OGH 9ObA25/88

OGH9ObA25/8816.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Leopold S***, Kraftfahrer, Niederkappel,

Rummersdorf 2, vertreten durch Dr. Bernhard S***, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Caj. S*** Kunstmühle Gesellschaft mbH & Co KG, Linz, Ebelsberg, Marktmühlgasse 30, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück und Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 122.476,46 S brutto sA (Revisionsinteresse 121.722,85 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. November 1987, GZ 12 Ra 1088/87-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5. August 1987, GZ 15 Cga 50/87-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil einschließlich des unangefochtenen sowie des bestätigten Teiles insgesamt zu lauten hat:

"Die Klagsforderung besteht mit einem Betrag von 10.805,40 S zu Recht, mit einem weiteren Betrag von 111.671,06 S hingegen nicht zu Recht.

Die Gegenforderung besteht mit einem Betrag von 677,90 S zu Recht.

Bezüglich des 677,90 S übersteigenden Betrages wird die Gegenforderung abgewiesen.

Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 10.127,50 S brutto samt 4 % Zinsen seit 8. Juli 1986 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren von 112.348,96 S brutto samt 4 % Zinsen seit 8. Juli 1986 wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 32.075,18 S bestimmten Prozeßkosten (darin 2.915,92 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 9.428,10 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 857,10 S Umsatzsteuer) sowie die mit 5.657,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 514,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 22. Februar 1974 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete am 7. Juli 1986 durch Entlassung.

Der Kläger macht Ansprüche auf Kündigungsentschädigung, anteilige Weihnachtsremuneration für 1986, Urlaubsentschädigung für 28 Werktage, Entgeltfortzahlung und Familienbeihilfe für Juli 1986 sowie Abfertigung im Gesamtbetrag von 122.476,46 S brutto sA geltend. Er sei ungerechtfertigt entlassen worden. Bei der Einstellung des Klägers im Jahre 1974 sei vereinbart worden, daß er nur als Kraftfahrer eingesetzt werde. Er habe sich daher zu Recht geweigert, die Tätigkeit eines Beifahrers zu übernehmen. Auch sei im Betrieb der Beklagten bekannt gewesen, daß er sich im März 1986 wegen eines Nabelbruches einer Operation unterziehen mußte. Anschließend an diese Operation habe der Hausarzt dem Kläger jegliches schwere Heben verboten.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Mit dem Kläger sei vereinbart worden, daß er nicht nur als Kraftfahrer, sondern auch für andere Tätigkeiten, etwa als Beifahrer, eingesetzt werden könne. Der Kläger habe daher am 7. Juli 1986 einen Entlassungsgrund begangen, indem er die ihm aufgetragenen und zu seinem Aufgabenbereich gehörigen Arbeiten trotz Abmahnung verweigert habe. Darüber hinaus sei die nicht rechtzeitig geltend gemachte Klagsforderung verfallen.

Die Beklagte wandte ferner eine Gegenforderung von 9.650,13 S ein. Sie habe dem Kläger entsprechend einer betrieblichen Übung am 30. Juni 1986 13.615 S Urlaubszuschuß ausgezahlt. Der Kläger habe einen Urlaubsrückstand von 4 Arbeitstagen gehabt. Der neue Urlaubsanspruch habe 25 Arbeitstage betragen. Der Kläger habe 6 Arbeitstage verbraucht. Der zu viel erhaltene Teil sei nach § 15 A 9 Kollektivvertrag im Falle der Entlassung zurückzuzahlen. Außerdem sei für die Monate April bis Juni irrtümlich zuviel Krankengeldzuschuß bezahlt worden. Dieser Irrtum habe dem Kläger auf Grund des Kollektivvertrages bekannt sein müssen.

