OGH 8Ob259/74

OGH8Ob259/7426.2.1975

SZ 48/22

Normen

ABGB §879
ABGB §1323
KFG §60
ABGB §879
ABGB §1323
KFG §60

 

Spruch:

Der im Oktober 1973 von den Haftpflichtversicherern für KFZ eingeführte "Spalttarif" ist in Ansehung des Ausschlusses des Ersatzes von Mietwagenkosten, die bis zur Behebung des Schadens am Fahrzeug auflaufen, weder nichtig noch sonst unwirksam

OGH 26. Februar 1975, 8 Ob 259/74 (OLG Linz 1 R 78/74; KG Steyr 1 a Cg 42/74)

Text

Ende November 1973 ereignete sich in E ein Zusammenstoß zwischen einem vom Kläger gehaltenen und damals gelenkten PKW und einem vom Beklagten gelenkten PKW, wobei das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Das Alleinverschulden des Beklagten an diesem Verkehrsunfall ist nicht strittig.

Im vorliegenden Prozeß belangte der Kläger den Beklagten auf Schadenersatz; offen ist nur mehr das Teilbegehren auf Ersatz unfallverursachter Mietwagenkosten in der nicht bestrittenen Höhe von 6740.44 S.

Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe sich im Oktober 1973 anläßlich der Einführung des sogenannten "Spalttarifes" seinem Haftpflichtversicherer (der "Interunfall") gegenüber für die Prämienvariante A entschieden, sich also die Belassung der Haftpflichtversicherungsprämie in der damaligen Höhe gesichert, dafür aber mit der "Interunfall" eine auch Dritten gegenüber wirksame und Dritten unmittelbar berechtigende Vereinbarung geschlossen, die hinsichtlich unfallsbedingter Mietwagenkosten drei schuldrechtliche Abreden enthalten habe, und zwar einen Einforderungsverzicht, ein Verfügungsverbot und eine einseitig verpflichtende, auf den Abschluß eines Verzichts- oder Zessionsvertrages gerichtete Option; in Anbetracht dieser Vereinbarung zwischen dem Kläger und der "Interunfall" müsse er, der Beklagte, als begünstigter Dritter die geforderten Mietwagenkosten nicht ersetzen.

Der Kläger nahm demgegenüber den Standpunkt ein, diese Vereinbarung sei wirkungslos und insbesondere sittenwidrig.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Er vertrat im wesentlichen die Ansicht, die tatsächlich zwischen dem Kläger und der "Interunfall" zustandegekommene Vereinbarung, deren einen Einforderungsverzicht betreffende Klausel hier maßgebend wäre, sei unwirksam. Das von der "Interunfall" dem Kläger gestellte "Spalttarif"-Anbot sei von allen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherern ihren Versicherungsnehmern gemacht worden. Die Mehrheit der letzteren habe sich - so wie der Kläger - für die Prämienvariante A entschieden. Durch die dem Streben nach Risikoverminderung entsprungene Aktion der Haftpflichtversicherer sei eine Gruppe von Versicherern und von schädigenden bzw. geschädigten Versicherungsnehmern gebildet worden, innerhalb der bei verringerten Prämien den geschädigten Versicherungsnehmern kein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten zustehen sollte; eine solche allgemeine Regelung könne aber nicht durch einen Versicherungsvertrag wirksam getroffen werden, da der Inhalt eines individuellen

Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrages und alle mit einem solchen in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Rechtsbeziehungen auf unterster Stufe durch die AKHB 1967 bestimmt seien mit dem Ziel, daß ein Geschädigter seinen Schaden ersetzt erhalte. Wenn die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung so eingerichtet werden solle, daß im Ergebnis der Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten, und zwar auch mit Wirkung für den geschädigten Dritten ausgeschlossen sei, könne dies nur durch die Verordnungsqualität genießenden AKHB oder überhaupt durch ein Gesetz im formellen Sinn bewirkt werden. Daß das Bundesministerium für Finanzen am 24. Oktober 1973 der "Interunfall" gegenüber eine Genehmigungserklärung in Ansehung der ihm vorgelegten Muster für den Abschluß der in Rede stehenden Vereinbarungen mit den Versicherungsnehmern abgegeben habe, ändere daran nichts, weil sich diese Genehmigung nur auf Abweichungen vom Höchsttarif, nicht aber auf Änderungen der Haftpflicht schädigender Versicherungsnehmer und der Ersatzpflicht der Versicherer beziehen könne. Auch als individuelle Disposition sei die vom Kläger mit der "Interunfall" geschlossene Vereinbarung unzulässig und sittenwidrig. Zunächst verstoße sie gegen die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 und 3 der Tarifverordnung 1971, BGBl. 226/1971, was mit Rücksicht darauf, daß Zweck der Norm u. a. auch der Schutz des Versicherungsnehmers sei, Nichtigkeit bewirke. Überdies träten die Versicherer den Versicherungsnehmern und auch der einzelne Versicherer seinem Versicherungsnehmer gegenüber mit unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Übermacht und monopolartig auf; dies erfordere, daß bei Sondervereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer die Wahlfreiheit des letzteren, diese Sondervereinbarungen abzuschließen, gewährleistet sein müsse. Der Versicherungsnehmer sei vielmehr - unter Bedachtnahme auf die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse - zu der vom Versicherer offensichtlich gewünschten Prämienvariante A gedrängt worden. Ihm werde auch für den Verzicht auf den Mietwagenkostenersatz kein angemessenes Äquivalent geboten. Die vom Versicherer initiierte Wahl derPrämienvariante A erscheine im Hinblick auf die Beziehungen zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer sachfremd. Sei die zwischen dem Kläger und der "Interunfall" geschlossene Vereinbarung zugunsten Dritter unwirksam, könne sich auch der Beklagte als Dritter nicht darauf berufen.

