OGH 10Ob7/14y

OGH10Ob7/14y25.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A*****, vertreten durch Dr. Silvana Dorner, Rechtsanwältin in Bregenz, gegen die beklagte Partei und den Gegner der gefährdeten Partei Mag. J*****, vertreten durch Kucera Rechtsanwälte GmbH in Hard, wegen einstweiligen Ehegattenunterhalts, über die außerordentlichen Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. November 2013, GZ 3 R 302/13d‑13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 17. September 2013, GZ 1 C 14/13s‑9 infolge Rekurses der gefährdeten Partei teils bestätigt und teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00007.14Y.0325.000

 

Spruch:

1. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss in seinem stattgebenden Teil aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei sind weitere Verfahrenskosten.

2. Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen den seit 2003 verheirateten nunmehrigen Streitteilen ist zu 1 C 16/12h beim Bezirksgericht Bregenz ein Scheidungsverfahren anhängig. Sie leben seit 16. 12. 2011 getrennt. Der Ehe entstammen 2004 geborene Zwillinge. Der Ehemann (im Folgenden nur mehr „Beklagter“) erzielt als Angestellter ein monatliches Nettoeinkommen von 2.616,13 EUR 14 mal jährlich.

Zu 1 C 14/13s des Bezirksgerichts Bregenz begehrte die Ehefrau (im Folgenden nur mehr „Klägerin“), den Beklagten schuldig zu erkennen, ihr ab dem 1. 12. 2011 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 987 EUR netto zu leisten. Mit dieser Klage verband sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, der Beklagte sei verpflichtet, ihr ab 1. 7. 2013 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens einen einstweiligen Unterhalt von monatlich 987 EUR netto zu leisten. Sie habe im Einvernehmen mit dem Beklagten den Haushalt geführt und die gemeinsamen Kinder betreut und dadurch zur Deckung der den gemeinsamen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse beigetragen. Neben der Haushaltsführung habe sie ein Medizinstudium betrieben, ohne dass dieser Umstand auf ihren ehelichen Geldunterhaltsanspruch Auswirkungen habe (ON 6 AS 29). Sie erziele keine Einkünfte. Seit Dezember 2011 leiste der Beklagte an sie keine Unterhaltszahlungen mehr.

Der Beklagte bestritt, dass die Klägerin in aufrechter Ehe lediglich mit der Haushaltsführung betraut gewesen wäre. Es sei zu keinem Zeitpunkt vereinbart gewesen, dass ihr Beitrag lediglich in der Haushaltsführung bestehen solle. Tatsächlich wären die Streitteile stets einig darüber gewesen, dass die Klägerin ihr Studium zielstrebig und in zeitlich vernünftigem Rahmen abschließen und danach einer Erwerbstätigkeit nachgehen sollte. Die Absolvierung eines teuren und überdies langwierigen Medizinstudiums, um dann nur als Hausfrau tätig zu sein, wäre auch völlig lebensfremd (ON 4 AS 22; ON 8 AS 41). Er habe zu keinem Zeitpunkt akzeptiert, dass sich die Klägerin lediglich auf die Haushaltsführung zurückziehe. Auch er selbst habe über weite Strecken Haushaltsführungsaufgaben wahrgenommen, weil sich die Klägerin aufgrund ihres Studiums immer wieder für mehrere Wochen in Wien aufgehalten habe. Zuletzt habe sie ihr Studium aber nicht mehr fortgeführt. Es werde die Anwendung des „Anspannungsgrundsatzes“ begehrt. Die Kinder seien mittlerweile achteinhalb Jahre alt und hielten sich einen Großteil des Tages in der Schule auf. Hätte die Klägerin das Medizinstudium beendet, könnte sie bereits als Turnusärztin tätig sein. Zumindest wäre ihr eine Halbtagsbeschäftigung zumutbar, aus der sie 1.500 EUR monatlich an Einkommen erzielen könnte. Ein Unterhaltsanspruch stehe ihr schon aus diesen Gründen nicht mehr zu. Bis Dezember 2012 habe er an sie ‑ ohne Anerkenntnis irgendeiner Rechtspflicht ‑ einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 350 EUR geleistet. Er trage monatlich 765 EUR an Kreditrückzahlungsraten für die je im Hälfteeigentum der Streitteile stehende, in Vorarlberg gelegene Ehewohnung (ein Reihenhaus). Die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs stelle einen Rechtsmissbrauch dar, da sich die Klägerin weigere, einer ihrem Ausbildungsstand entsprechenden Berufstätigkeit nachzugehen oder sich zumindest um eine solche zu bemühen. Ferne ergebe sich die Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs auch daraus, dass die Klägerin am 17. 12. 2011 ‑ ohne ein Einvernehmen herzustellen ‑ unter Mitnahme beider Kinder aus der in Vorarlberg gelegenen Ehewohnung nach Wien gezogen sei. Die Gründe, die sie zur Rechtfertigung der Auflösung des gemeinsamen Haushalts herangezogen habe, seien vollkommen haltlos. Zu keinem Zeitpunkt habe er die Klägerin misshandelt. Vielmehr habe sie ihn unter Angabe falscher Tatsachen gegenüber Behörden und Gerichten mit haltlosen Vorwürfen belastet, am 16. 12. 2011 seine Wegweisung gemäß § 382b EO erwirkt und so die Auflösung der Ehegemeinschaft böswillig herbeigeführt.

