OGH 9ObA97/13z

OGH9ObA97/13z27.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** F*****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** & M***** GmbH, *****, vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wegen 806,28 EUR sA (Revisionsinteresse der klagenden Partei: 74 EUR sA; Revisionsinteresse der beklagten Partei: 732,28 EUR sA), über die Revisionen der Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 15. Mai 2013, GZ 7 Ra 2/13p‑28, mit dem den Berufungen der Streitteile gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Oktober 2012, GZ 32 Cga 48/12w‑19, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 151,34 EUR (darin 25,22 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 5. Mai 2008 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zunächst als Friseurlehrling und danach als Friseurin angestellt und infolge eines Betriebsübergangs ab 1. September 2011 für die Beklagte tätig. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für das Friseurgewerbe anzuwenden. Die Klägerin verdiente bei der Beklagten zuletzt 1.087,56 EUR brutto. Das Dienstverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin zum 11. Dezember 2011. Die Beklagte behielt von den Löhnen der Klägerin für November und Dezember 2011 einen Betrag von 806,28 EUR netto für die Ausbildung der Klägerin für Nageldesign und Wimpernverlängerung ein.

Die Klägerin macht diesen Betrag als Lohnforderung geltend. Die Kriterien des § 2d AVRAG für die Rückersatzvereinbarungen seien nicht erfüllt. Bei den von ihr besuchten „Bildungsveranstaltungen“ habe es sich nur um eine interne Ausbildung gehandelt, die nicht von einer offiziellen Stelle anerkannt sei und auch bei anderen Dienstgebern nicht verwertbar sei. Sie habe daran auch nicht freiwillig teilgenommen, sondern nur auf massiven Druck der Beklagten, weil sie sich noch in der dreimonatigen Behaltefrist gemäß § 18 BAG befunden habe und der Betriebsübergang im Raum gestanden sei. Die Fortbildungen seien äußerst mangelhaft durchgeführt worden. Die Klägerin sei nicht in der Lage, die angeblich erworbenen Spezialkenntnisse anzuwenden. Die Beklagte habe die Kosten auch nicht aufgeschlüsselt, sondern in undurchschaubarer Weise niemals angefallene Pauschalkosten bekannt gegeben.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass sie zur Sicherstellung der Qualität in ihren Salons ihren Mitarbeiterinnen die freiwillige Aus‑ und Weiterbildung zur Erlangung von Spezialkenntnissen durch innerbetriebliche Seminare anbiete, die von entsprechend erfahrenen Mitarbeiterinnen im Unternehmen durchgeführt würden. Die von der Beklagten angebotene Lash Sensation Wimperntechnik und die Nageldesign‑Ausbildung bildeten keinen Teil der Lehrabschlussprüfung für Stylisten und Perückenmacher. Die Nageldesign‑Ausbildung habe eine Mitarbeiterin der Beklagten geleitet, die gerade zu dem Zweck angestellt worden sei, derartige Ausbildungsleistungen zu erbringen. Die Beklagte schlüsselte in der Folge im Einzelnen ihre Kosten für das Schulungspersonal, das Material und den Modellaufwand auf, die für das Nageldesign insgesamt 518,42 EUR und für die Wimpernverlängerung/Wimpernverdichtung insgesamt 770,41 EUR ausgemacht hätten und in den Ausbildungsvereinbarungen jeweils pauschaliert worden seien. Für den Ausbildungskostenrückersatz sei nicht Voraussetzung, dass die Ausbildung extern durchgeführt werde. Das Aufrechnungsverbot nach § 293 Abs 3 EO werde nicht schlagend, weil es sich bei den Ausbildungskosten um einen Vorschuss handle, der unter den Bedingungen des § 2d AVRAG rückerstattungsfähig sei. Zwischen der Klagsforderung und der Gegenforderung bestehe auch ein innerer rechtlicher Zusammenhang, weil beide Forderungen aus dem selben Rechtsverhältnis, nämlich dem Dienstvertrag, und aus dem selben Tatsachengrund, nämlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, entstanden seien.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 732,28 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 74 EUR ab. Über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus stellte es zusammengefasst fest:

Die Rechtsvorgängerin führte den Betrieb als klassischen Damen‑ und Herrenfriseursalon. Die Beklagte betreibt acht Friseur‑ und Schönheitssalons in G*****, K*****, R***** und W***** und beschäftigt ständig zwischen 80 und 90 Mitarbeiter.