Das Berufungsgericht wies in Abänderung des Ersturteiles das Klagebegehren ab. Die vom Kläger und der "Interunfall" vereinbarte Regelung eines Einforderungsverzichtes sei der Konstruktion nach möglich und zulässig. Ob ein Verstoß gegen die Tarifverordnung des Bundesministeriums für Finanzen vorliege, könne dahingestellt bleiben, weil es sich dabei um Vorschriften handle, die nur für die Versicherungsaufsicht bedeutsam seien und keineswegs Nichtigkeit eines dagegen verstoßenden Vertrages nach sich ziehen. Auch wenn die Aufsichtsbehörde mit der Genehmigung des Geschäftsplanes der "Interunfall" gegen die eigene Tarifverordnung verstoßen haben sollte, könne dies nicht auf dem Umweg zivilrechtlicher Ungültigkeit korrigiert werden. Die in Rede stehende Vereinbarung verstoße auch nicht gegen inhaltlich zwingendes Recht. Es gebe keine Vorschrift des bürgerlichen Rechtes, die einen Einforderungsverzicht gegenständlicher Art verbieten würde. Auch den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes und des Kraftfahrgesetzes sei für die hier interessierende Problemstellung keine zwingende Norm zu entnehmen. Von ihrem Zweck her wäre bloß die Benachteiligung des an der Verabredung jeweils unbeteiligten Dritten problematisch: z. B. die Vereinbarung zwischen dem Versicherungsnehmer (Schädiger) und seinem Haftpflichtversicherer, welche die Haftung des letzteren gegenüber dem Geschädigten beschränkt, oder die Vereinbarung zwischen dem Haftpflichtversicherer des Schädigers und dem Geschädigten, wonach den Schaden bloß der Schädiger tragen solle. Ein solcher Vertrag könnte das Recht des Schädigers auf Freistellung durch den Versicherer nicht schmälern. Hingegen sei die Verzichtbarkeit oder Unverzichtbarkeit seitens des Geschädigten keine Frage, welche von diesen Sondergesetzen entschieden werden will. Auch Sittenwidrigkeit (§ 879 ABGB) könne nicht angenommen werden. Der Kläger habe - ungeachtet der wirtschaftlichen Übermacht und des monopolartigen Auftretens der Versicherer - eine echte Wahlmöglichkeit gehabt (den "Normaltarif" nach Prämienvariante B). Er habe auch für den in Rede stehenden Forderungsverzicht ein Entgelt in Form einer Prämienreduktion erhalten. Auch sonstige Kriterien für die Annahme einer Sittenwidrigkeit seien zu verneinen. Daraus ergebe sich die Rechtswirksamkeit der in Rede stehenden Vereinbarung und damit auch die Berechtigung des Beklagten, sich einredeweise darauf zu berufen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Revisionswerber bekämpft zunächst die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, es könne dahingestellt bleiben, ob die zwischen dem Kläger und seinem Haftpflichtversicherer, der "Interunfall", getroffene Regelung gegen die vom Bundesministerium für Finanzen erlassene Tarifverordnung verstoße, weil selbst bei Vorliegen eines solchen Verstoßes eine aus § 879 ABGB resultierende Nichtigkeit des vereinbarten Einforderungsverzichtes nicht abgeleitet werden könne. Die Vorschriften der Tarifverordnung seien nicht nur für die Versicherungsaufsicht bedeutsam, sondern schützen auch die Rechtssphäre der Versicherungsnehmer und verböten Regelungen, die den Versicherungsnehmern nachteilig sind. Es sei dem Versicherer auf Grund des § 60 KFG untersagt, Versicherungsverträge aufzuspalten und verschiedene Versicherungsvarianten zu schaffen. Die Vereinbarung nach Variante A verstoße nicht nur gegen die Tarifverordnung, sondern auch gegen zwingende Bestimmungen des KFG 1967; ihr Inhalt sei daher unerlaubt und die Vereinbarung gemäß § 879 ABGB nichtig.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß gemäß § 879 Abs. 1 ABGB ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Wird die vom Kläger mit seinem Haftpflichtversicherer getroffene Vereinbarung zunächst in der Richtung eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot - wobei Gesetz im materiellen Sinn zu verstehen ist - einer Überprüfung unterzogen, ist davon auszugehen, daß ein verbotenes Geschäft nur dann nichtig ist, wenn dies die Verbotsnorm ausspricht, oder wenn es der Zweck der Verbotsnorm erfordert (SZ 34/14; SZ 42/15; SZ 42/49 u. v. a.; Gschnitzer in Klang IV/1, 179). Die vom Kläger mit seinem Haftpflichtversicherer abgeschlossene Vereinbarung basiert auf einer geschäftsplanmäßigen Erklärung über die Nachlaßgewährung auf PKWund Kombi-Kraftfahrhaftpflichtprämien, die die österreichischen Versicherungsgesellschaften gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 18. Juni 1971, BGBl. 226, abgegeben haben und die vom Bundesministerium für Finanzen als Versicherungsaufsichtsbehörde genehmigt worden war. Die genannte Verordnung enthält keine Nichtigkeitssanktion für den Abschluß von Rechtsgeschäften, die mit ihrem Inhalt in Widerspruch stehen. Sie verbietet nicht einmal ausdrücklich den Abschluß derartiger Rechtsgeschäfte. Dasselbe gilt für die Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen vom 7. September 1973, BGBl. 469, mit der die erstgenannte Verordnung abgeändert wurde. Es ist daher zu untersuchen, ob der Zweck der zitierten Vorschriften die Nichtigkeit eines mit ihrem Inhalt in Widerspruch stehenden Rechtsgeschäftes zur Folge hat. Zu berücksichtigen ist, daß die Einhaltung der Bestimmungen der Tarifverordnungen der Kontrolle und Sanktionierung durch die Versicherungsaufsichtsbehörde unterliegt (§§ 5 ff. VersAG). Es kann somit nicht unterstellt werden, daß ihre Einhaltung nur auf dem Wege der zivilrechtlichen Ungültigkeit von mit dem Norminhalt in Widerspruch stehenden Rechtsgeschäften erreicht werden kann. Es ist vielmehr dem Berufungsgericht beizustimmen, das gestützt auf die Ausführungen von Welser in ZVR 1973, 316, die Auffassung vertrat, daß die Vorschriften der Tarifverordnung unmittelbar nur für die Versicherungsaufsicht maßgebend seien und ein ordnungsgemäßes Wirtschaften der Versicherer gewährleisten sollen, so daß eine unmittelbare Wirkung auf das gegenständliche Rechtsgeschäft zu verneinen ist. Die Frage der verordnungsgemäßen Deckung der geschäftsplanmäßigen Erklärung der Versicherungsgesellschaften, mit der die beiden Tarifvarianten geschaffen wurden, kann daher ebenso auf sich beruhen wie die Frage der Zulässigkeit der Genehmigung dieser Erklärung durch die Versicherungsaufsichtsbehörde.

