OGH 14Os105/13t

OGH14Os105/13t27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Bandarra als Schriftführer in der Strafsache gegen Johannes V***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 21. März 2013, GZ 41 Hv 3/13a‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johannes V***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er Ende November 2011 in F***** Silvia P***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie am Bein ergriff und sie in eine liegende Position zog, sich auf sie legte, sie am Hals würgte, ihr den Mund zuhielt, ihr dabei befahl, still zu sein, andernfalls sie „die Fresse … für immer halten“ werde, und sodann den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 1, 3, 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Zur Geltendmachung des behaupteten Besetzungsmangels (Z 1, nominell auch Z 3) wegen Heranziehung zweier Ersatzschöffen in der Hauptverhandlung vom 21. März 2013 anstelle der beiden dem erkennenden Senat in jener vom 18. Februar 2013 angehörenden Schöffen, die zum Termin (teilweise unentschuldigt) nicht erschienen (ON 22, 24 und 25), ist der Beschwerdeführer, der den reklamierten Umstand nicht sofort gerügt hat, nicht legitimiert (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 93).

Im Übrigen sind Schöffen (und Geschworene) nicht Richter im Sinn des §§ 83 Abs 2, 87 Abs 3 B-VG und im Fall ihres Nichterscheinens zur Hauptverhandlung zu ersetzen, bei unentschuldigter Absenz auch ihres Amtes zu entheben (§§ 14 Abs 4, 16 Abs 1 GSchG). Willkürlicher Austausch der Laienrichter durch den Vorsitzenden wird in der Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen nicht deutlich und bestimmt behauptet (vgl zum Ganzen Danek, WK-StPO § 276a Rz 5; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 107 ff).

Mit dem in diesem Zusammenhang (erneut nominell aus Z 1 und 3, der Sache nach Z 5 vierter Fall) erhobenen Einwand, die (ersichtlich gemeint:) Ersatzschöffen hätten keine Kenntnis von den „bisherigen Verfahrensergebnissen“, insbesonders der Aussage der Zeugin Silvia P***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung, „gehabt und auch nicht erlangt“, übersieht die Rüge, dass die Hauptverhandlung vom 18. Februar 2013 in jener vom 21. März 2013 ‑ ungeachtet des diesbezüglichen (bei geänderter Senatszusammensetzung im Gesetz nicht vorgesehenen und daher unbeachtlichen) Verzichts der Verfahrensbeteiligten (ON 25 S 2 und 7; § 276a zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0099022) ‑ de facto durch (einverständlichen) zusammenfassenden Vortrag des wesentlichen Inhalts des Protokolls über die frühere Hautptverhandlung (§ 252 Abs 2a StPO; vgl dazu 11 Os 118/03, 144/03) und neuerliche Vernehmung des Angeklagten gemäß § 276a StPO wiederholt wurde. Das angesprochene Protokoll über die Aussage des Tatopfers im Ermittlungsverfahren wurde mit Einverständnis der Parteien im Anschluss (übrigens erstmals) ebenfalls resümierend dargestellt (ON 25 S 7).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Ausfolgung von „Kopien der kontradiktorischen Zeugeneinvernahme“ an die Schöffinnen (vgl ON 22 S 7) deren Vorkommen in der Hauptverhandlung (§ 258 Abs 1 StPO) nicht substituiert.

Der Oberste Gerichtshof überzeugte sich weiters ‑ insbesonders aufgrund aufklärender Stellungnahme des Vorsitzenden des Schöffengerichts, die dem Verteidiger zur Äußerung zugestellt wurde ‑ in freier Beweiswürdigung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 97) davon, dass auch in Betreff der behaupteten Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden des erkennenden Gerichts im Sinn des § 43 Abs 1 Z 3 StPO (Z 1, nominell auch Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a) der sofortigen Rügepflicht nicht entsprochen wurde, weil die in der Beschwerde thematisierten Umstände bereits in der Hauptverhandlung am 21. März 2013 ausführlich erörtert wurden.

Der geltend gemachte Ausschließungsgrund liegt zudem nicht vor. Denn nach der angesprochenen Stellungnahme des Vorsitzenden und ‑ gleichzeitig vorgelegten ‑ damit korrespondierenden Urkunden war Grund für die Feststellung von dessen Ausgeschlossenheit in dem beim Landesgericht Feldkirch zum AZ 40 Hv 22/12m gegen Anita K***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 StGB geführten Verfahren, dass er die Erledigung eines gegen eine Beteiligte (§ 12 dritter Fall StGB) anhängig gewesenen Strafverfahrens (mit Schuldspruch) für geeignet hielt, den Anschein der Befangenheit (§ 43 Abs 1 Z 3 StPO) im Verfahren gegen die beiden (mutmaßlichen) unmittelbaren Täterinnen zu begründen (vgl dagegen aber Lässig , WK-StPO § 43 Rz 12 mwN). Weshalb alleine der Umstand, dass Anita K***** auch im gegenständlichen ‑ mit den gegen sie erhobenen Vorwürfen zudem in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehenden ‑ Verfahren als Zeugin vernommen wurde, nach dem anzuwendenden objektiven Maßstab Zweifel an der vollen Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Vorsitzenden (in Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der genannten Zeugin) begründen sollte, ist nicht nachvollziehbar (vgl zum Ganzen: Lässig, WK-StPO § 43 Rz 9 ff).