In Hinblick auf die Übernahme zum 1. September 2011 präsentierte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeitern die Dienstleistungspalette der Beklagten, die auch Haarverlängerungen, Kosmetikbehandlungen, Nageldesign, Wimpernverlängerung und Fußpflege umfasst, und erklärte, es würde ihn freuen, wenn die Mitarbeiterinnen eine Zusatzausbildung machten. Die Klägerin meldete sich für die Ausbildung in Nageldesign und Wimpernverlängerung an.

Am 25. August 2011 unterfertigte sie, ohne unter Druck gesetzt worden zu sein, folgende Vereinbarung:

Vertragliche Vereinbarung!

Zwischen der M***** & M***** GmbH als Arbeitgeber einerseits und Frau E***** F***** als Arbeitnehmerin andererseits wird folgende Vereinbarung getroffen:

Frau E***** F***** ist gewillt, im Rahmen ihrer Tätigkeit bei 'M***** & M*****' als Friseurin und Perückenmacherin neben der herkömmlichen, branchenüblichen saloninternen Aus- und Fortbildung bei M***** & M***** weitere spezielle Aus- und Fortbildungsveranstaltungen zu besuchen.

Frau E***** F***** ist sich der Tatsache bewusst, dass sie durch die im Folgenden beschriebenen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen einen Ausbildungsstand erreicht, der Dienstnehmern im Rahmen ihrer herkömmlichen, branchenüblichen Ausbildung im Regelfall nicht angeboten wird. Dadurch ist es ihr zum einen möglich, den Anforderungen bei 'M***** & M*****' gerecht zu werden, zum anderen erhält sie durch die im Anschluss genannten Aus‑ und Fortbildungsmaßnahmen ganz entscheidende (Wettbewerbs-)Vorteile gegenüber anderen sich am Arbeitsmarkt befindlichen branchengleichen Dienstnehmern.

Gesamtkosten Nageldesign Ausbildung EUR 490,00

Frau E***** F***** verpflichtet sich, die obgenannten effektiv angefallenen und vom Arbeitgeber getragenen Gesamtkosten dieser Aus‑ und Weiterbildungsmaßnahmen in Höhe von EUR 490,00, die für sie einen auch außerhalb des bestehenden Dienstverhältnisses wirtschaftlichen verwertbaren, hiemit ausdrücklich anerkannten Vorteil begründen, dem Arbeitgeber zu vergüten bzw zurückzuzahlen, wenn das Dienstverhältnis innerhalb von drei Jahren wie auch immer frühzeitig endet. Diese Rückzahlungsverpflichtung verringert sich nach Ablauf eines jeden vollen Jahres um ein Drittel der ursprünglichen Gesamtkosten.“

Eine gleichlautende Vereinbarung wurde hinsichtlich einer Ausbildung in Lash Sensation Wimperntechnik abgeschlossen, in der die Kosten mit 400,00 EUR pauschaliert wurden.

Nageldesign und Wimpernverlängerungen gehören nicht zum Berufsbild des Friseurs und Perückenmachers.

Die Schulungen wurden von zwei Mitarbeiterinnen der Beklagten in ihrer Arbeitszeit durchgeführt. Sie erhalten von der Beklagten pro Schulungstag 15 EUR an Diäten, eine von ihnen auch 15 EUR an Fahrtkostenersatz.

Die Schulungen der Klägerin, die von Dienstag bis Samstag arbeitete, fanden jeweils montags ab 9:00 Uhr, und zwar am 29. August, 5., 12. und 19. September 2011 statt. Die Seminare am 29. August, 5. und 12. September 2011 dauerten bis 15:30 Uhr. Bis Mittag wurde Wimpernverlängerung unterrichtet, nachmittags fand die Nagelschulung (jeweils vier Stunden) statt. An den ersten drei Tagen nahm an der Ausbildung für Nageldesign auch ein Lehrling teil. Den Wimpernverlängerungskurs besuchte die Klägerin überwiegend alleine, an vier Stunden nahm eine weitere Mitarbeiterin an einer Auffrischung teil. Zum Termin 29. August 2011 hatte die Klägerin eine Freundin mitgebracht, die den ganzen Tag als Modell zur Verfügung stand. Bei den von der Klägerin bei ihr platzierten Acrylnägeln verrutschte eine Schablone, das Ergebnis war schlecht. Am 19. September 2011 wurde die Klägerin vier Stunden in Nageldesign unterrichtet. An diesem Tag fertigte sie einer weiteren als Modell fungierenden Freundin Gelnägel an. Das Ergebnis war infolge einiger Luftblasen noch nicht perfekt.

