OGH 3Ob175/13a

OGH3Ob175/13a28.11.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Mag. Christoff Beck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.808,60 EUR und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 3. Jänner 2013, GZ 21 R 243/12a‑84, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 31. Mai 2012, GZ 1 C 161/09a‑78, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 978,84 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 163,14 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger stieß beim Versuch, einen von der Beklagten betriebenen Baumarkt zu betreten, gegen ein neben der gläsernen Schiebetüre befindliches Fixglaselement und verletzte sich. Die Vorinstanzen gingen von einem gleichteiligen Verschulden aus und sprachen dem Kläger auf dieser Basis Schmerzengeld auch für eine künftige, von ihm beabsichtigte kosmetische Operation zu; sein Begehren auf Ersatz auch der Kosten dieser künftigen Operation wurde unter Hinweis auf die Legalzession nach § 332 ASVG abgewiesen; weiters stellten die Vorinstanzen die Haftung der Beklagten für künftige Schäden zur Hälfte fest. In dritter Instanz bekämpft der Kläger die Annahme seines Mitverschuldens und das Vorliegen einer Legalzession.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist ‑ ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ nicht zulässig. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Bloßen Ermessensentscheidungen ‑ zB über die Teilung oder Schwere des Verschuldens ‑ kommt im Allgemeinen keine über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu, weshalb die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht verwirklicht werden, solange der zweiten Instanz keine auffallende Fehlbeurteilung unterlief (RIS‑Justiz RS0021095; RS0044088).

Von einer solchen kann hier keine Rede sein, steht doch der Verletzung der Verkehrssicherheitspflichten der Beklagten (unzureichende Kennzeichnung eines Fixglaselements neben einer Glasschiebetür, die den Eingang zu einem Baumarkt bildete) eine nicht zu vernachlässigende Sorglosigkeit des Klägers gegenüber. Dieser schritt nämlich nicht nur „flotten Schritts“ auf das Eingangsportal zu, sondern stieß trotz „unschwerer“ Erkennbarkeit des Fixglaselements aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit dagegen (vgl RIS‑Justiz RS0023704; RS0027447; RS0023787).

Die von den Vorinstanzen vorgenommene Teilung des Verschuldens von 1 : 1 ist unter diesen Umständen jedenfalls vertretbar (vgl 6 Ob 22/09t) und bedarf deshalb keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

2. Vom Gericht ist aufgrund des Einwands der Legalzession durch die Beklagte die Vorfrage selbständig zu prüfen, ob und in welchem Umfang dem Kläger Ansprüche aufgrund des erlittenen Unfalls gegenüber dem Sozialversicherungsträger zustehen, wenn die Verwaltungsbehörde (der Sozialversicherungsträger) ‑ wie hier ‑ darüber noch nicht entschieden hat (2 Ob 56/98v = SZ 71/3; RIS‑Justiz RS0037295; RS0109294). Entscheidend für die Legalzession ist die gesetzliche Leistungspflicht des Sozialversicherungsträgers; die Anerkennung eines Anspruchs durch diesen oder die tatsächliche Leistung sind hingegen nach § 332 ASVG keine Voraussetzung für den Forderungsübergang (RIS‑Justiz RS0124196).

Fest steht, dass der Kläger beim Anstoß einen offenen Bruch des Nasenbeins erlitt; Spät- und Dauerfolgen sind nicht mit Sicherheit auszuschließen. Aufgrund der Schmerzsymptomatik und der behinderten Nasenatmung ist „eine funktionell ästhetische Nasenchirurgie“ indiziert. Die Betriebskrankenkasse des Arbeitgebers des Klägers erklärte nach Einsicht in mehrere Befunde und Röntgenbilder mit Schreiben vom 25. Jänner 2012, dass diese Operation aus Sicht ihres kontrollärztlichen Dienstes medizinisch notwendig sei, eine detaillierte Kostenaufstellung aber nicht gegeben werden könne; weiters wurde auf die Ersatzpflicht des Verursachers hingewiesen.

Diesen Feststellungen ist zu entnehmen, dass die bevorstehende kosmetische Operation des Klägers (auch) der Beseitigung funktioneller Krankheitszustände (und zwar der behinderten Nasenatmung) dient. Nach § 133 Abs 3 ASVG gelten auch kosmetische Behandlungen als Krankenbehandlungen, wenn sie zur Beseitigung anatomischer oder funktioneller Krankheitszustände dienen, sodass der noch ausstehende Eingriff rechtlich als Krankenbehandlung des Klägers zu qualifizieren ist (wovon erkennbar auch die Betriebskrankenkasse des Arbeitgebers des Klägers ausgeht). Der Umstand, dass der Eingriff (allenfalls) auch kosmetischen Zwecken dient, ändert daran nichts (arg „kosmetische Behandlungen“).

Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten der „ästhetischen Nasenchirurgie“ gegenüber der Beklagten (§ 1325 ABGB; vgl RIS‑Justiz RS0030626) ist daher hier von der Legalzession nach § 332 ASVG erfasst (Neumayr in Schwimann³ § 332 ASVG Rz 45), sodass die Verneinung seiner Aktivlegitimation durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden ist.

3. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass der Kläger diese Kosten gemäß §§ 50, 41 ZPO zu ersetzen hat.

Stichworte