OGH 2Ob212/08b

OGH2Ob212/08b22.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Sol und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei F***** AG, *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen 1.139.695,31 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Juli 2008, GZ 5 R 54/08k-23, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. Dezember 2007, GZ 34 Cg 134/06x-19, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als

Zwischen- und Teilurteil

lauten:

Das Klagebegehren von 174.706,63 EUR sA (Flugzeugschaden) besteht dem Grunde nach zu Recht.

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 964.988,68 EUR sA seit 14. 8. 2003 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte (F***** AG) schlossen am 21. 12. 1999 einen Bodenabfertigungsvertrag (SGHA), der auf einem von der International Air Transport Association (IATA), einer Vereinigung und Interessensvertretung der Internationalen Luftlinien, 1998 ausgearbeiteten, standardisierten Bodenabfertigungsvertrag basiert. Gegenstand der Vereinbarung, die vom 1. 1. 1999 bis 31. 12. 2003 galt, waren die Bodendienste der Beklagten. Die hier relevanten, in Art 8 SGHA enthaltenen Haftungsbestimmungen entsprechen jenen des standardisierten Bodenabfertigungsvertrages der IATA. Der Vertrag wurde in englischer Sprache verfasst und erst für das gerichtliche Verfahren ins Deutsche übersetzt.

Punkt 8.1 SGHA lautet:

Mit Ausnahme der in Unterpunkt 8.5 genannten Fälle wird das Luftverkehrsunternehmen keinerlei Forderungen an die F***** AG stellen und letztere (vorbehaltlich der nachstehend angeführten Bestimmungen) gegenüber allen rechtlichen Haftungen im Zusammenhang mit Forderungen oder Klagen, einschließlich der damit einhergehenden Kosten und Ausgaben, schadlos halten, die sich auf Folgendes beziehen:

a) Verspätung, Verletzung oder Tod von Personen, die vom Luftverkehrsunternehmen befördert werden oder zu befördern sind;

b) Verletzung oder Tod eines Mitarbeiters des Luftverkehrsunternehmens;

c) Beschädigung oder Verlust von Gepäck, Fracht oder Post, die vom Luftverkehrsunternehmen befördert werden oder zu befördern sind bzw Eintritt von Verspätungen bei einer solchen Beförderung und

d) Beschädigung oder Verlust von Gütern, die sich im Eigentum des Luftverkehrsunternehmens befinden oder von diesem oder in dessen Namen betrieben werden, sowie etwaige mittelbare Verluste oder Folgeschäden,

die sich aus einer Handlung oder Unterlassung der F***** AG im Rahmen der Erfüllung der vorliegenden Vereinbarungen ergeben, es sei denn, dass diese Handlungen bzw Unterlassungen geschehen mit der Absicht, Schaden, Tod, Verspätung, Verletzung oder Verlust herbeizuführen oder rücksichtslos (grob fahrlässig) und in dem Wissen, dass sich dadurch wahrscheinlich Schäden, Tod, Verspätungen, Verletzungen oder Verluste ergeben würden.

Die strittige Passage zur grob fahrlässigen Schadenszufügung lautet im englischen Original:

... recklessly and with the knowledge that damage, death, delay, injury or loss would probably result.

„Spiegelverkehrt" ist in Punkt 8.2 zugunsten des Luftverkehrsunternehmens eine, was die Verschuldensform betrifft, wortgleiche Haftungsbeschränkung enthalten.

Punkt 8.5 SGHA lautet auszugsweise:

„Ungeachtet des Unterpunkts 8.1 (d) hält das Bodenabfertigungsunternehmen den Luftfrachtführer gegenüber jeglichem physischen Verlust oder Schaden am Flugzeug des Luftfrachtführers schadlos, der durch die fahrlässige Bedienung der Gerätschaften für die Be- und Entladung des Flugzeugs (ground support equipment)" - im Originaltext: negligent operation of ground support equipment - „... verursacht wird, ..."

„ground support equipment" =

Bodenabfertigungsausrüstung wird in Art 8 lit b definiert als

„alle Gerätschaften, die bei der Erbringung der Abfertigungsdienste am Boden, die in Anhang A enthalten sind, verwendet werden, unabhängig davon, ob diese stationär oder mobil sind."

