Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
1. Bereits in der in diesem Verfahren ergangenen Vorentscheidung 9 ObA 48/11s wurde die Haftung der Beklagten davon abhängig gemacht, ob die Erstbeklagte vorsätzlich ihre Versicherungspflicht für das zur Straßenbefeuchtung verwendete Unfallfahrzeug (LKW mit Wassertank) verletzt hatte. Als mögliche Anknüpfungspunkte für eine Versicherungspflicht kam die Verwendung des Fahrzeugs im Steinbruchgelände für den Fall, dass es sich nach den örtlichen Gegebenheiten um eine Straße mit öffentlichem Verkehr iSd § 1 Abs 1 StVO handelte, oder die Überführung des Fahrzeugs auf dem Werkstattgelände an einen anderen Ort iSd § 45 Abs 1 Z 1 KFG in Frage. Das Berufungsgericht erachtete diese Voraussetzungen nunmehr als gegeben an.
Rechtliche Beurteilung
Dazu zeigen die Beklagten keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
2. Den Beklagten kann zugestanden werden, dass das wegen beengter Parkplatzverhältnisse erfolgte Verschieben des Unfallfahrzeugs um 20 m auf dem Werkstattgelände der Erstbeklagten hier nicht ausreicht, um von einer die Versicherungspflicht begründenden Probefahrt durch „Überführung an einen anderen Ort“ iSd § 45 Abs 1 Z 1 KFG sprechen zu können. Eine solche Wegstrecke geht über eine - nicht über der Schwelle der Unerheblichkeit liegende - Positionsveränderung des Fahrzeugs nicht hinaus (vgl auch 8 ObA 179/98a: keine Pflicht zur Kfz-Haftpflichtversicherung bei fallweiser Verwendung eines Staplers auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, wenn die dabei zurückgelegten Strecken im Vergleich zur innerbetrieblichen Verwendung zu vernachlässigen sind).
Daraus ist für die Beklagten jedoch nichts zu gewinnen:
3. Die Vorinstanzen leiteten eine Versicherungspflicht der Erstbeklagten auch aus der Verwendung des Unfallfahrzeugs im Steinbruch als Straßengelände mit öffentlichem Verkehr ab. Ob eine Straße mit öffentlichem Verkehr vorliegt, kann nur nach den Gegebenheiten des Einzelfalls beurteilt werden (9 ObA 48/11s), womit in der Regel keine revisible Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet wird, sofern keine korrekturbedürftige grobe Fehlbeurteilung vorliegt. Das ist hier nicht der Fall.
4. Generell sind Straßen mit öffentlichem Verkehr gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 StVO solche, die von jedermann - dh von einem nicht von vornherein bestimmten Personenkreis - unter den gleichen Bedingungen benützt werden können, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freistehen. Maßgeblich sind somit nicht die Besitz- und Eigentumsverhältnisse am Straßengrund, sondern die tatsächliche Benutzbarkeit der Verkehrsfläche. Für die Wertung „Straße mit öffentlichem Verkehr“ ist lediglich das Merkmal des Fußgänger- oder Fahrzeugverkehrs entscheidend (VwGH 27. 5. 2011, 2010/02/0250 ua; s auch 2 Ob 142/01y; RIS-Justiz RS0073076; RS0073098). Daher dient auch eine nur von Fußgängern benützte Landfläche dem öffentlichen Verkehr (2 Ob 142/01y mwN). Eine Straße mit öffentlichem Verkehr liegt auch dann vor, wenn der Verfügungsberechtigte auf ihr den allgemeinen, wenn auch unter Umständen auf bestimmte Personengruppen beschränkten Fahrzeug- oder Fußgängerverkehr zulässt. Nur dann, wenn sich der Verfügungsberechtigte die individuelle Zulassung bestimmter Personen zum Fahrzeug- und/oder Fußgängerverkehr auf der Straße für jedermann (zB durch Hinweistafel oder Schranken) erkennbar vorbehält und diese individuelle Zulassung auch im Sinne des Ausschlusses anderer Personen von dieser Benützung durch bestimmte Maßnahmen regelmäßig sicherstellt, liegt eine Straße ohne öffentlichen Verkehr vor.
