OGH 3Ob196/13i

OGH3Ob196/13i19.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Ltd, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Boller Langhammer Schubert Rechtsanwälte KG in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei L***** B.V., *****, vertreten durch Specht Böhm Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 13.533.170 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Juli 2013, GZ 5 R 231/12w‑173, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 16. August 2012, GZ 16 Cg 4/10b‑165, zum Teil bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Versicherer eines niederländischen Unternehmens der Kartonagenerzeugung (im Weiteren: Bestellerin). Diese schloss mit der Beklagten am 30. März/9. April 2004 einen Vertrag über den Umbau einer in den Niederlanden bestehenden Anlage, worin sich die Beklagte zur Durchführung verschiedenster Arbeiten gegen Zahlung eines Werklohns von 7.110.000 EUR (den die Bestellerin nach Beendigung der Arbeiten auch bezahlt hat) verpflichtete. Im Vertrag wurden der Gerichtsstand Wien und die Anwendung materiellen österreichischen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts vereinbart. Zur „Haftung für Schäden“ wurde im Vertragspunkt 10 festgehalten: „Der Auftragnehmer [das ist die Beklagte] haftet im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen für alle Personen- und Sachschäden. Weitere Folgeschäden insbesondere Produktionsausfall und Produkthaftung etc. sind jedoch ausgeschlossen.

Die Umbauarbeiten betrafen auch den seit 1963 in Betrieb gewesenen dampfbeheizten Glättzylinder der Anlage, an dem die Beklagte ein Seilzugsystem anbringen sollte. Die später umgesetzte Konstruktion wurde von der Beklagten vorgeschlagen, die die nötigen Zeichnungen anfertigte. Nach dem Anbot der Beklagten, das dem Vertrag zugrunde gelegt wurde, sollten zur Position Seilführung die Klärungen mit der zuständigen niederländischen Behörde und Maßnahmen für den Unfallschutz (der Nebenintervenientin) durch die Bestellerin erfolgen, die Beklagte werde Unterstützung leisten. Beide Vertragsparteien gingen dabei davon aus, dass die geplanten Arbeiten von der Nebenintervenientin genehmigt werden müssen. Nach Abschluss des Vertrags einigten sie sich darauf, dass die Beklagte direkt mit der Nebenintervenientin in Verbindung treten werde. Die Beklagte übermittelte der Nebenintervenientin zur Beurteilung der geplanten Arbeiten vorläufige Informationen und Unterlagen, darunter Skizzen (auch Ausschnittszeichnungen des Glättzylinders) und Beschreibungen, in welchen festgehalten war, dass die Beklagte die Festigung der Seilsegmente an der Flanschplane und dafür Bohrungen vornehmen wolle. Der Nebenintervenientin wurde sowohl in einem Telefonat als auch in einem Fax erklärt, dass die Bohrungen außerhalb des direkt vom Dampfdruck betroffenen Bereichs des Zylinders, also außerhalb des Druckraums erfolgen werden. Die Nebenintervenientin und die Beklagte gelangten übereinstimmend zur Ansicht, dass die Nebenintervenientin die Arbeit gar nicht genehmigen müsse. Weil die Beklagte die Nebenintervenientin um eine diesbezügliche schriftliche Bestätigung ersuchte, unterschrieb die Nebenintervenientin unter der Klausel „examined" das Telefax der Beklagten vom 17. Mai 2004, worin die Beklagte unter anderem erklärt hatte, dass die Nebenintervenientin im Telefonat mitgeteilt habe, dass seitens ihrer Behörde für diesen konkreten Fall (Befestigung an der Stirnseite des über den Anschraubflansch herausragenden Mantelrandes, also außerhalb des Druckraums) keine Einwände und Bedenken bestehen. Davon setzte die Beklagte die Bestellerin in Kenntnis. Danach erfolgte keine konstruktive Änderung der Befestigung der Seilringsegmente mehr.