Die Klägerin bekam von der Beklagten einen Materialkoffer für die Wimpernverlängerung im Wert von 86 EUR und einen Karton für Nageldesign im Wert von 304 EUR, mit dem sie an den Modellen arbeitete.

Nach der Schulung sollten die Mitarbeiterinnen der Beklagten die erlernten Fähigkeiten in ihrer Arbeitszeit an Kunden festigen, wobei die Beklagte mindestens fünf bis zehn Modelle empfiehlt. Die Klägerin, die die Lehrabschlussprüfung am 11. Oktober 2011 abgelegt hat, führte zwischen 5. und 15. Oktober 2011 an sieben Kunden eine Nagelbehandlung zum vergünstigten Preis von 44 EUR (Normalpreis: 80 EUR) durch. Von 6. Oktober bis 3. November 2011 nahm sie an sechs Kundinnen Wimpernverlängerungen zum vergünstigen Preis von 54 EUR (anstatt 120 EUR) vor. Es kann nicht festgestellt werden, ob diese Kunden die Behandlungen auch zum Normalpreis in Anspruch genommen hätten. Bei den Nagelbehandlungen der Klägerin gab es Reklamationen wegen Luftbläschen, eine Kundin beschwerte sich, dass die Wimpern nur einige Tage gehalten hätten.

Die Klägerin erhielt anlässlich ihres Ausscheidens von der Beklagten ein Arbeitszeugnis, in dem diese bestätigte, dass sich die Klägerin für die Berufszweige Nageldesign und Wimpernverlängerung ausbilden ließ.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, von einer unzulässigen Druckausübung auf die Beklagte sei nicht auszugehen, die Vereinbarungen über den Ausbildungskostenrückersatz seien wirksam zustande gekommen. Kenntnisse des Nageldesigns und der Wimpernverlängerung seien bei anderen Arbeitgebern verwertbare Spezialkenntnisse iSd § 2d AVRAG. Die erfolgreiche Absolvierung einer Ausbildung im Sinne dieser Bestimmung erfordere weder eine Prüfung noch ein Zeugnis. Die Pauschalierung der Rückerstattung von Ausbildungskosten sei zulässig, die Beklagte habe die ihr entstandenen Kosten auch detailliert aufgeschlüsselt. Allerdings könnten die der Beklagten ohnehin entstandenen Lohnkosten der Ausbildnerinnen nicht auf die Klägerin überwälzt werden. Ob der Verlust von Erwerbschancen als Opportunitätskosten geltend gemacht werden könne, brauche aufgrund des von der Beklagten vorgenommenen Lohnabzugs nicht geklärt werden. Für eine Aufrechenbarkeit des Rückerstattungsanspruchs gegen den der Exekution entzogenen Teil der Forderung fehle es an dem von § 293 EO geforderten engen rechtlichen Zusammenhang der Gegenforderung. Die Beklagte hätte daher nur in dem der Pfändung nicht entzogenen Umfang von 74 EUR einen Lohnabzug vornehmen dürfen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Streitteile keine Folge und schloss sich unter Darlegung von Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen der Argumentation des Erstgerichts an. Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob eine vereinbarte Verpflichtung zum Rückersatz von Ausbildungskosten einen rechtlichen Zusammenhang mit den Forderungen des Arbeitnehmers iSd § 293 Abs 3 EO begründe.

In ihren dagegen gerichteten Revisionen beantragen die Streitteile jeweils, das Berufungsurteil im klagsstattgebenden bzw klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellen die Streitteile Aufhebungsanträge.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben. Die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen beider Streitteile sind zulässig, jedoch nicht berechtigt.

I. Zur Revision der Klägerin

Die Klägerin steht auch in ihrer Revision auf dem Standpunkt, dass die hausinternen Schulungen der Beklagten keine Ausbildungen iSd § 2d AVRAG seien. Eine erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung setze ein Zeugnis oder das Ablegen einer Prüfung voraus, was nicht der Fall gewesen sei. Die Klägerin habe die Einschulung nicht positiv absolviert, sie sei nach der Einschulung nicht in der Lage gewesen, Wimpernverlängerungen und Nageldesign mängelfrei bei Kundinnen durchzuführen.

