Spruch:
Ein Vorausverzicht auf Schadenersatzansprüche (eine "Freizeichnungserklärung") im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen ist, soweit er zulässig ist, einschränkend auszulegen
Bei Übernahme von Jugendlichen in ein Heim zur sportlichen und sonstigen Betreuung durch mehrere Wochen ist ein generell vereinbarter Ausschluß der Haftung für die notwendige Betreuung und Aufsicht sittenwidrig
OGH 30. März 1979, 1 Ob 566/79 (OLG Innsbruck 1 R 331/78; LG Innsbruck 5 Cg 439/77)
Text
Die Zweitbeklagte betreibt in V eine Reitschule, die auch die am 12. November 1962 geborene Klägerin, eine amerikanische Staatsangehörige, die ihrer Mutter, die in zweiter Ehe mit einem Österreicher verheiratet ist, vom zuständigen amerikanischen Gericht in Pflege und Erziehung übergeben wurde, meist an den Wochenenden besuchte. Sie war eine gute Reiterin, hatte aber noch keine Bergtouren und Wanderungen gemacht.
Die Zweitbeklagte veranstaltet auch Reitkurse für Jugendliche, bei denen sie den Teilnehmern auch Unterkunft und Verpflegung sowie Betreuung und Beaufsichtigung, auch am Montag, dem Ruhetag, bietet. Die Mutter der Klägerin, eines aufgeweckten und intelligenten Mädchens, meldete dieses für einen am 12. Juli 1975 beginnenden Reitkurs an und hatte vorher ein nicht näher mit ihr erörtertes Merkblatt erhalten, das u. a. unter der Überschrift "Unfall- und Haftpflicht" folgende Bestimmungen enthielt: "Die Pferde selbst sind haftpflichtversichert. Eine Haftpflicht- oder Unfallversicherung für die Teilnehmer besteht seitens der Reitschule nicht und ist Sache der einzelnen Teilnehmer selbst. Eine Haftung der Reitschule für Ansprüche der Teilnehmer auf Schadenersatz, gleich aus welchem Rechtsgrund, insbesondere für Haftungsschäden oder Unfallschäden der Teilnehmer persönlich oder der Teilnehmer Dritten gegenüber ist ausdrücklich ausgeschlossen. Eltern haften für ihre Kinder." Unter der Überschrift "Ausflüge" ist festgehalten, daß am Ruhetag Wanderungen und Ausflüge geschlossen mit einer Begleitperson unternommen werden. An Kleidung waren u. a. kräftige Halbschuhe zur Stallarbeit und zum Wandern mitzubringen.
Im Jahre 1975 nahm die Zweitbeklagte die am 30. Dezember 1950 geborene Erstbeklagte, die zuvor ein halbes Jahr in einem Kinderheim und anschließend etwa ein Jahr in England gearbeitet hatte, als Aufsichtsperson in ihren Dienst. Am 14. Juli 1975, einem Montag, wurde eine Wanderung zur Kellerjochhütte unternommen, die in etwa einer Stunde von der Bergstation eines Sesselliftes von Schwaz auf den Arbeser über einen auch von zahlreichen Jugend- und Kindergruppen und hunderten auch nicht bergerfahrenen und - ausgerüsteten Wanderern begangenen, das Nebeneinandergehen von zwei Personen ermöglichenden Weg führt. Die Erstbeklagte, die bei der Betreuung der Jugendlichen auch von der Studentin Erika M unterstützt wurde, machte bereits vor dem Frühstück eine Schuhkontrolle und stellte fest, daß die Klägerin hinten offene Holzpantoffel mit Gummisohlen trug. Da andere Schuhe, auch solche der Erstbeklagten, nicht paßten und die Klägerin sowie andere Mädchen der Gruppe der Erstbeklagten versicherten, daß man in den Schuhen der Klägerin sicher gehen könne, wurde die Klägerin mit den Holzpantoffeln auf die Wanderung mitgenommen. Die Gruppe lagerte dann etwas oberhalb der Kellerjochhütte in einer Mulde, um eine Jause zu verzehren. Im Anschluß daran fragte eines der Mädchen aus der Gruppe die Erstbeklagte, ob sie auf dem Weg, der oberhalb der Hütte um einen Bergrücken herum nach links flach, ohne größere Unebenheiten und gut ausgetreten weiterführte, weitergehen dürfe. Die Erstbeklagte ging nun mit diesem Mädchen den Weg etwas weiter um die Bergnase bzw. den Bergrücken herum; ihr schlossen sich noch zwei andere Mädchen, darunter die Klägerin, und zwei Buben an. Etwas hinter dem Bergrücken hielt die Gruppe auf dem Weg an. Die Buben setzten sich auf Steine am Rand des Weges. Die Mädchen hielten sich gleichfalls noch im flachen Teil des Weges bzw. unmittelbar neben diesem auf. Die Erstbeklagte wollte nun zum Rest der Gruppe sehen und erklärte den vorausgegangenen Kindern, daß sie aufpassen und den Weg nicht verlassen sollten.