Inhalt der vorangegangenen Vertragsverhandlungen war insbesondere gewesen, dass der standardisierte Bodenabfertigungsvertrag der IATA 1998 auch dem Bodenabfertigungsvertrag (SGHA) zugrundegelegt würde. Dies galt auch für die Haftungsbestimmungen des standardisierten Bodenabfertigungsvertrags. Die Klägerin versuchte nicht, die Bestimmungen des standardisierten Bodenabfertigungsvertrags der IATA 1998 zu ihren Gunsten abzuändern. Über die Auslegung der Bestimmungen wurde nicht gesprochen.

Am 5. 2. 2002 lenkte Josef S***** ein Schlepperfahrzeug, mit dem er eine Boeing 777 vom Hangar zur Abstellposition 59 beim Pier Ost am Flughafen W***** schleppte. Bei diesem Schleppvorgang befindet sich kein Pilot, sondern ein Bremser der Klägerin im Cockpit des Flugzeugs. Bei dem Schleppvorgang war das orangefarbene Rundumlicht des Schlepperfahrzeugs aktiviert. Bei der Boeing 777 waren die roten Kollisionswarnleuchten eingeschaltet, die Triebwerke hingegen nicht. Plangemäß sollte das Flugzeug bei der Abstellposition 59 auf dem Stopppunkt Nr 2 parken. Der Schlepperfahrer hielt jedoch irrtümlich beim Stopppunkt 3 an, funkte dem im Cockpit sitzenden Bremser, dieser sollte die Bremse aktivieren, was auch geschah. Der Schlepperfahrer stieg aus, nahm die Bremsklötze und wollte diese positionieren. Zu diesem Zeitpunkt waren nach wie vor das rote Kollisionslicht am Flugzeug und das orange Rundumlicht am Schlepperfahrzeug eingeschaltet.

Unmittelbar nachdem der Lenker des Schlepperfahrzeugs ausgestiegen war, fiel dem Lenker eines Follow-me-Fahrzeugs auf, dass die Boeing 777 am falschen Stopppunkt stand. Nachdem er den Lenker des Schlepperfahrzeugs darauf aufmerksam gemacht hatte, ging dieser wieder zum Schlepperfahrzeug, legte die Bremsklötze darauf und stieg wieder ein. Nach einem entsprechenden Funksignal an den Bremser deaktivierte dieser die Bremsen. Die Entfernung zwischen Stopppunkt 2 und Stopppunkt 3 beträgt ca 1,5 m. Von dem Zeitpunkt, als der Schlepperfahrer das Fahrzeug verließ, um die Bremsklötze zu positionieren, bis zu dem Zeitpunkt, als er wieder in das Schlepperfahrzeug stieg, verging ca eine halbe bis eine Minute.

Der Fahrer eines Cateringfahrzeugs der Beklagten wartete ursprünglich während des Schleppvorgangs neben der Position 59 hinter der Sicherheitslinie. Nachdem das Schlepperfahrzeug mit der Boeing 777 das erste Mal stehen geblieben war und der Schlepperfahrer ausgestiegen war, wartete der Cateringfahrer noch kurz und fuhr dann, während der Schlepperfahrer wieder in sein Fahrzeug stieg, bereits zur Türe vor dem rechten Triebwerk des Flugzeugs vor. Der Cateringfahrer sah nicht, ob die Bremsklötze vom Schlepperfahrer gelegt worden waren oder nicht. Er vermutete dies, weil er sah, dass der Schlepperfahrer nach hinten zu den Rädern ging. Das Follow-me-Fahrzeug hatte er nicht gesehen und auch nicht das Gespräch zwischen den beiden Fahrern beobachtet.

Als das Cateringfahrzeug vor dem rechten Triebwerk stand, fuhr der Lenker die hydraulischen Stabilisatoren des Fahrzeugs aus. Nach Beendigung dieses Vorgangs bemerkte er plötzlich, dass sich das Flugzeug wieder bewegte. Er ließ die hydraulischen Stabilisatoren wieder einfahren, fuhr los, konnte aber eine Kollision nicht mehr verhindern. Der rechte Triebwerkseinlauf der Boeing 777 kollidierte mit dem Cateringfahrzeug. Das Flugzeug war durch die Kollision nicht mehr lufttüchtig.