Die Umbauarbeiten wurden von der Beklagten vom 13. August bis 18. Oktober 2004 durchgeführt. Beim Glättzylinder bohrten die Arbeitnehmer der Beklagten in die Stirnfläche des führerseitigen Kragens des Mantels 36 Sacklöcher mit einer Tiefe von 44 mm und mit 30 mm tiefen Gewinden, worin sie dann mit 36 Kopfschrauben M16 zwölf Kreisringsegmente für die Seilführung anschraubten. Die Nebenintervenientin überprüfte die durchgeführten Arbeiten nicht.

Durch diese Bohrungen wurden die Spannungen in der Stirnseite des Flansches am Rand der Sacklochbohrung auf das 3,24-fache erhöht. Die Wärmespannungen erreichten deshalb anlässlich des Anwärmvorgangs am Schadenstag eine Größe, die die für einen Anriss (Rissstart) erforderliche Größe bei weitem überstieg und waren somit Ursache des Schadens.

Die aus diesen Arbeiten resultierenden erheblichen Auswirkungen auf den sicheren Betrieb der Anlage, insbesondere im Hinblick auf Wärmespannungen, waren weder Gegenstand der Vertragsgespräche noch irgendwelcher Überlegungen oder Berechnungen der Arbeitnehmer der Beklagten. Das Auftreten erhöhter Wärmespannungen infolge der Anbringung derartiger Seilzugelemente ist für einen in diesem Bereich tätigen Spezialisten ein bekanntes Phänomen; den Arbeitnehmern einer Papierfabrik muss dies allerdings nicht bekannt sein. Auch die konkrete Vorgangsweise beim Aufheizen der Anlage und des Glättzylinders wurde von den Vertragsparteien nicht erörtert.

Nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik sind derartige Zylinder langsam und rotierend aufzuheizen. Die Bestellerin hat den Glättzylinder aber seit jeher anfangs im Stillstand befindlich aufgeheizt.

Nach Abschluss der Arbeiten der Beklagten wurde die Anlage am 15. November 2004 wieder ohne Probleme in Betrieb genommen, die Abnahme erfolgte am 4. Jänner 2005. In weiterer Folge wurde die Anlage wiederholt gewartet; danach musste der Glättzylinder immer aufgeheizt werden, wobei es bis zum 14. September 2005 keine Probleme gab. An diesem Tag wurde der Glättzylinder unüblich schnell aufgeheizt, und zwar derart, dass innerhalb von knapp 15 Minuten ab Beginn der Dampfzufuhr eine Dampfmenge von ca 13 t/h erreicht wurde. Danach wurde die Dampfmenge langsam weiter gesteigert, erreichte nach knapp 30 Minuten ab Beginn der Dampfzufuhr das Maximum von ca 15,5 t/h, danach wurde sie wieder gedrosselt. Dieses Vorgehen führte zu im Vergleich mit langsameren Aufheizvorgängen größeren Wärmespannungen, was dazu führte, dass der Glättzylinder explosionsartig zerbarst. Die durch das schnelle Aufheizen entstandenen größeren Wärmespannungen hätten allerdings ohne die von der Beklagten gesetzten Bohrungen keinen Riss und damit auch nicht den tatsächlich eingetretenen Schaden verursacht. Der von der Beklagten umgebaute Glättzylinder wäre nur dann nicht beschädigt worden, wenn der Aufheizvorgang zumindest fünf Mal langsamer als am 14. September 2005 durchgeführt worden wäre.

Die Klägerin leistete der Bestellerin aufgrund des Versicherungsvertrags Zahlungen, und zwar für Sachschaden 4.938.810 EUR und für Ertragsausfall 7.665.401 EUR. Die Bestellerin musste zum Sachschaden einen Selbstbehalt von 250.000 EUR und zum Ertragsausfall einen Selbstbehalt von 678.959 EUR tragen. Diese Forderungen gegen die Beklagte hat sie der Klägerin mit einer Inkassozession abgetreten.

