessen treuwidrigen Verhaltens verloren haben, sodass ihm die Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann (vgl 1 Ob 252/98k; 7 Ob 40/05s; 7 Ob 77/06h; 5 Ob 166/07h; 9 Ob 36/10z; 7 Ob 15/13a; RIS‑Justiz RS0111147; P. Bydlinski aaO § 918 Rz 9). § 918 Abs 2 ABGB sanktioniert nicht nur den Leistungsverzug, sondern auch den in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergeht (RIS‑Justiz RS0018286).

Bei dieser Rechtslage bedarf es keiner näheren Auseinandersetzung mit der vom Kläger relevierten Frage, ob der „gegenständliche Vertragstypus“ auch Elemente eines Berater‑ oder Bevollmächtigungsvertrags enthält. Unter den genannten Umständen kann nach der erörterten Rechtsprechung auch ein Werkvertrag mit sofortiger Wirkung aufgelöst werden.

5. Ob allerdings derartig wichtige Gründe vorliegen, die zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen würden, ist immer eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (7 Ob 77/06h).

Der Kläger steht auf dem Standpunkt, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen beurteilen müssen, ob die festgestellten Mängel des Plans so gravierend seien, dass sie mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einhergingen und die Setzung einer Nachfrist nicht erforderlich gewesen sei.

Er verkennt damit zunächst die ihn treffende Behauptungslast, die der Oberste Gerichtshof bereits in mehreren einschlägigen Entscheidungen hervorgehoben hat (vgl 4 Ob 587/87 [offensichtliche Unfähigkeit zur Fertigstellung des Werks]; 1 Ob 101/00k [schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens]; 9 Ob 35/07y [Erschütterung des Vertrauens]). Der Kläger hat sich in erster Instanz zunächst nur auf Rücktritts‑ oder Auflösungsgründe berufen, deren Vorliegen er nicht unter Beweis zu stellen vermochte. Erst in der letzten mündlichen Streitverhandlung hat er sich auch auf die erhebliche Fehlerhaftigkeit des Einreichplans gestützt, ohne jedoch ‑ wie er in seinem Revisionsvorbringen implizit selbst zugesteht („von Amts wegen“) ‑ Behauptungen zur nun relevierten Vertrauenserschütterung aufzustellen.

Ungeachtet dessen hat das Berufungsgericht aber ohnedies geprüft, ob sich anhand des festgestellten Sachverhalts die Annahme eines Vertrauensverlusts des Klägers in einem Ausmaß rechtfertigen ließe, dass diesem eine Verbesserung der Mängel durch den Beklagten nicht mehr zumutbar gewesen wäre, und diese Frage verneint (Seite 6 des Berufungsurteils).

6. Da es der Lösung von Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision, die ohne jegliches Judikatur- oder Literaturzitat auskommt, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Einheitssatz beträgt lediglich 60 statt der verzeichneten 180 %.

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