OGH 5Ob154/13b

OGH5Ob154/13b28.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin S* KG, *, vertreten durch Dr. Christian M. Egger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die 3. Antragsgegnerin E* GmbH, *, und 5. Antragsgegnerin S* G.m.b.H., *, beide vertreten durch Schubeck & Schubeck, Rechtsanwälte in Salzburg, sowie alle übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 172 GB *, wegen §§ 16 Abs 2, 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der 3. Antragsgegnerin und der 5. Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 12. Juni 2013, GZ 22 R 174/13m‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:E105571

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG, § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Rechtsmittelwerber behaupten eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs wegen nicht gehöriger Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags, weil dessen Aushang nicht erfolgt bzw vor Ablauf der Frist von 30 Tagen entfernt worden sei. Die Klärung dieser Zustellfrage sei mangelhaft geblieben, weil das Erstgericht insoweit seiner amtswegigen Nachforschungspflicht nicht nachgekommen sei und die Rechtsmittelwerber erforderlichenfalls nicht zu einem weitergehenden Vorbringen zu dieser Frage angeleitet habe.

1.2. Den Rechtsmittelwerbern ist zuzugestehen, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 58 Abs 1 Z 1 AußStrG auch dann noch im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden kann, wenn sie ‑ wie hier ‑ vom Rekursgericht verneint wurde (RIS‑Justiz RS0121265 [T4]; 10 Ob 57/08t MietSlg 61.736; 5 Ob 154/12a). Diesen Rechtsmittelgrund führen die Revisionsrekurswerber allerdings insoweit nicht gesetzmäßig aus, als sie sich über die ‑ den Obersten Gerichtshof bindenden ‑ Feststellungen des Erstgerichts hinwegsetzen, wonach der verfahrenseinleitende Antrag tatsächlich durch Anschlag iSd § 52 Abs 2 Z 4 iVm § 24 Abs 5 WEG 2002 zugestellt worden ist. Betreffend die Klärung dieser Tatfrage hat bereits das Rekursgericht das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint und ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann nicht mehr mit Erfolg als Revisionsrekursgrund geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0050037; RS0030748). Dass die Gültigkeit der Zustellung dadurch, dass der Anschlag allenfalls noch vor Ablauf dieser Frist abgerissen oder beschädigt wurde, nicht berührt wird, folgt unmittelbar aus dem Gesetz (§ 52 Abs 2 Z 4 Satz 4 WEG 2002). Das Erstgericht hat auch die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags an die Erstantragsgegnerin mit Zustellnachweis veranlasst (§ 52 Abs 2 Z 4 Satz 5 WEG 2002). Die Revisionsrekurswerber vermögen daher eine angebliche Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nicht erfolgreich aufzuzeigen.

2.1. Die Revisionsrekurswerber behaupten eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, weil diese betreffend den fraglichen Umbau samt Neugestaltung der übereinander liegenden Geschäftsflächen in den Wohnungseigentumsobjekten Top 1 und 5 rechtsirrig das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG 2002 bejaht hätten.

2.2. Für die Annahme einer „Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer“ iSd § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 fehlten ein erstinstanzliches Vorbringen der Revisionsrekurswerber und auch sonstige Hinweise, die zu amtswegigen Nachforschungen hätten Anlass geben können. Das Vorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels hat das Rekursgericht auch in diesem Zusammenhang verneint und die dazu erstatteten Behauptungen der Rechtsmittelwerber in ihrem Rekurs erwiesen sich als unzulässige Neuerungen.

2.3. Zum „wichtigen Interesse“ des Wohnungseigentümers an einer Änderung seines Objekts iSd § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 (§ 13 Abs 2 Z 2 WEG 1975) liegt bereits eine umfangreiche Judikatur des erkennenden Senats vor (vgl RIS‑Justiz RS0083240; RS0083378; RS0083341; RS0083345; RS0083356; RS0083233; RS0106050; RS0106560; RS0108579; RS0110977). Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 kommt es besonders darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (jüngst etwa 5 Ob 70/11x; RIS‑Justiz RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Diese Beurteilung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (vgl RIS‑Justiz RS0109643; 5 Ob 275/05k immolex 2006/101, 220 = EvBl 2006/131, 689; 5 Ob 63/08p wobl 2008/93, 272); dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (jüngst etwa 5 Ob 98/11i; 5 Ob 70/11x; 5 Ob 73/10m mwN; ferner 5 Ob 109/06z; 5 Ob 47/06g mwN = wobl 2006/96, 221 [Call] = MietSlg 58.408). Solange dieser Ermessensspielraum nicht verlassen wird, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor. Nur in Fällen einer groben, die Rechtssicherheit in Frage stellenden Fehlbeurteilung hat der Oberste Gerichtshof korrigierend einzugreifen (5 Ob 63/08p wobl 2008/93, 272). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung eine Verhältnismäßigkeit der Wichtigkeit des Interesses des Änderungswilligen zum Ausmaß der Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft als ein Kriterium heranzuziehen ist. Je geringer die Inanspruchnahme allgemeiner Teile, umso geringere Anforderungen sind an die Wichtigkeit des Interesses zu stellen (5 Ob 183/12s mwN immolex 2013/46 S 150 [Scheer]).

2.4. Die Vorinstanzen stellten hier darauf ab, dass die Allgemeinflächen im Außenbereich von der geplanten Maßnahme, mit Ausnahme der zu erwartenden Bautätigkeit, völlig unberührt bleiben, und dass lediglich die Decke zwischen zwei der Antragstellerin zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Einheiten von den Baumaßnahmen betroffen ist. Weiters waren die Vorinstanzen der Ansicht, dass in einem Geschäftslokal, in dem üblicherweise schwere Lasten zu transportieren sind, die angestrebte bauliche Änderung (Verbindung der übereinander liegenden Geschäftsflächen samt Errichtung einer Säulenhebebühne zum Warentransport und einer internen Treppe) jedenfalls dazu dient, dem Wohnungseigentümer die dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seiner Objekte zu ermöglichen. Diese Beurteilung ist auf der Grundlage des vorliegenden Sachverhaltssubstrats jedenfalls keine als unvertretbar aufzugreifende Verkennung der Änderungsvoraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002.

Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich somit nicht; der Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

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