Das Erstgericht erachtete bisher zusammengefasst folgende Feststellungen als bescheinigt:

„Die Klägerin ist Studentin an der Medizinischen Universität in Wien. Zuletzt legte sie am 7. 7. 2009 eine Rigorosumsprüfung (Funktionelle Pathologie) ab. Sie geht keiner (regelmäßigen) Erwerbstätigkeit nach. Vom Magistrat der Stadt Wien wurde ihr eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs in Höhe von 794,91 EUR monatlich zuerkannt, darüber hinaus erhält sie eine monatliche Mietbeihilfe in Höhe von 112,75 EUR und 149,18 EUR an Wohnbeihilfe. Am 2. 1. 2013 schloss sie mit einem medizinischen Forschungsinstitut einen Werkvertrag ab, in dem ihr für das Datenmanagement einer Studie 1.600 EUR an Honorar zugesagt wurden.

Die Parteien hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in H***** in Vorarlberg. Am 16. 11. 2011 kam es durch die Polizeiinspektion in H***** zu einer Wegweisung des Beklagten und zum Ausspruch eines gegen diesen gerichteten Betretungsverbots bei Gewalt in Wohnungen (§ 38a SPG). Danach verzog die Klägerin mit den gemeinsamen Kindern nach Wien. Im Rahmen eines Verfahrens über einen Antrag gemäß § 382b EO schlossen die Parteien am 10. 1. 2012 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete, für die Dauer von sechs Monaten nicht mehr in die Ehewohnung in H***** und deren unmittelbare Umgebung zurückzukehren. Für den Fall der Einleitung eines Scheidungsverfahrens innerhalb dieses Zeitraums sollte der Vergleich über die Dauer von sechs Monaten hinaus bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens und bei Einleitung eines Aufteilungsverfahrens bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung gelten. Das gegen den Beklagten wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 15 StGB geführte Strafverfahren wurde nach Zahlung eines Geldbetrags von 800 EUR zugunsten des Bundes gemäß § 199 StPO iVm § 200 Abs 5 StPO endgültig eingestellt. Als Begründung für die diversionelle Vorgangsweise wurde ausgeführt, der Angeklagte habe sein Fehlverhalten gegenüber seiner Ehefrau während aufrechter Ehe eingestanden, sich dafür entschuldigt und die Verantwortung übernommen.