I.1. § 2d Abs 1 AVRAG sieht für den Rückersatz von Ausbildungskosten vor:

„Ausbildungskosten sind die vom Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Kosten für jene erfolgreich absolvierte Ausbildung, die dem Arbeitnehmer Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderen Arbeitgebern verwerten kann. ...“

I.2. Bereits das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf Lehre und Rechtsprechung den Begriff der „Ausbildung“ im Sinne dieser Bestimmung dargelegt und zutreffend die Vermittlung von theoretischen und praktischen Spezialkenntnissen (Nageldesign, Wimpernverlängerung) an die Klägerin als eine solche Ausbildung qualifiziert, sodass darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Hervorzuheben ist davon, dass für die Frage, ob Ausbildungskosten iSd § 2d AVRAG vorliegen, ausschlaggebend ist, ob die dem Arbeitnehmer vermittelten Kenntnisse auf dem Arbeitsmarkt verwertbar sind bzw ob er dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, weil seine Fähigkeiten zunehmen und seine Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt steigen (s RIS‑Justiz RS0125435). Ob die Ausbildung dabei extern oder firmenintern angeboten wird, kann keinen grundsätzlichen Unterschied machen, muss es einem Arbeitgeber doch freistehen, die Vermittlung von Spezialkenntnissen durch Fremd‑ oder Eigenpersonal durchführen zu lassen. Wenngleich zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 2d AVRAG, wurden in diesem Sinn auch konzernnahe Ausbildungsmöglichkeiten nicht schon grundsätzlich von einer Kostenrückerstattung ausgeschlossen (9 ObA 151/12i).

Die Klägerin meint allerdings, dass eine Ausbildung ohne Qualifikationsprüfung nicht „erfolgreich absolviert“ sein könne.

I.3. Der Gesetzeswortlaut selbst lässt offen, was unter dem „erfolgreichen Absolvieren“ zu verstehen ist. Wie bereits in der Entscheidung 8 ObA 51/12a skizziert, wird dazu in der Literatur Folgendes vertreten:

I.4. Oberhofer, Ausbildungskostenersatz und Konkurrenzklausel neu, ZAS 2006, 152, 155, führt aus, „absolvieren“ bedeute, die vorgeschriebene Ausbildungszeit an einer Bildungseinrichtung abzuleisten bzw etwas auszuführen oder durchzuführen. „Erfolg“ stehe für das positive Ergebnis einer Bemühung. Ausbildungen seien allerdings unterschiedlichst gestaltet: Sie könnten beispielsweise bloß die Anwesenheit der Auszubildenden erfordern, sie könnten aber auch an Mitarbeit und eine (Abschluss‑)Prüfung gekoppelt sein. Außerdem sei es möglich, dass der Erfolg einer Ausbildung ausschließlich im Ablegen einer (Zusatz-)Prüfung bestehe. Deshalb sei letztlich die konkrete Ausgestaltung einer Ausbildung maßgeblich.

Nach Binder, AVRAG2 § 2d Rz 27, ist nicht entscheidend, ob der Erfolg in der Anwesenheit, Mitarbeit und/oder einer Prüfungsablegung besteht. Wohl aber sei zu verlangen, dass nicht nur Teilabschnitte, sondern auch der endgültige „Ausbildungsabschluss“ positiv erfolge.

Reissner in ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 9, meint, die Maßnahme müsse zum einen überhaupt einem erfolgreichen Abschluss zugänglich sein, zum anderen müsse sie auch tatsächlich erfolgreich abgeschlossen werden. Auch er hält aber Prüfungen oder Zeugnisse nicht für entscheidend.

Nach Eypeltauer, Offene Fragen des Ausbildungskostenrückersatzes ‑ eine Trilogie, ecolex 2007, 196 (197 f), sei nur eine Ausbildung, die zum Erfolg ein Bemühen voraussetze, eine solche iSd § 2d Abs 1 AVRAG. Damit würden Seminare, Kurse und sonstige Veranstaltungen als Ausbildungen ausscheiden, die bloß eine Teilnahme bzw Anwesenheit erforderlich machten und mit der bloßen Teilnahmebestätigung endeten, weil sie in der Regel zu keinen besseren Chancen des Arbeitnehmers am Arbeitsmarkt führen. Solle dem Wort „erfolgreich“ eine eigenständige Bedeutung zukommen, müsse eine erfolgreich abgelegte Prüfung am Ende der Ausbildung stehen. Ausnahmen könnten bei besonders prestigeträchtigen Veranstaltungen oder aufbauenden Lehrgängen bestehen.