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Summe dieser Beträge, also 13.533.170 EUR sA. als Versicherer der Bestellerin und aufgrund einer Inkassozession. Die Bestellerin betreibe in den Niederlanden eine Kartonagenproduktionsfabrik und habe die Beklagte mit Arbeiten an ihrer Anlage beauftragt. Nach deren Abschluss sei am 14. September 2005 ein Neustart erfolgt, bei dem es zu einer heftigen Explosion gekommen sei, wodurch der Zylinder in mehrere Einzelteile zerbrochen sei. Die Ursache des Schadens sei ein Bohrloch der Beklagten gewesen, das Spannungskonzentrationen bewirkt habe. Die Druckgeräte-Richtlinie 97/23/EG sei in den Niederlanden durch den „Besluit drukapparatur“ umgesetzt worden, der ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB darstelle. Der Glättzylinder sei ein Druckgerät iSd Art 1 Abs 2 der Richtlinie, die Bestimmungen der Richtlinie seien daher zu beachten gewesen. Die Beklagte habe aber entgegen dieser Bestimmungen keine Gefahrenanalyse durchgeführt, sie habe keine Berichte vorgelegt und nicht das in der Richtlinie vorgegebene Verfahren angewendet; sie habe vor den Spannungskonzentrationen durch die Bohrlöcher nicht gewarnt und sie habe auch keine geeigneten Schutzmaßnahmen angewendet. Prüfungen hätten zur Entdeckung der Auswirkungen der Gewindelochbohrungen auf die Intaktheit des Zylinders geführt. Es sei zwar ein Haftungsausschluss für Folgeschäden wie insbesondere für den Produktionsausfall vereinbart worden, dies sei aber bei krasser grober Fahrlässigkeit sittenwidrig, die die Beklagte zu verantworten habe. Der Haftungsausschluss beziehe sich auch nur auf vertragliche Schadenersatzansprüche und nicht auf solche bei Verletzung eines Schutzgesetzes.

Die Beklagte bestritt und wendete ein, die Arbeiten am Zylinder hätten zu keiner Änderung an den druckrelevanten Bereichen, am Betrieb und an der Heizung der Anlage geführt. Die Beklagte habe die niederländische Aufsichtsbehörde für Dampfkessel (die Nebenintervenientin) über die beabsichtigten Arbeiten in Kenntnis gesetzt, diese habe die Arbeiten genehmigt. Zu den Schäden sei es nur durch ein vorschriftswidriges und nicht dem Stand der Technik entsprechendes Verhalten des Personals der Bestellerin bei der Inbetriebnahme gekommen. Alle von der Bestellerin beauftragten Arbeiten seien von der Beklagten ordnungsgemäß und sorgfältig erledigt worden. Die Druckgeräte-Richtlinie sei hier gar nicht anzuwenden, weil die Beklagte nicht der Hersteller der Anlage sei.

Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten bestritt im Sinn des Beklagten. Die Druckgeräte-Richtlinie und der „Besluit drukapparatur“ seien keine Schutzgesetze, die Beklagte sei auch nicht Normadressat. Den Vertrag habe die Bestellerin entworfen, er sei auf ihrem Geschäftspapier erstellt worden, sie könne sich daher nicht auf die Sittenwidrigkeit ihres eigenen Vertrags berufen. Die Nebenintervenientin sei hinsichtlich der von der Beklagten vorgenommenen Änderungen, so weit ihr diese von der Beklagten bekannt gegeben worden seien, nach Niederländischem Recht nicht zur Überprüfung oder zur genaueren Untersuchung verpflichtet gewesen. Der Stempel der Nebenintervenientin auf dem Telefax der Beklagten sei nur eine Bestätigung für den Eingang des Schriftstücks.

