OGH 5Ob436/60

OGH5Ob436/6025.1.1961

SZ 34/14

Normen

ABGB §879
Zinsstoppgesetz §1
ABGB §879
Zinsstoppgesetz §1

 

Spruch:

Der gestoppte Mietzins gilt auch bei Neuvermietung und bei Zusammenlegung von dem Zinsstoppgesetz unterliegenden Wohnungen.

Die Vereinbarung eines nach dem Zinsstoppgesetz unzulässigen Mietzinses macht nicht den ganzen Mietvertrag, sondern nur die Zinsvereinbarung unwirksam.

Entscheidung vom 25. Jänner 1961, 5 Ob 436/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Baden; II. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt.

Text

Die Beklagte hat mit dem schriftlichen Mietvertrag vom 29. August 1957 die Hochparterre-Wohnung im Hause des Hubert B. in A., bestehend aus vier Zimmern, Kabinett, Badezimmer, Gang, WC. und einem Kellerraum, gemietet. Nach dem Mietvertrag steht der Beklagten auch gemeinschaftlich mit dem Hauseigentümer die Mitbenützung des Stiegenaufganges, des Hauptkorridors im Hochparterre und der offenen Holzveranda, die durch Einglasung zu einem geschlossenen Raum gemacht werden sollte, sowie des Gartens zu. Als Mietzins ist ein Betrag von 500 S monatlich vereinbart. Der Vermieter verpflichtete sich, der Mieterin an anteiligen Betriebskosten nur 100 S monatlich zu verrechnen. Nach Punkt VIII des Mietvertrages gehen sämtliche Investierungen auf Kosten der Mieterin, die Aufwendungen werden jedoch als ablösbare Investitionen gewertet. Nach Punkt IV wurde das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit und für die ersten zehn Jahre durch den Vermieter unkundbar abgeschlossen. Es steht außer Streit, daß die Beklagte an B. den Mietzins für zehn Jahre im Betrag von 60.000 S im voraus bezahlt hat. Der Kläger hat das Haus am 3. März 1959 im Zwangsversteigerungsweg erworben. Der Bestandvertrag war zwar verbüchert, die Last war aber vom Ersteher nicht zu übernehmen. Der Kläger anerkannte die Mietzinsvorauszahlung nicht, worauf sich die Beklagte auf das Zinsstoppgesetz berief und erklärte, nur mehr jenen Zins zu zahlen, der für die Mietobjekte im Juni 1954 entrichtet wurde. Der Kläger verlangt die Feststellung, die Beklagte sei auf Grund des Mietvertrages verpflichtet, für die Wohnung einen monatlichen Hauptmietzins von 500 S und für Betriebskosten monatlich 100 S zu zahlen. Für den Fall der Abweisung des Begehrens beantragte er die Feststellung, der Mietvertrag sei wegen Verstoßes gegen das Zinsstoppgesetz nichtig, und die Verurteilung der Beklagten zur Räumung der Wohnung.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stehe außer Streit, daß die Wohnung nicht den Mietzinsbeschränkungen des Mietengesetzes unterliegt. Die Wohnung habe seinerzeit eine Einheit gebildet. Nach 1945 sei sie geteilt und die Teile seien an die Mietparteien G. und R. vermietet worden, die im Juni 1954 zusammen 92 S 82 g (zuzüglich 13 g Zuschlag und anteiliger Betriebskosten) als Mietzins gezahlt hätten. Das WC. und die Waschküche seien von den Mietern G., R. und F., dem Mieter der rückwärtigen Hofwohnung, gemeinsam benützt worden. Von den Hauseigentümern sei auch widerspruchslos geduldet worden, daß sämtliche Mietparteien den Garten benützten. Der Mietvertrag mit der Beklagten habe folgende Änderungen gebracht: Die Benützung des WC. stehe nur mehr der Beklagten und den Inhabern der Mansardenwohnung zu. Die Veranda, die früher von allen Mietern außer F. gemeinsam zu Abstellzwecken benützt worden war, dürfe nur mehr von der Beklagten und dem Hauseigentümer benützt werden. Die Waschküche sei in ein Badezimmer umgebaut worden und gehöre nun zur Wohnung der Beklagten. Die Tür in den Hof sei entfernt und an deren Stelle ein Fenster eingebaut worden. Ein Fenster vom Ostzimmer in die Veranda sei durch eine Tür ersetzt, und in die Veranda seien Fenster eingebaut worden. Die Kosten der Um- und Einbauten habe die Beklagte vorgestreckt, sie seien aber nach dem Mietvertrag bei der Beendigung des Bestandverhältnisses ablösbar. § 1 ZinsstoppG. bestimme, für Räume, die am 30. Juni 1954 den Bestimmungen des Preisregelungsgesetzes und der dazu ergangenen Verordnungen unterlagen, dürften die an diesem Tag bestandenen Mietzinsvereinbarungen nicht abgeändert werden. Daß die Räume am 30. Juni 1954 diesen Preisvorschriften unterlagen, sei unbestritten. Die Zusammenlegung von Wohnungen zu einer Großwohnung könne keine Ausnahme vom Zinsstoppgesetz zur Folge haben. Die von der Beklagten gemieteten Räume seien mit den Räumen, die am Stichtag den Preisregelungsvorschriften unterlagen, identisch. Der Zweck des Zinsstoppgesetzes solle durch Überwertung bloßer Nebenrechte nicht umgangen werden. Das Hauptbegehren bestehe daher nicht zu Recht. Auch das Eventualbegehren sei unbegrundet, denn wenn es der Kläger ablehne, in den Mietvertrag einzutreten, sei die Miete jedenfalls nach Treu und Glauben auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen über die Höhe des Mietzinses fortzusetzen.