I.5. In der Entscheidung 8 ObA 51/12a wurde daraus abgeleitet, dass eine für den Arbeitnehmer völlig wertlose, weil nicht verständliche Ausbildung nicht als „erfolgreich“ absolvierte Ausbildung iSd § 2d AVRAG qualifiziert werden könne.

I.6. Oberhofer zeigt richtig auf, dass Ausbildungen, mit denen am Arbeitsmarkt verwertbare theoretische und praktische Kenntnisse vermittelt werden, sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können (Erfordernis der bloßen Anwesenheit oder auch Mitarbeit, Üben, eigenes Praktizieren des Auszubildenden etc) und sowohl unter Kontrolle des Lernerfolges, zB durch Ablegen einer Prüfung, als auch ohne eine solche beendet werden können.

I.7. Gemessen an der § 2d AVRG zugrunde liegenden Wertung, dass der Ersatz von Ausbildungskosten durch den Arbeitnehmer dann gerechtfertigt ist, wenn ihm am Arbeitsmarkt verwertbare Spezialkenntnisse verschafft wurden, muss es für den Ausbildungserfolg darauf ankommen, dass dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Wissen und bestimmte Fähigkeiten (Know How) dergestalt vermittelt wurden, dass er darüber verfügen und sie einsetzen kann. Wird die Vermittlung des Wissens und der Fähigkeiten am Ausbildungsende einer Prüfung unterzogen, so ist für die Beurteilung des Ausbildungserfolges in der Regel das positive Absolvieren der Prüfung maßgeblich. Eine Prüfung oder ein Zeugnis muss aber nicht in jedem Fall vorgesehen sein, weil der Erfolg einer Ausbildungsleistung auch nur an den neu erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten des auszubildenden Mitarbeiters ersehen und gemessen werden kann. Dass der Auszubildende nach Abschluss der Ausbildung nicht von Beginn an völlig mängelfrei arbeitet und noch nicht die gleichen Fertigkeiten haben muss wie ein Mitarbeiter, der seit längerem mit der entsprechenden Aufgabe befasst ist, kann dabei nicht schaden, weil auch eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung den Wert von Routine und Erfahrung nicht zu ersetzen vermag. Es kann aber auch kein Zweifel bestehen, dass auch ohne Prüfungsnachweis erworbene Spezialkenntnisse am allgemeinen Arbeitsmarkt nachgefragt und bewertet werden können. Der erkennende Senat schließt sich daher für den Fall, dass eine Ausbildung keine Qualifikationsprüfung vorsieht, jenen Literaturmeinungen an, die für den „erfolgreichen Abschluss“ einer Ausbildung iSd § 2d AVRAG eine Prüfung oder ein Zeugnis nicht für erforderlich erachten.

I.8. Im vorliegenden Fall nahm die Klägerin an einem mehrtägigen Seminar teil, bei dem ihr zunächst in der Theorie Fachwissen in den Bereichen Nageldesign und Wimpernverlängerung vermittelt wurde und sie dieses Wissen sodann auch praktisch an Modellen zu üben hatte. Dadurch erwarb sie offensichtlich solche Kenntnisse, die sie nach Einschätzung der Beklagten nur noch zu festigen hatte und die es ihr erlaubten, in der Folge ‑ wenngleich zu reduziertem Preis ‑ auch an Kunden tätig zu werden. Dass die Klägerin zu diesen Dienstleistungen nicht in der Lage gewesen wäre, wurde nicht festgestellt. Dass sie mangels ausreichender Festigung ihrer Kenntnisse noch nicht völlig mängelfrei arbeitete, kann aber, wie dargelegt, nicht schaden.

I.9. Davon ausgehend sind die Vorinstanzen zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass der Klägerin im vorliegenden Fall eine erfolgreiche Ausbildung zum Nageldesign und zur Wimpernverlängerung zuteil wurde, die auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere im kosmetischen Bereich, nachgefragt und verwertbar ist und damit zu einer Steigerung der Berufschancen der Klägerin geführt hat.