Die Gegenforderung errechne sich wie folgt:

Überzahlungen an Krankengeldzuschuß April bis

Juni 1986 11.483,47 S

Überzahlung Urlaubszuschuß 6.545,67 S

18.029,14 S

abzüglich

Urlaubsabfindung 1986 7.677,50 S

Entgeltfortzahlungsanspruch Juli 1986 677,90 S

Kontingentprämie Juli 1986 23,61 S

Der Kläger stellte die compensando geltend gemachten Beträge der Höhe nach außer Streit, bestritt aber, daß ihm ab 13. April 1986 nur mehr 33 % Entgeltfortzahlung (richtig Krankengeldzuschuß) gebühre und behauptete den gutgläubigen Verbrauch der Überzahlungen. Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit 10.805,40 S, die Gegenforderung mit 9.650,13 S zu Recht bestünden, gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 1.155,27 S samt 4 % Zinsen seit 8. Juli 1986 statt und wies das Mehrbegehren von 121.321,19 S sA ab.

Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Bei der Aufnahme war dem Kläger mitgeteilt worden, daß er Chauffeur sei und jeweils einen Beifahrer beigestellt bekomme. Beim Säckeausfahren hatten Fahrer und Beifahrer gemeinsam den LKW zu beladen. Die 50 kg schweren Säcke kamen mit einer Rutsche auf die Ladefläche des LKW, wo sie von Fahrer und Beifahrer 4 bis 8 m weit getragen und aufgeschichtet werden mußten. Beim Abladen hatte der Fahrer die Säcke mit einem Transportwagen oder händisch zur Bordwandkante zu befördern. Von dort hatte der Beifahrer die Säcke abzutragen.

Während der Zeit der Beschäftigung des Klägers war es bei der Beklagten üblich, daß auch jene Arbeitnehmer, die als Kraftfahrer aufgenommen wurden, in Ausnahmsfällen zu Beifahrertätigkeiten eingeteilt wurden und dies auch akzeptierten. So wurden die Chauffeure Anton P*** und Helmut N*** mehrfach als Beifahrer eingeteilt.

Der Kläger war überwiegend als Fahrer beschäftigt, war aber fallweise bereit, auch Beifahrertätigkeiten durchzuführen. Im Herbst 1985 kam es zwischen dem Kläger und dem anderen Chauffeur der Beklagten, Manfred L***, zu Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die beiden Fahrer verpflichtet seien, jeweils beim anderen als Beifahrer mitzufahren. Bei einer Aussprache, an der außer den Chauffeuren auch der Geschäftsführer der Beklagten, Mag. Heribert S***, der Betriebsleiter Leopold G*** und der Betriebsrat Alfred R*** teilnahmen, ging es um mehrere Probleme zwischen den Chauffeuren. Die Beklagte war bestrebt, die Chauffeure auch dann im Außendienst zu beschäftigen, wenn nicht alle LKW eingesetzt waren. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte, daß beide Chauffeure fallweise als Beifahrer mitzufahren hätten. Der Kläger und Manfred L*** sahen dieses Erfordernis ein. Als Zeichen der Zustimmung sowie der Aussöhnung mit dem anderen Fahrer kam es zu einem Handschlag zwischen den beiden Chauffeuren sowie dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten. Danach war der Kläger bis zu seiner Entlassung auch tatsächlich als Beifahrer tätig, zumindest am 5. Mai 1986.