Das Erstgericht erließ ein Teil- und Zwischenurteil, mit dem es 1. die Beklagte verpflichtete, der Klägerin 873.869,49 EUR sA zu zahlen, 2. ein Mehrbegehren von 8.344.359 EUR sA abwies und 3. aussprach, dass das verbleibende Klagebegehren von 4.314.941,51 EUR sA dem Grunde nach zu Recht bestehe; 4. behielt es die Entscheidung über die Höhe des Begehrens laut Punkt 3. und über die Prozesskosten der Endentscheidung vor. Es ging im Wesentlichen von dem eingangs dargestellten Sachverhalt aus (der im unterstrichenen Bereich von der Beklagten mit Berufung bekämpft wurde). In seiner rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zum Schluss, dass der Beklagten die Verletzung einer Aufklärungspflicht anzulasten sei. Dies sei kausal für den eingetretenen Schaden gewesen. Die Bestellerin treffe kein Mitverschulden. Der Haftungsausschluss sei aber auch für grobe Fahrlässigkeit zulässig, wenn er nicht sittenwidrig sei. Letzteres gelte (nur) dann, wenn der Beklagten ‑ anders als hier ‑ krasse grobe Fahrlässigkeit unterlaufen sei. Somit sei das Begehren der Klägerin auf Ersatz von Gewinnentgang von 5.199.114 EUR und erhöhter Produktionskosten von 3.145.245 EUR abzuweisen. Der restliche Anspruch der Klägerin sei dem Grunde nach berechtigt, wobei über die von der Beklagten anerkannten Beträge von 873.869,49 EUR ein stattgebendes Teilurteil habe ergehen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte Punkt 2. des Ersturteils (Abweisung von 8.344.359 EUR sA) als Teilurteil; die ordentliche Revision erklärte es wegen Einzelfallbeurteilung für nicht zulässig. Der Berufung der Beklagten gab es Folge und hob das Ersturteil im Übrigen auf und trug ihm die neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf; ein Rechtskraftvorbehalt wurde nicht gesetzt. Es erachtete den Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit als wirksam vereinbart und verneinte ein krass grob fahrlässiges Fehlverhalten der Beklagten, weshalb die Freizeichnung nicht nur für den Gewinnentgang sondern auch für die erhöhten Produktionskosten zum Tragen komme; daher sei die vom Erstgericht vorgenommene Abweisung als Teilurteil zu bestätigen. Im Übrigen erachtete es eine Mängelrüge der Beklagten als berechtigt und trug dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung durch Aufnahme eines weiteren Sachverständigenbeweises auf, ohne die bereits erwähnten Beweisrügen der Beklagten zu erledigen.

Gegen das klageabweisende Teilurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie die Abänderung im Sinn eines stattgebenden Zwischenurteils anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Fragen der Auslegung einer vereinbarten Haftungsbeschränkung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt (RIS-Justiz RS0112106; RS0042936). Auch die Beurteilung der Frage, ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls, die nicht aufzugreifen ist, wenn das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens nicht überschritten hat (RIS-Justiz RS0042881 [T8]). Da derartige Fehlbeurteilungen des Berufungsgerichts ‑ auch auf der Grundlage jener für die Beklagte nachteiligen Feststellungen, gegen die diese Beweisrügen erhob, die aber vom Berufungsgericht unbehandelt blieben ‑ angesichts der gegebenen besonderen Umstände zu verneinen sind, erweist sich die außerordentliche Revision der Klägerin als nicht zulässig.

1. Zur Auslegung der Freizeichnung

1.1. Auch Vereinbarungen über die Beschränkung oder den Ausschluss der Haftung sind nach §§ 914 f ABGB auszulegen (RIS-Justiz RS0016561 [T2]); es ist daher zunächst vom Wortsinn auszugehen und sodann der Wille der Parteien - das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden - zu erforschen; letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0017915; Bollenberger in KBB³ § 914 ABGB Rz 5). Dabei ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls unentgeltliche Verzichtserklärungen einschränkend auszulegen sind (6 Ob 110/07f; RIS-Justiz RS0038546). Es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt. Ansprüche, an welche die Parteien überhaupt nicht denken konnten, fallen nicht unter derartige Vereinbarungen (6 Ob 258/68 = SZ 41/131; 1 Ob 566/79; RIS-Justiz RS0038178 [T4]; RS0033945). Als verzichtbar werden nur voraussehbare und kalkulierbare Risken angesehen (RIS‑Justiz RS0034024).