Läßt sich somit eine Nichtigkeit des vom Kläger mit seinem Haftpflichtversicherer vereinbarten Einforderungsverzichtes aus einem Verstoß gegen Vorschriften der Tarifverordnungen nicht ableiten, so ist noch die Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt eines allfälligen Verstoßes gegen sonstige zwingende Rechtsvorschriften zu prüfen.

Aus § 60 KFG, der die gesetzliche Ermächtigung zur Erlassung der Tarifverordnungen enthält, ist ein inhaltlich zwingender Rechtssatz, der die Vereinbarung eines Einforderungsverzichtes verbietet, nicht zu erkennen. Nach dem 2. Satz des § 60 Abs. 1 KFG kann sich der Versicherer auf Vereinbarungen, die von den Versicherungsbedingungen zum Nachteil geschädigter Dritter abweichen, nicht berufen. Nach dem

2. Satz des § 60 Abs. 2 KFG sind bei der Gestaltung des Prämiensystems insbesondere auch die Interessen der Versicherungsnehmer in volkswirtschaftlich angemessener Weise zu berücksichtigen. Weder diese Bestimmungen, noch § 60 Abs. 2 Z. 1 KFG, wonach bei der Festsetzung der Versicherungsbedingungen von den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes nicht zum Nachteil der Versicherten und geschädigter Dritter abgewichen werden darf, und Z. 2, wonach durch die Versicherung die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers und des Halters gedeckt sein muß, lassen sich im Sinne inhaltlich zwingender Normen, die die Vereinbarung eines Einforderungsverzichtes verbieten, interpretieren.

Nach § 149 VersVG, der auch für die KFZ-Haftpflichtversicherung gilt, ist der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat.

§ 59 KFG enthält die Verpflichtung zum Abschluß einer KFZ-Haftpflichtversicherung. Auch die beiden letztgenannten Bestimmungen sollen in erster Linie die Ersatzleistung an einen geschädigten Dritten sicherstellen, allenfalls auch wirtschaftlich untragbare Belastungen des Versicherten hintanhalten, sie berühren aber den rechtsgeschäftlichen Verzicht des Versicherungsnehmers auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen nicht. Weder den hier beispielsweise angeführten Vorschriften, noch den sonstigen Vorschriften des KFG und des VersVG, noch den allgemeinen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, insbesondere des Schadenersatzrechtes, läßt sich ein zwingender Rechtssatz entnehmen, auf Grund dessen ein Verzicht auf Ansprüche generell verboten wäre. Wie das Berufungsgericht unter Heranziehung der Ausführungen von Welser in ZVR 1973, 316, richtig erkannt hat, könnte ein Verstoß gegen den Zweck der Bestimmungen des VersVG und des KFG nur in der Benachteiligung des an einer Vereinbarung jeweils unbeteiligten Dritten erblickt werden, etwa durch eine Abrede zwischen dem Versicherungsnehmer und seinem Haftpflichtversicherer, durch die eine Haftung des Versicherers gegenüber dem Geschädigten beschränkt wird, oder durch eine Vereinbarung zwischen dem Haftpflichtversicherer des Schädigers und dem Geschädigten, wonach den Schaden ausschließlich der Schädiger tragen soll. Hingegen kann die Zulässigkeit eines Verzichtes des Geschädigten auf Grund der einschlägigen Vorschriften des KFG und des VersVG nicht verneint werden. Eine Nichtigkeit der streitgegenständlichen Vereinbarung wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot liegt daher nicht vor.

Eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung will der Revisionswerber daraus ableiten, daß hier eine Haftungsausschließung vorliege, die unter dem Einfluß der monopolartigen wirtschaftlichen Übermacht der Versicherungsunternehmungen auf die wirtschaftlich schwächeren Versicherungsnehmer, deren freie Willensbildung dadurch eingeschränkt worden sei, zustande gekommen sei.