Laut einer fachärztlichen Stellungnahme sei bei der Klägerin aufgrund flashbackartiger Erlebnisse die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung wahrscheinlich. Zu dieser Schlussfolgerung sei der Arzt aufgrund der Schilderung der Patientin gekommen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Rechtlich ging es davon aus, die Klägerin habe auch im Provisorialverfahren ihren Anspruch zu bescheinigen. Ohne nähere Prüfung sei nicht anzunehmen, dass die Ehegatten während aufrechter Ehe eine Vereinbarung dahingehend geschlossen hätten, das Studium der Klägerin solle zum Selbstzweck erfolgen, ohne dass die Absicht bestehe, dass sie den Beruf in weiterer Folge jemals ausübe. Ausgehend von den vorgelegten Urkunden sei nicht ersichtlich, warum sie nicht in der Lage sein sollte, ihr Studium zu beenden und einer Beschäftigung nachzugehen. Insbesondere habe sie nicht ausreichend bescheinigt, warum sie seit dem Jahr 2009 keine weiteren Teilprüfungen abgelegt habe. Berücksichtige man das Ergebnis des Strafverfahrens und die zu dessen Einstellung herangezogene Begründung, ließen diese den aus der fachärztlichen Stellungnahme gezogenen Schluss (einer bei der Klägerin gegebenen posttraumatischen Belastungsstörung) nicht bzw nur schwer zu. Da die Klägerin ihren Anspruch nicht ausreichend bescheinigt habe, bestehe der Anspruch auf einstweiligen Unterhalt nicht zu Recht.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Beklagten verpflichtete, der Klägerin ab dem 1. 7. 2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterhaltsbegehren, längstens bis zum Abschluss des zwischen den Parteien anhängigen Scheidungsverfahrens, einen monatlichen einstweiligen Unterhalt in Höhe von 675 EUR, zahlbar bis zum 5. eines jeden Monats im Vorhinein, zu leisten. Der Antrag, weitere 312 EUR an monatlichem einstweiligen Unterhalt zu bezahlen, wurde abgewiesen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionrekurs nicht zulässig sei.

Nach Wiedergabe der Rechtsprechung zu § 94 Abs 1 und Abs 2 ABGB führte das Rekursgericht in rechtlicher Hinsicht aus, der Beklagte habe das Vorliegen einer „Hausfrauenehe“ nie substantiiert bestritten, sondern im Wesentlichen nur eingewendet, die Klägerin verfüge selbst über ausreichendes Einkommen bzw könne ein solches durch eine ihr zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen. Vor diesem Hintergrund seien Überlegungen zur „Anspannung“ der Klägerin von vornherein nicht anzustellen. Zu prüfen bleibe nur, ob diese ihren Unterhaltsanspruch im Sinne des § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB allenfalls durch böswilliges Verlassen verwirkt habe und ein ihren Unterhalt schmälerndes Eigeneinkommen vorliege. Für die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs sei ein strenger Maßstab anzulegen. Von der im vorliegenden Fall behaupteten grundlosen Auflösung des Haushalts könne in Anbetracht des Inhalts des Vergleichs vom 10. 1. 2012 nicht gesprochen werden. Zudem sei das Strafverfahren wegen Nötigung und Körperverletzung erst nach Zahlung eines Geldbetrags eingestellt worden. Von einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs sei daher nicht auszugehen. Grundlage der Bemessung des Unterhalts sei das Einkommen des Beklagten inklusive Urlaubs‑ und Weihnachtsgeld, demzufolge ein Jahreseinkommen von 37.000 EUR netto (durchschnittlich 3.083,33 EUR monatlich) vorliege. Kreditrückzahlungsraten, die der Unterhaltsverpflichtete für die Ehewohnung aufwende und die dem Unterhaltsberechtigten als Hälfteeigentümer zugute kommen, seien zu 50 % anzurechnen. Im vorliegenden Fall beliefen sich die vom Beklagten ausdrücklich geltend gemachten und der Höhe nach von der Klägerin nicht bestrittenen Kreditrückzahlungsraten auf 765 EUR monatlich. Nach Abzug von 50 % (382,50 EUR) vom Monatsnettoeinkommen des Beklagten ergebe sich eine Unterhaltsbemessungsgrundlage von 2.700,83 EUR. Auf Seiten der Klägerin sei nur die nach dem Wiener Wohnbauförderungs‑ und Wohnhaussanierungs-gesetz bezogene Leistung in Höhe von monatlich 149,18 EUR als Eigeneinkommen zu berücksichtigen, nicht aber die Mindestsicherung nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gelange ein Unterhaltsprozentsatz von 33 % abzüglich von jeweils 4 % für die weiteren Sorgepflichten (für die beiden Kinder) zur Anwendung, somit ein Unterhaltsprozentsatz von 25 %. Ausgehend von dem um die anteiligen Kreditrückzahlungsraten reduzierten monatlichem Durchschnittseinkommen in Höhe von 2.700,83 EUR, stehe der Klägerin ein einstweiliger Unterhalt von (gerundet) 675 EUR monatlich zu.

