OGH 14Os32/14h

OGH14Os32/14h6.5.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fellner als Schriftführer in der Strafsache gegen Tune M***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom 15. November 2013, GZ 10 Hv 103/13p‑127, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht, wurde Tune M***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 12. September 2007 in K***** Srecko K***** dadurch vorsätzlich zu töten versucht, dass er ihm in einem Waldstück auflauerte, ihn zum Anhalten seines Fahrzeugs durch Querstellen eines von Tune M***** gelenkten Busses veranlasste, ihn sodann mit der linken Hand an seiner rechten Achsel erfasste und ihm mit einem Messer in den linken unteren Brustbereich stach sowie ihm eine Stich‑/Schnittverletzung im linken Oberbauch und eine Schnittverletzung an der rechten Halsseite zufügte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Kritik am Unterlassen einer Zusatz‑ oder Eventualfrage an die Geschworenen (§§ 313, 314 Abs 1 StPO) wird nur dann prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht, wenn die Beschwerde in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 302 Abs 1 StPO iVm § 258 Abs 1 StPO), die einen Sachverhalt, der nach den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen Anlass zur begehrten Fragestellung geboten hätte, indizieren, deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 23, 42 f; RIS‑Justiz RS0117447, RS0119418).

Indem die Fragenrüge (Z 6) unter Verweis auf die Aussage des Beschwerdeführers, wonach er seinerseits von Srecko K***** aus seinem Auto gezerrt, zu Boden geworfen, getreten und am Hals gepackt worden sei und sich mit „dem Messerchen“ bloß verteidigt habe (ON 114 S 7), Zusatzfragen zur Haupt‑ und den Eventualfragen (auch) nach Putativnotwehr und „Putativnotwehrüberschreitung (§ 8 StGB)“ verlangt, spricht sie solche Verfahrensergebnisse (konkret: zur irrtümlichen Annahme eines unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriffs und zu einer Überschreitung jenes Maßes an Verteidigung, das bei Zutreffen seiner Vorstellungen erlaubt gewesen wäre; vgl dazu Höpfel in WK² StGB § 8 Rz 6 f) nicht an.

Ebensowenig werden mit den ins Treffen geführten (die unterstellten Aussagen zudem teilweise gar nicht enthaltenden) Angaben der Zeugen Slavko I***** und Srecko K***** zu Anlass und Modalitäten einer ‑ selbst nach der Aussage des Beschwerdeführers mindestens eine Stunde vor dem inkriminierten Angriff beendeten (ON 114 S 12) - (körperlichen) Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und dem späteren Tatopfer, anlässlich der die beiden Kontrahenten „äußerst aufgeregt“ gewesen sein sollen, Srecko K***** sein Dienstverhältnis im Unternehmen des Slavko I***** „wegen des Angeklagten“ beenden wollte und „der Angeklagte vom Zeugen I***** angeschrien worden sein soll“ (ON 114 S 19 f und 26 f), Verfahrensergebnisse aufgezeigt, die die weiters begehrte Stellung einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des Totschlags nach §§ 15, 76 StGB nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würden (vgl dazu auch Moos in WK² StGB § 76 Rz 22 ff; RIS‑Justiz RS0092271, RS0092259, RS0092087).

Mit der Forderung nach Trennung der in der Hauptfrage zusammengefassten ‑ nach Ansicht der Rüge voneinander unabhängigen ‑ beiden „Vorfälle“ innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs des Srecko K***** und Stellung zweier gesonderter ‑ auf das Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB gerichteter ‑ Hauptfragen (sowie entsprechender Zusatz‑ und Eventualfragen), und zwar betreffend den dem Tatopfer zugefügten Stich in den linken unteren Brustbereich einerseits und die gegen den linken Oberbauch und die rechte Halsseite geführten Stiche und Schnitte andererseits, wird die Beschwerde nicht zu Gunsten des Angeklagten (§ 282 Abs 1 StPO iVm § 344 StPO) ausgeführt, weil sie im Ergebnis auf einen Schuldspruch wegen einer weiteren (real-)konkurrierenden strafbaren Handlung abzielt (§ 312 Abs 2 StGB).

Davon abgesehen verkennt sie, dass nach der Systematik der §§ 312 ff StPO bei ‑ wie hier ‑ rechtlich zulässiger Zusammenfassung von Sachverhalten unter rechtlichen Gesichtspunkten (tatbestandliche Handlungseinheit [zum Begriff siehe Ratz in WK² Vor §§ 28‑31 Rz 88 ff]) in der Anklageschrift (ON 78 S 1, 4) nur eine Hauptfrage zu stellen ist, weil die Zusammenfassung von tatsächlichen, der Beantwortung durch die Geschworenen vorbehaltenen Umständen abhängt (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 37).

Der Rechtsmittelstandpunkt, wonach es den ‑ darüber instruierten (Rechtsbelehrung S 1, 12 f, 16, 21) ‑ Geschworenen nicht möglich gewesen wäre, bei Verneinung eines Tötungsvorsatzes bereits bei der ersten Stichführung die Hauptfrage

unter Beifügung entsprechender Beschränkungen nur teilweise zu bejahen (§ 330 Abs 2 StPO), ist zudem nicht nachvollziehbar.