1.2. Nach dem Wortlaut der hier zu beurteilenden Vertagsbestimmung wird die Haftung der Beklagten „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ für alle Personen- und Sachschäden ausdrücklich unberührt gelassen. Der wörtlich zitierte Zusatz lässt erkennen, dass dieser Vertragspunkt nicht nur Schadenersatzansprüche der Beklagten wegen der Verletzung von Vertragspflichten anspricht, sondern auch die Deliktshaftung der Beklagten; deshalb sind auch aus der Verletzung von Schutzgesetzen abgeleitete Schadenersatzansprüche Gegenstand des Vertragspunktes 10. Das gilt mangels Differenzierung auch für die im Weiteren festgelegte Ausnahme, die darin besteht, dass „weitere Folgeschäden, insbesondere Produktionsausfall und Produkthaftung etc.“ ausgeschlossen wurden, dh seitens der Bestellerin ein Verzicht auf den Ersatz von Folgeschäden abgegeben wurde.

Die Parteien des Werkvertrags haben daher nicht einen generellen Haftungsausschluss vereinbart, sondern (nur) eine Beschränkung der Haftung der Beklagten, die in der Freizeichnung von ex contractu und ex delicto zu vertretenden „Folgeschäden“ besteht.

1.3. Bei der Auslegung des verwendeten Begriffs der „weiteren Folgeschäden“ ist an den davor genannten „Personen- und Sachschäden“ anzuknüpfen. Personenschäden und deren Folgen stehen hier gar nicht zur Debatte. Unter Sachschäden ist im Allgemeinen die Beschädigung von im Eigentum des Geschädigten (hier der Bestellerin) stehenden körperlichen Sachen zu verstehen, weshalb die Aufrechterhaltung der Haftung dafür die Verpflichtung der Beklagten bedeutet, diese realen Schäden durch Natural- oder Geldersatz auszugleichen. Demgegenüber sind unter „Folgeschäden“ jene nachteiligen Veränderungen des Vermögens des Geschädigten zu verstehen, die Folge dieses Eingriffs sind. Dass darunter aber nicht nur Gewinnentgang wegen des mit dem Eingriff verbundenen Produktionsausfalls verstanden wurde, belegt die beispielsweise Erwähnung der Produkthaftung, weil damit auch eine der Bestellerin entstandene Verpflichtung aus dem Titel der Produkthaftung gegenüber Dritten als Folgeschaden deklariert wurde. Die Belastung mit einer Verbindlichkeit ist aber positiver Schade (1 Ob 184/12h mwN; RIS-Justiz RS0022568). Die Differenzierung zwischen den Schäden, für die die Beklagte zu haften hat, und jenen bei denen dies nicht der Fall sein soll, erfolgte daher nicht entsprechend der gängigen Unterscheidung zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn, sondern zwischen unmittelbar eingetretenen realen Schäden und den als adäquate Folge davon eintretenden weiteren Vermögensschäden. Unter letztere sind aber sowohl der von der Klägerin begehrte Gewinnverlust (den auch die Klägerin als Folgeschaden ansieht) als auch der von ihr verlangte Ersatz erhöhter Produktionskosten zur Abwehr eines höheren Gewinnverlusts unabhängig davon zu subsumieren, ob ein solcher Aufwand zur Vermeidung einer Schadensvergrößerung als positiver Schaden anzusehen sein sollte (vgl Karner in KBB³ § 1293 ABGB Rz 7 mwN).