Gegen diese Entscheidung erhoben beide Parteien jeweils außerordentlichen Revisionsrekurs.

Zum Wert des Entscheidungsgegenstands:

Für die Bewertung des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts in Unterhaltsbemessungsverfahren ist der 36‑fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbetrags maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien strittig war (RIS‑Justiz RS0122735). Auch für einstweiligen Unterhalt, der für die Dauer bis zur Rechtskraft der Entscheidung über das Scheidungsbegehren zugesprochen wird, besteht der Entscheidungsgegenstand in der dreifachen Jahresleistung (6 Ob 236/98v). Da in zweiter Instanz das gesamte Unterhaltsbegehren in Höhe von 987 EUR zwischen den Parteien strittig war, ist bei beiden Revisionsrekursen von einem 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand auszugehen (987 x 36 = 35.532 EUR). Es war demnach jeweils ein außerordentlicher Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof zu richten. Eine Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht kommt daher nicht in Frage, weshalb der vom Beklagten eventualiter gestellten Zulässigkeitsantrag verfehlt ist.

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs des Beklagten:

Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil die Vorinstanzen ausgehend von einer unvollständigen Entscheidungsgrundlage entschieden haben. Er ist im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zur Behauptung der mangelnden Bescheinigung:

1. Die gefährdete Partei hat im Unterhaltsprovisorialverfahren zwar nicht die Gefährdung ihres Anspruchs nach § 381 EO zu bescheinigen (RIS‑Justiz RS0114824), wohl aber Unterhaltsanspruch und Unterhaltsverletzung (3 Ob 300/99k mwN; 4 Ob 9/01d ua), das heißt, sie hat auch die materiell‑rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen darzutun. Dazu gehören bei Ehegatten Grund und Höhe des Anspruchs, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, dessen Lebensumstände sowie die Unterhaltsgrundlagen des § 94 Abs 2 ABGB bei aufrechter Ehe (RIS‑Justiz RS0114824 [T4] mwN).

2. Nach § 94 Abs 1 ABGB haben die Ehegatten nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beizutragen. Der Unterhaltsanspruch bei aufrechter Ehe richtet sich somit grundsätzlich nach der verbindlich autonomen Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft (8 Ob 210/02v).

3. Gemäß § 94 Abs 2 ABGB hat derjenige Ehegatte, der den gemeinsamen Haushalt führt und dadurch seinen Beitrag im Sinne des Abs 1 leistet, an den anderen einen Anspruch auf Unterhalt, wobei eigene Einkünfte angemessen zu berücksichtigen sind. Dies gilt nach der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts zu Gunsten des bisher Unterhaltsberechtigten weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch des Rechts wäre.

4. Nach der ständigen Rechtsprechung muss die Haushaltsführung lediglich als Tatsache bestehen, die ‑ wenigstens ursprünglich von beiden Parteien (auch in diesem Umfang) ‑ akzeptiert worden war. Einer ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es ebensowenig wie der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistungen durch den anderen Ehegatten. Ob dieser sich an der Haushaltsführung beteiligt, spielt an sich keine Rolle, es sei denn, er erledigt den Haushalt alleine (RIS‑Justiz RS0009749 [T6]).