Der Revision ist zunächst zuzugeben, daß ein Vorausverzicht auf Schadenersatzansprüche unter bestimmten Voraussetzungen sittenwidrig sein kann. So wird etwa der vertragliche Ausschluß der Schadenersatzpflicht, die sogenannte "Freizeichnung" mit Recht als anstößig empfunden, wenn sie generell erfolgt (Bydlinski in Kastner, FS 63, vgl. auch Edlbacher in ZVR 1965, 113). Jedenfalls ist ein Haftungsausschluß für vorsätzliche Schädigung unzulässig (Bydlinski, 63; SZ 31/57; SZ 41/139; vgl. auch die ausdrückliche Bestimmung des § 276 Abs. 2 BGB). Da im vorliegenden Fall weder von einer generellen Freizeichnung gesprochen werden kann, ein Haftungsausschluß für vorsätzliche Schädigung aber schon mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 152 VersVG ausscheidet, kann aus diesen Gesichtspunkten eine Sittenwidrigkeit der Vereinbarung nicht abgeleitet werden.

Überprüft man die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Haftpflichtversicherer im Hinblick auf eine allfällige Ausnützung einer wirtschaftlichen Übermacht des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer, so ist es zwar richtig, daß eine gewisse monopolartige Stellung der Versicherungsunternehmungen daraus resultiert, daß allen Haftpflichtversicherungsverträgen generell festgesetzte Bedingungen und Tarife zu Gründe zu legen sind und der Abschluß einer Haftpflichtversicherung für den Kraftfahrer obligatorisch ist und daß die Vereinbarung durch Rücksendung einer vom Versicherungsnehmer unterfertigten formularmäßigen Erklärung, die ihm vom Versicherer zugekommen ist, zustande kam. Andererseits darf aber nicht übersehen werden, daß in den dem Versicherungsnehmer gleichzeitig mit dem Formular übermittelten Erläuterungen die beiden Prämienvarianten A und B genau beschrieben und auch die Folgen einer Entscheidung für eine der beiden Varianten durchaus verständlich dargelegt wurden. Darüber hinaus wurde dem Kläger als Versicherungsnehmer die Möglichkeit der jederzeitigen Abänderung des Versicherungsvertrages von der einen Variante auf die andere, allerdings unter Einhaltung einer einmonatigen Frist, geboten. Damit wurde ihm aber eine echte Wahlmöglichkeit zwischen dem durch die Tarifverordnung BGBl. 469/1973 festgesetzten Tarif, der den Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten gegen Entrichtung einer höheren Prämie beinhaltet und dem ermäßigten Tarif, der einen Verzicht auf Kostenersatz für ein Mietfahrzeug vorsieht, geboten. Es wurde hiedurch jedem Versicherungsnehmer ermöglicht, sich selbst einzustufen. Insofern trägt die Prämiendifferenzierung nach dem Anspruchsausmaß ein Stück individueller Dispositionsfreiheit in die homogene Ordnung der Pflichtversicherung (Mayer - Maly, VersR 1974, 210). Eine Einschränkung der freien Willensbildung des Versicherungsnehmers durch die wirtschaftliche Übermacht des Versicherers in einem solchen Ausmaß, daß sie die auch den Einforderungsverzicht enthaltende Vereinbarung als sittenwidrig erscheinen ließe, liegt daher nicht vor. Dazu kommt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, daß der Kläger für seinen Verzicht ein Entgelt in Form einer Prämienreduktion erhielt.

Soweit der Revisionswerber darzulegen versucht, bei Weiterverfolgung des von den Versicherungsunternehmen eingeschlagenen Weges könnte letztlich eine Versicherungsvariante geschaffen werden, bei der der Versicherungsnehmer nicht nur auf Ersatz des durch Ausfall des Fahrzeuges entstehenden, sondern auf Ersatz jeden Schadens verzichten müßte, wodurch die Haftpflichtversicherung jeden Sinn verlieren würde, ist ihm entgegenzuhalten, daß über einen so weitgehenden Verzicht in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden ist. Es handelt sich hier, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, um einen Verzicht auf Ersatz eines Schadens, der vom Versicherungsnehmer umfangmäßig durchaus vorhersehbar und kalkulierbar war. Da für den bloßen Verlust der Möglichkeit des Gebrauches eines Kraftfahrzeuges während der Zeit der unfallsbedingten Reparatur kein Schadenersatz gebührt, der Entschädigungsanspruch somit die tatsächliche Verwendung eines Ersatzfahrzeuges zur Voraussetzung hat (SZ 42/33), liegt die Entscheidung, ob überhaupt ein Schaden durch Miete eines Ersatzfahrzeuges und damit ein Entschädigungsanspruch entsteht, allein in der Hand des geschädigten Versicherungsnehmers. Eine Sittenwidrigkeit des Verzichtes auf umfangmäßig begrenzte Teilschäden, deren Entstehung noch dazu letztlich der Entscheidung des Versicherungsnehmers anheimgestellt ist, vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu bejahen (vgl. zur Zulässigkeit des Haftungsausschlusses für Teilschäden auch SZ 26/275). War somit die streitgegenständliche Vereinbarung weder wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot noch gegen die guten Sitten nach § 879 ABGB nichtig, ist ihr Abschluß zufolge des das österreichische Obligationenrecht beherrschenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit als zulässig und die Vereinbarung selbst als rechtswirksam anzusehen.