I.10. Soweit die Klägerin die Pauschalierungsvereinbarung für unwirksam erachtet, weil sie intransparent und überschießend sei, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass „mit ...“ bezifferte Ausbildungskosten, die der Arbeitnehmer bei vorzeitiger Lösung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber zurückzuzahlen hat, nicht pauschaliert, sondern nur nach oben begrenzt sind. Die Rückzahlungspflicht umfasst nur die vom Arbeitgeber für die Ausbildung tatsächlich aufgewendeten „Kosten“, also nur jene besonderen Auslagen, die ihm über aus dem Arbeitsvertrag resultierenden Verpflichtungen für eine spezielle Ausbildung aufliefen (RIS‑Justiz RS0028886). Unter Berücksichtigung des Aufrechnungsverbots des § 293 EO (dazu sogleich) hat die Beklagte den Aufwand jedenfalls ersatzfähiger Kosten (Diäten, Fahrtkosten, Seminarunterlagen) auch ausreichend aufgeschlüsselt.

Danach ist die Revision der Klägerin auch in diesem Punkt nicht berechtigt, sodass ihr ein Erfolg zu versagen ist.

II. Zur Revision der Beklagten

Die Beklagte meint, dass ihr gemäß § 293 EO die Aufrechnung mit dem Ersatzanspruch für die Ausbildungskosten gegen die Lohnforderung der Klägerin möglich sei. Darin ist ihr nicht zu folgen:

II.1. Gemäß § 293 Abs 3 EO ist die Aufrechnung gegen den die Exekution entzogenen Teil der Forderung, abgesehen von den Fällen, wo nach bereits bestehenden Vorschriften Abzüge ohne Beschränkung auf den der Exekution unterliegenden Teil gestattet sind, nur zulässig zur Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Gegenforderung oder einer Schadenersatzforderung, wenn der Schade vorsätzlich zugefügt wurde.

Die Anwendung der Pfändungsbeschränkungen ist zwingendes Recht (§ 293 Abs 1 und 2 EO).

II.2. Bereits das Berufungsgericht hat zu Recht verneint, dass die von der Beklagten verauslagten Ausbildungskosten als der Aufrechnung zugänglicher Entgeltvorschuss (§ 293 Abs 3 erster Fall EO) zu qualifizieren sind. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Vorauszahlung auf einen noch nicht fälligen Entgeltanspruch der Klägerin für dann tatsächlich erbrachte Arbeitsleistungen (s auch Oberhammer in Angst EO2 § 290c Rz 2), sondern um einen von der Beklagten einem Dritten geleisteten Aufwand (Ausbildungskosten), den sie von der Klägerin ersetzt haben will.

II.3. Aber auch der für eine Aufrechnung alternativ erforderliche rechtliche Zusammenhang (§ 293 Abs 3 zweiter Fall EO) ist nicht gegeben: Er liegt dann vor, wenn Forderungen aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden. Außerdem muss ein unmittelbarer enger Bezug bestehen und bei der Beurteilung dem Schutzzweck der Norm Rechnung getragen werden. Der Zweck des § 293 EO besteht in der Verhinderung der Umgehung der Pfändungsbeschränkungen (RIS‑Justiz RS0121046). Der Begriff des rechtlichen Zusammenhangs ist dabei eng auszulegen (vgl RIS‑Justiz RS0003873).

II.4. Für die enge Verknüpfung zwischen Forderung und Gegenforderung reicht jedoch die bloße Rückführbarkeit beider Forderungen auf ein und dasselbe Dienstverhältnis nicht aus. Wäre dies Absicht des Gesetzgebers gewesen, hätte er sich damit begnügen können, für alle gegenseitigen Forderungen aus dem Dienstverhältnis die unbeschränkte Aufrechenbarkeit zu normieren (s RIS‑Justiz RS0003888, RS0003908). In diesem Sinn ist ein Arbeitgeber mangels rechtlichem Zusammenhang nicht berechtigt, gegen den unpfändbaren Anspruch auf Urlaubsabfindung mit einer Überzahlung an Krankengeldzuschuss (RIS‑Justiz RS0003964 = 9 ObA 25/88) oder mit einer ‑ wenn auch durch Konventionalstrafenvereinbarung besicherten ‑ Schaden-ersatzforderung wegen ungerechtfertigten vorzeitigen Austritts des Arbeitnehmers gegen dessen Lohnanspruch aufzurechnen (RIS‑Justiz RS0125436 = 9 ObA 50/09g). Ein rechtlicher Zusammenhang wurde auch zwischen den Entgeltansprüchen des Dienstnehmers und einer Schadenersatzforderung des Dienstgebers aus einem Verhalten des Dienstnehmers bei Erbringung der Dienstleistung verneint (RIS‑Justiz RS0003899).