5. Das bereits wiedergegebene Vorbringen der Klägerin genügt grundsätzlich den unter Pkt 1 genannten Anforderungen. Sie hat die im Einvernehmen erfolgte alleinige Haushaltsführung und Kinderbetreuung ebenso behauptet wie den Umstand, dass ihr neben der Haushaltsführung betriebenes Medizinstudium entsprechend der Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse keine Auswirkungen auf den ehelichen Unterhaltsanspruch haben sollte. Ausgehend von ihrem Vorbringen hat sie die Anspruchsvoraussetzungen nach § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB erfüllt, indem sie sich bis zur Auflösung des gemeinsamen Haushalts im Einvernehmen mit ihrem Ehegatten der Haushaltsführung und der Kindererziehung widmete und keiner Erwerbsarbeit nachging.

Zur vom Beklagten geforderten Anspannung:

1. Die Bestimmungen des § 94 Abs 2 erster und zweiter Satz ABGB haben das Ziel, dem den Haushalt führenden Ehegatten, der infolge seiner Haushaltsführung seinen Unterhalt nicht durch die Erträgnisse einer eigenen Berufstätigkeit sichern kann, einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten bei bestehender häuslicher Gemeinschaft und nach deren Auflösung ‑ ausgenommen den Fall des Rechtsmissbrauchs ‑ zu gewähren (RIS‑Justiz RS0009749; RS0009742). Ist eine Hausfrauen‑(Männer‑)ehe gegeben, dann kann vom Unterhaltsberechtigten nicht verlangt werden, dass er einem eigenen Erwerb nachgeht und für seinen Unterhalt selbst sorgt. Eine Anspannung auf ein bloß erzielbares, tatsächlich aber nicht erzieltes Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit braucht sich der Unterhaltsberechtigte bei dieser Ehegestaltung grundsätzlich nicht auf seine Bedürfnisbefriedigung anrechnen lassen, und zwar nicht einmal bei voller Arbeitsfähigkeit (ausgenommen bei Rechtsmissbrauch ‑ RIS‑Justiz RS0009720).

2. Dies gilt aber dann nicht, wenn es der einvernehmlichen Lebensgestaltung entsprochen hätte, dass der Unterhaltsberechtigte später einem Erwerb nachgeht bzw wenn erwiesen ist, dass nach der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse auch bei aufrechter Lebensgemeinschaft nach einer bereits abgelaufenen Zeit oder unter bereits eingetretenen Voraussetzungen eine Änderung hätte eintreten sollen (RIS‑Justiz RS0009609; Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehe‑ und Partnerschaftsrecht, § 94 ABGB Rz 222).

3. Zutreffend zeigt der Revisionsrekurswerber auf, dass er bereits im erstinstanzlichen Verfahren Vorbringen in dieser Richtung erstattet und seine Parteienvernehmung als Bescheinigungsmittel dafür angeboten habe, dass er nach der ehelichen Lebensgestaltung das Studium der Klägerin im Hinblick auf eine Erwerbsmöglichkeit finanziert und daher dessen Fortführung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach dessen Abschluss geplant war. Dieses Vorbringen hat das Rekursgericht übergangen bzw hat es diesem aus rechtlichen Gründen keine Bedeutung beigemessen, indem es als (allein) entscheidungswesentlich erachtete, dass der Beklagte die bis zur Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegebene Hauptverantwortung der Klägerin für die Haushaltsführung nicht in Abrede gestellt habe. Diese Ansicht des Rekursgerichts steht aber ‑ wie aufgezeigt ‑ mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nicht in Einklang.

4. Eine Beurteilung der vom Beklagten geltend gemachten Anspannung ist derzeit zufolge der mangelnden Aufbereitung der Entscheidungsgrundlagen nicht möglich. Zwar ging das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, vorbehaltlich näherer Prüfung erscheine es plausibel, dass die Klägerin nach Beendigung ihres Medizinstudiums einem Beruf nachgehen sollte, ohne jedoch einen Sachverhalt zu den gegensätzlichen Darstellungen der Streitteile zur Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft als bescheinigt anzusehen. Auch im Provisorialverfahren ist aber der Sachverhalt möglichst genau zu ermitteln, handelt es sich doch um eine besondere einstweilige Verfügung, die dem Berechtigten einen in der Regel endgültig zustehenden einstweiligen Unterhalt zuspricht (RIS‑Justiz RS0005261; 1 Ob 12/98s mwN; 8 Ob 210/02v).