Die Instruktionsrüge (Z 8) übersieht mit der Kritik an unterlassener Instruktion der Laienrichter zur „Problematik der Putativnotwehr bzw der Putativnotwehrüberschreitung“ sowie zu „§ 76 StGB“, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt wurden (§ 321 Abs 2 StPO; Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 19; Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 63, jeweils mwN; RIS‑Justiz RS0101085).

Weshalb die Rechtsbelehrung (§ 321 Abs 2 letzter Halbsatz StPO) „falsch“ sein sollte, weil darin ausgeführt wird, dass die gleichzeitige Verneinung der Hauptfrage, der Eventualfragen und der Zusatzfragen zu den Eventualfragen „grundsätzlich“ (worunter nach allgemeinem Sprachgebrauch [auch] „einem Grundsatz folgend“, „ohne Ausnahme“ und „aus Prinzip“ zu verstehen ist; vgl etwa www.duden.de ) ein freisprechendes Urteil des Schwurgerichtshofs zur Folge habe, erklärt die Beschwerde nicht.

Mit ihrer in diesem Zusammenhang geäußerten Kritik an der Unterlassung eines Hinweises darauf, dass „dies die Bejahung der Zusatzfragen voraussetzt“, und der Behauptung, es fehle in der „Rechtsbelehrung (Seite 2)“ die Darstellung der Rechtsfolgen der Antworten auf die Eventualfragen zu den Zusatzfragen, nimmt sie prozessordnungswidrig nicht Maß am gesamten Inhalt der Instruktion (RIS‑Justiz RS0100695), welcher die vermissten Belehrungsinhalte ausdrücklich zu entnehmen sind (Rechtsbelehrung S 17 iVm S 21 f). Weshalb es ‑ mit Blick auf den Empfängerhorizont der Geschworenen ‑ notwendig gewesen wäre, diese Erläuterungen an anderen Stellen der Rechtsbelehrung zu wiederholen, legt sie erneut nicht dar (Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 65).

Die vermisste Erklärung der Bedeutung der (im Übrigen ohnehin allgemein verständlichen) Wortfolge „ernstlich für möglich halten“ findet sich ‑ von der Rüge erneut übergangen ‑ auf S 9 der Rechtsbelehrung.

Soweit moniert wird, es fehle ein „konkreter Hinweis“ darauf, dass „die Abgrenzung der Delikte zwischen der Hauptfrage und den Eventualfragen zur Hauptfrage ausschließlich nach der inneren Tatseite zu erfolgen hat“, es also „ausschließlich von der inneren Tatseite des Angeklagten abhängig war“, welche der in Frage kommenden strafbaren Handlungen „ihm vorzuwerfen sein könnte“, ignoriert die Rüge ein weiteres Mal die ‑ ausführliche Erläuterungen zur jeweils erforderlichen subjektiven Tatseite enthaltende - Instruktion der Laienrichter über die Tatbestände (rechtliche Kategorien), auf die die Haupt‑ und Eventualfragen gerichtet waren (Rechtsbelehrung S 8 ff). Zudem leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb das Fehlen der reklamierten zusätzlichen Ausführungen unter dem Gesichtspunkt

irreführender Unvollständigkeit Unrichtigkeit der

Rechtsbelehrung bewirken sollte (vgl erneut Ratz, WK‑StPO §

345 Rz 65).

Die Zurückführung der in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale auf die tatsächlichen Besonderheiten des Falles ist nicht Gegenstand der ‑ nach abstrakten Gesichtspunkten abzufassenden ‑ schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 StPO), sondern der gemäß §

323 Abs 2 erster Satz StPO abzuhaltenden Besprechung vorbehalten (vgl RIS‑Justiz RS0109476; Philipp, WK‑StPO § 321 Rz 13‑16), und damit einer Anfechtung aus Z 8 entzogen.

Die Tatsachenrüge bekämpft die Annahme eines Tötungsvorsatzes unter Hinweis auf einzelne Passagen aus der Verantwortung des Beschwerdeführers und des Zeugen Srecko K***** zum Tathergang und der Beschaffenheit des dabei verwendeten Messers auf Basis daraus gezogener eigener Schlussfolgerungen nach Art einer im einzelrichterlichen Verfahren vorgesehenen Schuldberufung. Eine solche Anfechtungsmöglichkeit eröffnet der herangezogene Nichtigkeitsgrund aber gerade nicht. Das Urteil eines Geschworenengerichts ist in Bezug auf die

Beweiswürdigung dann nichtig aus Z 10a, wenn die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 323 StPO gesetzlich zustehende Ermessen in einer Weise gebraucht haben, die ‑ aus Sicht des Obersten Gerichtshofs ‑ im Tatsächlichen geradezu unerträglich ist (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 470, 490), wovon im gegenständlichen Fall keine Rede sein kann. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen wird durch den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

Die Niederschrift der Geschworenen stellt hinwieder (ungeachtet der an sie zu stellenden Anforderungen) eine Begründung für die

Beweiswürdigung dar und kann daher nicht gleichzeitig deren Gegenstand bilden. Demgemäß kann auch ‑ was hier übersehen wird ‑ die

Tatsachenrüge (Z 10a) nicht darauf gegründet werden (RIS‑Justiz RS0100809, RS0115549).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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