Der Lenker des Cateringfahrzeugs hatte noch nie gesehen, dass nach Beendigung eines Schleppvorgangs dieser noch einmal fortgesetzt wurde. Er wusste, dass er zu einem Flugzeug nicht zufahren durfte, solange die roten Warnleuchten noch in Betrieb waren. Ebenso wusste er, dass er erst zum Flugzeug vorfahren durfte, wenn die Bremsklötze positioniert waren. Es war dem Lenker des Cateringfahrzeugs zu dem Zeitpunkt, als er zum Flugzeug vorfuhr, keineswegs bewusst, dass durch dieses Zufahren ein Schaden eintreten würde.

Die Klägerin begehrt 1.139.695,31 EUR sA, (davon 174.706,63 EUR für Schäden an der Boeing 777: Reparaturkosten und Transportkosten des reparierten Ersatzteils = Pos 8 und 9 S 4 der Klage; im Übrigen insbesondere Mietkosten) und behauptet ein grob fahrlässiges Verhalten des Cateringfahrers im Sinn des Punkt 8.1 SGHA. Eine derartige Haftungsbeschränkung sei nach § 879 Abs 1 bzw Abs 3 ABGB sittenwidrig, insbesondere soweit es Schäden am Luftfahrzeug selbst betreffe.

Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, ihre Haftung setze nach Art 8.1 SGHA nicht nur ein rücksichtsloses, grob fahrlässiges Verhalten voraus, sondern das Wissen um einen vermutlichen Schadenseintritt. Dem Einwand der Sittenwidrigkeit hält sie entgegen, dass der individuell ausgehandelte Vertrag insgesamt die beiderseitigen Interessen wahre und die in den Vertrag übernommenen Bestimmungen des standardisierten Bodenabfertigungsvertrags der Sphäre der Klägerin zuzurechnen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es bejahte zwar grobe Fahrlässigkeit, nicht aber krass grobe Fahrlässigkeit des Cateringfahrers, dem die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht bewusst gewesen sei. Es verwies dazu auf Art 25 Warschauer Abkommen (WA), dessen Originalwortlaut in englischer Sprache mit den Haftungsbestimmungen im SGHA und im Mustervertrag der IATA 1998 ident sei. Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit nach Art 25 WA fordere als zweites Tatbestandsmerkmal das Bewusstsein um die Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts. Ein Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit sei jedenfalls nicht sittenwidrig, sondern nur bei krasser grober Fahrlässigkeit. Eine gröbliche Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB liege aufgrund des wechselseitigen Haftungsausschlusses nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die strittige Klausel sei nach § 914 ABGB dahin auszulegen, dass die Haftung neben dem grob fahrlässigen Handeln („recklessly") zusätzlich eine Wissenskomponente erfordere, nämlich das Begehen der Handlung oder Unterlassung in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens. Der Wortsinn sei als „erkannt habend" zu verstehen, und nicht als „hätte wissen müssen". Dies lege nahe, das zweite Tatbestandselement des zweigliedrigen Verschuldensbegriffs subjektiv konkret - vergleichbar der bewussten Fahrlässigkeit - zu verstehen und nicht abstrakt unter Heranziehung einer Maßstabsfigur zu bestimmen. In diesem Sinn sei nach der Lehre auch die wortgleiche Formulierung des Art 25 WA idF des Haager Protokolls auszulegen. In der internationalen Rechtsprechung sei durchaus umstritten, ob der zweite Bestandteil des zweigliedrigen Verschuldensbegriffs subjektiv zu verstehen ist oder ob das Bewusstsein des wahrscheinlichen Schadenseintritts abstrakt zu bestimmen sei. Die der Beschlussfassung zugrundeliegende Abstimmung habe jedoch der objektiven Betrachtung (Formulierung durch „acted recklessly and knew or should have known that damage would probably result") eine Absage erteilt. Die Klägerin selbst habe vorgebracht, bei der Auslegung der Haftungsregel im SGHA sei auf die Auslegung der Formulierung des WA Bedacht zu nehmen. Sinn der Haftungsregelung sei nämlich gewesen, die Bodenabfertiger gegenüber der Fluglinie nur für jene Fälle haften zu lassen, in denen die Fluglinie gegenüber den Passagieren uneingeschränkt nach Art 25 WA haftet. Das im Sinn dieser Ausführungen erforderliche Bewusstsein des Cateringfahrers, ein Schaden werde wahrscheinlich eintreten, liege nach den Feststellungen nicht vor. Dasselbe gelte für die von der Klägerin behauptete krasse grobe Fahrlässigkeit, aus der sie die Sittenwidrigkeit des vereinbarten Haftungsausschlusses ableitet. Der Cateringfahrer habe zwar die optischen Warnsignale ignoriert, nicht aber das grundsätzliche Vorliegen der Gefahrensituation missachtet. Damit sei per se nicht ein solch untypischer Sorgfaltsverstoß anzunehmen, mit dem im täglichen Ablauf des Flughafendienstes auf keinen Fall gerechnet werden müsse.