5. Erst wenn entsprechende Sachverhaltsgrundlagen vorhanden sein werden, wird gegebenenfalls eine Auseinandersetzung mit der vom Beklagten geforderten Anspannung ‑ für die bis zur Scheidung ihn und nicht die Klägerin die Behauptungs‑ und Bescheinigungspflicht trifft ‑ erfolgen können. Dabei wird es auf die persönlichen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten der Klägerin sowie darauf ankommen, ob sie ‑ im Vergleich zu einem familien‑ und pflichtbewussten Ehegatten ‑ schuldhaft handelt. Maßgeblich für die Beurteilung der Zumutbarkeit sind dabei unter anderem der Gesundheitszustand des Unterhaltsberechtigten, die Berufsausbildung, bisherige Berufstätigkeiten, die Pflicht zur Erziehung von Kindern, deren Alter sowie die Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt (Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehe‑ und Partnerschaftsrecht, § 94 ABGB Rz 225 mwN).

Zur behaupteten rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs:

1. Auch noch im Revisionsrekurs hält der Beklagte daran fest, dass die Klägerin ihn nach dem 16. 12. 2011 unter Mitnahme der Kinder böswillig verlassen habe, weshalb die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs Rechtsmissbrauch darstelle. Diesem Standpunkt ist nicht zu folgen:

Nach ständiger Rechtsprechung verliert ein Ehegatte den gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt in Form einer Geldrente nur bei besonders schweren „krassen“ Eheverfehlungen, die gegen wichtige Grundsätze der Ehe verstoßen (RIS‑Justiz RS0005529); etwa wenn die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erschiene. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0009759; RS0005529). Zutreffend geht das Rekursgericht davon aus, dass es dem Beklagten in Anbetracht des gerichtlichen Vergleichs vom 10. 1. 2012 und des Ergebnisses des Strafverfahrens nicht gelungen sei, eine solche schwere Eheverfehlung der Klägerin zu bescheinigen. Ist der Beklagte aufgrund einer polizeilichen Wegweisung und einer einstweiligen Verfügung zum Verlassen der Ehewohnung gezwungen gewesen, fällt die Aufhebung der Wohngemeinschaft vielmehr ihm zur Last. In der ‑ einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden ‑ Entscheidung 4 Ob 42/10w wurde das Verlassen der Ehewohnung durch den Mann bei wertender Betrachtung einem grundlosen Wegzug gleichgehalten.

2. Auf die Frage, ob auch die Unterlassung der Beendigung des Studiums und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs führen kann (dazu RIS‑Justiz RS0009720), wird zweckmäßigerweise erst nach Vorliegen der Ergebnisse des fortgesetzten Verfahrens zur Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft einzugehen sein.

Wenngleich die Festsetzung des einstweiligen Unterhalts aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen ist und in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO gegeben ist, ist im vorliegenden Fall wegen der mangelnden Sachverhaltsgrundlagen ein Entscheidungsfehler unterlaufen, der einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Rekursgerichts im Umfang der Stattgebung.

II. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zurückzuweisen:

1. Ob ein Vorbringen als zugestanden zu werten ist oder nicht, begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0042828 [T41]). Wenn das Rekursgericht meint, das Vorbringen des Beklagten zu den von ihm geleisteten monatlichen Kreditrückzahlungsraten (das bereits im Schriftsatz vom 8. 7. 2013 erstattet wurde, ohne dass es in der Folge jemals konkret bestritten worden wäre) sei zugestanden, erscheint dies jedenfalls vertretbar. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt deshalb nicht vor. Das Vorbringen, der Beklagte habe seit dem 1. 10. 2013 monatlich nicht 765 EUR, sondern nur mehr 425,04 EUR an Kreditrückzahlungsraten geleistet, verstößt gegen das auch im Revisionsrekursverfahren geltende Neuerungsverbot.