Für den Ausschluss des öffentlichen Verkehrs ist ein allgemein sichtbares Benützungsverbot erforderlich, allenfalls mit einem Hinweis auf die Eigenschaft als Privatstraße (VwGH 20. 6. 2001, 99/06/0187). Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Straße dann um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind (RIS-Justiz RS0073102).
5. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die Einfahrtstraße zum Steinbruch von der ***** Hauptstraße zu einem Schotterweg führte, auf dessen rechter Seite ein Schild („Privatstraße - ausgenommen Sand- und Schotterfahrzeuge - kein Gehweg“) war. Etwa 100 m nach Beginn der Privatstraße zweigte ein Wanderweg mit Bank und Mistkübel ab. Etwa einen Kilometer der Privatstraße folgend hing an einer Föhre das Schild „Betreten des Abbaubereichs verboten! Das unbefugte Ablagern von Materialien jeder Art ist unter Hinweis auf Bestrafung nach MinRoG verboten. Achtung! Steinbruch! Absturzgefahr!“. Ob diese Schilder zum Unfallzeitpunkt verwachsen und deswegen kaum lesbar oder nicht verwachsen waren, konnte nicht festgestellt werden. Unmittelbar vor dem Steinbruch befanden sich weitere Schilder („Achtung Steinfall! Betreten verboten!“, „Betreten des Abbaubereichs verboten! Das unbefugte Ablagern von Materialien jeder Art ist unter Hinweis auf Bestrafung nach MinRoG verboten.“). Vom Steinbruch aus gesehen führte rechts eine Straße zu einer Siedlung mit Häusern. Um zu verhindern, dass die dort Wohnenden durch übermäßige Staubbelastung gestört würden, verwendete die Erstbeklagte das Unfallfahrzeug, um die Straße zu befeuchten. Es handelte sich hierbei um eine Strecke von etwa 170 m. An dieser Straße wurde von einem Dritten auch Holz gelagert. Nicht nur Mitarbeiter der Beklagten besorgten sich im Steinbruch Schotter, auch Private erwarben dort Abbruchmaterial. Am Beginn der Privatstraße wurde diese auch von Spaziergängern benützt. Eine Portierhütte war zum Steinbruch nicht vorhanden, lediglich eine Kette.
6. Die Vorinstanzen waren der Ansicht, dass eine Straße mit öffentlichem Verkehr vorlag, weil die Zufahrtsstraße zum Steinbruch zum einen von Fußgängern (Spaziergänger, Wanderer), zum anderen auch von dritten Personen, die mit privaten Fahrzeugen Schotter erwarben, benutzt werden konnte. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Beklagten nicht erfolgreich auf das Vorhandensein der ersten beiden Schilder berufen können, weil deren Erkennbarkeit wegen möglicher Verwachsungen nicht feststeht. Auch das Vorhandensein einer Kette spricht im vorliegenden Fall nicht gegen dieses Ergebnis, weil sie Fußgänger noch nicht von einem seitlichen Durchgang abhalten musste, wenn diese möglicherweise die Beschilderung „Kein Gehweg“ nicht wahrnehmen konnten und in 100 m Entfernung ein Wanderweg mit Bank und Mistkübel ersichtlich war. Es steht auch nicht fest, dass eine allgemeine Benützung jener Straße, die das Abbruchgelände mit der Wohnsiedlung verband, durch eine Kette, einen Schranken oder ähnliches ausgeschlossen war. Die Beurteilung der Vorinstanzen ist damit vertretbar. Dass diese Erwägungen im konkreten Fall auch nicht durch die Bestimmung des von den Beklagten ins Treffen geführten § 118 MinRoG (Legaldefinition einer Bergbauanlage) überformt werden, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt.
7. Mit dem Vorbringen, ihre Versicherungspflicht keinesfalls vorsätzlich vereitelt zu haben, entfernen sich die Beklagten vom festgestellten Sachverhalt.
8. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.
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