Sie ging dann um den Bergrücken bis zu einem Mädchen, das etwas abseits der Gruppe in der Nähe des Beginnes des Weges lagerte. Erika M kam gleichfalls zu diesem Mädchen. Beide sollten dann um den Bergrücken herum zu den fünf Kindern gehen. Einige, darunter auch die Klägerin, hatten in der Zwischenzeit den Weg verlassen und waren den steilen, mit Geröll durchsetzten Hang direkt nach oben gegangen. Der Klägerin entglitt dabei ein Pantoffel; sie verlor den Halt und rutschte, auf dem Bauch liegend, den Hang herunter und kam auch auf dem Weg nicht zum Stillstand, sondern stürzte, sich überschlagend, weiter den Abhang hinunter, wo sie oberhalb eines Schneefeldes liegenblieb. Die Klägerin erlitt ein schweres lebensbedrohendes Schädelhirntrauma, das einen Dauerschaden zur Folge hat. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Schwaz vom 16. Jänner 1976, U 750/75, wurde die Erstbeklagte rechtskräftig wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, weil sie als Leiterin eines Ausfluges einer Jugendgruppe dadurch, daß sie die Klägerin, die lediglich mit Holzpantoffeln ausgerüstet war, mit auf eine Bergtour nahm, fahrlässig deren Verletzungen herbeigeführt hatte.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten mit der Behauptung, die Erstbeklagte habe sie ohne entsprechende Ausrüstung auf eine Bergtour mitgenommen und ihr nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet, die Zweitbeklagte hafte nach § 1313a ABGB, ein der Höhe nach nicht bestrittenes Schmerzengeld von 200 000 S samt Anhang sowie die Feststellung der Haftung für die künftigen Schäden aus dem Unfall. Die Beklagten beriefen sich auf dem mit der Überreichung des Merkblattes mit der Mutter der Klägerin vereinbarten Haftungsausschluß und wendeten im übrigen ein Mitverschulden der Klägerin von drei Vierteln ein, wogegen wiederum die Klägerin behauptete, der Haftungsausschluß habe sich nicht auf die Obsorge außerhalb des Reitkurses bezogen, sei sittenwidrig und außerdem ohne die erforderliche Zustimmung des Pflegeschaftsgerichtes vereinbart worden.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur ungeteilten Hand zur Bezahlung von 150 000 S samt Anhang und stellte fest, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand für drei Viertel des künftigen Schadens aus dem Bergunfall vom 14. Juli 1975 haften; das Mehrbegehren wies es ab. Der Haftungsausschluß könne, da im Merkblatt immer von der Reitschule die Rede sei, nur so verstanden werden, daß er sich auf den Reitunterricht beziehe. Das Verschulden der Erstbeklagten sei strafgerichtlich und damit bindend festgestellt, die Zweitbeklagte habe hiefür nach § 1313a ABGB einzustehen. Der Erstbeklagten sei der Vorwurf zu machen, die Fünfergruppe, bei der sich die Klägerin befunden hatte, auf dem Weg in unwegsamen Gelände allein gelassen zu haben; in einer solchen Situation, noch dazu bei einer mangelhaft ausgerüsteten Teilnehmerin, bedürfe es ganz besonderer Aufmerksamkeit. Die Klägerin treffe aber ein Mitverschulden zu einem Viertel. Sie sei über zwölf Jahre alt, geistig aufgeweckt und intelligent gewesen. Daß sie mit ihrem Schuhwerk gewisse Gefahren eingehe, habe ihr spätestens bei Aufbruch der Gruppe klar sein müssen. Die Möglichkeit von Gefahren bei Verlassen des Weges und Betreten des freien unwegsamen Geländes sei für sie erkennbar gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige. Es trat der Auffassung des Erstgerichtes bei und ergänzte, daß das Verhalten der Erstbeklagten nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden könne und ein