1.4. Zur Frage der Vorhersehbarkeit der Folgeschäden ist darauf abzustellen, ob die Parteien an deren Eintritt denken konnten; darauf, ob sie daran tatsächlich gedacht haben, kommt es daher nicht an. Die Argumentation in der Revision, beide Vertragsparteien hätten hinsichtlich der Arbeiten am Glättzylinder überhaupt nicht an die Möglichkeit einer Gefährdung, geschweige denn Explosion gedacht (S 11/12), entfernt sich überdies vom festgestellten Sachverhalt, der dazu für die Bestellerin keine Urteilsannahme enthält. Der Umstand, dass sich die Beklagte Gedanken weder über das Auftreten erhöhter Wärmespannungen infolge ihrer Arbeiten am Glättzylinder noch über die daraus resultierenden erheblichen Auswirkungen auf den sicheren Betrieb der Anlage machte, bedeutet nicht, dass die Beklagte eine Explosion des unter Druck betriebenen Glättzylinders nicht voraussehen konnte; vielmehr macht ihr die Klägerin diese Gedankenlosigkeit zum Vorwurf und unterstellt damit, sie hätte daran nicht nur denken können, sondern müssen.

Fest steht, dass beide Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrags davon ausgingen, dass die geplanten Arbeiten am Glättzylinder einer Genehmigung durch die Nebenintervenientin bedürfen. Nach den Behauptungen der Klägerin ist diese die in den Niederlanden dazu benannte Aufsichtsbehörde, die die Einhaltung aufgrund öffentlich‑rechtlicher Normen bestehender Sicherheitsvorschriften ua bei der Fertigung von Druckgeräten mit einem maximal zulässigen Druck von über 0,5 bar zu überprüfen hat (Klage S 11; ON 7 S 11 ff). Demnach war (auch) der Bestellerin bei Abgabe des Vorausverzichts die Notwendigkeit einer behördlichen Genehmigung der Arbeiten der Beklagten an dem unter Druck betriebenen Glättzylinder aus Sicherheitsgründen bewusst; unter diesen Umständen der Bestellerin abzusprechen, sie habe die Gefahr einer Explosion des modifizierten Druckgeräts ausschließen können und beträchtliche Folgeschäden (an Gewinnausfall und erhöhter Produktionskosten) überhaupt nicht bedenken können, ist durchaus vertretbar. Die spätere Erkenntnis, dass eine behördliche Genehmigung gar nicht erforderlich ist, ändert daran nichts, weil die Voraussehbarkeit im Zeitpunkt des Zustandekommen des Verzichts, also bei Vertragsabschluss zu beurteilen ist (3 Ob 2004/96v ua). Der Umstand, dass die Bestellerin für die von der Haftung der Beklagten ausgenommenen Folgeschäden einen mit einem Selbstbehalt eingeschränkten Versicherungsschutz genoss, machte diese Schäden auch kalkulierbar.

1.5. Zusammengefasst ist daher das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts,

- die vereinbarte Haftungsbeschränkung erfasse sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche auf Schadenersatz wegen Folgeschäden (S 22),

- unter die nicht nur der begehrte Gewinnverlust, sondern auch der verlangte Ersatz erhöhter Produktionskosten zur Abwehr eines höheren Gewinnverlusts fallen (S 21/22), und

- die geltend gemachten Folgeschäden seien für die Bestellerin nicht unvorhersehbar gewesen (S 14),

jedenfalls vertretbar.