2. Leistungen, die der Unterhaltspflichtige erbringt, können nur dann den Geldanspruch des Unterhaltsberechtigten mindern, wenn sie zur Deckung eines Teils der Lebensbedürfnisse des Berechtigten dienen. Von einem Ehegatten allein getragene Kreditrückzahlungsraten vermindern den Geldunterhaltsanspruch des anderen Ehegatten, wenn diesem der Verbleib in der vormaligen Ehewohnung ermöglicht wird (6 Ob 18/98k; 1 Ob 237/99f ua). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu, weil die Klägerin nunmehr in Wien lebt. Demgegenüber sind sonstige ‑ somit nicht unmittelbar die Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten betreffende ‑ Aufwendungen des Unterhaltspflichtigen lediglich von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Die Tilgung von Krediten des Unterhaltspflichtigen für Investitionen, die zumindest auch den Zwecken des Unterhaltsberechtigten dienen bzw ihm zugute kommen und nicht von vornherein unangemessen hoch sind, sind aber ‑ wie vom Rekursgericht vorgenommen ‑ bei der Bildung der Bemessungsgrundlage entsprechend zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0009578 [T9] mwN). Dass das Rekursgericht die Hälfte der Rückzahlungsraten als Naturalunterhalt veranschlagt hätte (wie die Revisionsrekurswerberin vermeint), entspricht nicht der Aktenlage. Das Vorbringen, der Beklagte erspare sich infolge Benützung der ehemaligen Ehewohnung 1.000 EUR monatlich an Mietkosten, um welchen Betrag sich seine Leistungsfähigkeit erhöhe, ist schon im Hinblick auf das Neuerungsverbot unbeachtlich.

3.1 Der Unterhaltsanspruch des (früher) den Haushalt führenden Ehegatten ohne eigenes Einkommen beträgt aufgrund langjähriger Rechtsprechung grundsätzlich 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen (8 Ob 635/90; 1 Ob 529/92; 6 Ob 194/98t; 9 Ob 99/03d ua). Wenn beide Ehepartner ein Einkommen erzielen, kann der Unterhaltsberechtigte 40 % des Gesamteinkommens abzüglich des Eigeneinkommens als Unterhalt beanspruchen (RIS‑Justiz RS0109424). Bei exorbitant hohen Einkommensunterschieden soll der Verpflichtete aber nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr als ein Drittel seines Nettoeinkommens an Ehegattenunterhalt leisten müssen, wovon das Einkommen des Berechtigten dann aber nicht mehr abzuziehen ist (RIS‑Justiz RS0057433). Auch bei der Festsetzung einstweiligen Unterhalts ist die Anwendung dieser Methoden zulässig und für durchschnittliche Verhältnisse brauchbar (9 Ob 99/03d). Bei konkurrierenden gesetzlichen Sorgepflichten sind diese Grundprozentsätze zu verringern, und zwar bei einem Kind grundsätzlich um 4 % (4 Ob 42/10w ua).

3.2 Die Heranziehung des sich an typischen und durchschnittlichen Konstellationen orientierenden Grundprozentsatzes von 33 % stellt weder ein gravierende Fehlbeurteilung noch eine eklatante Überschreitung des Ermessensspielraums dar, sodass eine erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt. Ein Abgehen von diesem Prozentsatz ist in atypischen Fällen denkbar, die einen höheren Anspruch im Einzelfall gerechtfertigt erscheinen lassen, etwa wenn dies zur Sicherung des Existenzminimums des Unterhaltsberechtigten notwendig ist (8 Ob 635/90). Gründe, die ausnahmsweise eine den konkreten Verhältnissen angepasste individuelle Berücksichtigung der Bemessungskriterien erfordern, macht die Beklagte mit ihrem Vorbringen, „ein niedrigerer Unterhaltsanspruch als 50 % vom Nettoeinkommen des Beklagten sei diskriminierend und verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz“, aber nicht geltend (2 Ob 246/09d; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht, § 94 ABGB Rz 214 ff mwN).

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin war daher mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 402 Abs 4, 78 EO, § 52 Abs 1 ZPO.

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