Der Ausschluss der Haftung für (schlichte) grobe Fahrlässigkeit sei nicht in jedem Fall unzulässig. Maßgeblich seien die besonderen Umstände des Einzelfalls. Lediglich in Fällen von krass grober Fahrlässigkeit sei ein vereinbarter Haftungsausschluss als sittenwidrig bezeichnet worden. Bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit derartiger Haftungsausschlüsse komme es nach der höchstgerichtlichen Judikatur darauf an, ob es sich um einen für das Rechtsverhältnis typischen Schadensfall handle. Das häufig große Schadensausmaß wegen der Empfindlichkeit und der hohen Reparaturkosten der Luftfahrzeuge ändere hier aber nichts an der Offensichtlichkeit der Gefahr des Eintritts gerade solcher Schäden durch Zusammenstöße bei einem Fehlverhalten im Flughafenverkehr. Der Ersatz der Schäden am Flugzeug selbst sei nach Art 8.5 SGHA von dem beanstandeten Haftungsausschluss gar nicht betroffen. Die darauf gestützten Ausführungen der Klägerin, die Beklagte hafte auch für leicht fahrlässig zugefügte Schäden nach Art 8.5 SGHA, würden gegen das Neuerungsverbot verstoßen.

§ 879 Abs 3 ABGB komme schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Klausel nicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten aufscheine. Der Text sei einer Vorlage der Interessensvereinbarung von Fluglinien (IATA) entnommen. Eine gröbliche Benachteiligung sei jedenfalls aufgrund des wechselseitig gewährten Haftungsausschlusses, der unbeschränkten Haftung für physischen Verlust oder Schäden am Flugzeug und der Intention der Überwälzung der Risken in jenen Bereichen, in denen die Klägerin ihrerseits den Passagieren unbeschränkt hafte, abzulehnen.

Die Klägerin beantragte in ihrer außerordentlichen Revision den Zuspruch der gesamten Klagsforderung, in eventu des Betrags von 174.706,63 EUR sA; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, das gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und teilweise berechtigt.

Zu dem mit der Revision vorgelegten Rechtsgutachten eines Universitätsprofessors wird auf den Grundsatz „iura novit curia" verwiesen (vgl 2 Ob 235/05f; RIS-Justiz RS0043585 [T1, T2]).

1.) Haftung für leicht fahrlässige Beschädigung des Luftfahrzeugs nach Art 8.5 SGHA:

Nach der herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandstheorie (RIS-Justiz RS0037522 [T3]; 1 Ob 2123/96d = SZ 70/60) wird der Begriff des Streitgegenstands durch den Sachantrag und die zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen (Rechtssatz folgender Sachverhalt) bestimmt (10 Ob 11/08b = RIS-Justiz RS0037419 [T8]). Das Gericht ist grundsätzlich an eine vom Kläger vorgenommene rechtliche Qualifikation nicht gebunden; es kann stets nur über den geltend gemachten Anspruch, also über den, der aus den Klagsbehauptungen abzuleiten ist, entscheiden (RIS-Justiz RS0037659). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts ist damit der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt; eine unrichtige rechtliche Qualifikation wirkt sich dann nicht zum Nachteil des Klägers aus, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (1 Ob 76/04i ua).