Das Berufungsgericht gab dem Hauptbegehren statt und verwies den Kläger mit dem Eventualbegehren auf diese Entscheidung. Es billigte die Feststellungen des Erstgerichtes, war jedoch der Ansicht, bei einer Zusammenlegung von Wohnungen sei das Zinsstoppgesetz nicht anwendbar. Auch könne die von der Beklagten gemietete Wohnung mit eigenem Badezimmer, Klosett (und Veranda) nicht der Summe der früher an die Parteien G. und R. vermieteten Wohnungsbestandteile gleichgesetzt werden. Die Vereinbarung eines nicht an das Zinsstoppgesetz gebundenen Mietzinses sei daher zulässig gewesen. Im Fall der Abweisung des Hauptbegehrens wäre das Eventualbegehren begrundet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge und stellte die Entscheidung des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken, weil es sich um ein Dauerrechtsverhältnis handelt und das Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung wegen der zukünftigen Mietzinsforderungen über den Rahmen der derzeit möglichen Leistungsklage hinausgeht (Stagel - Michlmayr, ZPO., 12. Aufl. E. bei § 228 ZPO. unter C 4).

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, das Zinsstoppgesetz finde auf Wohnungen, die nach dem Stichtag des 30. Juni 1954 zusammengelegt oder vereinigt werden, keine Anwendung, kann nicht gebilligt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes werden durch das Zinsstoppgesetz alle bisher den Preisregelungsvorschriften unterliegenden Bestandobjekte und nicht bloß die am Stichtag bestandenen Bestandverträge erfaßt, so daß es nicht darauf ankommt, ob nach dem Stichtag neue Bestandverträge abgeschlossen wurden. Der gestoppte Mietzins gilt auch bei Neuvermietungen (MietSlg. 5386, 6062). Auch bei Zusammenlegungen bleibt der gestoppte Mietzins bestehen. Das Zinsstoppgesetz kann nicht durch eine Änderung der Verteilung der Wohnräume umgangen werden. Es kommt nur darauf an, ob die neu vermieteten Räume am 30. Juni 1954 bestanden und an diesem Tage vermietet waren. Frei von allen Beschränkungen hinsichtlich der Zinsbildung sind, abgesehen von den schon am 30. Juni 1954 den Bestimmungen des Preisregelungsgesetzes nicht unterworfen gewesenen Räumen, nur solche Wohnungen, die nach diesem Tag durch Umbauten, Auf-, Ein- oder Zubauten neu geschaffen wurden (vgl. die Ausnahme nach § 1 Abs. 2 Z. 1 MietG.). Davon kann nach den Feststellungen der Untergerichte keine Rede sein. Es liegt nur eine Zusammenlegung von zwei schon bisher den Bestimmungen des Zinsstoppgesetzes unterworfenen Wohnungen vor. Der Beklagten wurde nicht mehr Wohnraum zur Verfügung gestellt, als am Stichtag des 30. Juni 1954 bereits vermietet war. Die Bestandrechte der Beklagten wurden gegenüber denen ihrer Vorgänger nicht wesentlich erweitert. Die Benützung der Veranda und des Klosetts ist immer noch durch die Mitbenützung des Hauseigentümers, dem die Mansardenwohnung zusteht, eingeschränkt. Es wurden zwar Fenster und Türen versetzt, die Waschküche wurde in ein Badezimmer umgewandelt und die Veranda verglast. Dadurch wurde aber nicht mehr Wohnraum gewonnen. Die Waschküche war schon bisher an die früheren Mieter vermietet, und geändert hat sieh nur, daß der Beklagten nun die Alleinbenützung zusteht. Mehrleistungen des Bestandgebers liegen nicht vor, weil alle Veränderungen auf Kosten der Beklagten gingen. Daran wird dadurch nichts geändert, daß es im Punkt VIII des Mietvertrages heißt, die Aufwendungen der Mieterin würden als ablösbare Investitionen gewertet, denn - mag damit auch ein Anspruch auf Ablöse bei Beendigung der Miete zu dem dann noch bestehenden Zeitwert festgelegt sein - es bleibt immer die Möglichkeit offen, daß die Ablöse nicht vom Vermieter ersetzt, sondern auf den neuen Mieter überwälzt wird. Es kann daher keine Rede davon sein, daß ein wesentlich geänderter oder vergrößerter Bestandgegenstand geschaffen wurde, für den die Vereinbarung eines nicht mehr an das Zinsstoppgesetz gebundenen Mietzinses zulässig wäre. Das Hauptbegehren muß daher abgewiesen werden.