Der Kläger war im Arbeitsjahr 1986/87 vor dem 11. März 1986 an 7 Arbeitstagen im Krankenstand. Wegen eines Nabelbruches war er vom 11. März bis 15. April 1986 an 25 Arbeitstagen im Krankenstand. Zu weiteren Krankenständen kam es vom 28. April bis 4. Mai 1986 und wegen einer Mandeloperation vom 2. Juni bis 4. Juli 1986. Anläßlich der Operation im März 1986 wurde kein echter Nabelbruch, sondern nur eine Hautausstülpung und eine minimale 3 x 3 mm große Fascienlücke festgestellt. Eine solche Lücke beeinträchtigt die Arbeitsfähigkeit nicht. Der Hautnabel wurde an der Fascie fixiert und genäht. Nach der Operation blieb eine 7 cm lange Narbe mit einer derben Platte im Narbenbereich zurück. Diese Operationsnarbe begründete am 7. Juli 1986 keinerlei Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Am 20. März 1986 entfernte der Hausarzt des Klägers die Nähte. Ihm war lediglich bekannt, daß es sich um eine Nabelbruchoperation gehandelt habe. Er gab dem Kläger daher die Anweisung, sich 6 Wochen körperlich zu schonen und in Hinkunft - ohne zeitliche Einschränkung - schweres Heben zu vermeiden. Ein derartiges Verbot war wegen der Geringfügigkeit des Eingriffs medizinisch nicht gerechtfertigt. Der Kläger teilte der Geschäftsführung der Beklagten hievon auch nichts mit, sondern vereinbarte bei seinem Dienstantritt am 16. April 1986 mit Mag. S*** lediglich, daß er ein bis zwei Wochen geschont werde (beim Säckeaufladen nicht helfen mußte). Als sich Mag. S*** etwa 2 Wochen später über den Gesundheitszustand des Klägers erkundigte, teilte ihm das Betriebsratsmitglied R*** mit, daß der Kläger seit einigen Tagen seinen LKW wieder selbst belade. Ab diesem Zeitpunkt äußerte der Kläger keinerlei Beschwerden und forderte auch keine Arbeitseinschränkung. Am 5. Mai 1986 war er auch als Beifahrer tätig. Nach dem Krankenstand wegen der Mandeloperation kündigte der Kläger am 4. Juli 1986 dem Betriebsleiter Leopold G*** seinen Dienstantritt für den 7. Juli 1986 an. Da der Kläger schon einmal seinen Diensteintritt angekündigt hatte, dann aber nicht gekommen war, wurde er für den Vormittag des 7. Juli 1986 als Beifahrer bei Manfred L*** für eine Fahrt nach Wels eingeteilt. Als der Kläger von dieser Einteilung am Morgen des 7. Juli 1986 erfuhr, erklärte er, daß er Beifahrertätigkeiten nicht mache und sich in den Aufenthaltsraum begeben werde, bis man ihm Fahrertätigkeiten zuweise. Er wurde vom Betriebsleiter darauf aufmerksam gemacht, daß dies Arbeitsverweigerung sei, daß die Beifahrertätigkeit nur für eine kürzere Tour vorgesehen sei und er für die nächste Tour am selben Tag wieder als Kraftfahrer eingeteilt sei. Da der Kläger dennoch auf seiner Weigerung beharrte, sprachen der Betriebsleiter Leopold G*** und der Buchhalter der Beklagten Walter R*** die Entlassung des Klägers aus. Während des ganzen Gespräches wies der Kläger nicht auf das vom Hausarzt ausgesprochene Verbot, schwer zu heben, hin.

Zum Tätigkeitsbereich des Klägers als Chauffeur gehörte es auch, mit Lieferwagen alleine Säcke auszufahren und sie wegzutragen. Das Beladen des LKW mit Säcken, das auch vom Fahrer durchgeführt wurde, war teilweise leichter, teilweise aber auch schwerer als das Entladen des LKW.

Dem Kläger stehen auch im Falle der gerechtfertigten Entlassung folgende Ansprüche zu:

Krankengeldzuschuß für Juli 1986 677,90 S

Urlaubsabfindung 7.677,50 S

Familienbeihilfe für Juli 1986 2.450,-- S

10.805,40 S.