Die Klägerin hat bereits in der Klage den Unfallhergang und die entstandenen Schäden (darunter die Beschädigung des Luftfahrzeugs) detailliert dargestellt. Im Schriftsatz vom 29. 5. 2007 verwies sie zur Haftung der Beklagten ausdrücklich darauf, dass die Beklagte direkte Sachschäden am Luftfahrzeug nach Art 8.5 SGHA jedenfalls, das heißt auch bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen habe (ON 10 S 2). Der Text des vorgelegten Bodenabfertigungsvertrags ist unbestritten, damit auch die Haftungsregelung in Art 8.5 SGHA. Richtig ist, dass hauptsächliches Thema des Verfahrens der in Art 8.1 SGHA für die Haftung der Beklagten geforderte Verschuldensgrad war; das Vorbringen zur Haftung bei leicht fahrlässiger Beschädigung des Luftfahrzeugs findet aber im Klagsvorbringen Deckung, zumal die Haftungsregelungen der Art 8.5 und 8.1 aufeinander verweisen. Die Berufung der Klägerin hat das Thema Haftung für Sachschäden am Luftfahrzeug aufgegriffen, was das Berufungsgericht zu Unrecht als Verstoß gegen das Neuerungsverbot beurteilt hat.

Die Haftung der Beklagten für die Beschädigung des Flugzeugs ist durch die in Art 8.5 SGHA enthaltene Haftungsregelung gedeckt. Ein Cateringfahrzeug dient dazu, Verpflegung für Passagiere und Mannschaft an Bord zu schaffen. Verursacht ein derartiges Fahrzeug einen Schaden am Flugzeug, handelt es sich um eine Schadenszufügung im Rahmen der Bedienung der Gerätschaften für die Be- und Entladung des Flugzeugs. Dass der Lenker des Cateringfahrzeugs aufgrund des verfrühten Losfahrens (trotz Betriebs der Warnleuchten) leicht fahrlässig gehandelt hat, bestreitet nicht einmal die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung; sie stellt sich vielmehr auf den - vom erkennenden Senat nicht geteilten - Standpunkt, es handle sich um eine unzulässige Neuerung.

Soweit es den geltend gemachten Ersatz von 174.706,63 EUR für die Beschädigung des Luftfahrzeugs betrifft (Reparaturkosten und Transportkosten des reparierten Ersatzteils), ist das Begehren der Klägerin dem Grunde nach berechtigt. Die Höhe (auch) dieser Klagspositionen wurde bestritten, weshalb insoweit ein Zwischenurteil zu fällen war.

2.) Auslegung der Haftungsbeschränkung in Art 8.1 SGHA:

Die Klägerin wendet sich gegen die Methode des Berufungsgerichts, bei der Auslegung der strittigen Vertragsklausel Art 25 WA heranzuziehen und dabei nach einer Lehrmeinung (Giemulla in Giemulla/Schmid, Frankfurter Komm z Luftverkehrsrecht IV „Warschauer Abkommen" Art 25 Rn 31) den Begriff „knowledge" bzw „Bewusstsein" im Sinn einer subjektiven Kenntnis auszulegen. Dabei argumentiert die Revision, der Bodenabfertigungsvertrag sei ein rein innerstaatlich, daher nach den Regeln der §§ 914, 915 ABGB auszulegender Vertrag, nicht aber wie das WA ein völkerrechtlicher, damit autonom auszulegender Vertrag. Es handle sich um ein Schuldverhältnis, dass einen reinen Inlandsfall zum Gegenstand hat. Geregelt würden die Bodenabfertigungsleistungen des „Heimatflughafens" einer österreichischen Fluglinie. Der standardisierte Bodenabfertigungsvertrag der IATA sei nur Vertragsschablone, er sei aber nicht als Vertrag zwischen den Parteien vereinbart worden. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei nach österreichischem Recht, also nach den §§ 914 ff ABGB auszulegen.

Genau das hat das Berufungsgericht (zunächst) getan. Die von der Klägerin ausdrücklich angestrebte Auslegung des Bodenabfertigungsvertrags nach österreichischem Recht führt zu keinem, für die Klägerin günstigeren Ergebnis.