Haftungsausschluß überdies nur insoweit wirksam sei, als der Vertragspartner im Zeitpunkt der Vereinbarung überhaupt mit der Möglichkeit eines Schadens rechnen konnte, was zwar im Zusammenhang mit dem Reiten, nicht aber bei Wanderungen und Ausflügen der Fall gewesen sei. Eine Wanderung oder ein Ausflug sei im allgemeinen kaum mit einer Gefahr verbunden. Die Begehung von alpinem Gelände - und das sei auf jeden Fall der Hangweg, den die Fünfergruppe von der Kellerjochhütte aus betreten hatte, gewesen - könne jedenfalls nicht mehr dem Begriff "Wanderung" oder "Ausflug" unterstellt werden, so daß die Mutter der Klägerin nicht damit rechnen hatte müssen, daß ein Unfallschaden im alpinen Gelände eintreten könnte. Als Erzieherin habe die Erstbeklagte die Erfahrung haben müssen, daß Kinder im Berggelände unternehmungslustig sind, ohne die Gefahren voll abschätzen zu können; das treffe besonders zu, wenn mehrere Kinder beisammen seien und sich gegenseitig imponieren wollen. Auch ein Mitverschulden der Klägerin zu einem Viertel sei zu bejahen. Daß zwölfjährigen Kindern die geistige Eignung zuerkannt werde, Gefahrensituationen zu erkennen, ergebe sich aus § 65 StVO, welche Bestimmung ein zwölfjähriges Kind berechtige, als Lenker eines Fahrrades am Straßenverkehr teilzunehmen. Es sei für die Klägerin aber auch erkennbar gewesen, daß die hinten offenen Holzpantoffel die Trittsicherheit erheblich herabsetzen und das Verlassen des Weges, der in einem Steilhang verlief, eine Gefahr bedeutete; sie habe zudem eine Anweisung der Erstbeklagten mißachtet.
Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der Klägerin und der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Was den durch die Empfangnahme des von der Zweitbeklagten aufgelegten Merkblattes durch die Mutter der Klägerin angeblich vereinbarten Haftungsausschluß der Beklagten betrifft, behauptet die Revision der Beklagten weiterhin, daß er nicht nur das Reiten an sich, sondern auch andere Veranstaltungen im Rahmen von Reitkursen und damit auch die an Ruhetagen vorgesehenen Wanderungen und Ausflüge betroffen habe. Grundsätzlich kann auf jedes Recht verzichtet werden, sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung unverzichtbar oder aber der Verzicht durch positive Anordnung des Gesetzes ausgeschlossen ist (SZ 41/33 u. a.; Klang in seinem Komm.[2] VI, 528); das gilt auch für künftige Rechte (Klang a. a. O., 527) und insbesondere für den Vorausverzicht auf Schadenersatzansprüche, die sogenannte Freizeichnung (SZ 48/22 u. a.). Solche Verzichtserklärungen sind aber als Ausschaltung von grundsätzlich zustehenden Rechten eher einschränkend auszulegen, werden sie doch, wenn sie generell erfolgen, mit Recht als anstößig empfunden (SZ 48/22; Bydlinski in Kastner-Festschrift, 63). Eine weitgehende einseitige Abweichung vom dispositiven Gesetz, das für den "Durchschnittsfall" eine ausgewogene gerechte Rechtslage anstrebt, kann nämlich unter den besonderen Verhältnissen allgemeinerGeschäftsbedingungen, wie sie auch von der Zweitbeklagten durch die Auflegung des Merkblattes aufgestellt worden waren, rechtlich nicht toleriert werden (Bydlinski a. a. O., 63) und ist im Zweifel auch nicht als vereinbart anzusehen. In diesem Sinne vertrat der OGH etwa die Auffassung, daß bei Mitnahme auf der Ladefläche eines LKW eine vor dem Antritt der Fahrt abgegebene Erklärung, auf Ersatzansprüche aus einem etwaigen Unfall zu verzichten, im Zweifel dahin zu verstehen ist, daß der Erklärende nur das Risiko eines Schadens, wie er aus dem Mitfahren auf der Ladefläche bei