Soweit die Beschwerde (unter Berufung auf Z 3, aber ohne Benennung einer in der Hauptverhandlung verletzten Vorschrift, deren Beobachtung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit vorschreibt, sowie undifferenziert gestützt auf Z 5, 5a und 9 lit a, der Sache nach Z 5 vierter Fall) die Verwertung von „Vernehmungsprotokollen“ sowie des Protokolls über die Vernehmung des Beschwerdeführers als Beschuldigter „vor dem Landespolizeikommando Vorarlberg“ kritisiert, die ‑ abgesehen von jenem über die kontradiktorische Befragung des Tatopfers - „keine Unterschriften aufweisen, sohin nicht unterfertigt wurden“, mangelt es ihr (überwiegend) schon an der gebotenen Nennung konkreter Beweismittel sowie an der erforderlichen deutlichen bestimmten Bezeichnung jener entscheidenden Feststellungen, die von einem Begründungsmangel betroffen sein sollen.

Im Übrigen übergeht die Rüge bei ihren Spekulationen zur fehlenden Authentizität der ‑ in der Hauptverhandlung mit Einverständnis der Parteien zusammenfassend referierten (ON 25 S 7) ‑ Protokolle aus dem Ermittlungsverfahren, dass der Angeklagte anlässlich entsprechender Vorhalte falsche Protokollierung gar nicht behauptet (ON 22 S 3 ff), die Zeugin Silvia P***** die richtige Wiedergabe ihrer früheren Aussagen ausdrücklich bestätigt (ON 18 S 6 ff) und die Zeugin Anita K***** ihre Angaben in der Hauptverhandlung im Wesentlichen wiederholt hat (ON 16 S 6 ff, ON 25 S 3 ff).

Was mit dem Hinweis auf einen einzelnen ‑ gänzlich unerheblichen ‑ Satz aus der Aussage des Angeklagten vor der Polizei („Ich war mir ziemlich sicher, die Frau nicht vergewaltigt zu haben.“) gesagt werden soll, der angeblich „entsprechend korrigiert“ wurde, ohne dass dies „dem dem Gericht vorliegenden Strafakt“ zu entnehmen wäre, ist nicht nachvollziehbar.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass das Vorbringen schon angesichts der Missachtung der Rügeobliegenheit der Z 2 unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes gleichfalls unbeachtlich ist, wozu kommt, dass keine ausdrückliche Nichtigkeitsdrohung auf das Fehlen einer Unterschrift abstellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 173 f, 183 ff; vgl im Übrigen zu ‑ wie hier ‑ im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs übermittelten Vernehmungsprotokollen den Erlass des BMJ vom 19. Februar 2008, JMZ 590000L/12/II 3/08, Punkt 2).

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf den zunächst schriftlich (ON 21) und sodann in der Hauptverhandlung am 18. Februar 2012 gestellten Antrag auf „Einholung des Strafaktes 40 Hv 22/12m des Landesgerichts Feldkirch“, der indes in der ‑ wie oben dargelegt ‑ gemäß § 276a zweiter Satz StPO neu durchgeführten Hauptverhandlung (ON 25 S 2) nicht wiederholt wurde (RIS‑Justiz RS0099049). Die bloße Verlesung des Protokolls über die frühere Hauptverhandlung reicht nicht aus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310; Danek, WK-StPO § 276a Rz 10).

Davon abgesehen ließ der Antrag jegliche Darlegung vermissen, warum die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis (dass nämlich der Angeklagte die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen hat)erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS-Justiz RS0118444; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330).

Der erst in der Rechtsmittelschrift gestellte weitere Beweisantrag hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Aus welchen Gründen das Erstgericht seinen Feststellungen die Angaben der Zeugin Silvia P***** - trotz einiger ausführlich erörterter Widersprüche - zugrunde legte, jenen der Zeugin Anita K***** demgegenüber nicht zu folgen vermochte, wurde im Urteil ausführlich dargelegt (US 7 ff). Eine darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details aus deren Depositionen ist unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie würde vielmehr dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) widersprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428).

Indem die Beschwerde (erneut undifferenziert aus Z 5, 5a und 9 lit a) einzelne ‑ nicht schuld- oder subsumtionsrelevante ‑ Divergenzen hervorhebt, rein spekulative Erwägungen an das Verhalten des Tatopfers während und nach dem Geschlechtsverkehr knüpft und auf dieser Basis dessen Glaubwürdigkeit und die Tragfähigkeit seiner Aussagen in Zweifel zu ziehen trachtet, erschöpft sie sich in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0106588, RS0099419, RS0099649, RS0099668) und verfehlt zudem unter dem Aspekt der Unvollständigkeit den ‑ nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen gelegenen ‑ Bezugspunkt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431 f).

Die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite werden mit dem Hinweis auf ein bestehendes „Vertragsverhältnis“ zwischen Silvia P***** und dem Angeklagten in Bezug auf „einvernehmlichen entgeltlichen Sex“ gleichfalls bloß substratlos bestritten, womit die Rüge erneut nicht an den von § 281 Abs 1 StPO eröffneten Anfechtungskategorien Maß nimmt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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