Das Berufungsgericht hat in der Begründung seiner Entscheidung die Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, daß im Fall der Abweisung des Hauptbegehrens der für diesen Fall geltend gemachte Räumungsanspruch zu Recht bestunde. Die beklagte Partei hat diese Anschauung in der Revisionsschrift bekämpft, und der Gegner hat dazu in der Revisionsbeantwortung Stellung genommen. Das Revisionsgericht vermag die Auffassung des Berufungsgerichtes nicht zu teilen.

Die Vereinbarung eines nach der Preisregelungsgesetzgebung unzulässigen Mietzinses macht nicht den ganzen Mietvertrag, sondern nur die Zinsvereinbarung (und auch diese nur auf die Dauer der Preisregelung) unwirksam. Das war ständige Rechtsprechung (s. die zahlreichen bei Kapfer, ABGB., 26. Aufl. zu § 879 unter Nr. 30 angeführten Entscheidungen), von der erst mit der Entscheidung MietSlg. 6940 und der dieser folgenden Entscheidung MietSlg. 7613 abgegangen wurde. Diese Entscheidungen wurden damit begrundet, der Zweck der Preisregelung bestehe nicht darin, den Übervorteilten zu schützen, er ziele vielmehr auf den Schutz der Maßnahmen und Einrichtungen zur ordnungsgemäßen Verteilung der Bedarfsgüter und Leistungen ab, das Verbot der Preisüberschreitung richte sich gegen beide Vertragsteile und müsse daher zur Vernichtung des ganzen Vertrages führen. Das Zinsstoppgesetz dient jedoch nicht dem Schutz der "Maßnahmen und Einrichtungen zur ordnungsgemäßen Verteilung der Bedarfsgüter und Leistungen", sondern, ähnlich wie das Mietengesetz, dem Schutz der Mieter. Dies ergibt sich sowohl aus der Entstehungsgeschichte und den Materialien als auch daraus, daß nach den §§ 2 bis 4 des Gesetzes viele Bestimmungen des Mietengesetzes sinngemäß anzuwenden sind. Grundsätzlich sind verbotene Geschäfte nur dann nichtig, wenn dies in der Verbotsnorm ausgesprochen ist oder wenn dies der Zweck der Verbotsnorm erfordert. Auch tritt die Nichtigkeit nur in dem Umfang ein, als es nach dem Zweck der Verbotsnorm erforderlich ist (Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 169; Kapfer a. a. O. E. Nr. 15, 16 und 17 bei § 879 ABGB.). Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann kommt bei Verstößen gegen das Zinsstoppgesetz keine Vertragsvernichtung, sondern nur eine Vertragsänderung auf die Dauer der Wirksamkeit des Gesetzes in Betracht, weil das Gesetz nur eine Mietzinserhöhung verbietet, aber nicht das ganze Geschäft mit Nichtigkeit bedroht, und die Vertragsänderung zur Erfüllung des gesetzlichen Zweckes hinreicht. Die gegenteilige Auffassung würde den Zweck des Zinsstoppgesetzes geradezu vereiteln, weil es der Vermieter jederzeit in der Hand hätte, den Mietvertrag als nichtig anzufechten, sobald der Mieter sich weigert, den gesetzwidrig erhöhten Zins zu zahlen. Es geht nicht an, den Mieter - so wie hier - vor die Alternative zu stellen, entweder einen nicht gesetzmäßigen Zins zu leisten oder die Wohnung zu verlieren. Das Ersturteil war daher im vollen Umfang wiederherzustellen.

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