2. Zum zulässigen Umfang der Freizeichnung

2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach die Rechtsansicht vertreten, dass der Ausschluss der Haftung für (schlichte) grobe Fahrlässigkeit nicht in jedem Fall unwirksam ist, wohl aber bei krass grober Fahrlässigkeit, weil dann Sittenwidrigkeit anzunehmen ist (RIS-Justiz RS0016582; RS0016583), und zwar auch für entgeltliche Verträge (7 Ob 5/85 [Kauf eines LKW-Anhängers]; 2 Ob 212/08b [Bodenabfertigungsvertrag]). Diese Rechtsansicht wird zwar von Reischauer (Vertraglicher Haftungsausschluss für schuldhaftes Verhalten, insbesondere für grobe Fahrlässigkeit, ÖJZ 2009, 1037 [1044]) generell abgelehnt; allerdings wird der Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit unter gleichrangigen Vertragspartnern durch individuelle Vereinbarung (ausgenommen für Personenschäden) in der Lehre auch als zulässig angesehen (Koziol Haftpflichtrecht I³ Rz 18/22; Völkl/Völkl Handbuch der Beraterhaftung Rz 427; vgl auch Krejci in Rummel³ § 879 ABGB Rz 115 aE).

2.2. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier vor.

Denn bei Abschluss des Werkvertrags zwischen der Bestellerin und der Beklagten bestand keine typische Ungleichgewichtslage wie zwischen Verbraucher und Unternehmer, sondern es standen einander gleichrangige Unternehmen gegenüber. Das Vorbringen der Beklagten in erster Instanz, der rechtliche Teil des Vertrags sei von der Bestellerin entwickelt und nach Akkordierung mit der Beklagten fertiggestellt worden, die rechtlichen und kaufmännischen Fragen seien vor allem von der Bestellerin vorgegeben worden (ON 8 S 3 und 4), blieb von der Klägerin unbestritten, weshalb es das Berufungsgericht vertretbar (und unbeanstandet) als zugestanden ansah (Berufungsurteil 15). Das bedeutet nicht nur, dass die Haftungsbeschränkung von der Klägerin eingebracht wurde, also gar nicht die Beklagte bestrebt war, ihre Verantwortlichkeit zu reduzieren, sondern auch, dass ua der die Freizeichnung regelnde Vertragspunkt ausgehandelt wurde. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang ‑ von der Klägerin ebenso unbeanstandet ‑ weiters angenommen, dass die Vertragsparteien bei der Festlegung der jeweils zu erbringenden Leistungen die Vereinbarung der Freizeichnung mitberücksichtigt haben, weil es naheliegend sei, dass die Bestellerin, wenn sie auf einer völlig unbeschränkten Haftung der Beklagten bestanden hätte, einen höheren Werklohn als tatsächlich vereinbart bezahlen hätte müssen (Berufungsurteil 16); für das Revisionsverfahren ist deshalb eine entgeltliche Verzichtserklärung der Bestellerin zu unterstellen. Schließlich verweist auch das Berufungsgericht zu Recht darauf, dass gar kein Haftungsausschluss vereinbart wurde, sondern nur eine Beschränkung durch Freizeichnung von der Haftung für Vermögensschäden, die durch unmittelbare (Personen- und) Sachschäden ausgelöst wurden; dafür genoss die Bestellerin aber einen sehr weitreichenden Versicherungsschutz, weshalb der von ihr abgegebene Vorausverzicht auch nicht die Gefahr einer wirtschaftlichen Vernichtung der Bestellerin befürchten ließ.

2.3. Unter diesen besonderen Umständen hat das Berufungsgericht eine Sittenwidrigkeit der Freizeichnung für von der Beklagten (schlicht) grob fahrlässig verursachter Folgeschäden jedenfalls vertretbar verneint, sodass kein Anlass besteht, von der angesprochenen Judikatur abzugehen.

3. Zur krass groben Fahrlässigkeit

3.1. Die Klägerin vertritt weiters den Standpunkt, der Beklagten sei ein krass grob fahrlässiges Fehlverhalten anzulasten. Ein solches wird allgemein dann angenommen, wenn die unterlaufene Fahrlässigkeit so krass ist, dass mit einem derartigen Verhalten nach den Erfahrungen des täglichen Lebens und nach redlicher Verkehrsübung nicht gerechnet werden kann, sodass die grobe Fahrlässigkeit dem Vorsatz gleichzustellen ist (RIS-Justiz RS0016582).

