OGH 5Ob103/13b

OGH5Ob103/13b21.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Herbert Felsberger und Dr. Sabine Gauper‑Müller, Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei S***** L***** G*****, vertreten durch Dr. Ernst Maiditsch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 336.822,65 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. März 2013, GZ 3 R 39/13z‑31, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Jänner 2013, GZ 20 Cg 17/12w‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.772,90 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 462,15 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte und ihr Ehegatte gingen als Mitschuldner ein Kreditverhältnis mit der Klägerin ein, um mit den Kreditmitteln den gemeinsamen Erwerb einer Liegenschaft und die Errichtung eines Anwesens darauf als Familienwohnsitz zu finanzieren. Tatsächlich verwendeten beide auch die Kreditmittel für den Ankauf der Liegenschaft, an der sie je zur Hälfte ideelles Eigentum erwarben, und ließen darauf ein Haus errichten, das sie bis zum Scheitern ihrer Ehe gemeinsam bewohnten. Dieser Verwendungszweck lag auch der Kreditzusage der Klägerin zugrunde. Die Beklagte war damals Hausfrau ohne eigenes Einkommen und ohne Vermögen, sie war von keiner Seite zum Abschluss des Kreditvertrags gedrängt worden. Sie war zuvor im Bereich der Immobilienvermittlung tätig gewesen. Ihr Ehegatte verfügte über ein Nettomonatseinkommen von 3.700 EUR bis 3.800 EUR 14 x jährlich. Neben der Haftung der Beklagten als Mitschuldnerin erfolgten die Einräumung einer Höchstbetragshypothek auf der Liegenschaft sowie die Verpfändung von Ansprüchen des Ehegatten der Beklagten aus einer Er‑ und Ablebensversicherung sowie einer Risikoversicherung.

Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehegatten der Beklagten stellte die Klägerin gegenüber der Beklagten die aushaftende Kreditschuld fällig. Die Beklagte leistete keine Zahlungen.

Beide Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines rechtskräftig abgewiesenen Zinsenmehrbegehrens) statt. Den Einwand der Beklagten, sie sei die Kreditverbindlichkeit nicht als echte Mitschuldnerin eingegangen, sondern habe nur eine Mithaftung als Mitschuldnerin einer materiell fremden Schuld übernommen, weshalb eine Anwendung der Interzessionsregeln der §§ 25a f KSchG zu erfolgen habe, hielten beide Vorinstanzen nicht für berechtigt.

Das Berufungsgericht legte in rechtlicher Hinsicht zugrunde, dass für die Beurteilung, ob der Dritte die Haftung für eine materiell fremde Schuld übernehme, das dem Gläubiger bekannte oder leicht erkennbare Innenverhältnis zwischen dem ursprünglichen und dem hinzutretenden Schuldner maßgeblich sei. Eine materiell fremde Schuld liege vor, wenn dem zahlenden Interzedenten ein Regressanspruch gegen den ursprünglichen Schuldner zustehe. Er müsse also typischerweise damit rechnen können, die Schuld (zumindest wegen seines Regressanspruchs) letztlich materiell nicht tragen zu müssen. Eine derart formelle Haftung müsse für den Gläubiger nach den Umständen des Geschäftsabschlusses erkennbar sein (3 Ob 1/09g ecolex 2009/405 = ÖBA 2010/1591 [Kellner] = ZIK 2010/167).

Ein eigenes Interesse am Kredit indiziere nur die Antwort, ob ‑ wegen Fehlens eines Regressanspruchs ‑ für den Gläubiger erkennbar eine materiell eigene Schuld vorliege oder nicht (4 Ob 205/09i JBl 2010, 509 [Faber/Lukas] = ÖBA 2010/1650 [Apathy] = ecolex 2010/312 = ZIK 2010/300; 8 Ob 5/11k ecolex 2011/168 = ÖBA 2011/1738 = RdW 2011/491; P. Bydlinski in Glosse zu JBl 2009, 253; Kathrein in KBB³ § 25c KSchG Rz 3; Mayerhofer in Rummel³ § 25c KSchG Rz 12).

Nach diesen Grundsätzen lasse die vorliegende Konstellation (nur) die Beurteilung zu, dass „mehrere Personen gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit (als echte Mitschuldner) eingegangen seien“.

Das Berufungsgericht hielt auch den Einwand der Beklagten, sie habe jedenfalls zum Teil eine fremde Verbindlichkeit gesichert, weil ihr an Liegenschaft und dem darauf errichteten Haus nur Hälfteeigentum zugekommen sei, unter Darstellung der dazu ergangenen Entscheidungen und Lehrmeinungen für nicht berechtigt. Die Bejahung einer Interzession setze stets ein entsprechendes Auslegungsergebnis der Parteienvereinbarung zwischen Gläubiger und dem Haftungsübernehmer voraus. Dafür entscheidend, ob ein Interzessionsgeschäft vorliege, könne nur der Parteiwille sein, der aus den Umständen beim Vertragsabschluss zu erschließen sei, wenn er nicht ausdrücklich erklärt werde.

Im Weiteren begründete das Berufungsgericht seine Ablehnung der Zugrundelegung einer Teilinterzession nach dem Gewicht wirtschaftlicher Interessen am Eingehen der Verbindlichkeit mit der Entscheidung 6 Ob 44/11f (JBl 2012, 308 = ÖBA 2012/1819 [Heinrich] = ZIK 2012/288 = ecolex 2012/169 = RdW 2012/348). Dieser Entscheidung sei die Konstellation zugrunde gelegen, wo zwei Lebensgefährten gemeinsam einen Kredit zur Finanzierung eines PKW‑Kaufs aufnahmen, was als Fall einer „echten Mitschuld“ gewertet worden sei, weil mehrere Personen gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit eingegangen wären.