II.5. In der Literatur sind Reissner in ZellKomm2 § 2d AVRAG Rz 1 und Neumayr in ZellKomm2 § 293 EO Rz 4 der Ansicht, dass eine Aufrechnung mit der Forderung auf Rückersatz von Ausbildungskosten gegen den der Exekution entzogenen Teil der Arbeitnehmerforderung mangels ausreichender Konnexität nicht in Betracht kommt.

II.6. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an: Auch wenn man der Ansicht der Beklagten folgt, dass die Ausbildungsvereinbarung nur einen Zusatz zum Dienstvertrag der Klägerin darstellt, so wird nach der dargelegten Rechtsprechung das für den rechtlichen Zusammenhang erforderliche Kriterium des „einheitlichen Rechtsverhältnisses“ mit dem Bestand eines Dienstverhältnisses alleine noch nicht verwirklicht. Die Ansprüche haben auch unterschiedliche Anknüpfungspunkte: Während Grundlage des Entgeltanspruchs eines Dienstnehmers der Dienstvertrag und die laufende Arbeitsleistung ist, resultiert der Rückforderungsanspruch des Dienstgebers iSd § 2d AVRAG aus seiner wegen der „verfrühten“ Beendigung des Dienstverhältnisses frustrierten Aufwendung für die Ausbildung des Dienstnehmers, wodurch nur dieser Anspruch ausschließlich beendigungsabhängig ist. Er steht mit dem Lohnanspruch daher allenfalls in einem mittelbaren Zusammenhang. Schon das Berufungsgericht hat überdies zu Recht zu bedenken gegeben, dass eine Aufrechnung des Rückersatzanspruchs mit dem pfändungsfreien Teil des Arbeitseinkommens auch dem Zweck des § 2d AVRAG entgegenstünde, die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers nicht zu beschränken, wäre doch ein Arbeitnehmer bei einem entsprechend hohen Rückerstattungsanspruch des Arbeitgebers nur vor die Wahl gestellt, entweder nicht zu kündigen oder mit einem unter der Pfändungsgrenze liegenden Einkommen auszukommen. Das führt aber zum Ergebnis, dass auch bei der Rückforderung von Ausbildungskosten das Aufrechnungsverbot des § 293 Abs 3 EO zum Tragen kommen muss. Der zweite Fall leg cit („rechtlicher Zusammenhang“) der ausnahmsweise eine Aufrechnung gestattet, liegt nicht vor.

II.7. Das dagegen vorgetragene Argument der Beklagten, dass es dadurch zu einer sittenwidrigen, weil unzulässigen Benachteiligung jener Dienstgeber komme, die in Branchen mit Niedriglöhnen ihren Dienstnehmern eine Ausbildung zuteil werden ließen, übersieht, dass die gesetzlichen Pfändungsbeschränkungen alleine dem Schutz des Schuldners dienen und überdies nicht auf Pfändungen aus Arbeitsverhältnissen beschränkt sind.

II.8. Aus der Entscheidung 9 ObA 94/12g ist für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil das Aufrechnungsverbot des § 293 EO dort nicht revisionsgegenständlich war.

II.9. Soweit die Beklagte Tatsachenvorbringen der Klägerin für das von den Vorinstanzen amtswegig wahrgenommene Aufrechnungsverbot (zu diesem RIS‑Justiz RW0000616 = OLG Wien, 7 Ra 57/04k mwN) vermisst, reichte es hier bereits aus, dass die Klägerin ihren Monatslohn bekanntgab.

II.10. Aufgrund der Geltung des Aufrechnungsverbots kommt es auf die weiter in der Revision der Beklagten aufgeworfenen Fragen der Ersatzfähigkeit der Personalkosten betriebsinterner AusbildnerInnen sowie der Opportunitätskosten der Beklagten nicht mehr an.

Zusammenfassend erweist sich damit auch die Revision der Beklagten als nicht berechtigt, sodass auch ihr ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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