3.2. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine „völlig unzureichende Meldung an die Nebenintervenientin“ ins Treffen führt und zur Begründung auf einen in erster Instanz erstatteten Schriftsatz verweist, ist darauf nicht weiter einzugehen (RIS-Justiz RS0043616).

3.3. An anderer Stelle beharrt die Klägerin darauf, die Beklagte hätte auf den Inhalt der Richtlinie 97/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Mai 1997 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mietgliedstaaten über Druckgeräte und deren Umsetzung in den Niederlanden durch den „Besluit drukapparatuur“ als Schutzgesetz Bedacht zu nehmen gehabt. Auf deren Anwendbarkeit auf die Modifikationen am Glättzylinder durch die Beklagte kommt es aber gar nicht an. Es macht nämlich für die Bewertung des Fehlverhaltens der Beklagten keinen wesentlichen Unterschied, ob der Vorwurf, sich Gedanken weder über das Auftreten erhöhter Wärmespannungen infolge ihrer Arbeiten am Glättzylinder noch über die daraus resultierenden erheblichen Auswirkungen auf den sicheren Betrieb der Anlage gemacht zu haben, auf eine Missachtung der anerkannten Regeln der Technik, die dem Werkunternehmer bekannt sein mussten, oder auf die Verletzung eines diesen Regeln entsprechenden Schutzgesetzes zurückzuführen ist.

3.4. Die erwähnte Nachlässigkeit der Beklagten hatte zur Folge, dass sie sich bei der Bestellerin weder nach dem üblichen Aufheizprozedere erkundigte noch diese über die Auswirkungen der Modifikation des Glättzylinders auf den sicheren Betrieb der Anlage aufklärte. Anders als es die Klägerin in der Revision darzustellen versucht, handelt es sich dabei aber nicht um zusätzliche, gesondert zu bewertende Fehler der Beklagten, sondern um die zwingenden Auswirkungen ihrer technischen Fehleinschätzung. Diese ist angesichts des für die Beklagte geltenden Sorgfaltsmaßstabs des § 1299 ABGB zweifellos als eine unentschuldbare Pflichtverletzung anzusehen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen ganz erheblich übersteigt und den Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich voraussehbar machte. Sie ist deshalb als grob fahrlässiges Fehlverhalten zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0030303; RS0030359). Darüber hinausgehende Schuldelemente, wie zB Mängel bei der Werkherstellung, eine Verharmlosung der tatsächlich bestehenden Risken gegenüber der Beklagten oder eine Verschleierung der beabsichtigten Arbeiten am Glättzylinder gegenüber der Aufsichtsbehörde, um einer Kontrolle zu entgehen, fallen der Beklagten aber nicht zur Last.

Damit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt ganz wesentlich von jenem, der der E 1 Ob 269/05y zugrunde liegt. Diese nennt die Klägerin als Beleg dafür, dass der Beklagten krass grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Dort hatte die Werkbestellerin nämlich nicht nur dem Stand der Technik nicht entsprechende Mängel des von ihr hergestellten Werks und eine Häufung von Unterlassungen zu vertreten, sondern auch den schwerwiegenden Umstand, dass wahrheitswidrig Arbeitsschritte abgezeichnet wurden, um damit die ordnungsgemäße Durchführung dieser Arbeitsschritte vorzutäuschen.

3.5. Die auch das Verhalten der Beklagten gegenüber der Nebenintervenientin berücksichtigende Beurteilung des Berufungsgerichts, das Verschulden der Beklagten sei nicht so krass, dass es einem vorsätzlichen Verhalten gleichgestellt werden könnte (Berufungsurteil 21), erweist sich daher als durchaus vertretbar.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO). Eine Stellungnahme zum unbekämpfbaren Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist dem Obersten Gerichtshof verwehrt.

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