Der sechswöchige Anspruch auf Entgeltfortzahlung endete für den Kläger am 12. April 1986. Nach dem Anhang zum Rahmenkollektivvertrag der Nahrungs- und Genußmittelindustrie in der Fassung vom 1. Jänner 1977 steht dem Kläger über die Dauer des Anspruches auf Entgeltfortzahlung hinaus für weitere 6 Wochen im Krankheitsfall ein Krankengeldzuschuß im Ausmaß von 33 % des Wochenbruttolohnes zu. Der Kläger erhielt jedoch für die Monate April bis Juni 1986 100 % Krankengeldzuschuß ausgezahlt, sodaß sich eine Überzahlung im April von 917,57 S, im Mai von 1.654,40 S und im Juni von 8.911,50 S ergab. Da dem Kläger die sechswöchige Frist des Entgeltfortzahlungsgesetzes bekannt war, hätte er im Zeitpunkt der Auszahlung des überhöhten Krankengeldzuschusses wissen müssen, daß ihm diese Zahlungen nicht zustanden.

Mit der Juniabrechnung 1986 wurde dem Kläger ein Urlaubszuschuß von 13.615 S ausgezahlt. Legt man den auf das letzte Arbeitsjahr des Klägers entfallenden aliquoten Teil des Urlaubszuschusses zugrunde, ergibt sich eine Überzahlung von 6.545,67 S.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger zumindest schlüssig dem Vorschlag des Geschäftsführers der Beklagten zugestimmt habe, auch Beifahrertätigkeiten zu übernehmen. Er sei daher verpflichtet gewesen, fallweise auch Beifahrertätigkeiten auszuführen. Da der Kläger der Beklagten das ärztliche Hebeverbot nicht als Grund für die Arbeitsverweigerung genannt habe, könne er sich nicht darauf berufen. Eine die Arbeitsverweigerung objektiv rechtfertigende Arbeitsunfähigkeit sei aber nicht vorgelegen. Die Entlassung sei daher berechtigt. Gegen den dem Kläger auch im Falle einer berechtigten Entlassung gebührenden Betrag von 10.805,40 S sei lediglich der Überbezug an Krankengeldzuschuß aufzurechnen, der höher sei als der Gesamtbetrag der Gegenforderung von 9.650,13 S. Bezüglich dieses Überbezuges sei ein gutgläubiger Verbrauch nicht anzunehmen. Dies gelte aber nicht für den Urlaubszuschuß, weil dem Kläger im Zeitpunkt der Auszahlung nicht bekannt gewesen sei, daß er kurze Zeit später entlassen werde. Die Ansprüche des Klägers seien nicht verfallen, weil sie der Kläger bereits mit Schreiben vom 14. Juli 1986 geltend gemacht habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und beurteilte das Verhalten des Klägers gleichfalls als Zustimmung zum Vorschlag der Geschäftsleitung, beide Fahrer sollten fallweise wechselseitig Beifahrertätigkeiten verrichten. Die Beifahrertätigkeit habe daher ab Herbst 1985 zum Kreis der arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers gehört. Die Anweisung des Hausarztes, nichts Schweres zu heben, hätte die Arbeitsverweigerung des Klägers zwar subjektiv gerechtfertigt, doch habe der Kläger diesen Rechtfertigungsgrund dem Arbeitgeber nicht sofort mitgeteilt. Da der Kläger vor dem Ausspruch der Entlassung ermahnt und zur Einhaltung seiner Pflichten aufgefordert worden sei, sei die Verweigerung der Beifahrertätigkeit als beharrliche Pflichtenvernachlässigung im Sinne des § 82 lit f GewO zweiter Tatbestand zu werten.

