OGH 14Os127/13b

OGH14Os127/13b1.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Islam A***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 dritter Fall, 12 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Islam A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Juni 2013, GZ 4 Hv 10/13z-96, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Islam A***** betreffenden Schuldspruch sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Islam A***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde - soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant - Islam A***** (abweichend von der wegen §§ 15, 142 Abs 1, 143 dritter Fall StGB erhobenen Anklage) des (richtig:) Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: erster Fall) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er (am 31. Dezember 2012) „in Graz durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und unter Verwendung einer Waffe, den Hussein S***** dadurch, dass er eine CO-2 Pistole aus dem Hosenbund zog und dem Genötigten seine Bereitschaft signalisierte, diese auch zu verwenden, dazu genötigt, seinen unmittelbaren örtlichen Nahbereich zu verlassen“.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Islam A***** kommt schon aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Sie reklamiert - teilweise im Rahmen der Rechtsrüge (der Sache nach Z 5 vierter Fall) - deutlich genug, dass die Feststellungen zum objektiven Sachverhalt sowohl hinsichtlich des angenommenen Nötigungszieles als auch in Betreff des Bedeutungsinhalts der inkrimierten Nötigungshandlung (US 4 und 6) offenbar unzureichend begründet sind.

Tatmittel der Nötigung ist - soweit hier relevant - eine gefährliche Drohung, das heißt eine solche mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen. Zwar muss die Drohung nicht in einer direkten mündlichen Äußerung bestehen, sondern kann auch in einer Gebärde oder etwa in sachlichen Vorkehrungen, wie dem bloßen Halten einer Waffe oder dem Hantieren mit einer Schusswaffe (einer solchen ist eine - wie hier für den Bedrohten nicht als mindergefährlich erkennbare [US 5] - Gaspistole gleichzusetzen; RIS-Justiz RS0092983) zum Ausdruck kommen (SSt 54/79; Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 25 mwN; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 50).

Welchen Bedeutungsinhalt eine - auch nonverbale - Äußerung hat, ist jedoch eine im Rahmen der Beweiswürdigung zu lösende Tatfrage, die unter Bedachtnahme auf alle konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösen ist (RIS-Justiz RS0092437, RS0092588 [T6, T15, T20 und T27]). Dabei ist der grundlegende Erfahrungswert in Rechnung zu stellen, dass der Sinn eines Ausdrucks oder auch einer Geste je nach Situation, Vorverständnis, Schichtzugehörigkeit, Umgangsformen, Bildungsgrad der Beteiligten oder anderen Begleitumständen durchaus unterschiedlich sein kann (14 Os 105/05f).

Die diesbezüglichen - keines der eben dargestellten Kriterien auch nur ansatzweise berücksichtigenden - Erwägungen der Tatrichter, die sich im - nicht näher konkretisierten - Hinweis auf „die Berichte der Landespolizeidirektion Steiermark (ON 2)“ und die „glaubwürdigen und in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Mahmoud Sh***** und Mehrab F*****“ erschöpfen (US 5), genügen den Begründungserfordernissen nicht.

Das erstgenannte Verfahrensergebnis ist zur Fundierung der bekämpften Urteilsannahmen schon deshalb nicht geeignet, weil die darin alleine enthaltene Darstellung des gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurfs eines schweren Raubes zum Nachteil des Hussein S***** im Wesentlichen auf den Angaben des vermeintlichen Tatopfers fußt (ON 2 S 5), die in der angefochtenen Entscheidung indes global als „nicht nachvollziehbar“ und „eindeutig widerlegt“ erachtet wurden (US 5). Den Angaben der genannten Zeugen ist hinwieder zwar zu entnehmen, dass Islam A***** eine Pistole aus dem Hosenbund genommen, sie kurz und ohne auf jemanden zu zielen in der Hand gehalten und danach wieder in den Hosenbund gesteckt habe (ON 95 S 3 bis 5). Über eine konkrete (Todes-)Drohung (RIS-Justiz RS0093712, RS0092878) oder Nötigungszwecke (Fabrizy, StGB10 § 105 Rz 2 und § 107 Rz 7), mit anderen Worten eine (im Sinn einer Mittel-Zweck-Beziehung) im Zusammenhang mit der „Drohung“ stehende Forderung nach einem bestimmten Verhalten (vgl RIS-Justiz RS0093339), sagen sie jedoch nichts aus.

Da bereits dieser im Ergebnis zutreffend aufgezeigte Begründungsmangel - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zur Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung zwingt (§ 285e StPO), erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang werden - im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs - in objektiver Hinsicht auch eindeutige Feststellungen zu einer konkreten Todesdrohung sowie zur - die Ankündigung eines solchen Übels umfassenden - subjektiven Tatseite (die Urteilsannahmen, wonach es dem Angeklagten darauf ankam, dem Tatopfer „durch das Herausholen der Waffe aus seinem Hosenbund zu signalisieren, dass er diese gegebenenfalls auch benützen werde“ [US 4], reichen hiefür nicht aus; vgl dazu Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 2 f), zu treffen und mängelfrei zu begründen sein.

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