Unter Berufung auf die Ausführungen von Fasching im Komm. III, 9, will der Revisionswerber die Unzulässigkeit des in der Vereinbarung enthaltenen Einforderungsverzichtes dartun. Fasching hält in der angeführten Belegstelle das pactum de non petendo keineswegs für unzulässig, sondern vertritt die Auffassung, der vertragliche Ausschluß der Klagbarkeit könne nicht als negative Prozeßvoraussetzung angesehen werden, die zur Zurückweisung der Klage führe. Die Vereinbarung der Unklagbarkeit könne aber bei Prüfung der Berechtigung des Anspruches von ausschlaggebender Bedeutung sein. Sei werde in der Regel als außergerichtlicher Anspruchsverzicht aufgefaßt werden können. Eine Unzulässigkeit des Einforderungsverzichtes kann aus dieser Literaturstelle nicht abgeleitet werden. Darüber hinaus wird der Einforderungsverzicht in der Lehre durchaus für zulässig angesehen (vgl. hiezu Klang in Klang[2] VI, 526; weiters für den Bereich des deutschen Rechtes etwa Reichel in Therings JB, 85, 1, sowie Larenz, Schuldrecht[10], I. Bd. 198). Auch der OGH hat etwa in der Entscheidung 2 Ob 431/65 = JBl. 1966, 479, ein Teilungsabkommen zwischen Haftpflichtversicherer und Sozialversicherungsträger als pactum de non petendo zugunsten des Haftpflichtversicherten qualifiziert.

Daß ein Verzicht auch in Form eines Vertrages zugunsten Dritter vereinbart werden kann, wird in der österreichischen Lehre und Rechtsprechung anerkannt (Welser, ZVR 1973, 313, FN 60, in diesem Sinn auch 3 Ob 70/65 = ZfRV 1968, 295; 3 Ob 58/62).

Soweit der Revisionswerber schließlich vorbringt, der Beklagte könne aus der Vereinbarung nicht begünstigt sein, weil bei keinem Haftpflichtversicherungsvertrag von vornherein feststehe, ob es während der Dauer des Versicherungsvertrages überhaupt zum Eintritt des Versicherungsfalles kommen werde und jedenfalls die an einem allfälligen Unfall beteiligte Person noch nicht feststehe, ist ihm zu erwidern, daß bei Verträgen zugunsten Dritter der Begünstigte auch eine zunächst noch unbestimmte Person sein kann, die aber bestimmbar ist oder in der Folge bestimmbar sein wird (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 241 bei Anm. 144, und 226 bei Anm. 11, Welser in ZVR 1973, 314, FN 62, MietSlg. 20.077, 1 Ob 130/67 u. a.). Da aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, bei Eintritt eines Schadenfalles, bei welchem das versicherte Fahrzeug durch einen Dritten beschädigt wird, sowohl die Person des Schädigers als auch des Halters sowie der Haftpflichtversicherer feststehen, ist dem Erfordernis der Bestimmbarkeit des durch die Vereinbarung Begünstigten Genüge getan. Darüber hinaus ist auch das Bestimmtheitserfordernis hinsichtlich der dem Einforderungsverzicht unterliegenden Forderung erfüllt, da diese mit Eintritt des Schadenfalles bzw. der Benützung eines Mietwagens eindeutig individualisiert ist (vgl. hiezu Welser, ZVR 1973, 314 insbesondere FN 63, EvBl. 1969/15, EvBl. 1964/121). In der von den Vorinstanzen bejahten Möglichkeit und Zulässigkeit der gegenständlichen Vereinbarung unter dem Gesichtspunkt ihrer rechtlichen Konstruktion kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

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