Die Aufrechnung sei gemäß § 293 Abs 3 EO auch bezüglich der der Pfändung entzogenen Urlaubsabfindung und Entgeltfortzahlung zulässig, weil ein rechtlicher Zusammenhang mit der Gegenforderung aus dem Titel der Überzahlung von Krankengeldzuschüssen anzunehmen sei. Daß für den Anspruch auf Familienbeihilfe der Rechtsweg nicht zulässig sei, könne nicht wahrgenommen werden, weil nur der Kläger ein Rechtsmittel ergriffen habe. Schließlich könne auch gutgläubiger Verbrauch der Überzahlungen an Krankengeldzuschuß nicht angenommen werden, weil der Kläger an der Rechtmäßigkeit des ihm ausgezahlten Bezuges zumindest hätte zweifeln müssen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Da von den Vorinstanzen auch über den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf rückständige Familienbeihilfe für Juli 1986 im Betrage von 2.450 S entschieden wurde und zur Geltendmachung rückständiger Familienbeihilfe grundsätzlich der Rechtsweg ausgeschlossen ist (vgl. Arb. 8.901, 9.124), ist zunächst zu prüfen, ob eine aus Anlaß der Revision des Klägers wahrzunehmende Nichtigkeit vorliegt. Der Kläger wendet sich mit seiner Revision gegen die Abweisung des gesamten Mehrbegehrens von 121.722,85 S sA und damit auch gegen die Kompensation des den zuerkannten Betrag von 1.155,27 S übersteigenden Betrages an Familienbeihilfe von 1.294,73 S mit der Gegenforderung der Beklagten, nicht aber gegen die Feststellung, daß die Klagsforderung in dieser Höhe zu Recht besteht, so daß dieser Teil der Entscheidung rechtskräftig ist. Die Unzulässigkeit des Rechtsweges kann daher aus Anlaß der Revision des Klägers auch nicht für den von den Vorinstanzen nach Kompensation mit der Gegenforderung abgewiesenen Teil der auf den Titel der vorenthaltenen Familienbeihilfe gestützten Klagsforderung wahrgenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Das zumindest schlüssige Zustandekommen einer Vereinbarung, daß der Kläger fallweise auch Beifahrertätigkeit zu verrichten habe, wurde vom Berufungsgericht mit zutreffender Begründung angenommen, so daß es ausreicht, zu dieser Frage auf die Richtigkeit der Beurteilung des Berufungsgerichtes hinzuweisen (§ 48 ASGG). Mit der Ablehnung der zum Pflichtenkreis des Klägers gehörenden Beifahrertätigkeit trotz Abmahnung und Hinweises, daß dies eine Arbeitsverweigerung sei, erfüllte der Kläger, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, den Tatbestand der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung im Sinne des § 82 lit f GewO zweiter Tatbestand. Völlig konsequent hat sich der Kläger dabei nicht auf die Anweisung seines Hausarztes, nichts Schweres zu heben, berufen, weil er auch als Chauffeur 50 kg Säcke zu heben und zu tragen hatte. Hätte der Kläger diese ärztliche Anweisung gegenüber dem Arbeitgeber ins Treffen geführt, wäre dadurch die Verweigerung gerade der Beifahrertätigkeit nicht zu entschuldigen gewesen. Um so weniger ist zu entschuldigen, daß er anläßlich seiner Erklärung, die Tätigkeit als Beifahrer abzulehnen und zu warten, bis man ihm Fahrertätigkeiten zuweise, die ärztliche Anweisung nicht einmal erwähnte. Eine Rechtfertigung des Verhaltens des Klägers kommt hingegen schon deswegen nicht in Frage, weil ihm das mit der Beifahrertätigkeit verbundene schwere Heben tatsächlich nicht unzumutbar war. Da damit für das Verhalten des Klägers weder ein Rechtfertigungs- noch ein Entschuldigungsgrund vorlag und die Verweigerung der zu seinem Pflichtenkreis gehörigen Beifahrertätigkeit sich nicht nur auf den 7. Juli 1986 bezog, sondern als Verweigerung dieser Arbeit auch für die Zukunft aufzufassen war (vgl. Kuderna Entlassungsrecht 73 f), war die Entlassung des Klägers berechtigt.