normalem Verlauf der Fahrt eintreten könnte, auf sich nehmen wollte; hingegen sei an den Fall, daß ein Schaden durch alleiniges strafrechtliches Verschulden des Lenkers entstehen könnte, fraglos nicht gedacht worden, so daß sich auch der vereinbarte Haftungsausschluß darauf nicht beziehe (SZ 22/159). Es kann auch im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, daß bei Unterfertigung des Merkblattes überhaupt an Unfälle außerhalb der Reitsportausübung und insbesondere bei Wanderungen und Ausflügen gedacht war. Auf keinen Fall kann aber davon ausgegangen werden, daß durch die widerspruchslose Empfangnahme des Merkblattes auch eine Haftung für die Vernachlässigung der immerhin ausdrücklich angebotenen Betreuung und Beaufsichtigung der Jugendlichen, die bei einer längeren Heimaufenthalt auch eine Selbstverständlichkeit sein muß, ausgeschlossen werden sollte. Es ist jedenfalls herrschende Auffassung, daß Vereinbarungen über den Ausschluß der Haftung nur insoweit als wirksam angesehen werden können, als die Vertragspartner bei ihrem Abschluß überhaupt mit der Möglichkeit einer Schadensverursachung rechnen konnten; es kommt darauf an, ob es sich um einen Schaden aus den für das Rechtsverhältnis typischen oder wenigstens im Einzelfall nach dessen besonderen Verhältnissen voraussehbaren Gefahren handelt (SZ 41/131 u. a.), Bei einem Verzicht auf künftige Rechte wird demgemäß gefordert, daß sich die Rechtsverhältnisse, auf die sich der Verzicht bezieht, schon im vorhinein übersehen lassen; soweit das nicht der Fall ist, ist der Verzicht unwirksam (SZ 31/57). Als verzichtbar werden nur voraussehbare und kalkulierbare Risiken angesehen (JBl. 1979, 483). Für andere Fälle ist ein Verzicht hingegen schon deshalb zu verneinen, weil auch Vereinbarungen über die Beschränkung und den Ausschluß der Haftung nach der Übung des redlichen Verkehrs(§ 914 ABGB) auszulegen sind und diese Auslegung ergibt, daß diese Fälle von der Ausschlußvereinbarung nicht erfaßt sind (SZ 41/131 u, a.). Bei Übernahme von Jugendlichen in ein Heim zur sportlichen und sonstigen Betreuung durch mehrere Wochen muß ein Ausschluß der Haftung für die notwendige Aufsicht und Betreuung aber auch als sittenwidrig im Sinne des § 879 Abs. 1 ABGB und damit als nichtig angesehen werden. Wenn im Merkblatt nur ganz allgemein von Wanderungen und Ausflügen mit einer Begleitperson die Rede war und für das Wandern die Mitnahme von schon für den Fall des plötzlichen Einbruches von Schlechtwetter erforderlichen kräftigen Halbschuhen empfohlen war, mußte man jedenfalls nicht mit Gefahren unter den Voraussetzungen, unter denen die Klägerin verunglückte, rechnen. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß eine Wanderung oder ein Ausflug im allgemeinen mit weniger Gefahren verbunden ist als das Reiten, weshalb die Mutter der Klägerin nicht annehmen konnte, mit der Anerkennung des Haftungsausschlusses auch auf Schadenersatzansprüche, wie sie sich aus Unfällen beim Begehen von alpinem Gelände wegen mangelnder Beaufsichtigung ergeben könnten, zu verzichten. Davon, daß die Mutter der Klägerin und die Zweitbeklagte die Freizeichnung im vollen Bewußtsein auch dieser Gefahren oder unter ausdrücklichem Einschluß selbst unvorhersehbarer Folgen vereinbart hätten, in welchem Fall die Freizeichnung auch für den eingetretenen Schadensfall gelten soll (so Edlbacher in ZVR 1965, 117), kann imvorliegenden Fall keine Rede sein. Bei grundsätzlicher Bejahung der Haftung der Beklagten kommt es aber darauf, ob die Erstbeklagte grob fahrlässig handelte, nicht an.