Maßgebliche Auslegungskriterien des § 914 ABGB sind der Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung und die Absicht der Parteien (vgl RIS-Justiz RS0014160; Binder in Schwimann 3 § 914 Rz 25, 62). Unter der „Absicht der Parteien" ist die dem Erklärungsgegner erkennbare und von ihm widerspruchslos zur Kenntnis genommene Absicht des Erklärenden zu verstehen (2 Ob 31/07h mwN; Bollenberger in KBB2 § 914 Rz 6).

Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sprechen die verwendeten Formulierungen „with the knowledge" bzw „in dem Wissen" eindeutig für eine Interpretation in die Richtung, dass das Wissen des konkreten Schädigers um die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gefordert wird. Die vertragliche Formulierung ist dem der österreichischen Rechtsordnung keineswegs fremden Begriff der „bewussten Fahrlässigkeit" ähnlich. Der Gegensatz zum Eventualvorsatz (dolus eventualis) liegt nur darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde zwar mit dem schädigenden Erfolg rechnet, diesen aber nicht in Kauf nimmt (vgl Reischauer in Rummel3 § 1324 Rz 9b). Das Wissen des Schädigers um die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist als „subjektive Tatseite" dann aber auf der Tatsachenebene zu klären (vgl insofern zu Art 25 WA auch Giemulla Rn 45). Das Wissen des Fahrers des Cateringfahrzeugs um die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist nach den Feststellungen aber zu verneinen.

Da bereits mit der einfachen Vertragsauslegung das Ergebnis der Haftungseinschränkung auf bewusste grob fahrlässige Schadenszufügung zu erzielen ist, kommt die Unklarheitenregel des § 915 ABGB, die im Verhältnis zu sämtlichen Auslegungsregeln des § 914 ABGB (einfache und ergänzende Vertragsauslegung) subsidiär ist, nicht mehr in Betracht (Bollenberger in KBB2 § 915 Rz 1).

3.) Sittenwidrigkeit der Haftungseinschränkung nach § 879 Abs 1 und/oder Abs 3 ABGB:

Der Oberste Gerichtshof hält die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts grundsätzlich für überzeugend und verweist darauf (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).

Die vertraglichen Haftungsregeln sollten gerade solche „typische" Schadensfälle, wie hier die Beschädigung eines Luftfahrzeugs im Zusammenhang mit der Erbringung von Bodendiensten, betreffen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass ein derartiger Schadensfall von den Vertragsparteien nicht bedacht wurde oder nicht bedacht werden konnte. Eine gröbliche Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB ist schon deshalb zu verneinen, weil der Haftungsausschluss für beide Parteien galt und daher nicht zum Nachteil nur einer Partei sein konnte.

Das Argument der Revision, die Tätigkeit der Beklagten sei um ein Vielfaches gefahrengeneigter und es würden bei einem Luftfahrzeug wesentlich höhere Schäden eintreten als beispielsweise an einem Schlepper- oder Cateringfahrzeug, überzeugt nicht. Zunächst haftet die Beklagte nach Art 8.5 SGHA für Beschädigungen des Luftfahrzeugs gerade auch bei leichter Fahrlässigkeit. Die Gefahr, die von einem (rollenden) Luftfahrzeug ausgeht, ist außerdem nicht so gering einzuschätzen, wie die Klägerin meint. Die wechselseitige Haftungsbeschränkung betrifft weiters nicht nur Sachschäden, sondern auch Schäden aufgrund Tod oder Verletzung von Personen.

Diese Berücksichtigung der Interessen beider Parteien steht der von der Klägerin angenommenen, nach § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrigen Ausnützung einer Monopolstellung der Beklagten, deren Dienste für ein Flugunternehmen nicht verzichtbar seien, entgegen. Sittenwidriges Handeln von Monopolisten liegt vor, wenn sie ihre faktische Übermacht in unsachlicher Weise ausüben (RIS-Justiz RS0110808 [T1 = T2]) oder sie Leistungen nur unter drückenden Bedingungen anbieten, die zu einer allfälligen Inäquivalenz führen (RIS-Justiz RS0016585). Es ist nicht ersichtlich, worin ein unsachliches Ausnützen einer Monopolstellung oder einer wirtschaftlichen Übermacht liegen soll, wenn nicht nur die Haftung des „Monopolisten", sondern auch die seines Vertragspartners bewusste grobe Fahrlässigkeit voraussetzt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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