Das Berufungsgericht schloss sich auch der in dieser Entscheidung dargestellten Kritik der vor allem von P. Bydlinski in JBl 2009, 257 [260] und I. Faber in JBl 2010, 513 [515 f] geäußerten Lehrmeinungen an. Die aus der Regressmöglichkeit nach Kopfteilen gemäß § 896 ABGB abgeleitete Ansicht, dass Mitschuldnern im Innenverhältnis stets ein Regress nach Kopfteilen zukomme, lasse praktisch keinen Raum mehr für die Nichtanwendbarkeit von Interzessionsregeln. Im Übrigen habe der Kreditgeber in der Regel auch nicht Einsicht in das interne Verhältnis oder die Vereinbarungen zwischen Mithaftenden. Die Bestimmung des § 896 ABGB sei dispositiv.

Im Weiteren verneinte das Berufungsgericht unter Hinweis auf dazu ergangene Rechtsprechung (4 Ob 123/11h ÖBA 2011/1761 = ZIK 2012/223; RIS‑Justiz RS0048309) das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit der rechtsgeschäftlichen Haftungserklärung der Beklagten beim vorliegenden Sachverhalt.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil aus der Entscheidung 3 Ob 1/09g auch die Ansicht abgeleitet werden könnte, es liege diesfalls ‑ hinsichtlich des unter Verwendung der Kreditmittel zu erwerbenden Hälfteeigentums an der Liegenschaft durch den Ehegatten der Beklagten ‑ eine Teilinterzession vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Das ist wie folgt zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Der Anwendungsbereich des § 25c KSchG beschränkt sich auf Mitschuldner, die einer materiell fremden Verbindlichkeit (Übernahme einer Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse) beitreten. Personen, die gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit als echte Mitschuld eingehen, sind vom Anwendungsbereich des § 25c KSchG hingegen nicht erfasst (RIS‑Justiz RS0119014).

Für die Klärung der Frage, ob eine materiell fremde Schuld besichert oder eine „echte“ Mitschuld eingegangen werden soll, ist das dem Gläubiger bekannte oder von ihm leicht erforschbare Innenverhältnis der beiden Schuldner maßgeblich. Dabei lässt sich eine materiell fremde Schuld dadurch charakterisieren, dass dem Interzedenten im Fall seiner Inanspruchnahme ein Regressanspruch gegenüber dem Schuldner zustünde. Um dies zu beurteilen, ist der Parteiwille maßgeblich, der, wenn er nicht ausdrücklich erklärt wird, aus den Umständen beim Vertragsabschluss zu erschließen ist (3 Ob 111/08g; 3 Ob 1/09g SZ 2009/83; 4 Ob 205/09i SZ 2010/38; 8 Ob 5/11k; 6 Ob 44/11f; 7 Ob 115/11d; 3 Ob 50/13v RWZ 2013/82, 315 [Wenger]).

Liegt die Aufnahme einer Verbindlichkeit von Ehegatten - hier die Aufnahme eines Kredits zum Erwerb einer Liegenschaft und Errichtung eines Hauses darauf als Familienwohnsitz - im gemeinsamen Interesse von Eheleuten und wird dieser Zweck bei der Kreditaufnahme offengelegt, wird dadurch eine „echte“ Mitschuld begründet (vgl auch Pkt II.1 in 3 Ob 1/09g). Wird bei gemeinsamer Kreditaufnahme von Ehegatten zur Schaffung eines gemeinsamen Hauses nichts Gegenteiliges geäußert, ist schon nach dem zugrunde zu legenden Verständnis einer aufrechten Ehe als Solidargemeinschaft (§ 94 ABGB: „nach Kräften“) jedenfalls nicht von einer Anstrengung der Ehegatten für diese Aufwendungen „nach Kopfteilen“ und gegenseitigen Regresspflichten im Sinn des § 896 ABGB auszugehen.

Gerade mit der Zweifelsregel des § 896 ABGB, für die hier nichts spricht, begründen aber P. Bydlinski (JBl 2009, 257 [260, Anm zu 3 Ob 111/08g]) und I. Faber (JBl 2010, 513 [515, Anm zu 4 Ob 205/09i]), ihre Ansicht, dass auch bei solchen Schulden, die im beiderseitigen Interesse beider Mitschuldner aufgenommen werden, also bei „echten“ Mitschulden, die Hälfte Interzessionsregeln unterliegen soll. Es bedarf daher hier keiner Auseinandersetzung mit den vertretenen Meinungen. Diese Ansicht ist vom Obersten Gerichtshof in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 6 Ob 44/11f, die die Kreditaufnahme für einen gemeinsamen PKW im gemeinsamen Interesse von Lebensgefährten zum Gegenstand hatte, auch schon ‑ unter Hinweis auf die Materialien zur KSchG‑Novelle 1997 ‑ ausdrücklich abgelehnt worden.

Ob bei gemeinsamer Aufnahme von Kreditmitteln gleichzeitig ein Beitritt zu einer fremden Schuld und das Eingehen einer eigenen materiellen Schuld denkbar ist, hängt vom Auslegungsergebnis der Parteivereinbarung zwischen Gläubiger und Haftungsübernehmer ab (3 Ob 1/09g mwN) und ist daher in jedem Einzelfall gesondert zu beurteilen.

Bei der dargestellten Rechts- und Sachlage stellt sich die Frage nach der Anwendung von Interzessionsregeln auf die Verbindlichkeit der Beklagten sohin nicht, weil sie ja nicht Interzedentin sondern Hauptschuldnerin war. Insofern liegt daher keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vor.

Die Revision der Beklagten war daher insgesamt mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979; RS0035962).

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