Entgegen den Auffassungen beider Revisionen trifft sowohl die Erstbeklagte als auch die Klägerin ein Verschulden an dem Unfall. Schon gemäß § 268 ZPO sind die Zivilgerichte an die strafgerichtliche Feststellung gebunden, daß die Erstbeklagte durch die Mitnahme der nur mit Holzpantoffeln ausgerüsteten Klägerin auf die Bergtour schuldhaft handelte. Das mag, wie die Revision der Beklagten meint, für die Mitnahme der Klägerin bis zur Kellerjochhütte, zu der ein verhältnismäßig breiter, von nicht bergerfahrenen Personen und auch von Kindern und Jugendgruppen vielfach begangener ausreichend breiter Weg führt, möglicherweise nur in geringem Maße gelten. Auf keinen Fall hätte es aber die Erstbeklagte dulden dürfen, daß die Klägerin mit vier anderen Kindern den weiteren, den Steilhang querenden Weg, in dessen Bereich sich dann der Unfall ereignete, betrat. Schon ein Blick auf die im Strafakt befindliche Photographie läßt erkennen, daß hier die geringste Unachtsamkeit oder Ungeschicklichkeit schwere Folgen haben konnte, vor allem mit mangelhaftem Schuhwerk. Wenn die Erstbeklagte aber schon die Klägerin mitgehen ließ, hätte sie sie nicht aus den Augen lassen und sich nicht mit Belehrungen begnügen dürfen, zumal sie als Erzieherin wissen mußte, daß Kinder in der Gruppe häufig besonders unvernünftig und wagemutig sind; mit solchem Verhalten mußte auch bei einem fast dreizehnjährigen an sich intelligenten Mädchen gerechnet werden. Wenn die Erstbeklagte meinte, auch die übrige Gruppe beaufsichtigen zu müssen, was durchaus richtig war, hätte sie die vorausgeeilten Kinder zurückberufen müssen; ihr stand aber ohnehin noch Erika M als weitere Aufsichtsperson zur Verfügung, so daß auch eine Arbeitsteilung hätte vereinbart werden können. Den Beklagten ist aber auch der ihnen obliegende Beweis einer Mitschuld der Klägerin (JBl. 1967, 36 u. a.) gelungen. Der Unmundige ist nicht unter allen Umständen deliktsunfähig. Seine Verantwortlichkeit ist vielmehr unter Berücksichtigung des Maßes an Einsicht, das bei ihm zur Zeit des Unfalles nach seinem Alter und seiner geistigen Entwicklung vorhanden war, und der Art seines unfallursächlichen Verhaltens zu prüfen; dies gilt auch für die Feststellung eines Mitverschuldens (SZ 25/318 u. a.). Die Klägerin wußte bereits aus der Beanstandung vor dem Abmarsch, daß ihre Schuhe an sich für eine Bergwanderung ungeeignet waren. Sie konnte auch selbst die Gefährlichkeit des den Steilhang querenden Weges, vor allem aber die Unverantwortlichkeit seines Verlassens und des Betretens des mit Geröll durchsetzten Hanges erkennen. Daß die Klägerin dann noch über den Weg hinaus abrutschte, war ein besonderes Mißgeschick, aber auch bei Berücksichtigung ihres jugendlichen Alters durchaus mit voraussehbar. Wenn auch die Klägerin durch das nicht ohne weiteres zu erwartende Verlassen des Weges trotz vorheriger Warnung die eigentliche Unfallursache setzte, muß doch der Erstbeklagten, die dafür verantwortlich ist, daß die Klägerin überhaupt in eine solche Gefahrenlage geriet, das überwiegende Verschulden zur Last fallen, weil sie als Aufsichtsperson dafür verantwortlich war, die Klägerin vor ihrer eigenen, bei ihrem jugendlichen Alter nicht auszuschließenden Unvorsichtigkeit zu schützen. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
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