OGH 7Ob77/06h

OGH7Ob77/06h31.5.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Vogel, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei S***** AG, *****, vertreten durch Dr. Karl‑Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte und widerklagende Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Paul Sutterlütty und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen EUR 210.913,40 sA und EUR 296.049,40 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse. EUR 193.067,40) gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 31. Jänner 2006, GZ 1 R 277/05b‑31, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2006:0070OB00077.06H.0531.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht legten dar, warum sie zu einigen der von der Klägerin vorgebrachten Vertragsauflösungsgründen keine Beweise aufgenommen haben. Sie führten aus, dass diese schon dem Vorbringen nach nicht geeignet seien, einen zur sofortigen Vertragsaufhebung berechtigenden Vertrauensbruch zu begründen. Die Vorinstanzen haben daher ihrer rechtlichen Beurteilung das Vorbringen der Klägerin zugrundegelegt. Durch die unterlassene Beweisaufnahme wurde weder ein Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 (vgl dazu Kodek in Rechberger2, § 477 ZPO, Rz 7) noch nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO (vgl dazu Kodek aaO, § 477 ZPO Rz 12) verwirklicht.

Die Ausführungen der Revisionswerberin zum behaupteten Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens zeigen, dass sie die Begründung des Berufungsgerichtes missverstanden hat. Das Berufungsgericht legte dar, dass die geltend gemachten Gründe nicht zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigten, da ein Vertrauensbruch dadurch noch nicht bewirkt werden konnte. Als Argument zog es heran, dass nicht einmal versucht wurde, durch Setzen einer Nachfrist die Behebung der monierten Umstände zu erreichen, sodass schon aus dem Vorbringen noch keine Weigerung der Beklagten, die zu einem Vertrauensverlust führen könnte, im Einzelfall zu erkennen war.

Es ist zwar richtig, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren einen Grund für den Vertrauensverlust auch darin sah, dass die Beklagte von ihr behauptete Mehrkosten nicht beglich, doch setzte sich das Berufungsgericht damit ohnedies in den Entscheidungsgründen auseinander.

Die zugrundeliegenden Leistungen sind als werkvertragliche Leistungen (Erstellen von Plänen und Konzepten) zu beurteilen. Sowohl der Werkbesteller als auch der Werkunternehmer haben das Recht zum Rücktritt vom Vertrag, wenn sie das Vertrauen in den Vertragspartner wegen dessen treuwidrigen Verhaltens verloren haben, was sich schon ganz allgemein aus § 918 ABGB ableiten lässt (1 Ob 252/98k, 1 Ob 101/00k, 7 Ob 40/05s, RIS‑Justiz RS0111147, RS0018286). Die Bestimmung des § 918 Abs 2 ABGB sanktioniert nicht nur den Leistungsverzug, sondern auch den in der Verweigerung der Zuhaltung von vereinbarten wesentlichen Vertragsbedingungen gelegenen Vertragsbruch, wenn er mit einer schweren Erschütterung des Vertrauens in der Person des Vertragspartners einhergeht (7 Ob 40/05s, RIS‑Justiz RS0018286). Der Setzung einer Nachfrist bedarf es dann nicht, wenn der Leistungspflichtige offensichtlich entweder nicht in der Lage ist, die Erfüllung der bedungenen Leistung nachzuholen, oder sich weigert, die Leistung vertragskonform zu erbringen (7 Ob 40/05s, RIS‑Justiz RS0018371, RS0018400, RS0018428). Ob derartige wichtige Gründe, die zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen, vorliegen, ist immer eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, dass weder aus den Feststellungen des Erstgerichtes noch aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin zu den übrigen Auflösungsgründen ein wichtiger Grund zu ersehen sei, der zur sofortigen Vertragsauflösung berechtige, hält sich in dem von der Judikatur gesteckten Rahmen. Nicht alle Koordinierungsprobleme, die nahezu bei jedem Bauprojekt, umso mehr bei einem Großprojekt, auftreten, rechtfertigen eine sofortige Vertragsauflösung. Die Frage, ob allfällige vom Bauherrn oder der Beklagten verursachten Mehraufwendungen zu einer gesonderten Honorierung führen müssen, ist davon zu trennen.

Es werden insgesamt keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Rechtsfragen geltend gemacht.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

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