OGH 4Nc12/14y

OGH4Nc12/14y20.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin I***** J*****, geboren am ***** 1992, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen den Antragsgegner DI G***** B*****, wegen Unterhalt, über Vorlage des Aktes AZ 21 Fam 4/14a des Bezirksgerichts Urfahr zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts zwischen diesem Bezirksgericht und dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Bezirksgericht Urfahr zurückgestellt.

Text

Begründung

Die Antragstellerin stellte einen Unterhaltserhöhungsantrag gegen den Antragsgegner. Das angerufene Bezirksgericht Urfahr hielt mit Aktenvermerk vom 7. 4. 2014 fest, dass die Antragstellerin in Wien studiere, sich dort befinde und auch ihr hauptsächlicher Aufenthalt in Wien sei. Daher sei das Bezirksgericht Innere Stadt Wien für das Verfahren zuständig. Sodann sprach es mit Beschluss vom selben Tag seine Unzuständigkeit für dieses Verfahren aus und überwies die Familienrechtssache an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, wobei es darauf hinwies, dass die Zustellung des Überweisungsbeschlusses dem nunmehr zuständigen Bezirksgericht obliege.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verfügte die Retournierung des Akts an das Bezirksgericht Urfahr mit dem Vermerk, dass die Antragstellerin ihren Hauptwohnsitz in Linz habe und allein die Tatsache des Studiums in Wien nicht die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien begründe. Es sei zweckmäßiger, das Verfahren in Urfahr zu führen, da die Antragstellerin, ihr Vertreter sowie der Antragsgegner in Linz wohnhaft seien. Auch stütze sich der Vertreter der Antragstellerin auf die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Urfahr.

Der Unzuständigkeitsbeschluss des Bezirksgerichts Urfahr wurde nicht zugestellt.

Das Bezirksgericht Urfahr legt den Akt zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt dem Obersten Gerichtshof vor.

Die Aktenvorlage ist jedoch verfehlt:

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof (anders als in Delegierungs‑ und Ordinationssachen gemäß § 7 Abs 1 Z 1, 2, 4 und 5 OGHG) im Fünfersenat nach § 6 leg cit zu erfolgen (4 Nc 2/13a).

Ein Zuständigkeitsstreit im Sinne des § 47 JN liegt nur vor, wenn mehrere Gerichte ihre Zuständigkeit bejaht oder in einer Weise verneint haben, dass die Möglichkeit der Zuständigkeit eines weiteren Gerichts ausgeschlossen ist (RIS‑Justiz RS0046374). Ein negativer Kompetenzkonflikt liegt erst dann vor, wenn rechtskräftige, die Zuständigkeit verneinende Beschlüsse der für die Zuständigkeit in Betracht kommenden Gerichte gefasst wurden (RIS‑Justiz RS0046299, RS0046354, RS0046374, RS0118692).

Mangels Zustellung an die Parteien liegt kein rechtskräftiger, die Zuständigkeit verneinender, Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr vor. Von Seiten des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien fehlt es überhaupt an einem derartigen Beschluss. Die Voraussetzungen nach § 47 JN sind somit nicht gegeben. Nur im Fall des Vorliegens zweier Unzuständigkeitsentscheidungen, die in Rechtskraft erwachsen sind, wäre der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung nach § 47 JN berufen (7 Nc 18/12z mwN).

Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen ist schon jetzt auf Folgendes hinzuweisen:

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer Entscheidung nach § 47 Abs 1 JN auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten die Zuständigkeit verneinenden Beschlusses, auch wenn dieser unrichtig ‑ bzw wie hier jedenfalls unzweckmäßig ‑ war, Bedacht zu nehmen; haben doch die Vorschriften über die Bindung an rechtskräftige Entscheidungen über die Zuständigkeit und an Überweisungsbeschlüsse den Zweck, Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Damit nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls auch ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (RIS‑Justiz RS0046391).

Der übergeordnete Gerichtshof ‑ hier der Oberste Gerichtshof ‑ hat bei seiner Entscheidung also darauf Bedacht zu nehmen, dass ein Überweisungsbeschluss (selbst wenn er unrichtig wäre) jenes Gericht, an das die Sache zunächst überwiesen wurde, insofern bindet, als es seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (RIS‑Justiz RS0002439; RS0046315).

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