Da auch die Aufrechnung der Gegenforderung der Beklagten aus dem

Titel der Überzahlung an Krankengeldzuschüssen mit den dem Kläger

zustehenden entlassungsunabhängigen Ansprüchen bekämpft wurde, ist

auch zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Da mit dem Wegfall des

Entgeltfortzahlungsanspruches Krankengeld aus der

Krankenversicherung zu leisten war, ist den Vorinstanzen zunächst

darin beizupflichten, daß dem Kläger gutgläubiger Empfang und

Verbrauch eines Krankengeldzuschusses von 100 % des

Wochenbruttolohnes nicht zugebilligt werden kann (vgl. auch

Spielbüchler in Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht I2 145).

Da diese Überzahlung daher grundsätzlich rückforderbar ist, muß

weiters geprüft werden, ob die Aufrechnung mit dem unpfändbaren Teil

der Klagsforderung nicht gemäß § 293 Abs 3 EO ausgeschlossen ist.

Diese Bestimmung gestattet die Aufrechnung gegen einen der Exekution

entzogenen Teil von Bezügen aus Arbeitsverhältnissen lediglich zur

Einbringung einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden

Gegenforderung. Wie der Oberste Gerichtshof in SZ 56/70 =

Arb. 10.247 = JBl 1983, 609 = EvBl 1983/94 sowie in SZ 56/150 =

JBl 1984, 157 = EvBl 1984/103 mit eingehender Begründung unter

Berufung auf Fasching Komm. III 582 f, Krejci ZAS 1980, 175 und Spielbüchler Entgeltsicherung 90 ff dargelegt hat, erfordert es der Schutzzweck des § 293 Abs 3 EO, den Begriff des rechtlichen Zusammenhanges im Sinn dieser Gesetzesstelle eng auszulegen und reicht die bloße Rückführbarkeit von Klagsforderung und Gegenforderung auf das Arbeitsverhältnis hiefür nicht aus. Es sind nur solche Gegenforderungen des Arbeitgebers unter Außerachtlassung des Pfändungsschutzes aufrechenbar, die einen unmittelbaren und engen Sachbezug zum Entgeltanspruch haben. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf die zitierten Entscheidungen in Arb. 10.507 einen rechtlichen Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Zahlung eines Überstundenzuschlages für an einem bestimmten Tag geleistete Nachtarbeit und dem auf Feststellung gerichteten Begehren, daß für die am Sonntag zu leistenden Überstunden neben dem Überstundenzuschlag auch der Sonntagszuschlag gebühre, verneint, weil der Anspruch guf Zahlung des Überstundenzuschlages aus einem ganz anderen Sachverhalt abgeleitet werde, als der Gegenstand des Feststellungsbegehrens bildende Anspruch. Zwischen dem auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften beruhenden, gemäß § 27 Abs 2 FamLAG unpfändbaren Anspruch auf Familienbeihilfe und der aus dem Titel des Überbezuges an Krankengeldzuschuß abgeleiteten Gegenforderung besteht daher kein rechtlicher Zusammenhang. Ein derartiger Zusammenhang ist aber auch bezüglich des gemäß § 11 Abs 2 UrlG unpfändbaren Anspruches auf Urlaubsabfindung zu verneinen. Abgesehen davon, daß dieser Anspruch anders als der auf Krankengeldzuschuß auf Gesetz beruht, bildet die Urlaubsabfindung lediglich das Surrogat für den gemäß § 7 UrlG grundsätzlich in natura zu gewährenden und damit schon mangels Gleichartigkeit mit einer Geldforderung nicht kompensablen Erholungsurlaub, wenn im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise der Urlaubsverbrauch nicht mehr möglich oder zumutbar ist. Eine Aufrechnung der Gegenforderung der Beklagten ist daher lediglich mit dem Anspruch des Klägers auf Krankengeldzuschuß für Juli 1986 im Betrage von 677,90 S zulässig. Über die diesen Betrag übersteigende Gegenforderung war daher nicht abzusprechen, sondern die Aufrechnungseinrede in diesem Umfang abzuweisen (vgl. Rummel in Rummel ABGB Rz 22 zu § 1438 mwH).

Der Revision des Klägers war daher teilweise Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 ZPO.

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